METHODEN UND ANWENDUNGSBEREICHE DER DIAGNOSTIK
Vorlesung
Vorlesung
Kartei Details
Karten | 73 |
---|---|
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Psychologie |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 11.01.2022 / 19.07.2023 |
Lizenzierung | Keine Angabe |
Weblink |
https://card2brain.ch/box/20220111_methoden_und_anwendungsbereiche_der_diagnostik
|
Einbinden |
<iframe src="https://card2brain.ch/box/20220111_methoden_und_anwendungsbereiche_der_diagnostik/embed" width="780" height="150" scrolling="no" frameborder="0"></iframe>
|
Wie ist die Definition von "Diagnostischer Prozess"?
Der diagnostische Prozess umfasst das „wissenschaftliche als auch professionelle Vorgehen bei der Erhebung, Bewertung und Integration von Informationen über einen Probanden unter Verwendung möglichst verschiedener Informationsquellen; es folgt einem vorher festgelegten Plan, um Fragen eines Auftraggebers zu beantworten“. (Westhoff, Hornke & Westmeier, 2003)
- wissenschaftliches und professionelles Vorgehen (Empirisch)
- Erhebung, Bewertung und Integration von Infos über Probanden
- verschiedene Informationsquellen
- Standardisierung
Wie ist der idealtypische Ablauf des diagnostischen Prozzesses? (9)
DP als Serie unvermeidbarer Entscheidungen
- Klären der Fragestellung und des Aufrags
- Erstellen eines Anforderungsprofils
- Entwickeln von Psychologischen Fragen (= Hypothesen)
- Analysieren der A-priori-Strategie
- Planen der Untersuchungsstrategie
- Beurteilen von standardisierten und teilstandardisierten Verfahren zur Gewinnung von direkten Beobachtungen (= Verhaltensbeobachtungen) und indirekten Beobachtungen (= Gespräch)
- Darstellen von Untersuchungsergebnissen
- Integrieren aller relevanten Informa\onen im Befund
- Formulieren von Empfehlungen
Weshalb sind Regeln & Struktur so wichtig und haben sich etabliert?
Erkläre kurz anhand der Ergebnisse von Meehl (1954), Sawyer (1966) und Grove, et al. (2000) (von was ist Vorteil nicht beeinflusst? - 7 Punkte).
Meehl (1954):
- Erste wesentliche Befunde zu Datenkombination: statistische Datenkombination im Mittel besser als klinische Datenkombination
- Problem:
- nur Vergleich von Datenkombinationen: bestimmte Informationen ausgeschlossen, z. B. Daten klinischer Interviews
- Kliniker kann Daten erheben, die anders nicht zugänglich sind
Sawyer (1966)
- Untersuchung von Datensammlung UND Datenkombination
- Meta-Analyse mit 45 Studien, Vergleich von mindestens zwei Vorhersagemethoden
Grove, et al. (2000)
- Umfassende Metanalyse zu klinischem vs. statistischen Vorgehen 136 Studien aus Medizin und Psychologie und mit beiden Vorhersagearten
- Bessere Datenkombination: klinisch in 8 Studien, gleich in 65 Studien, statistisch in 63 Studien
- Explizite Regel im Mittel um 9-10% besser als klinisches Urteil
- Vorteil mechanischer Kombination nicht beeinflusst von:
- Publikationsjahr
- Stichprobengröße
- Zeitschrift vs. anders publiziert
- Feld der Vorhersage: Bildung, Finanzen, Forensik, Medizin, Klinisch/Persönlichkeit, andere
- Urteiler: medizinische vs. psychologische Ausbildung
- Training oder Erfahrung des Urteilers
- mehr Daten beim Kliniker als in der mechanischen Vorhersage
- Vorteil beeinflusst von:
- Einbezug von Interviewdaten – Vorteil mechanischer Vorhersage größer, als wenn keine Interviewdaten einbezogen werden!
1. Welche Kombinationen von Datensammlung und Datenkombination unterscheidet Sawyer (1966)? (8)
2. Wie ist die Trefferquote der verschiedenen Kombis?
3. Welche 3 Schlussfolgerungen lassen sich daraus ziehen?
4. Was ist der Wert der Synthesen?
- Datensammlung: klinisch, Datenkombi: klinisch = rein klinisch = 20%
- Datensammlung: klinisch, Datenkombi: statistisch = Eigenschaftsurteile = 43%
- Datensammlung: statistisch, Datenkombi: klinisch = Profilinterpretation = 38%
- Datensammlung: statistisch, Datenkombi: statistisch = rein statistisch = 63%
- Datensammlung: statistisch&klinisch, Datenkombi: klinisch= klinische Zusammensetzung = 26%
- Datensammlung: statistisch&klinisch, Datenkombi: statistisch= mechanische Zusammensetzung = 75%
- Datensammlung: Synthese, Datenkombi: klinisch= klinische Synthese = 50%
- Datensammlung: Synthese, Datenkombi: statistisch= statistische Synthese = 75%
Fazit:
- Statistische Datenkombination ist der klinischen immer überlegen.
- nur statistische Daten liefern aussagekräftigere Informationen als nur klinische Daten
- Kombination beider Datenarten ist nur bei statistischer KombinaQon ein Gewinn
Wert der Synthesen?
- klinische Synthese (also klinischer Datenkombi) ist allen Formen statistischer Datenkombi bis auf EG-Urteilen unterlegen
- statistische Synthese (also statistische Datenkombi) ist klinischer Datenkombi überlegen
Beschreibe die kurz die Studie zur Thematik Personalauswahl von Kuncel et al (2013) + grundlegendes Ergebnis.
- Fragestellung: prädiktve Validität mechanischer vs. klinischer Vorhersage bezogen auf verschiedene arbeitsrelevante bzw. akademische Kriterien:
- Job performance
- Advancement criteria
- Training outcomes
- Grade Point Average
- Nongrade measures of academic achievement
- Basis = 25 Stchproben aus 17 Studien bzw. Überblicksarbeiten, in denen Angaben zu klinischem sowie sta6s6schem Vorgehen verfügbar waren (N pro Vorgehensweise jeweils zwischen 2000 und 3000)
Ergebnisse:
- in den meisten Kriterien deutlicher Vorteil für mechanische Kombination
- kein Kriterium mit Vorteil für klinisches Vorgehen
Was sind Kriminalprognosen und ihre Schwierigkeiten?
Was bedeutet Nomothetische/ ideografische Prognose?
- Prognose zukünfigen Verhaltens eines Strafäters hat erhebliche Bedeutung für Auswahl und Bemessung der Strafe o.a. Maßnahmen
- Rückfallprognose: Entscheidung über vorzeitge Haftentlassung auf Bewährung oder auch Prüfung der Notwendigkeit einer Sicherungsverwahrung
- Prognosen sind schwer zu stellen (vgl. Dahle, 2000)
Schwierigkeiten:
- vorherzusagendes Verhalten tritt in vielen Fällen nur selten auf
- Verhalten auch stark situatonsabhängig (günstge oder erschwerende Randbedingungen können sich ändern)
- Geltungszeitraum der Prognose (v.a. bei jungen Straftätern) sehr lang
- grundsätzlich nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich! („es ist zu erwarten, dass ...“)
Was bedeutet Nomothetische/ ideografische Prognose?
- Nomothetisch
- Nutzen statistischer Erkenntnisse über Rückfallrisiken vergleichbarer Fälle, keine Berücksichtigung individueller Besonderheiten
- z.B. standardisierte Verfahren, Regressionsanalytische Modelle, Kriminalprognosetafeln (enthalten relevante Merkmale wie Art der Straftat, Alter, Geschlecht möglich = Risikoabschätzung, nicht möglich = Erklärung, weshalb jemand rückfällig wird!)
- Ideografisch
- Finden eines individuellen Erklärungsmodells für die betreffende Person, ohne Rückgriff auf o.g. Daten
- Daten können aus Akten, früheren Gutachten, Interview oder auch Testverfahren stammen
- z.B. Unter welchen Bedingungen wurde die Straftat begangen? Wie kann die Entstehung der damaligen Straftat erklärt werden? Welche Lebensperspektiven hat der Delinquent?
Beschreibe die Checkliste HCR-20 (Historical, Clinical, and Risk Management-20, Webster et al., 1997)?
Nenne die historischen Items (12), die klinischen Items (5) und Risiko-Management (5).
- Standardisiertes Verfahren
- Beurteilung von 20 Risikofaktoren auf dreistufiger Skala (0 = Item trifft definitiv nicht zu; 1 = Item trifft möglicherweise/teilweise zu; 2 = Item trifft sicher zu)
- Rückgriff auf alle verfügbaren Informationsquellen + ergänzendes Interview möglich
- Skalenwerte plus Gesamtwert werden gebildet
(H) Historische Items: Risikofaktoren aus der Vorgeschichte
- H1: Frühere Gewaltanwednung
- H2: Geringes Alter bei erster Gewalttat
- H2a: Geringes Alter bei Erstdelinquenz
- H3: Instabile Beziehungen
- H4: Probleme im Arbeitsbereich
- H5: Substanzmissbrauch
- H6: (Gravierende) Seelische Störung (DSM oder ICD)
- H7: Psychopathie (mit PC-C erhoben)
- H8: Frühe Fehlanpassung
- H8a: Inadäquater Erziehungsstil
- H8b: Fehlverhalten in der Kindheit und Jugend
- H9: Persönlichkeitsstörung (DSM und ICD)
- H10: Frühere Verstöße gegen Auflagen
(C) Klinische Items
- Mangel an Einsicht
- Negative Einstellungen
- Aktive Symptome (DSM und ICD)
- Impulsivität (ICD - 20)
- Fehlender Behandlungserfolg
(R) Risiko-Management (Vorhersage des zukünftigen Verhaltens unter den zu erwartenden äußeren Umständen)
- R1: Fehlen realisierbarer Pläne
- R2: Destabilisierende Einflüsse
- R3: Mangel an Unterstützung
- R4: Fehlende Compliance
- R5: Stressoren
Beschreibe die Metaanalyse zur prädiktiven Validität von Hanson & MortonBourgon (2009).
- Auswertung von Studien über Sexualstraftäter aus 16 Staaten (N entlassener Strafgefangener > 45.000)
- empirisch aktuarischer Ansatz anderen Ansätzen überlegen, führt zu besten Vorhersagen
- Bereichsspezifik: Verfahren besonders gut für den Bereich geeignet, für den sie konstruiert wurden
- Effektstärken/Validitäten auch bei konservativer Schätzung relativ groß (z.B. für Sexualdelikte r = .32, Gewaltdelikte r = .36)
- Allgemeine Aussage: nomothetischer Ansatz dem ideografischen überlegen, Kombination beider Ansätze (ideografisch nach zunächst nomothe2scher Verrechnung) verschlechtert Vorhersage