unibas


Kartei Details

Karten 17
Sprache Deutsch
Kategorie Medizin
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 10.12.2019 / 08.01.2020
Weblink
https://card2brain.ch/box/20191210_stoffwechsel_gicht
Einbinden
<iframe src="https://card2brain.ch/box/20191210_stoffwechsel_gicht/embed" width="780" height="150" scrolling="no" frameborder="0"></iframe>

Gicht-Pathogenese

  • Geschichte
  • Ursache
  • Laborbefunde

Gicht früher: Attribut des Reichtums und Zeichen der Intelligenz

Ursache: Störung des Purinstoffwechsels mit einer Hyperurikämie, Ablagerung von Harnsäurekristallen in Gelenken, Weichteilen und Niere, heftige entzündliche Reaktion

Laborbefinde: Kristalle lassen sich in der Synovialflüssigkeit* nachweisen

*Gelenkschmiere

INFLAMMATION: 5 Säulen

  • Calor (hitze)
  • Rubor (röte)
  • Tumor (aufgedunsen)
  • Dolor (schmerz)
  • Functio laesa (eingeschränkte Funktion)

Gicht - Allgemeines

  • Prävalenz der Hyperurikämie
  • Merkmale
  • Risikofaktoren und assoziierte Erkrankungen

Hyperurikämie: 20-25% der Bevölkerung (95% Männer) -> 3-4% der Bevölkerung entwickeln einen Gichtanfall; steigende Prävalenz

Männer >> Frauen (diese v.a. nach der Menopause)

Risiko steigt im Alter!

Risikofaktoren und assoziierte Erkrankungen:

  • Männliches Geschlecht
  • Genetische Faktoren (Familienanamnese)
  • Diätetische Gewohnheiten (zb hohe Fleischzufuhr)
  • Alkoholabusus (Bier am stärksten, Spirituosen mässig assoziiert)
  • Adipositas
  • Arterielle Hypertonie
  • Diabetes Mellitus
  • Hyperlipidämie
  • Hoher Zellturnover: Neuplasien, chronische Hämolyse, Psoriasis
  • Verminderte renale Harnsäureausscheidung:
    • Niereninsuffizienz und diverse Nierenerkrankungen
    • Herzinsuffizienz
    • Medikamente u.a. Diuretika, niedrigdosierte Acetylsalicylsäure, Ciclosporin, Tacrolimus

==> bei der Chemotherapie muss teilweise eine Gicht-Prophylaxe gemacht werden: Freisetzung von vielen Purinen!

Akute Gicht: Symptome, Dauer, Verlauf

Symptome des Gichtanfalls:

  • innert Stunden hochakute, äusserst schmerzhafte Monoarthritis, oft in der Nacht auftretend (untere Extremitäten 10x häufiger betroffen, v.a. Grosszehengrundgelenk, Knie- und Sprunggelenk)
  • Schwellung und Rötung ausgeprägt
  • Mögliche Begleiterscheinungen: Fieber

Dauer: meist nur wenige Tage

Verlauf:

  • Intervalle zwischen den Attacken werden kürzer
  • Anzahl der befallenen Gelenke nimmt zu (zuerst Monoarthritis, später Oligo- oder Polyarthritis)

Chronische Gicht: Symptome, wann wie wo?

Tophöse Gicht?

Chronisch meist nach einer Phase rezidivierender akuter Arthridien:

  • anhaltende Gelenkschmerzen
  • entzündliche Schübe
  • Gelenkdestruktion

Tophöse Gicht:

  • Harnsäurekristall-Ablagerungen (Tophi = gelblich-weissliche Knötchen) in den Weichteilen und an Knochen
  • v.a. an den Händen und in den Schleimbeuteln

Gicht: auslösende Faktoren

  • Provokationsfaktoren
  • Einfluss von Medikamenten

Provokationsfaktoren:

  • Alkoholkonsum
  • Purinreiche Mahlzeit
  • Fasten
  • Diabetische Ketoazidose
  • Flüssigkeitsverlust (perioperativ, körperliche Anstrengung)
  • Stresssituationen, z.B. Unfall oder Infektion

Einfluss von Medikamenten:

  • Medis die die Urat-Konzentration erhöhen (Diuretika, Tacrolimus, Ciclosporin, Ethambutol, Pyrazinamid, Cytotoxische Chemotherapie, Ethanol, Salicylate, L-Dopa, Ribavirin und interferone, Teriparatid)
  •  
  • Medis die die Urat-Konzentration senken (Vit.C [Ascorbinsäure], Calcitonin, Citrate, Östrogene, Fenofibrate, Losartan, Probenecid, Salicylate, Benzbromarone, Amlodipin, Atorvastatin)

Gicht: Pharmakotherapie

Purin-Stoffwechsel, Behandlungsoptionen für Basistherapie

Gichtattacke physiologisch, Behandlungsoptionen für akuten Anfall

Entweder wird die Harnsäuresynthese vermindert oder die Ausscheidung gefördert.

Therapie

Purine ->-> Xanthin -> Harnsäure -> Exkretion

Overproduction / Decreased excretion -> Hyperurikämie -> Ablagerung in Gelenken

Behandlungsoptionen: Diätmodifikation, Xanthinoxidase-Hemmer, Uricolytika

Therapie im Akutfall:

Harnsäurekristalle in den Gelenken bauen sich ab, APC wird aktiviert und produziert IL1b, dieses bindet an den IL1Rezeptor, wodurch proinflammatorische Cytokine und Chemokine eine Entzündung auslösen.

Behandlungsoptionen: IL-1-Rezeptoren-Hemmer; NSAIDs*, Colchicine, Corticosteroids

*nicht bei älteren Leuten -> Niereninsuffizienz, Verschlechterung der HI, Magenblutungen

 

 

Pharmakotherapie im akuten Gichtanfall

  • Therapieziel
  • Therapiebeginn
  • Therapieoptionen
  • Dauer
  • Kontrolle

Präparate der 300er Liste

Ziel: Beendigung der akuten Entzündungsreaktion im Gichtanfall

Therapiebeginn: so rasch wie möglich (innert Stunden), verzögerter Therapiebeginn mindert den Therapieerfolg

Therapieoptionen:

  • 1. Wahl sind NSAIDs, Hochdosiert während 3-5 Tagen, kombinierbar mit Steroiden oder Colchicin (bedenke UAWs!), vermeiden bei Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz, aktiven GIT-Ulcera
  • Colchizin, enge therap. Breite, langsamerer Wirkeintritt als NSAID (aber bei Unverträglichkeiten oder KI gegen NSAID möglich), hohe GIT-Toxizität, häufiger bei älteren Personen mit NI und KI, Substrat von pGp und 3A4 -> viele Interaktionen!
  • Glukokortikoide, vorsicht bei Diabetikern! Wirkung vergleichbar mit NSAID, während 3-5 Tagen dann ausschleichen, Option bei schwerer Niereninsuffizienz
  • IL-1Blocker (Bsp. Canakinumab - Ilaris®, Anakinra – Kineret®; bei therapierefraktärer Gicht oder KI für NSAR/Colchicin/Steroide, off-label Einsatz)

Dauer der Schubtherapie: 3-7 Tage, je nach Klinik

Kontrolle: Schmerzen sollten nach 2 Tagen abgeklungen sein. Bei unzureichender Monotherapie wird eine Kombinationstherapie durchgeführt.

Präparate der 300er Liste:

  • NSAID: Ibuprofen (Brufen) bis 2400mg/d ; Naproxen (Apranax) bis 1250mg/d ; Diclofenac (Voltaren) bis 150mg/d
  • Kortikosteroide: Prednison oral
  • Colchicin (kein CH-Präparat, werden aus DE importiert: Colchicum-Dispert-Tabletten, Colchysat-Tropfen, Colchimax-Tabletten)

==> Nicht-medikamentös: ruhigstellen, hochlagern, kühlen, genügend trinken

Langzeittherapie der Gicht

  • Ziel
  • Zielwerte Harnsäure
  • Dauer, Guideline?

Ziel: Normalisierung der Harnsäurekonzentration und Vermeidung von Harnsäurekonkrementen in Gelenken, Nieren und ableitenden Harnwegen, Verhinderung von akuten Gichtschüben nach Einleitung einer harnsäuresenkenden Therapie

Zielwerte Harnsäure: zwischen 3 - 6 mg/dl (bei schwerer Gicht 3-5mg/dl); 180 - 360ymol/l (bei schwerer Gicht 180 - 300ymol/l).

EULAR-Guideline 2016: Harnsäuresenkende Therapie bereits ab dem 1. Gichtschub indiziert, v.a. bei jungen Patienten <40j oder stark erhöhten Harnsäurespiegeln > 480ymol/l und/oder Komorbiditäten (NI, Hypertonie, HI, KHK)

==> Harnsäuresenkende Lanzeittherapie: start slow, go slow! Und bedenke die Schubprophylaxe! Gichtkristalle lösen sich auf, Harnsäure ist wieder erhöht und das Risiko ist wieder vorhanden.

Gicht: Schubprophylaxe

Ziel: Verhinderung von akuten Gichtschüben nach Einleitung einer harnsäuresenkenden Therapie

Dauer: i.d.R. für 3-12 Monate nach Beginn der harnsäuresenkenden Therapie, bis zum Erreichen von stabilen Serumwerten der Harnsäure (Zielwert: <360ymol/l, bei Tophi <300ymol/l)

3 Möglichkeiten:

  • Colchicin: z.B. 0.5mg 1-2x tgl. , mögl. tiefdosiert
    • NI: 0.5mg 1x tgl.
  • NSAR: z.B. Irfen 200-600mg/Tag, mögl. tiefdosiert
    • i.d.R. nur bei jüngeren, gesunden Patienten
  • Steroide: z.B. 2.5 – 5mg/Tag
    • CAVE Osteoporose-Risiko bei Langzeittherapie. Ca/Vit D Substitution indiziert.

Gicht: Langzeittherapie -> Nicht-medikamentöse Massnahmen

  • Bei Adipositas langsame Gewichtsreduktion
  • Ernährung:
    • Trinkmenge mind. 2L (zuckerlose, nichtalkoholische Getränke)
    • Verzicht auf Bier (auch alkoholfreies), Schnaps, fructosealtige Getränke
    • Weniger: Fleisch, Innereien, Meeresfrüchte
    • Mehr: Milchprodukte, mehr Kaffee?
  • Medikamenten-Check: CAVE Diuretika; bei Hypertonie bevorzugt Losartan/Amlodipin

Gicht: Langzeittherapie

Allopurinol (Zyloric)

  • Indikation
  • Wirksamkeit
  • Wirkmechanismus

Indikation: manifeste Gicht, Gichttophi, Uratnephropathie, Prophylaxe bei Chemo, rezidivierende Uratnephrolithiasis

Wirksamkeit: Harnsäuresenkdene Wirkung bestätigt

Wirkmechanismus: Allopurinol und sein Hauptmetabolit Oxipurinol hemmen die Xanthinoxidase und damit die Umwandlung von Hypoxanthin zu Xanthin und von Xanthin zu Harnsäure. Die HarnsäurePlasmakonzentration nimmt ab. Ausserdem werden Hypoxanthin und Xanthin vermehrt ausgeschieden und stehen in geringerem Ausmass für die Purin-Neusynthese zur Verfügung.

Gicht: Langzeittherapie

Allopurinol (Zyloric)

  • Anwendung, Dosierung

Anwendung: EINSCHLEICHEN! v.a. unbedingt bei Nierensuffizienz noch wichtiger!

Therapie-Start: erhöhtes Risiko für akute Gichtanfälle -> Schubprophylaxe!

  • 2 Wochen nach ABklingen des akuten Gichtanfalls
  • start low go slow
    • einschleichen
    • Dosis schrittweise erhöhen
    • Maximaldosis 900mg/d
  • Die harnsäuresenkende Therapie sollte auch bei Auftreten von Schüben und nach Erreichen des Zielwertes der Serumharnsäure weitergeführt werden.

==> Abhängig von der Nierenfunktion eindosieren!

Gicht: Langzeittherapie

Allopurinol (zyloric)

  • UAW
  • IA
  • Überwachung

UAW: sind selten, dennoch 5-10% Therapieabbruch

  • Hautreaktionen: Exantheme meist in den ersten Therapiewochen->Therapiestopp. Gefahr für die Entwicklung von lebensbedrohlichen Überempfindlichkeitsreaktionen (v.a. bei NI, hohe Startdosen, hohe Tagesdosen, gleichzeitige Verschreibung von Diuretika, frühere Hautreaktionen unter Allopurinol)
  • Hepatotoxische Reaktionen
  • Blutbildveränderungen (u.a. Agranulozytose)
  • GIT-UAW

Interaktionen:

  • Mit Purinanaloga -> Abbauhemmung -> Dosis anpassen (Azathioprin [Immurek] und Mercaptopurinol [Puri-Nethol])
  • Aminopenicilline erhöhen die Wahrscheinlichkeit des Exanthemrisikos
  • Vitamin K-Antagonisten: erhöhte Blutungsgefahr

Überwachung auf UAW/Toxizität von Allopurinol (Kontrolle...):

  • des Blutbilds
  • der Nierenfunktion
  • der Leberfunktion
  • von Hautreaktionen -> Therapiestopp

Gicht: Langzeittherapie

Febuxostat (Adenuric)

  • Indikation
  • Wirksamkeit
  • KI
  • Anwendung
  • Guidelines

Febuxostat (Adenuric) = nicht purinischer selektiver Xanthinoxidase-Inhibitor (empfehlenswert bei Niereninsuffizienz)

  • Indikation: Patienten mit Hyperurikämie und manifester Gicht
  • Wirksamkeit: leicht besser als Allopurinol, aber auch teurer
  • Kontraindikation: gleichzeitige Anwendung mit Mercaptopurin/Azathioprin (Akkumulationsgefahr!)

Anwendung: (gleich wie Allopurinol)

  • Behandlungsbeginn erst nach vollständigem Abklingen des akuten Gichtanfalls
  • analog zu Allopurinol besteht die Gefahr eines akuten Anfalls zu Beginn der Therapie -> Schubprophylaxe
  • Die harnsäuresenkende Therapie sollte auch bei Auftreten von Schüben und nach Erreichen des Zielwertes der Serumharnsäure weitergeführt werden.

Guidelines: Empfehlen Febuxostat als Reserve wenn Allopurinol nicht angewendet werden kann!

Gicht: Langzeittherapie

Febuxostat (Adenuric)

  • Dosierung
  • UAW

Dosierung:

  • Initial 1x/d 40mg (=0.5 Tablette), unabhängig von den Mahlzeiten
  • Langsame Dosissteigerung nach 2-4 Wochen bis Zielharnsäurespiegel erreicht ist. Maximaldosis 80mg/d (selten 120mg/d, off-label).
  • Niereninsuffizienz:
    • Kreatinin-Clearance bis 30ml/min: keine Dosisanpassung erforderlich!
    • Kreatinin-Clearance <30ml/min: Wirksamkeit und Sicherheit ungenügend untersucht. Sehr vorsichtiger Einsatz.

UAW:

  • Allergie/Überempfindlichkeit: seltene, schwerwiegende Reaktionen/Überempfindlichkeitsreaktionen => Hautveränderungen beachten!Auftreten v.a. im ersten Behandlungsmonat, teilweise bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion und/oder Überempfindlichkeit gegen Allopurinol.
  • Anstieg der TSH-Werte: Vorsicht bei Schilddrüsenfunktionsstörungen
  • Berichte über akutes Leberversagen

2nd und 3rd Line: Gicht-Langzeittherapie

  • Urikosurika: Probenecid (Santuril)
  • Urikosurika: Lesinurad (Zurampic)

Beide v.a. in Kombitherapie mit Allopurinol

Probenecid (Santurin): beeinflusst die proximale tubuläre Sekretion und erhöht damit die Plasmaspiegel vieler Medikamente, die so eliminiert werden

Lesinurad (Zurampic): hemmt Transporter URAT1, der für die Reabsorption der Harnsäure an der Niere verantwortlich ist

  • Second-line Therapie wenn Therapie mit Urikostatika nicht zum Zielharnsäurespiegel führt oder nicht angewendet werden können.
  • Monotherapie (selten) oder Kombinationstherapie mit Allopurinol
  • Nur bei normaler Nierenfunktion !
  • CAVE: Risiko von Harnsäuresteine-Bildung in der Nieren und den ableitenden Harnwegen ! -> genügende Flüssigkeitszufuhr: mind. 1.52 Liter, evt. Alkalisierung des Harns (pH 6.5-7)