Klinische Kinder- und Jugendpsychologie

Psychotherapie bei Kinder und Jugendlichen (Therapieschulen)

Psychotherapie bei Kinder und Jugendlichen (Therapieschulen)

Elena Pauli

Elena Pauli

Kartei Details

Karten 47
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 29.11.2016 / 18.02.2024
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1. Ethische Aspekte

Voreinstellungen Psychotherapie

  • PT generell unwirksam (keine negativen Effekte)
  • PT generell nur gutes (keine unerwünschten Effekte)

1. Ethische Aspekte

Definition PT

PT ist ein bewusster und geplanter interaktionaler Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem Konsensus (Pat, Th, Bezugsgruppe) für behandlungs-bedürftig gehaltene werden, mit psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist verbal, aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens. In der Regel ist dazu eine tragfähige Bindung notwendig

1. Ethische Aspekte

Besonderheiten der Kinder- und Jugendlichenverhaltenstherapie

1. Kinder und Jugendliche sind in Entwicklung
2. Umwelts-/Kontextabhängigkeit
3. Therapiemotivation und Verantwortlichkeit
4. Therapiebeziehung
5. Kommunikations-, Reflexionsfähigkeiten, Krankheitsverständnis

Praktische Interventionsprinzipien

  • Entwicklungsbezug
  • Einbezug der Bezugspersonen
  • Therapie im natürlichen Setting
  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit

1. Ethische Aspekte

Was ist Ethik?

Aristoteles: Wissenschaftliche Beschäftigung mit Gewohnheiten, Sitten und Gebräuche

Hippokrates: medizinischer Ansatz

  • Grundsätzliche Hilfsbereitschaft
  • Anwendung des Könnens zum Wohle der Menschen
  • Schutz des menschlichen Lebens
  • Achtung des Patienten aufgrund seiner menschlichen Würde
    • Schweigepflicht, Aufklärungspflicht, sittliches Verhalten
  • Fortbildungspflicht 

Heute: Moral und deren Begründbarkeit, zentrale ethische Prinzipien in der PT:

  • Respekt vor der Autonomie des Patienten
  • individuell auf Einzelpersonen anpassen
  • Schadensvermeidung (non-maleficence)
  • Hilfeleistung (beneficence)
  • Gerechtigkeit

1. Ethische Aspekte

Ethik und Kinder

  • Sollen Anliegen der Eltern oder der Kinder primär behandelt werden?
  • Schweigepflicht gegenüber Eltern: Therapeut an Schweigepflicht gebunden (Weitergabe Infos nur mit schriftlicher Einwilligugn mötlich) Therapeut kann Kind nur dazu bringen, Notwendiges den Wltern zu berichten
  • Forschung an Nicht-Einwilligungsfähigen: Kindlicher Assent

1. Ethische Aspekte

Warum systematische Evaluation: Wie gut können Psychotherapeuten Therapie(miss)Erfolge vorhersagen?

Therapeuten sind sehr schlecht in der Behandlungsvorhersage (rot) --> desshalb immer wider evaluieren

2. Psychoanalyse

Kinderanalyse: historische Entwicklung

Siegmund Freud: Gründerfigur, Störungen können nur im Kindesalter entstehen

  • Psychischen Vorgängen liegt unbewusster Konflikt zu Grunde
  • Psychodynamisches Konzept: Wechselspiel zwischen Trieben und Alttagsanforderungen
    • Wechselspiel psychischer Kräfte, Triebe, Wiederstände, Ängste etc.
    • Störungen = Trieb/affektgesteuerte Motivationen im Konflikt
    • Nicht berücksichtigte Tireb- Affektmotive = vom Ich nicht zu kontrollierenden Einflussnahme auf Handeln

 

2. Psychoanalyse

Tiefenpsychologische Annahme über Symptombildende Prozesse der Selbst- und Sozialentwicklung

  • negative frühe Erfahrungen
  • Prägung der Ausgestaltung des Ichs
  • Entwicklung von Abwehrmechanismen
  • Symptombildung bei Labilisierung/Schwellensitation --> Affektstau

2. Psychoanalyse

Wirkfaktoren der tiefenpsychologischen Psychotherapie

  • Stimulation von Übertragungsprozessen
  • Kontrolle von Gegenübertragungsgefühlen
  • Angebot von Deutungsvorschlägen
  • Reaktion des Zuhören-könnens und der Empathie
  • Angebote einer Halt gebenden Beziehung
  • Angebot einer Resonanz bzw. "Container"-Funktion

2. Psychoanalyse

Tiefenpsychologische Annahme über symptombildende Interaktionsprozesse in der Familie

  • Störung der sozialbezogenen Autonomieentwicklung
  • Belastende elterliche Wünsche an das Kind (ex. Parentifizierung)
  • Abgewehrte Trauer, Unfähigkeit zur Trauer
  • Realitätsverfülschung durch Familienmythen und Familiengeheimnisse

2. Psychoanalyse

Ziel der tiefenpsychologischen Therapie

  • Symptomreduktion = sekundär
  • Aufdeckung der Symptom zugrunde liegenden unbewussten Entstehungsbedingungen, Klärung Konflikt
  • Hochfrequente Therapie notwenidg (70-120 Therapiestunden, 1-2x pro Woche)

2. Psychoanalyse

Entwicklung analytische PT

  • Technik der freien Assoziation wird durch das Spiel ersetzt
    • Zugang zum Unbewussten des Kindes --> Konflikt bewusst werden zu lassen und Alternativen/Lösungen finden
  • Einsatz von Spiel- und Puppenmaterial
    • Sceno Test --> häufig angewandt auch von Verhaltenstherapeuten, standardisierte Spielsachen = Konflikte erarbeiten
  • Zeichnen, Malen und Modellieren als Ausdrucksmittel
    • Familie in Tieren
  • Sofortige Deutung der Spielproduktion

2. Psychoanalyse

Kinderanalyse nach Melanie Klein

  • frei von pädagogischen Ansätzen (Ablehnung erzieherischer Einflussnahme)
  • konsequente Trennung der Behanlung des Kindes von Eltern und Elternhaus

2. Psychoanalyse

Kinderanalyse nach Anna Freud

  • Annahme: Kind ist „unreif und unselbständig“
  • Kind hat keine Krankheitseinsicht
  • Aktive Therapeutenrollen
  • Behandlungsbündnis auch mit Eltern eingehen
  • Spiel als Ausdruckmöglichkeit des Kindes mit symbolischen und realen Bestandteilen
  • Therapeut als Hilfs-Ich für das Kind
    • Muss analysieren und erziehen!

2. Psychoanalyse

Ziele einer fokalen Kurztherapie

  • Beseitigung Problemlage (Krisenintervention)
  • rasche, multidisziplinäre Diagnostik
  • Beurteilung des individuellen Konflikt- und Problemfeldes; Ursachen; Niveau der Ich-Entwicklung und der Objektbeziehung
  • Beurteilung der individuellen Ressourcen des Patienten & Familie (Lösungsmöglichkeit aktivieren)
  • soll kurz dauern
  • Herstellen der Bedingungen für zukünftiges langristig wirkendes therapeutisches Setting

2. Psychoanalyse

Ziele der psychoanalytischen Kindertherapie

  • Förderung der Ich-Funktionen
  • Förderung der Verbalisationsfähigkeit für innere Zustande, Differenzierung von Affekten
  • Verbesserung Regulation Affekte
  • Förderung interne Vorstellungsbilder über Affekte
  • Erleichterung Denkens durch Reduktion Angst
  • Erleichterung Denkens über Ursache und Folge
  • Unterstützung zwischen Phantasie und Realität trennen
  • Hilfe beim Setzen und Akzeptieren von Grenzen
  • Förderung Perspektivenübernahme und Reziprozität
  • Förderung Aufschub Wunschbefriedigung
  • Förderung Integration gegensätzlicher Gefühle/Wünsche

2. Psychoanalyse

Psychodynamische Kinderpsychotherapie für Kinder und Jugendliche: Review

  • 34 Studien, 9 RCT
  • ist Konfliktsituation gelöst? Zielbehandlung evaluieren
  • effektiv für Kinder

3. Verhaltenstherapie

Störungsspezifische Technik im Vordergrund

  • Kritik: unempatische Technokraten (Prinzipien des klassischen und operanten Konditionierens, Social Reinforcement Machine)
  • Symptomorientierung
  • übende Verfahren im Vordergrund

3. Verhaltenstherapie

Joseph Wolpe (1969)

Behavior therapy, or conditioning therapy, is the use of experimentally established principles of learning for the purpose of changing maladaptive behaviour.

--> es sollte alles empirisch belegt sein

3. Verhaltenstherapie

Bewegung statt Gründerpersönlichkeit: Entstehung VT

  • Anwendung experimentalpsychologischer Prinzipien auf klinische Probleme
  • Mitte des letzten J.h.
    • Grundlageforschung zu lerntheoretischer Aspekte klinischer Phänomene
    • Kritik an geringer Effektivität und mangelhaft empirischer Basis
    • Erfolgsberichte

3. Verhaltenstherapie

Grundprinzipien

  • Orientierung an der empirischen Psychologie
  • Problemorientierung
  • Handlungsorientierung
  • Kausalbedingungen als Ansatzpunkt
  • Zielorientierung
  • Transparenz
  • Hilfe zur Selbsthilfe
  • Ständige Weiterentwicklung

3. Verhaltenstherapie

3 Klassen von Methoden

  • Basisfertigkeiten
  • Störungsübergreifende Massnahmen
  • Störungsspezifische Therapieprogramme (Spezifikationsniveau höher als bei PA)

3. Verhaltenstherapie

erste Verhaltenstherapie mit Kindern

  • Mary Cover Jones (1924):
    • 2 konsistent effektive Therapiemethoden:
      • Assoziation mit alternativer angenehmer Reaktion
      • Konfrontation in Gegenwart angstloser Kinder 
  • Mowrer & Mowrer (1938):
    • Enuresis und Klingelmatte
  • Lovaas (1967)
    • Sprachaufbau durch Verhaltensshaping bei autistischen Kindern
      • Shaping: gewünschtes Verhalten zu belohnen, so dass es häufiger auftritt

3. Verhaltenstherapie

VT, Kinder und Jugendliche

Wissenschaftliche Anerkennung folgender Anwendungsbereiche:

  • Affektive Störungen (F3) und Belastungsstörungen (F34)
  • Angststörungen (F40-42) und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugendalter
  • Dissoziative, Konversions- und somatoforme Störungen (F44-45), andere neurotische Symptome (F48)
  • Essstörungen (F50)
  • Andere Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen (F54)
  • Verhaltensstörungen (F90-92, F94, F98) mit Beginn in der Kindheit und Jugend, Ticstörungen (F95)
  • Autistische Störungen (F84)
  • Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensstörungen (F60, 62, 68, 69), Störung der Impulskontrolle (F63), Störung der Geschlechtsidentität und Sexualstörungen (F64-66), Abhängigkeit und wahnhafte Störungen (F20-29)

3. Verhaltenstherapie

Manuale

fast 50% Therapeuten verwenden nie Manuale

mangelhafte Umsetzung Kentnisse in Praxis 

4. Systemische Therapie

Definition Systemische (Familien) Therapie

gewinnbringend bei Kindern und Jugendlichen (befinden sich in System Familie)

  • Fokus auf sozialem Kontext psychischer Störungen
  • Inexpatiente, weitere Mitglieder des sozialen Systems in vivo oder indirekt in Therapie mit einbezogen
  • Offenes Familienkonzept: Einbezug aller wichtiger Bezugspersonen
  • Spezielle Fragetechniken

4. Systemische Therapie

ST

  • Fokus:
    • Wechselbeziehungen zwischen Menschen und Umwelt (nicht auf individuellem So-Sein)
    • Zirkuläre Sichtweise (statt Ursache- Wirkungsbetrachtung
  • Elemente:
    • Orientierung an Anliegen und Auftrag Klienten
    • Ressourcenorientierung (weniger an Pathologie)

4. Systemische Therapie

Grundannahmen ST

Individuelle Symptome können verstanden werden als:

  • Ergebnis problemerzeugender und aufrechterhaltender Beziehungsmuster
  • ineffektive Lösung eines Problems
  • Schutzfunktion/Stabilisierung Familienbeziehung
  • Machtausübung Indexpatient, ohne zur Verantwortung gezogen werden zu müssen
  • Indirekter oder metaphorischer Hinweis auf andere Probleme (positive Konnotation)

4. Systemische Therapie

Ziele ST

  • In Frage stellen von:
    • Symptomfördernden familiären Interaktionen und Strukturen
    • Dysfunktionale Lösungsversuchen
    • Starren/einschränkenden Familienerzählungen
  • Entwicklung neuer, gesundheitsfördernder Interaktionen, Lösungsversuche und Erzählungen

4. Systemische Therapie

Mütter und Väter der systemischen Therapie

Starke Gründerpersönlichkeiten

  • Generationsgrenzen
  • Hierarchie

4. Systemische Therapie

Salvador Minuchin

  • Arbeit mit unterprivilegierten Familien
  • Konzept der Grenzen und Hierarchien

4. Systemische Therapie

Mailänder Modell, M. Selvini-Palazzolli: Wiege der Systemtherapie

  • Hypothetisieren
  • Zirkuläre Fragen
  • Paradoxe Verschreibungen
    • positive Konnotation
    • paradoxe Aufgabe für Familie, ex. "no change"-Intervention

4. Systemische Therapie

Die wachstums- und erlebniszentrierte Familientherapie: V. Satir 

  • Mensch von Grund auf gut
  • Familienskulptur

4. Systemische Therapie

Spezifische Interventionsstrategien

  • Zirkuläre Fragen
  • Visualisationstechnik (Familienskulptur, Familien in Tieren etc.)
  • Umdeutung/Reframing: neuer Kontext = neue Bedeutung, provokative Therapie als Variante dieser Intervention
  • Anweisungen/Symptomverschreibungen: Kontrolle über Symptom bekommen

4. Systemische Therapie

Systemische Methoden

  • Metaphorische Techniken
    • Externalisierung
    • Witze, Metaphern, analoge Geschichten
  • Kommentare
    • Wertschätzende Konnotation
    • Reframing
  • Reflecting Team (Ziel: eine veränderte Interaktionskultur zu entwickeln)
  • Abschlussintervention (Kommentar, Idee für das weitere Tun, früher oft: paradoxe Intervention)

4. Systemische Therapie

Evidenzbasierte ST

  • Forschungsstand deutlich verbessert: Problem = ST ofg gemeinsam mit KVT Methoden verwendet
  • Metainhaltsanalyse: Symptomreduktion etwas niedriger als bei KVT

4. Systemische Therapie

Systemische Therapie bei Kindern und Jugendlichen

55 Studien, 2 Metaanalysen: Anwendungsbereiche:

  • Affektive Störungen (F30-F39) und Belastungsstörungen (F43) (2 anerkannte Studien
  • Essstörungen (F50) und andere Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen (F54)
  • Verhaltensstörungen (F90-92, F94, F98) mit Beginn in der Kindheit und Jugend (6 Studien ADHS), Ticstörungen (F95)
  • Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensstörung (F60,62,68,69), Störung der Impulskontrolle (F63), Störung der Geschlechtsidentität und Sexualstörungen (F64-66), Abhängigkeit und Missbrauch (F1, F55),
  • Schizophrenie und wahnhafte Störungen (F20-F29)

5. Klientzentrierte Psychotherapie

Störungslehre nach Rogers

Gestalt: Glaube an die Selbstaktualisierungstendenz

KZT = ressourcenorientiert, ST = lösungsorientiert

  • Psychische Störungen sind das Ergebnis von Inkongruenzen zwischen Strebungen der Allgemeinen Aktualisierungstendenz und Selbstaktualisierungstendenz 
  • Allgemeine Aktualisierungstendenz
  • Im Wachstumsmodell ist der Mensch prinzipiell gut, permanenter Lernprozess
  • Günstige Umweltbedingungen, gute Eltern-Kind-Beziehung
  • Unbedingte Anerkennung / Wertschätzung 

5. Klientzentrierte Psychotherapie

Kernmerkmale

  • Heilungsförderndes Spiel/Gespräch
  • Aktivierung von Selbsthilferessourcen
  • Erfahrungen sammeln
  • Therapeut verhält sich nicht-direktiv

5. Klientzentrierte Psychotherapie

Ziele KZT

  • Divergente Strebungen harmonisieren
  • Beseitigung der den Störungssymptomen zu Grunde liegenden Ursachen
    • Gestörte Erfahrungsprozesse
    • Inkongruenz und gestörtes Beziehungsverhältnis
  • Selbstfunktionseinschränkung