Legalitätsprinzip und Ermessen


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Langue Deutsch
Catégorie Allemand
Niveau École primaire
Crée / Actualisé 27.02.2021 / 18.01.2022
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1. Aufgabe In der Lohnpfändung gegen den Schuldner Willi Schweizer hatte das zuständige Betreibungsamt seine Steuerschulden im Existenzminimum berücksichtigt. Seine Einkünfte erreichten den Betrag des Existenzminimums nicht. Die Gläubigerin, seine Ex-Frau, die ihn wegen unbezahlter Unterhaltszahlungen betrieb, war damit nicht einverstanden. Sie argumentierte, dass bei engen finanziellen Verhältnissen nur SchKG 93 beachtet werden dürfe und dort die Steuerschulden nicht erwähnt würden. Das Betreibungsamt wollte an der Pfändung nichts ändern, sondern bewusst die Steuern bevorzugen

Frage:

Welches staatsrechtliche Prinzip ist hier verletzt? Nennen Sie es mit dem Fachbegriff. Beschreiben Sie weiter in 2-3 Sätzen, worin die Verletzung liegt. Geben Sie auch die Rechtsquelle an.  

Zu prüfen ist das Willkürverbot (BV 9), konkret: Ermessensüberschreitung. Die Berücksichtigung der laufenden und aufgelaufenen Steuern im betreibungsrechtlichen Existenzminimum des Unterhaltsschuldners ist willkürlich. Es gibt keinen Grund, den Staat zu bevorzugen im Vergleich zu anderen Gläubigern. V.a. ist das Ergebnis unhaltbar, wenn kein pfändbares Einkommen vorhanden ist. BGE 140 III 337.  

2. Aufgabe Die Gemeinde Mannsdorf hat die Stelle für die Leitung des Betreibungsamtes öffentlich ausgeschrieben. Im Gemeinderat ist man sich einig, dass nur ein Mann die Stelle erhalten solle. Aus den Bewerbungen (2 Männer, 3 Frauen) wird denn auch ohne nähere Untersuchung einer der beiden Männer eingestellt.  

Willkürverbot (BV 9), Ermessensunterschreitung und Ermessensmissbrauch. 

Repetition 1. Aufgabe Welche(s) Freiheitsrecht(e)/Grundrecht(e) ist/sind in der folgenden Situationen betroffen? Nennen Sie den Fachbegriff oder umschreiben Sie es. Notieren Sie auch die zutreffende Rechtsquelle. Mehrfachantworten sind möglich, eine Antwort genügt jeweils. 

a) Einer streng gläubigen christlichen Person wird ihr Rosenkranz gepfändet, ohne dass sie dazu Stellung nehmen konnte. Welche Grundrechte / Verfahrensgrundsätze könnten verletzt sein? Nennen Sie die Fachbegriffe und geben Sie auch den zutreffenden Artikel aus der Bundesverfassung an.  

1. Eigentumsgarantie, BV 26

2. Glaubens- und Gewissensfreiheit, BV 15

3. Rechtliches Gehör, BV 29 II

4. Verhältnismässigkeitsprizip, BV 36 III 

b) Max Müller ist Sachbearbeiter im Betreibungsamt. Er hat keinen Kontakt zu Gläubigern oder Schuldnern. Er gibt seinem Vorgesetzten bekannt, dass er zum Islam konvertieren möchte. Dieser verlangt von ihm, dass er dies unterlasse, sonst erhalte er fast sicher die Kündigung.  

Glaubens- und Gewissensfreiheit, BV 15  

c) Max Müller (aus Aufgabe b) lässt sich einen langen Bart wachsen. Sein Vorgesetzter will nur einen 3-Tage-Bart zulassen.  

Persönliche Freiheit, BV 10, ev. Glaubens- und Gewissensfreiheit, BV 15  

d) Betreibungsbeamter Alois Brut ist energisch bei Pfändungseinvernahmen. Als er sieht, wie der Schuldner mit seinem Autoschlüssel spielt, nimmt er ihn kurzentschlossen weg und sagt: „Sie erhalten ihn wieder, wenn sie die Pfändungsurkunde unterschrieben haben“. 

persönliche Freiheit, BV 10, Eigentumsgarantie, BV 26, ev. Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben 

Das Betreibungsamt von Beispielhausen hatte über zwei formell korrekt eingereichte Gesuche um Rechtsstillstand wegen schwerer Krankheit zu entscheiden. Schuldner A erlitt bei einem schweren Autounfall sehr schwere Verletzungen und musste für mindestens 8 Wochen hospitalisiert werden. Die ersten 4 Wochen wird er voraussichtlich in einem künstlichen Koma verbringen. Schuldner B erlitt beim selben Autounfall (er sass im anderen Wagen) ebenfalls sehr schwere Verletzungen und musste ebenfalls für mindestens 8 Wochen hospitalisiert werden. Die ersten 4 Wochen wird auch er voraussichtlich in einem künstlichen Koma verbringen. Dies sind die Angaben der behandelnden Ärzte

Das Betreibungsamt gewährte dem Schuldner A einen Rechtsstillstand von 4 Wochen, dem Schuldner B nur für 2 Wochen. Der Grund liegt darin, dass Schuldner B ein sehr unangenehmer Kunde des Betreibungsamtes ist.  

a) Beurteilen Sie dieses Verhalten mit Blick auf das Gebot der Gleichbehandlung.  

Eine Ungleichbehandlung ist zulässig, wo sie sich auf sachgerechte Gründe stützen kann, und eine Gleichbehandlung ist unzulässig, wo sachliche Gründe eine Unterscheidung verlangen. BV 29 Abs. 1. Hier liegt derselbe Lebenssachverhalt vor, somit muss auch derselbe Zeitrahmen beim Rechtsstillstand gewährt werden.  

b) Beurteilen Sie die Gewährung des Rechtsstillstandes in den beiden Fällen mit Blick auf die Ermessensausübung. Beschreiben Sie dazu zuerst allgemein den Begriff des Ermessens in 1-2 Sätzen. Beurteilen Sie anschliessend den Fall. Sie müssen keine Rechtsquelle angeben. 

Beim Ermessen hat der Gesetzgeber Spielräume geschaffen, welche der Verwaltung einen Freiraum dazu geben, ob eine Bestimmung überhaupt angewendet werden muss oder ob darauf verzichtet werden kann (Grundsätzlich), oder der Freiraum bezieht sich auf die Abwägung hinsichtlich der Bemessung einer Rechtsfolge (Masslich). In SchKG 61 gibt der Gesetzgeber dem Betreibungsamt einen Ermessenspielraum. Dieses Ermessen wurde allerdings missbraucht, da medizinisch davon ausgegangen werden muss, dass auch Schuldner B während vier Wochen seine Angelegenheiten nicht ordnen kann. Somit liegt Willkür vor (BV 9).

3. Aufgabe

Schuldner Stefan Schludrig hat vor 3 Jahren Privatkonkurs gemacht. Es liegen diverse Verlustscheine aus diesem Konkurs gegen ihn vor. Gläubiger Anton Amacher hat am 29.8.2016 das Betreibungsbegehren gestellt. Stefan Schludrig wurde der Zahlungsbefehl am 1.9.2016 durch einen Weibel zugestellt. Stefan Schludrig erhob unmittelbar bei der Zustellung Rechtsvorschlag. Dabei vergass er den Hinweis, dass er Rechtsvorschlag (bzw. Einsprache) „mangels neuen Vermögens“ erhebe. Am letzten Tag der Frist zur Erhebung des Rechtsvorschlags meldet er sich telefonisch beim zuständigen Betreibungsamt. Er sei im Ausland und es sei ihm eingefallen, dass er nur Rechtsvorschlag erhoben habe. Den Zusatz „mangels neuen Vermögens“ habe er damals vergessen. Der Grund für das Versäumnis liege darin, dass er sich gerade in einer familiären Ausnahmesituation befunden habe (was glaubhaft ist). Er möchte Rechtsvorschlag „mangels neuen Vermögens“ erheben. Das Betreibungsamt gibt ihm die Auskunft, das hätte er früher machen müssen. Der Zahlungsbefehl sei bereits an den Gläubiger verschickt worden. Weitere Bemühungen des Schuldners ändern nichts an der Haltung des Betreibungsamtes.  

Welches staatsrechtliche Prinzip ist hier verletzt? Nennen Sie es mit dem Fachbegriff. Beschreiben Sie weiter in 2-3 Sätzen, worin die Verletzung liegt. Geben Sie auch die Rechtsquelle an.  

Zu prüfen ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. BV 29 Abs. 2 Der Schuldner muss bei der Erhebung des Rechtsvorschlages angeben, welche Art von Rechtsvorschlag er erheben will. Unbestritten hat der Schuldner die falsche Art von Rechtsvorschlag erhoben. Der Schuldner hat aber am Telefon geschildert, weshalb der Zusatz „mangels neuen Vermögens“ unterblieben war. Somit kann das Betreibungsamt nicht einfach abblocken. Es hätte ihm Gelegenheit zur Ergänzung des Rechtsvorschlags geben müssen. Die Frist zur Erhebung des Rechtsvorschlages ist noch nicht vorbei. Auch betroffen sind: Legalitätsprinzip, Handeln nach Treu und Glauben (BV 5), Verbot der Willkür (BV 9).  

4. Aufgabe Kreuzen Sie an, welche Aussagen zur Initiative auf Bundesebene richtig bzw. falsch sind.  

Aussage richtig falsch

Es kann damit nur eine Gesetzesänderung angeregt werden. X = Falsch

Es braucht dazu 50'000 Unterschriften. X = Falsch

Die Unterschriften müssen innerhalb von 100 Tagen gesammelt werden. X =Falsch

Das Parlament kann mit 2/3-Mehrheit den Initiativtext abändern. X = Falsch

5. Aufgabe In den folgenden Fällen liegt entweder eine Verordnung, eine Verfügung oder eine sonstige staatliche Handlung vor. Setzen Sie bei der zutreffenden Variante ein Kreuz und geben Sie eine Begründung an. a) Betreibungsbeamter Beat Brunner verlangt von einem Gläubiger einen Kostenvorschuss für die Verwertung des gepfändeten Autos.  

Antwort Ankreuzen : X = Verfügung

Begründung:

Es wird in einem Einzelfall eine konkrete Änderung von Rechtsverhältnissen durch hoheitlichen Akt vorgenommen. 

b) Der Bundesrat erlässt den Gebührentarif.  

Ankreuzen: X Verordnung

Begründung:

Der Gebührentarif ist eine allgemein-abstrakte Regelung, also für unbestimmt viele Fälle anwendbar. 

c) Betreibungsbeamter Beat Brunner gibt einem Gesuchsteller einen schriftlichen Auszug aus dem Betreibungsregister. 

Antwort ankreuzen : X= Sonstiges

Begründung:

Es werden keine allgemein-gültigen Regelungen erlassen bzw. es wird kein Rechtsverhältnis geändert.