Recht

Allgemeine Rechtslehre (1)

Allgemeine Rechtslehre (1)


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Flashcards 83
Students 16
Language Deutsch
Category Law
Level Other
Created / Updated 01.04.2015 / 22.05.2025
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Was bezeichnet man als Rechtsordnung und was umfasst sie?

Als Rechtsordnung bezeichnet man die Gesamtheit aller Rechtsnormen eines Landes. Sie umfasst zwei grosse Rechtsgebiete: das öffentlich Recht und das Zivil- oder Privatrecht. 

Was ist die Subordinationstheorie?

Danach liegt öffentliches Recht vor, wenn der Staat oder ein anderer Hoheitsträger (z.B. Landeskirche) mit Hoheitsrechten auftritt, so dass ein Über-/Unterordnungsverhältnis (Subordination) entsteht. Im Privatrecht stehen sich Gleichgeordnete gegenüber (Koordinationsverhältnis/Gleichstellungsverhältnis). 

Anhand eines Beispiels mit der Krankenkasse: was gehört zum öffentlichen Recht und was zum Privatrecht?

Die Grundversicherung gehört zum öffentlichen Recht. Das Gesetz verpflichtet jede Person sich gegen die finanzielle Folge von Krankheit zu versichern. Die Zusatzversicherung (z.B. private Spitalzusatzversicherung) gehört zum Privatrecht, weil sich hier gleichberechtigte Vertragsparteien gegenüber stehen. 

Was regelt das öffentliche Recht?

Es regelt die Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat als Inhaber der Staatsgewalt und den einzelnen natürlichen und juristischen Privatpersonen (Unterordnungsverhältnis). 

Es regelt auch die Rechtsbeziehungen zwischen den Gemeinwesen Bund/Kantone/Gemeinden sowie die Rechtsbeziehungen zwischen einzelnen fremden Staaten (Staatsverträge). 

Was regelt das Privatrecht oder Zivilrecht?

Es regelt die Rechtsbeziehungen zwischen einzelnen Privatpersonen (natürlichen und juristischen), die einander gleichgestellt sind. (Wenn der Staat nicht als Inhaber der Staatsgewalt auftritt, tritt er als Subjekt des Privatrechts auf).

Wer ist gemäss BV Art. 122 für die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts zuständig?

Der Bund - Im ZGB und im OR hat der Bund das schweizerische Privatrecht geregelt. 

Was gehört zum öffentlichen Recht?

  • Staats- und Verfassungsrecht
  • Verwaltungsrecht
  • Strafrecht (umschreibt die strafbaren Handlungen und den Strafrahmen bei Zuwiderhandlungen)
  • Prozess- und Verfahrensrecht ( Regelt das Verfahren vor Zivil- und Strafgerichten sowie vor Verwaltungsbehörden)
  • Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (Regelt das Verfahren beim Eintreiben von Geldforderungen)
  • Völkerrecht (Staatsverträge etc.)
  • (staatliches Kirchenrecht)
  • Medien- und Kommunikationsrecht
  • Strassenverkehrsrecht
  • Umweltschutzrecht

Was regelt das Staats- und Verfassungsrecht?

Es regelt den Aufbau des Staates, die politischen Rechte der Bürger (Stimm- und Wahlrecht) sowie die Grundrechte (persönliche Freiheit, Presse-, Niederlassungs-, Meinungs-, Äusserungs-, Wirtschaftsfreiheit etc.).

Was regelt das Verwaltungsrecht?

Es regelt die Verwaltungstätigkeit staatlicher Organe: Polizeirecht, Planungs- und Baurecht, Steuer- und Abgaberecht, Schulrecht, Sozialversicherungsrecht, Lebensmittelrecht etc. 

Was gehört zum Privatrecht?

Das ZGB besteht aus 5 Teilen: Personenrecht, Familienrecht, Erbrecht, Sachenrecht und Obligationenrecht (OR)

Das OR als 5. Teil des ZGB hat eine eigene Artikelzählung: Allg. Bestimmungen, Einzelne Vertragsverhältnisse, Handelsgesellschaften, Handelsregister/Geschäftsfirmen/kaufm. Buchführung, Wertpapiere

Um ein konkretes Rechtsproblem eines bestimmten Sachverhaltes zu lösen, benötigt es folgende zwei Schritte: 1 Schritt

Gesetzliche Regelung (Tatbestand): es muss im Gesetz derjenige Artikel gefunden werden, der zur Lösung des Problems in Frage kommen könnte. Der Gesetzesartikel umschreibt in allgemeiner und abstrakter Form die Voraussetzungen (Tatbestandsmerkmale), unter denen eine bestimmte Rechtsfolge eintreten kann. 

Um ein konkretes Rechtsproblem eines bestimmten Sachverhaltes zu lösen, benötigt es folgende zwei Schritte: 2 Schritt

Rechtsanwendung (Subsumtion): es muss geprüft werden, ob im konkreten Einzelfall die Voraussetzungen (Tatbestandsmerkmale) erfüllt sind und somit die Rechtsfolge eintreten kann. Diesen Vorgang nennt man Subsumtion. Sind die Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt, kann die Rechtsfolge nicht eintreten. 

Wo ist das Retentionsrecht (Rückbehaltungsrecht) geregelt?

ZGB Art. 895 Abs. 1

Von welchem Grundsatz wird das schweizerische Vertragsrecht beherrscht und was bedeutet das?

Vom Grundsatz der Privatautonomie. Das bedeutet, dass die Parteien ihre Rechtsverhältnisse weitgehend nach eigenem Willen gestalten können. Gemäss OR Art. 19 kann von den gesetzlichen Vorschriften in den Fällen abgewichen werden, in denen das Gesetz keine unabänderliche Vorschrift aufgestellt hat. 

Wie nennt man Vorschriften, die unabänderlich sind?

Wie nennt man Vorschriften, die abgeändert werden dürfen?

Zwingende Rechtsvorschriften

Ergänzende oder dispositive Rechtsvorschriften

Weshalb werden die nicht zwingenden Gesetzesvorschriften Ergänzend genannt?

Weil sie nur dann zur Beantwortung einer Rechtsfrage herangezogen werden, wenn die Parteien keine Vereinbarung getroffen haben. Haben die Parteien eine vom Gesetz abweichende Regelung getroffen, kommen die dispositiven Vorschriften nicht zur Anwendung. 

Verstösst eine Vereinbarung gegen eine zwingende Gesetzesvorschrift, so ist die betreffende Vereinbarung...

...ungültig. An ihre Stelle tritt die gesetzliche Regelung. 

Ergänzende Vorschriften können meist an typischen Formulierungen erkannt werden, wie:

  • Wo nichts anderes vereinbart wurde...
  • Ist weder durch Vertrag noch durch Vereinbarung etwas anderes bestimmt...
  • Wo nicht Vertrag oder Ortsgebrauch etwas anderes bestimmt...

Was wird als Rechtsgeschäft bezeichnet?

Willenserklärungen, die darauf gerichtet sind, Rechtswirkungen herbeizuführen. Die Wirkung kann rechtsbegründend, rechtsändernd oder rechtsaufhebend sein. 

Wann liegt ein einseitiges Rechtsgeschäft vor?

Wenn die Willensäusserung einer Partei genügt, um die Rechtswirkung herbeizuführen. 

Was heisst: Die Ausübung eines Gestaltungsrechts?

Das heisst, durch einseitige Willenserklärung wird die Rechtsstellung einer anderen Person ohne deren Mitwirkung verändert. Z.B. Annahme einer Offerte, durch Mahnung in Verzug setzen, Kündigung eines Mietvertrages

Die Ausübung von Gestaltungsrechten ist grundsätzlich...

...bedingungsfeindlich und unwiderruflich. Wer eine Kündigung ausspricht, darf deren Wirksamkeit nicht vom Eintritt einer Bedingung abhängig machen und eine einmal ausgesprochene und vom Empfänger bereits zur Kenntnis genommene Kündigung kann nicht mehr einseitig widerrufen werden. 

Wann liegt ein zwei- oder mehrseitiges Rechtsgeschäft vor?

Wenn die Rechtswirkung erst eintritt, wenn zwei oder mehr Personen übereinstimmende Erklärungen abgegeben haben. Z.B. alle Verträge - Kaufvertrag, Schenkungsvertrag...

Wann spricht man von einem Beschluss?

Wenn die Rechtswirkung bereits eintritt, wenn die Mehrheit einer Personengruppe übereinstimmende Willenserklärungen abgegeben hat. 

Obwohl das Gesetz Obligationenrecht heisst, sagt es an keiner Stelle, was unter einer Obligation zu verstehen ist. In der Rechtslehre ist folgender Begriff entwickelt worden: 

Eine Obligation ist eine Rechtsbeziehung (ein Rechtsverhältnis) zwischen zwei Personen (oder zwei Personengruppen). Dabei darf die eine Partei (Gläubiger) von der anderen Partei (Schuldner) eine Leistung fordern. Aus Sicht des Gläubigers - Forderung und aus Sicht des Schuldners - Schuld

Das Wesen der Obligation besteht worin?

Darin, dass der Gläubiger ein klagbares Recht auf Leistung hat. Leistet der Schuldner nicht freiwillig, kann der Gläubiger die Leistung beim Gericht einklagen. 

Was versteht man unter einer unvollkommenen Obligation (sog. Naturalobligation)?

Kann der Gläubiger die ausbleibende Leistung des Schuldners nicht einklagen, weil das Gesetz die betreffende Schuld als unklagbar erklärt, so liegt eine unvollkommene Obligation vor. In diesen Fällen ist die Leistung geschuldet weil versprochen, doch verweigert der Staat dem Gläubiger den Rechtsschutz: Schuld aus Spiel und Wette - OR Art. 513

Folgende Leistungen des Schuldners sind denkbar: 

  • Der Schuldner muss dem Gläubiger einen Geldbetrag bezahlen
  • Der Schuldner muss für den Gläubiger Arbeit verrichten
  • Der Schuldner muss dem Gläubiger eine Sache übergeben
  • Der Schuldner muss ein Verhalten des Gläubigers dulden (seltener Fall)
  • Der Schuldner muss zugunsten des Gläubigers ein bestimmtes Verhalten unterlassen (seltener Fall)

Handeln nach Treu und Glauben / Rechtsmissbrauchsverbot: 

ZGB Art. 2 Abs. 1 enthält das Gebot des Handelns nach Treu und Glauben

ZGB Art. 2 Abs. 2 das Verbot des Rechtsmissbrauchs

Welche allgemeinen Werte finden über ZGB Art. 2 Eingang ins Recht?

Werte der Sittlichkeit und Moral

Wann liegt ein Rechtsmissbrauch vor?

Es liegt nicht schon ein Rechtsmissbrauch vor, wenn die Ausübung eines Rechts den andern hart trifft. Erst ein krass stossendes Verhalten ist rechtsmissbräuchlich im Sinne von ZGB Art. 2 Abs. 2

Der gute Glaube

ZGB Art. 3

Im Gegensatz zu ZGB Art. 2, der die Rechtssubjekte allgemein verpflichtet, bei der Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen sich von Treu und Glauben leiten zu lassen und ihr zustehende Rechte nicht zu missbrauchen, stellt ZGB Art. 3...

...keinen Grundsatz auf, der auf alle Rechtsverhältnisse angewendet werden könnte. Es gibt im schweizerischen Recht keinen umfassenden Gutglaubensschutz. 

Auf welche Fälle findet ZGB Art. 3 Anwendung?

Nur auf die Fälle, wo das Gesetz eine Rechtsfolge davon abhängig macht, ob jemand gutgläubig oder bösgläubig war. Insbesondere im Sachenrecht, aber auch in anderen Bereichen des Privatrechts knüpft das Gesetz eine Rechtsfolge an den guten oder bösen Glauben. 

Muss der gute Glaube bewiesen werden?

Nein, ZGB Art. 3 Abs. 1 Dadurch findet eine Umkehr der Beweislast statt. Gemäss ZGB Art. 8 muss derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. 

Bis wann gilt man als gutgläubig?

Das Gesetz geht von der Anständigkeit der Menschen aus. Bis zum Beweis der Bösgläubigkeit gilt jeder Mensch von Gesetzes wegen als gutgläubig. 

Muss der böse Glaube bewiesen werden?

Wie der gute Glaube so ist auch der böse Glaube als innerer Zustand eines Menschen äusserst schwierig oder gar unmöglich zu beweisen. ZGB Art. 3 Abs. 2 berücksichtigt das und verlangt nicht, dass der böse Glaube bewiesen werden muss. Es genügt, wenn äussere Umstände dargelegt werden, nach welchen der Betreffende bösgläubig gewesen sein musste. 

Die Beweislast

ZGB Art. 8 Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. 

Im Strafprozessrecht gilt die Untersuchungsmaxime. Was bedeutet das?

Das bedeutet, dass der zu beurteilende Sachverhalt von Amtes wegen abgeklärt werden muss. 

Im Zivilprozess gilt - von Ausnahmen abgesehen - die Verhandlungsmaxime. Was bedeutet das?

Danach befasst sich das Gericht nur mit Tatsachen, die von einer Partei behauptet und bewiesen worden sind. Unterlässt es eine Partei, für sie wesentliche Tatsachen zu behaupten, werden sie im Prozess nicht berücksichtigt (=Behauptungslast)