PS2-Sitzung5
Das psychodynamische Paradigma Attributionen: Die Interpretation sozialer Verursachung
Das psychodynamische Paradigma Attributionen: Die Interpretation sozialer Verursachung
Kartei Details
Karten | 51 |
---|---|
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Psychologie |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 20.07.2016 / 20.07.2016 |
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psychoanalytische Persönlichkeitstheorie
•Begründer: Sigmund Freud (1856-1939)
•Interpretation von Aussagen aus Psychotherapien und Verallgemeinerung auf Nicht-Klient*innen
•Verwendung globaler Beschreibungsbegriffe (bspw. orale oder gehemmte Persönlichkeit)
•deutendes Erschließen von Trieben und Motiven aus dem Verhalten (Träume, Assoziationen, ...)
•Frühkindheit als entscheidende Lebensphase für die Per-sönlichkeitsentwicklung (nach Freud mit dem 5. LJ weit-gehend abgeschlossen)
psychoanalytische Persönlichkeitstheorie
(Pervin, Cervone & John, 2005, S. 111)
„Kern der psychoanalytischen Sicht des Menschen ist, dass der Mensch ein Energiesystem ist. (…) Wird die Energie in einem Kanal, in dem sie zum Ausdruck gebracht werden soll, blockiert, findet sie einen anderen, den sie im Allgemeinen im Sinne des geringsten Widerstandes nutzen kann.“
jedes Verhalten wird durch zwei grundlegende Triebe bestimmt:
•Lebenstrieb (Eros; Selbsterhaltungs-, Liebes- und Sexualtrieb)
•Todestrieb (Thanatos; Aggressions- und Destruktionstrieb)
Energie für das Erleben und Verhalten stammt aus den Trieben:
•geeignete Triebhandlung möglich:
–Triebentladung, Entspannung
•geeignete Triebhandlung nicht möglich:
–Triebstau, Spannung, Unlust
–Abbau der Energie in Ersatzhandlungen
Freuds Strukturmodell
drei psychische Instanzen steuern die Verarbeitung dieser Energie:
•das ES: unbewusst; enthält vor allem die Triebe und weitere grundlegende Bedürfnisse; kennt keinen Aufschub der Triebbefriedigung; folgt dem Lustprinzip
•das ICH: bewusste und unbewusste Anteile; besitzt eine starke “kognitive Funktion”;vermittelt zwischen Triebansprüchen des ES, des ÜBER-ICH und der Außenwelt; stellt Gleichgewicht her; folgt dem Realitätsprinzip
•das ÜBER-ICH: bewusste und unbewusste Anteile; verinnerlichte soziale Normen und Ideale; Unterscheidung zwischen Gewissen und Idealen; folgt dem Moralitätsprinzip
drei Ebenen des Bewusstseins
•das Bewusste: alles (Gedanken, Gefühle, Erinnerungen, …), was zu einem bestimmten Zeitpunkt bewusst erlebt wird und bewusst erinnert werden kann
•das Vorbewusste: dieselben Inhalte wie auf bewusster Ebene, deren Stärke noch nicht ausreicht, um das Bewusstsein zu erreichen („Ihr Name liegt mir auf der Zunge…“); nicht unmittelbar präsent, mittels bewusster Konzen-tration kann jedoch ein Zugriff erfolgen
•das Unbewusste: alles (etwa Gedanken, Gefühle, Erinnerungen), was nicht bewusst ist (weil bspw. die Inhalte Angst auslösen) und auch nicht seitens des In-dividuums willentlich bewusst gemacht werden kann; dennoch beein-flussen diese Inhalte unser Verhalten (etwa Fehlleistungen, irrationale Verhaltensweisen)
Persönlichkeitsentwicklung - interindividuelle Differenzen
•die typische Triebdynamik einer Person (ihr Charakter) ist eine gemeinsame Funktion von angeborener Konstitution und Erfahrung
•Erklärungen für interindividuelle Unterschiede:
–Stärke der ES-Ansprüche kann konstitutionell bedingt variieren
–Stärke und Form der ICH-Funktionen kann erfahrungsbedingt variieren
–Ansprüche des ÜBER-ICHs können erfahrungsbedingt variieren
–individuelle Verarbeitung der frühkindlichen Phasen (zu starke / zu schwache Triebbefriedigung) führt zur Fixierung der phasen-typischen Triebimpulse (bestimmt fortan den Charakter)
elterliches Verhalten Charakter
Beispiele für Fixierungen
•orale Phase: bspw. übermäßige Abhängigkeit von anderen, über- mäßiges Essen, Trinken, Rauchen
•anale Phase: bspw. zwanghaft ordentlicher, pedantischer, geiziger Charakter
•phallische Phase: bspw. übertriebenes Erfolgsstreben im Beruf, „macho- haftes“ Gehabe
Beispiele für Abwehrmechanismen
Verschiebung:
aggressive oder libidinöse Fantasien oder Impulse werden von der Person, der sie gelten sollen, auf eine andere verschoben.
Ein Angestellter fühlt sich von seinem Vorgesetzten ungerecht behandelt. Er setzt sich je-doch nicht gegen ihn zur Wehr, sondern kritisiert die Arbeit seines Praktikanten.
Beispiele für Abwehrmechanismen
Verdrängung:
unerwünschte, bspw. schamauslösende Impulse des Es, werden in das Unbewusste verdrängt. Von dort aus können sie allerdings in Träumen, Fehlleistungen und Ersatzhandlungen wieder zutage treten. Eine Frau erlebt ihren Hass auf ihre Mutter als unangemessen und hat dieses Gefühl ver-drängt. Wenn sie ihre Eltern besucht, reagiert sie mit Ängstlichkeit
Beispiele für Abwehrmechanismen
Regression:
unbewusster Rückzug auf eine frühere Entwicklungsstufe. Ein Student, der Angst hat, dass er von der Universität abgehen muss, wird zum Bettnässer.
Beispiele für Abwehrmechanismen
Rationalisierung:
als Beweggründe für das eigene Handeln werden ausschließlich rationale Handlungsmotive angegeben, affektive Anteile werden verleugnet oder unterbewertet. Ein Ehepaar misshandelt sein Kind körperlich regelmäßig und sagt dabei, dass solche Bestra-fung das Kind „moralisch stärkt“.
Beispiele für Abwehrmechanismen
Projektion:
eigene Gefühle, Bewertungen oder Absichten werden anderen Personen zugeschrieben. Ein Vater behütet seine Tochter übermäßig, lässt keine Treffen mit Jungen zu und sagt, dass diese heutzutage nur am Körper der Frauen interessiert seien.
Freuds Entwicklungstheorie im Überblick
Phasen
Beschreibung
oral
(1. Lebensjahr)
anal
(2.-3. Lebensjahr)
phallisch
(3.-6. Lebensjahr)
Latenzzeit
(6.-12. Lebensjahr)
genital
(ab der Pubertät)
oral
(1. Lebensjahr)
erogenen Zonen: Mund, Lippen, Zunge
Triebbefriedigung vorrangig durch Saugen, Kauen, Schlucken und Trinken
gegen Ende des ersten Lebensjahres beginnt die Persönlichkeitsstruk-tur des ICHs, jene des ES zu ergänzen
anal
(2.-3. Lebensjahr)
Triebbefriedigung vorrangig durch die Kontrolle des Darms oder der Harnblase; damit ist eine zunehmende Einflussnahme auf Körperpro-zesse verbunden
phallisch
(3.-6. Lebensjahr)
erogene Zonen: Genitalien
bei Jungen tritt der Ödipus-, bei Mädchen der Elektrakomplex auf
eng mit der Lösung dieses Komplexes ist die Entstehung des ÜBER-ICHs verbunden
Latenzzeit
(6.-12. Lebensjahr)
keine erogene Zone von hervorgehobener Relevanz
die sexuelle Entwicklung ruht in dieser Zeit
genital
(ab der Pubertät)
letzte Entwicklungsphase: die sexuelle Energie richtet sich nun gezielt auf das andere Geschlecht
frühere erogene Zonen werden erneut aktiviert, die Befriedigung wird über den Geschlechtsverkehr erreicht
Methoden der Psychoanalyse
Unbewusstes soll bewusst gemacht werden!
•freie Assoziation
•Traumdeutung
•freie Assoziation
Klient*innen liegen auf der Couch und sollen alles erzählen, was ihnen gerade durch den Kopf geht. Da laut Freud nichts zufällig geschieht, suchen Analy-tiker*innen in den Erinnerungsbruchstücken nach Zusammenhängen und bietet den Klient*inen ihre Deutung an.
•Traumdeutung
Im Traum können von der Zensur des ÜBER-ICHs verdrängte Wünsche nach Erfüllung streben. Die Wünsche treten dabei häufig verschleiert auf. Mithilfe von Therapeut*innen lassen sich unbewusste innere Störungen und Zwiespal-te aufdecken.
Attributionen:
Die Interpretation sozialer Verursachung
Prozess der Attribution
„Im Unterschied zu weiten Bereichen der Psychologie beschäftigt sich Attributionsforschung nicht direkt damit, warum die Handelnden das tun, was sie tun, sondern kon-zentriert sich stattdessen darauf, zu welchen Schlussfol-gerungen die Beobachter darüber kommen, warum die Handelnden das tun, was sie tun (…).“
naive Handlungsanalyse nach Heider (1958)
•zentrale Fragestellung: Wie gehen Menschen vor, wenn sie sich das Verhalten an-derer oder auch das eigene Verhalten erklären?
•Fritz Heider (1958):
–Menschen als „naive Wissenschaftler“
–subjektive Interpretation von Ereignissen ist verhal-tensrelevant
Attributionsprozess nach Heider
Menschen suchen die Ursachen für ihr eigenes Verhalten und das Verhalten anderer auf der internen oder externen Ebene.
Beispiel: Nina hat eine 5 in Mathe. Ihre Lehrerin möchte sich die Note erklären.
•interne Ursache: Es liegt an der Person (bspw. „Nina hat kein Talent für Mathe.“)
•externe Ursache: Es liegt an der Situation (bspw. „Die Klausur war zu schwer.“)
Ursachenzuschreibung bei Erfolg bzw. Misserfolg
n. Weiner (1979, 1985)
n. Weiner (1979, 1985)
Lokalität
Stabilität
Kontrollierbarkeit
x internal
x stabil
□ beeinflussbar
□ external
□ variabel
x nicht beeinflussbar
Attributionsmuster:
internal / stabil / nicht beeinflussbar: Fähigkeit / Begabung
Ursachenzuschreibung bei Erfolg bzw. Misserfolg
Anstrengung
Attributionsmuster:
Lokalität internal / Stabilität variabel /
Kontrollierbarkeit beeinflussbar:
Ursachenzuschreibung bei Erfolg bzw. Misserfolg •n. Weiner (1979, 1985)
Schwierigkeit der Auf-gabe
Attributionsmuster:
Lokalität external / Stabilität stabil / Kontrollierbarkeit nicht beeinflussbar:
Ursachenzuschreibung bei Erfolg bzw. Misserfolg •n. Weiner (1979, 1985)
Glück/Zufall
Attributionsmuster:
Lokalität external/
Stabilität variabel/
Kontrollierbarkeit nicht beeinflussbar:
Theorie der korrespondierenden Schlussfolgerungen nach Jones & Davis (1965)
•durch die Betrachtung eines Verhaltens wird auf die Absichten und Dispositionen der handelnden Person rückgeschlossen
„Sie hat mich gestoßen, weil sie aggressiv ist.“
•dies geschieht vor allem durch den Vergleich der Effekte der gewähl-ten Handlungsalternative mit denen anderer, nicht gewählter Hand-lungsmöglichkeiten
„Weil sie mich gestoßen hat, tut mir nun mein Arm weh. Sie hätte auch einen Schritt zur Seite machen können, dann hätte sie mich nicht gestoßen und mir würde nichts weh tun.“
•sozial unerwünschte Handlungen mit wenigen, ganz klar mit der Hand-lung zusammenhängenden Effekten werden eher auf Dispositionen attribuiert „(…) als sozial erwünschte Handlungen mit vielen möglich-en Ursachen.“ (
Kelleys (1967) Kovariationsprinzip
Grundannahme: Um sich das Verhalten anderer zu erklären, stellen sich Menschen drei grundlegende Fragen:
(1) Wie haben sich andere Personen in der gleichen Situation verhalten?
Vergleich über Personen hinweg
(2) Hat eine Person sich schon zu anderen Zeitpunkten so verhalten?
Vergleich über die Zeit hinweg
(3) Hat eine Person sich schon gegenüber anderen Dingen (oder Perso- nen) in anderen Situationen so verhalten?
Vergleich über Entitäten hinweg
Kelleys (1967) Kovariationsprinzip II
Beispielsituation:
Nils geht an Tina vorbei, ohne sie zu grüßen. Was denkt Tina?
1.Wie ist das mit anderen Bekannten - grüßen diese mich alle nicht? Konsensus des Verhaltens
2.Kam es schon öfters vor, dass Nils mich nicht begrüßt hat? Konsistenz des Verhaltens
3.Grüßt er andere Bekannte auch nicht oder macht er das nur bei mir so?
Distinktheit des Verhaltens
Attribution auf die Person
Nils ist ein unhöflicher Mensch.
niedriger Konsensus
Nils ist der einzige Bekannte, der Tina nicht grüßt.
niedrige Distinktheit
Nils grüßt andere Bekannte auch nicht.
hohe Konsistenz
Nils grüßt Tina selten.
Attribution auf das Objekt
Es hat etwas mit Tina zu tun, dass sie von Nils nicht gegrüßt wird.
hoher Konsensus
Viele Bekannte grüßen Tina nicht.
hohe Distinktheit
Nils grüßt andere Bekannte.