Prüfschema Rechtfertigende Notwehr (Art. 15 StGB)
Objektive Tatbestandsmerkmale
- Notwehrlage
- menschlicher Angriff
- gegen eigenes/fremdes Rechtsgut
- gegenwärtiger Angriff: Angriff steht unmittelbar bevor oder dauert an
- rechtswidriger Angriff
- Notwehrhandlung
- gegen Rechtsgüter des Angreifers
- Geeignetheit: geeignet den Angriff abzuwehren
- Subsidiarität: mildestes Mittel um Angriff abzuwehren
- Verhältnismässigkeit i.e.S.: da ein rechtswidriger Angriff vorliegt, sind die Anforderungen an die Proportionalität geringer als beim Notstand: Es genügt, dass kein krasses Missverhältnis zwischen Rechtsgutverletzung des Angriffs und derjenigen der Verteidigung besteht.
Subjektive Tatbestandsmerkmale
- Kenntnis der Notwehrlage
- Abwehrwille
Prüfschema Putativnotwehr (Art. 13 i.V.m. Art. 15 StGB)
Absatz I: Wäre die Handlung vom Täter rechtmässig, wenn tatsächlich eine rechtfertigende Sachlage vorliegen würde?
- Falls JA: Vorsatz entfällt (Handlungsunwert)
- Falls NEIN: Vorsatz entfällt nicht, normal weiter bei Schuld
Absatz II: Ist der Irrtum fahrlässig herbeigeführt worden? Ist die fahrlässige Deliktsbegehung überhaupt strafbar?
- Falls JA: Vermeidbarkeit des Irrtums?
- Falls JA: Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit
- Falls NEIN: Straflosigkeit
- Falls NEIN: Straflosigkeit
Prüfschema Rechtfertigender Notstand (Art. 17 StGB)
Objektive Seite
- Notstandslage
- Unmittelbare Gefahr:
Gefahr: Wahrscheinlichkeit seiner Rechtsgutverletzung, wenn diese nur gegenwärtig sicher abgewehrt werden kann
Unmittelbarkeit: Zeitpunkt der letzten sicheren Abwendungsmöglichkeit, bevor es zu spät sein könnte
- für eignes/fremdes individuelles Rechtsgut: Leben oder körperliches Rechtsgut
- Keine schuldhafte Herbeiführung
- Keine speziellen Duldungspflichten
- Notstandshandlung
- Gegen fremde Rechtsgüter
- Geeignet: geeignet die Gefahr abzuwenden
- Absolute Subsidiarität: Gefahr darf nicht anders abwendbar sein. Ausweichen ist geboten!
- Verhältnismässigkeit i.e.S.: Wahrung des (deutlich) höherwertigen Interessens
Subjektive Seite
- Kenntnis Notstandslage
- Rettungswille
Prüfschema Einwilligung
Objektive Seite:
- Einwilligungserklärung vom Berechtigten vor der Tat
- Einwilligungsfähigkeit
- Einsicht in die Tragweite der Einwilligung/Risikoaufklärung
- Tatsächliche Entscheidungsfreiheit (keine Willensmängel wie z.B. Irrtümer)
- Urteilsfähigkeit (natürliche ist nicht zivilrechtliche Handlungsfähigkeit)
- Verfügungsbefugnis
- Individualrechtsgüter (körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Vermögen, Ehre, Hausfrieden)
- Einwilligungsfähige Rechtsgüter
Subjektive Seite:
- Kenntnis der Einwilligung
Mutmassliche Einwilligung
Prüfschema Mutmassliche Einwilligung
- Einwilligung nicht einholbar
- Einwilligung müsste überhaupt zulässig sein
- Verfügungsbefugnis
- Individualrechtsgüter
- Einwilligungsfähige Rechtsgüter
- Zeitliche Dringlichkeit
- Handlung entspricht mutmasslichem Willen des Berechtigten
- Subsidiär
Actio libera in causa
- Herbeiführung der Schuldunfähigkeit
- Verschuldet (vorsätzlich oder fahrlässig)
- Vorhersehbarkeit prüfen
- nicht verschuldet
- keine ALIC und keine Anwendung von Art. 263 StGB
- Vorhersehbarkeit der späteren Tatbegehung (Rauschtat)
- Vorhersehbar:
- Vorsätzliche ALIC
- Fahrlässige ALIC
- Nicht vorhersehbar (Art. 263 StGB -> selbstverschuldete Unzurechnungsfähigkeit)
Prüfschema Entschuldigender Notstand (Art. 18 StGB)
Hier reicht ein anderes hochwertiges Interesse, kann also auch bloss gleichwertig sein.
Objektive Seite
- Notstandslage
- unmittelbare Gefahr
- Für eigenes/fremdes individuelles Rechtsgut
- Keine schuldhafte Herbeiführung der Notstandlage
- Keine speziellen Duldungspflichten (z.B. Feuerwehr, Polizei)
- Notstandshandlung
- gegen fremde Rechtsgüter
- Absolute Subsidiarität: nicht anders abwendbar
- Verhältnismässigkeit: Gleichwertigkeit von gewahrten und verletzten Interessen
- Unzumutbarkeit der Preisgabe des gefährdeten Rechtsgut
Subjektive Seite
- Kenntnis der Notstandslage
- Rettungswille
Prüfschema versuchtes Handlungsdelikt
(falls Versuchsschwelle nicht überschritten wurde, sollte die strafbaren Vorbereitungshandlungen gemäss Art. 260bis StGB geprüft werden.)
Vorprüfung
- Ist der Versuch vollendet?
- Ist der Versuch strafbar?
1. Tatbestandsmässigkeit
Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale
Abgrenzung Eventualvorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit:
Eventualvorsatz:
- Wissenskomponente: Möglichkeit des Erfolgseintritts erkannt.
- Willenskomponente: Täter nimmt den Erfolg bewusst in Kauf
Bewusste Fahrlässigkeit:
- Wissenskomponente: Möglichkeit des Erfolgseintritts erkannt
- Willenskomponente: Täter vertraut auf das Ausbleiben des Erfolgs
- Wahrscheinlichkeitstheorie (Praxis BGer): Wenn der Täter sich so verhält, dass die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritt so gross ist, dass ein vernünftig denkender Mensch nicht mehr auf dessen Ausbleiben vertrauen kann, handelt er eventualvorsätzlich.
- Weitere subjektive Merkmale
Objektiver Tatbestand
- Beginn der Tatausführung (Der Beginn wird durch die Schwellentheorie abgegrenzt: Durch den Vollzug der letzten entscheidenden Handlung, von der es in der Regel nur ein Zurück gibt, wenn äussere Umstände die Vollendung erschweren oder verunmöglichen.)-> point of no return
- Tauglichkeit des Versuchs
2. Rechtswidrigkeit
3. Schuld
4. Rücktritt/Tätige Reue (gemäss Art. 23 I StGB)
- Aufhebung des Tatenschlusses
- Aus Tätersicht nicht fehlgeschlagener Versuch
- Rücktrittsleistung
- Freiwilligkeit (nicht wenn ihn äussere Einflüsse oder Umstände zum Rücktritt veranlassen. z.B. wenn der Täter aus Angst ertappt zu werden seine Handlungen einstellt. Eine moralische Erkenntnis ist nicht erforderlich.)