OR BT 8 - Werkvertrag

Herzog/Lienhard, Übungsbuch Obligationenrecht Besonderer Teil, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2015

Herzog/Lienhard, Übungsbuch Obligationenrecht Besonderer Teil, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2015


Fichier Détails

Cartes-fiches 25
Utilisateurs 30
Langue Deutsch
Catégorie Droit
Niveau Université
Crée / Actualisé 25.08.2015 / 10.06.2025
Lien de web
https://card2brain.ch/box/or_bt_8_werkvertrag
Intégrer
<iframe src="https://card2brain.ch/box/or_bt_8_werkvertrag/embed" width="780" height="150" scrolling="no" frameborder="0"></iframe>

1. Was sind die charakteristischen Leistungen des Werkvertrages?

Unternehmer: Herstellung eines Werks

Besteller: Leistung eines Entgelts 

2. Wie ist die "Herstellung eines Werks" definiert?

Die Herstellung eines Werks besteht im Bewirken eines bestimmten Arbeitserfolges. Dieser kann körperlicher oder unkörperlicher Art sein.

3. Was ist ein Werkliefervertrag?

Ein Vertrag, bei welchem der Unternehmer neben der Herstellung des Werks zusätzlich die Lieferung des Stoffes übernommen hat (OR 365 I).

4. Welche Rechtsnormen finden auf den Werkliefervertrag Anwendung?

Grundsätzlich OR 363 bis 379 (Werkvertragsrecht). Einzig die Rechtsgewährleistung richtet sich nach Kaufrecht (OR 192 ff.).

5. Wodurch unterscheidet sich der Werkvertrag vom Auftrag?

Der Auftragnehmer schuldet ein sorgfältiges Tätigwerden im Interesse des Auftraggebers.

Der Unternehmer schuldet dem Besteller einen bestimmten Arbeitserfolg.

6. Wodurch unterscheidet sich ein Werkvertrag von einem Kaufvertrag?

Der Unternehmer schuldet die Herstellung eines Werkes.

Der Verkäufer schuldet die Übertragung einer Kaufsache und der Verschaffung von Eigentum daran.

7. Wie unterscheidet man einen Werkvertrag von einem Kaufvertrag über eine noch herzustellende Sache?

Der Unterschied liegt im Anspruch des Bestellers, dass sein Werk hergestellt wird.

In der Regel liegt beim Werkvertrag deshalb eine Sache vor, die nicht serienmässig hergestellt wird.

8. Wodurch unterscheidet sich der Werkvertrag vom Arbeitsvertrag?

Der Arbeitnehmer steht in einem Abhängigkeits- und Subordinationsverhältnis zum Arbeitgeber.

Der Arbeitnehmer schuldet auch keinen Arbeitserfolg.

9. Was sind SIA-Normen?

Normenwerke des Schweizerischen Ingenieur- und Architekten-Vereins (also privatrechtliche Kodifikationen ohne allgemeine Geltung). Eine SIA-Norm besteht wiederum aus verschiedenen Artikeln, ähnlich einem Gesetz.

SIA-Normen sind rechtlich AGBs gleichzustellen. Sie haben nur Geltung, wenn die Parteien sie in ihren Vertrag aufgenommen haben. Übernehmen die Parteien eine SIA-Norm global (z.B. SIA-Norm 118, Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten), so unterliegen sie den allgemeinen Regeln der Geltungs- und Inhaltskontrolle für AGBs.

10. Welches sind die vertraglichen Hauptpflichten des Unternehmers?

  • Herstellung des Werks
  • Ablieferung des Werks
    • bewegliche Sache: physische Übergabe
    • unbewegliche Sache: Mitteilung an Besteller

11. Wodurch unterscheiden sich zufälliger Untergang (OR 376) und Unmöglichkeit der Erfüllung (OR 378)?

Bei einem zufälligem Untergang ist die Herstellung des Werkes objektiv noch möglich (Sturm zerstört Haus im Rohbau).

Bei Unmöglichkeit der Erfüllung ist die Herstellung nicht mehr möglich (Hangrutsch macht Hausbau unmöglich).

12. Wann trägt der Unternehmer die Gefahr des zufälligen Untergangs des Werkes?

  • Das Werk durch Zufall
  • vor Ablieferung untergegangen ist
  • die Ursachen für die Gefahr nicht beim Besteller liegen (OR 376 III) 

Geht das Werk vor Übergabe zufällig unter, so muss der Unternehmer das Werk weiterhin herstellen ("Leistungsgefahr").

Der Unternehmer hat dann keinen Anspruch auf Lohn oder Vergütung der Auslagen ("Preisgefahr").

Der Lieferant des Stoffes trägt die Gefahr des zufälligen Untergangs ("Sachgefahr").

 

13. Wann trägt der Besteller die Gefahr des zufälligen Untergang des Werks?

  • Das Werk durch Zufall nach Ablieferung untergegangen ist; oder
  • der Besteller sich im Annahmeverzug befand; oder
  • der Unternehmer den Besteller darauf hingewiesen hat, dass der die Gefahr aufgrund von
    • Mangelhaftem Stoff,
    • unzureichendem Baugrund,
    • der angewiesene Art der Ausführung besteht.

Trifft den Besteller gar ein Verschulden, so kann der Unternehmer überdies Schadenersatz verlangen.

14. Was sind die Voraussetzungen der Gewährleistungspflicht des Unternehmers?

Kumulativ:

  • Vorliegen eines Werkmangels im Zeitpunkt der Ablieferung
  • Rechtzeitige Mängelrüge durch den Besteller (OR 367 I bzw. OR 370 III)
  • Kein Wegfall der Gewährleistung wegen
    • Selbstverschulden des Bestellers (i.S.v. OR 369 / OR 365 III)
    • ausdrücklicher/stillschweigender Genehmigung (OR 370 II und III)
    • Wegbedingung der Mängelrechte (OR 100, 101 II und III)

Liegt eine andere Leistungstörung vor, so richtet sich die Gewährleistung nach den Spezialnormen (Untergang OR 376; Unmöglichkeit OR 378/OR 119; Verletzung Nebenpflicht OR 97 I; Verzug OR 366 i.V.m. OR 102 ff.)

15. Wie wird ein Mangel i.S.v. OR 367 ff. definiert?

Eine negative bzw. ungünstige Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit.

Die Sollbeschaffenheit setzt sich aus vertraglich zugesicherten Eigenschaften und nach Treu und Glauben vorausgesetzten Eigenschaften zusammen.

16. Wie kann der Besteller das Werk genehmigen?

  • ausdrücklich
  • stillschweigend
    • durch unterlassene rechtzeitige Prüfung
    • durch unterlassene rechtzeitige Rüge

pro memoria:

Die mängelrüge ist auch gültig und rechtzeitig erhoben, wenn der Besteller dem Unternehmer noch nicht mitteilt, welche Mängelrechte er geltend machen will.

17. Welche Folgen hat die Genehmigung eines Werks?

Verwirkung jeglicher Gewährleistungsrechte. Ausgenommen betreffend:

  • verborgene Mängel
  • Sekundärschäden (nicht vorhanden waren, aber infolge eines anderen Mangels entstanden)
  • arglisttig, täuschend oder sonst treuwidrig verschwiegen wurden

18. Welche Rechte hat der Besteller bei Gewährleistungspflicht des Unternehmers?

  • Wandelung (Rücktritt; nur erhebliche Mängel/unbrauchbares Werk; OR 368 I)
  • Minderung (minder erhebliche Mängel, OR 368 II)
  • unentgeltliche Nachbesserung (wenn Unternehmer zumutbar, bei minder erhebliche Mängel, OR 368 II)
  • Ersatz des Mangelfolgeschadens (bei Verschulden, OR 368 II)

Bei mit Grund und Boden verbaute Werke (insb. Häuser): Keine Wandelung (OR 368 III)!

19. Kann der Unternehmer seine Gewährleistungsrechte abtreten?

Gewährleistungsrechte sind akzessorische Gestaltungsrechte und können grundsätzlich nicht an Dritte abgetreten werden.

Die h.L. lässt jedoch die Abtretung des Nachbesserungsrecht zu, da dieses nicht so stark wie die Minderung/Wandelung in das Vertragsgefüge der Parteien eingreift.

Abgetreten werden könne hingegen Forderungen, die aus ausgeübten Gestaltungsrechten entstanden sind (z.B. Forderungen).

20. Wodurch unterscheidet sich eine positive Vertragserfüllung von der Gewährleistungspflicht?

Die positive Vertragsverletzung besteht in der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht. Hat der Besteller eine vertragliche Nebenpflicht verletzt, so kann er schadenersatzpflichtig werden, wenn er nicht beweisen kann dass ihn kein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) trifft (OR 97 ff.).

Die Gewährleistungspflicht besteht dagegen grundsätzlich verschuldensunabhängig.

Besteht die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht zugleich in einem Werkmangel, so besteht Anspruchskonkurrenz (OR 368 I und II).

21. Was ist die Hauptpflicht des Bestellers?

Bezahlung des vereinbarten Werklohns.

Dieser wird mit Ablieferung fällig (OR 372 I).

22. Welche Arten der Werklohnbestimmung zum Voraus werden unterschieden?

Zum Voraus genau bestimmter Werklohn (OR 373 I):

  • Pauschalpreis (1 Mio. für Haus)
  • Einheitspreis (10.- pro m3)
  • weder Mehr- noch Minderaufwand rechtfertigen Korrektur
  • Richter kann nach Ermessen Erhöhung oder Auflösung des Vertrags bewilligen (OR 373 II)

Zum Voraus nicht bestimmter Preis (OR 374, 1. Variante)

  • Einigung über Entgeltlichkeit
  • Keine Einigung über Preishöhe
  • Preis wird nach Wert der Arbeit und den Aufwendungen festgesetzt (OR 374)

Zum Voraus nur ungefähr bestimmter Preis (OR 374, 2. Variante)

  • Einigung über Entgeltlichkeit
  • nur ungefähre Einigung über Preishöhe (ca. 20'000.-)
  • Preis wird nach Wert der Arbeit und den Aufwendungen festgesetzt (OR 374)
  • Wird der ungefähre Preis ohne Zutun des Bestellers überschritten (Richtlinie: 10%), so kann er
    • jederzeit vom Vertrag zurücktreten (OR 375 I)
    • bei Bauten auf Grund & Boden des Bestellers: 
      • Werklohn herabsetzen (vereinbarter ungefährer + 10 % + 50% des darüberhinaus geltendgemachten Werklohns)
      •  gegen billigen Ersatz vor Vollendung zurücktreten

23. Welche Behelfe stehen dem Unternehmer zu, wenn der Besteller den Werklohn nicht bezahlt?

  • Vorgehen nach OR 102 ff. (Schuldnerverzug, Verzugszinsen, Zufallshaftung, weiterer Schaden)
  • Retentionsrecht an den Sachen im Eigentum des Bestellers (ZGB 895 ff.)
  • Bauhandwerkerpfandrecht (ZGB 837)

24. Auf welche Arten kann der Werkvertrag vorzeitig enden?

  • Rücktritt des Bestellers
    • bei Ausführungsverzögerungen (OR 366 I)
    • bei Überschreiten des Kostenansatzes (OR 375)
    • gegen Schadenersatz (positives Interesse, OR 377)
  • Wandelung (OR 368 I)
  • Richterliche Vertragsauflösung bei ausserordentlicher Leistungserschwerung (OR 373 II)
  • nacchträgliche Unmöglichkeit der Erfüllung
  • Tod/nachträgliche Unfähigkeit des Unternehmers

25. Welche Folgen hat der Rücktritt des Bestellers nach OR 377?

  • Auflösung ex nunc
  • vergütung sämtlicher Aufwendungen des Unternehmers für Arbeit und Auslagen
  • Schadenersatz: positives Vertragsinteresse
  • Übergabe des erstellten Werkteils an den Besteller