Zivilprozessrecht 4 - Gerichte
Lienhard, Übungsbuch Zivilprozessrecht, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2012 Zuständigkeit, Ausstand, Prozessleitung/prozessuales Handeln, Fristen
Lienhard, Übungsbuch Zivilprozessrecht, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2012 Zuständigkeit, Ausstand, Prozessleitung/prozessuales Handeln, Fristen
Kartei Details
Karten | 33 |
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Lernende | 14 |
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Recht |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 09.10.2015 / 26.12.2024 |
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19. Was geschieht, wenn die Voraussetzungen an die Eingaben der Parteien nicht eingehalten werden?
Grundsatz: Nachfrist zur Verbesserung ansetzen (ZPO 132 I)
Ausnahme: Rechtsmissbrauch, z.B. zur Erstreckung einer Frist (vgl. ZPO 132 II & III).
20. Was ist eine Vorladung?
Aufforderung des Gerichts an eine Person als Partei, Parteivertretung, Zeuge oder sachverständige Person vor Gericht zu erscheinen.
21. Wie kann eine Partei einen Gerichtstermin verschieben?
- Die Partei muss
- unverzüglich nach Kenntnisnahme
- des Verhinderungsgrundes
- ein Gesuch stellen
Beispiele für zureichende Verhinderungsgründe:
- belegte Krnakheit (Arztzeugnis)
- Spitalaufenthalt
- Todesfälle im Nahbereich
- ausnahmsweise: berufliche Belastung
22. Welche Arten der gerichtlichen Zustellung werden unterschieden?
- Zustellung gegen Empfangsbestätigung (ZPO 138 I; Empfangsschein)
- Zustellung mittels gewönlicher Post (ZPO 138 IV)
- elektronische Zustellung (ZPO 139)
- öffentliche Bekanntmachung (ZPO 141)
23. Wann kommt welche Form der Zustellung zur Anwendung?
- Empfangsbestätigung: Zustellungen die Fristen auslösen oder Termine festlegen (Vorladungen, Verfügungen und Entscheide)
- Post: alle übrigen Fälle
- elektronische: anstelle der Zustellung mit Empfangsbestätigung oder gewöhnlicher Post
- öffentliche Bekanntmachung: nur in den Fällen von ZPO 141 I:
- Aufenthaltsort der Adresatin unbekannt & nicht ermittelbar
- Zustellung unmöglich oder mit ausserordentlichen Umständen verbunden
- Partei im Ausland hat entgegen Weisun kein Zustellungsdomizil (ZPO 140) bezeichnet
24. Was besagt die Zustellungsfiktion?
Einer Urkunde (ZPO 136) gilt als zugestellt (auch wenn sie tatsächlich nicht zugestellt wurde), wenn sie
- von einer Person im gleichen Haushalt, min. 16-jährig entgegengenommen wird (ZPO 138 II)
- bei eingeschriebenen Postsendungen die nicht abgeholt werden am 7. Tag nach erfolglosem Zustellungsversuch, wenn die Person mit der Zustellung rechnen musste (ZPO 138 III a; Hinweis in erstmaliger Verfügung, generell bei eigener Klage)
- bei Annahmeweigerung durch Adressat, am Tag der Weigerung (ZPO 138 III b)
25. Welche Arten von Fristen werden unterschieden?
gesetzliche Fristen: können nicht erstreckt werden
richterliche/gerichtliche Fristen: können aus zureichenden Gründen erstreckt werden
26. Wann beginnt eine Frist zu laufen?
Wird sie durch eine Mitteilung oder den Eintritt eines Ereignisses ausgelöst, so beginnt die Frist am nächsten Tag zu laufen (ZPO 142 I).
27. Wann ist eine (Eingabe-)Frist eingehalten?
- Postübergange (ZPO 143 I)
- Abgabe bei Gericht (ZPO 143 I)
- Abgabe bei schweizerischen konsularischen/dipomatischen Vertretung (ZPO 143 I)
- bei elektronischen Eingaben: Bestätigung des Empfangs durch Informationssystem (ZPO 143 II)
- bei unzuständigem Gericht: BGer: Wahrung stellt allgemeinen Rechtsgrundsatz dar, wenn eine andere Regelung fehlt → keine Regel in ZPO, also gilt Frist als gewahrt (vgl. BGE 118 Ia 241)
jeweils am letzten Tag der Frist.
28. Wann kann eine Frist erstreckt werden?
- gerichtliche (keine gesetzliche) Frist
- zureichende Gründe (im wesentlichen wie bei Verschiebung, aber auch Arbeitsbelastung)
- Gesuch während Frist
pro memoria:
gerichtlich Fristen können i.d.R. zweimal erstreckt werden.
29. Wann stehen Fristen still?
- im Schlichtungs- und Summarverfahren: Fristen stehen nie still (ZPO 145 II).
- gesetzliche Fristen: stehen nur nach ZPO 145 I still.
- gerichtliche Fristen: stehen still nach ZPO 145 I und während der Gerichtsferien.
- SchKG-Verfahren: SchKG 56; Ausnahmen für Arrest und Wechselbetreibung
ZPO 145 I
- vom siebten Tag vor Ostern (Ostersonntag) bis und mit dem siebten Tag nach Oster.
- 15. Juli bis und mit 15. August
- 18. Dezember bis und mit 2. Januar
30. Wann ist eine Partei säumig?
Wenn sie eine Prozesshandlung nicht innert Frist/zum Termin vornimmt.
31. Was geschieht bei Säumnis einer Partei?
Grundsatz: Das Verfahren wird ohne die versäumte Handlung weitergeführt, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt (ZPO 147 II).
(einzige) Ausnahme: Kurze Nachfrist bei versäumter Klageantwort (ZPO 223 I ).
32. Wann kann eine verpasste Frist/versäumter Termin wiederhergestellt werden?
- Gesuch
- innerhalb von 10 Tagen
- bei Rechtskraft: innert 6 Monaten
- seit Wegfall des Säumnisgrundes
- nur leichtes/kein Verschulden
Pro memoria:
Bei Säumnis wegen Arbeitsbelastung trifft die säumige Partei in der Regel ein grobes Verschulden, wenn sie kein Fristerstreckungs-/Verschiebungsgesuch stellt.
33. Was ist bei Gerichtsstandsklauseln in AGBs zu beachten?
umstritten: Sie müssen typographisch hervorgehoben werden, wenn sie dem Beklagten den Wohnsitzgerichtsstand entziehen (vgl. BGer v. 10.8.2011, 4A.347/2011).
h.L.: es genügt einfache Schriftlichkeit (vgl. Sutter-Somm/Hedinger, ZPO-Kommentar, ZPO 17 N 17 m.w.H.).
Der Verzicht auf den Richter des eigenen Wohnortes darf nicht leichthin angenommen werden. Es bedarf dazu einer ausdrücklichen Erklärung, deren Inhalt unmissverständlich ist und die den Willen, einen anderen als den ordentlichen Gerichtsstand zu begründen, klar und deutlich zum Ausdruck bringt (BGE 109 Ia 55, E. 3a).
1. Welche Arten von Zuständigkeit werden unterschieden?
- internationale/örtliche Zuständigkeit (Gerichtsstand): Gerichte welches Staates/Ortes sind zuständig?
- Schweizer Gerichte (internationale Zuständigkeit)
- Gerichte in Uster (örtliche Zuständigkeit)
- sachliche Zuständigkeit: Welches Gericht dieses Ortes sind Zuständig?
- ordentliches: Einzelrichter oder Bezirksgericht
- besonderes: Arbeits- oder Mietgericht
- funktionelle Zuständigkeit: In welcher Zusammensetzung/Funktion entscheidet das zuständige Gericht?
- Einzelgericht
- Kollegialgericht
2. In welchen Rechtsquellen finden sich Bestimmungen über die Zuständigkeit?
nationale Sachverhalte:
- ZPO
- materielles Recht (z.B. Trauungsort ZGB 101 I)
internationale Sachverhalte:
- IPRG
- Staatsverträge (insb. LugÜ)
3. Was ist der allgemeine Gerichtsstand?
Der Gerichtsstand am Wohnsitz/Sitz des Beklagten (ZPO 10 I a & b, IPRG 2, LugÜ 2 I).
4. Wonach bestimmt sich der Sitz/Wohnsitz?
nationale Sachverhalte:
- Wohnsitz: ZPO 10 II → ZGB 23 ff.; ausser: ZGB 24 (Wohnsitz bleibt nicht erhalten)
- Sitz: (ZPO 10 I b) ZGB 56
Internationale Sachverhalte:
- Wohnsitz: IPRG 20; (LugÜ 59 → Recht des behaupteten Wohnsitzstaates)
- Sitz: IPRG 21 II; (LugÜ 60)
5. Was ist der Unterschied zwischen einem zwingendem und einem teilzwingendem Gerichtsstand?
Vom zwingenden Gerichtsstand können die Parteien nicht abweichen (ZPO 9).
Vom teilzwingendenGerichtsstand können nur bestimmte Parteien nicht oder nur nach Entstehung der Streitigkeit abweichen (meist zum Schutz der sozial schwächeren Partei), er ist somit nur für einen Teil der Parteien zwingend (ZPO 35).
6. Unter welchen Voraussetzungen ist eine Gerichtsstandsvereinbarung zulässig?
- Verfügbarkeit des Anspruchs (umstritten)
- kein (teil-)zwingender Gerichtsstand (ZPO 9 II)
- schriftliche Vereinbarung (oder in anderer Form die den Nachweis durch Text ermöglicht (ZPO 17 II)
- hinreichende Bestimmung der zuständigen Gerichte ("Gerichte des Kantons Zürich" ist genügend)
pro memoria:
In internationalen Sachverhalten richten sich die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsvereinbarun nach IPRG/dem anwendbaren Staatsvertrag.
- LugÜ: schriftlich, mündlich mit schr. Bestätigung, in Form der Gepflogenheiten der Parteien, nach Handelsbrauch (LugÜ 23 I)
- IPRG: ZPO 17 + kein missbräuchlicher Entzug eines Gerichtsstands nach Schweizer Recht (IPRG 5)
7. Was bewirkt eine Gerichtsstandsvereinbarung?
Sie kann die Zuständigkeit eines Gerichts (Prorogation) und die Unzuständigkeit eines zuvor zuständigen Gerichts (Derrogation) bewirken.
Von einem vereinbarten Gerichtsstand kann nur in gesetzlich vorgesehenen Fällen abgewichen werden (ZPO 17 I).
pro memoria:
In internationalen Sachverhalten richtet sich die Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarun nach IPRG/dem anwendbaren Staatsvertrag.
- LugÜ: vereinbarte Gerichtsstände sind ausschliesslich und zwingend (LugÜ 23 I)
- IPRG: von vereinbarten Gerichtsständen kann nur durch Einlassung abgewichen werden (IPRG 5/6)
8. Wann liegt eine Einlassung vor?
- wenn sich der Beklagte
- vorbehaltslos (ohne vorherige Bestreitung der Zuständigkeit)
- zur Sache
- gegenüber dem Gericht äussert
pro memoria:
In internationalen Sachverhalten bestimmt sich die Einlassung nach IPRG/dem anwendbaren Staatsvertrag.
- LugÜ: die Partei- und Prozessfähigkeit des Beklagten nach der lex fori, seine rügelose Einlassung, die Abdingbarkeit des gesetzlichen
Gerichtsstands (LugÜ 24) - IPRG: Partei- und Prozessfähigkeit des Beklagten nach der lex fori, rügelose Einlassung, vermögensrechtliche Streitigkeit, Abdingbarkeit des gesetzlichen
Gerichtsstands und Minimalbezug zur Schweiz (IPRG 6)
9. Was ist eine doppelrelevante Tatsache?
Tatsachen die sowohl für die Zuständigkeit, als auch für die materielle Begründung der Klage relevant sind.
Beispiel:
Ob ein Arbeitsvertrag vorliegt ist entscheidend für die Frage, ob eine arbeitsrechtliche Streitigkeit vorliegt und ob der Kläger einen Anspruch auf Lohn aus Arbeitsvertrag hat.
10. Wann wird eine doppelrelevante Tatsache geprüft?
Eine inhaltliche Würdigung findet grundsätzlich erst im Rahmen der materiellen Prüfung der geltend gemachten Ansprüche statt (BGE 137 III 32, 34 E. 2.2).
Es ist im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung einstweilen auf die Ausführungen des Klägers abzustellen, ausser die Qualifikation (z.B. als arbeitsrechtliche Streitigkeit) sei offensichtlich nicht gegeben (BGE 137 III 32, 34 E. 2.2).
11. Was sind die Ausstandsgründe?
- persönliches Interesse (ZPO 47 I a)
- Vorbefassung (ZPO 47 I b; ZPO 47 II)
- Ehe/Partnerschaft (ZPO 47 I c)
- Verwandtschaft (ZPO 47 I d & e)
- objektive Gründe der Befangenheit (ZPO 47 I f)
pro memoria:
BGer: freundschaftliche Verhältnisse zwischen Richter und und anwalltlicher Vertretung führt nur zur Befangeneheit, wenn zusätzliche spezielle Umstände vorliegen (BGer v. 7.5.2004, 1P.180/2004, E. 2.5)
In internationalen Sachverhalten richten sich die Ausstandsgründe als Teil des Prozess-/Verfahrensrechts stets nach der lex fori, dem Recht am Ort des Gerichts.
12. Wie kann eine Partei den Ausstand einer Gerichtsperson beantragen?
- Unverzüglich nach deren Kenntnisnahme
- mittels Ausstandsgesuch (ZPO 49 I).
Wird das Gesuch verspätete eingereicht, ist das Recht verwirkt.
13. Was geschieht bei einem Ausstandsgesuch durch eine Partei?
- Stellungnahme der betroffenen Gerichtsperson
- Im Bestreitungsfall: Entscheid des Gesamtgerichts
- Entscheid mit Beschwerde anfechtbar (ZPO 50)
14. Welche Arten von Prozessleitung werden unterschieden?
- formelle Prozessleitung: Massnahmen des Gerichts mit Einfluss auf den äusseren Ablauf (Zustellen von Vorladungen, Fristansetzung etc.)
- materielle Prozessleitung: sämtliche gerichtliche Tätigkeiten mit dem Ziel auf den Inhalt des Prozesses Einfluss zu nehmen (z.B. richterliche Fragepflicht)
15. Wer hat die formelle Prozessleitung in der Schweiz?
Das Gericht. Es entscheidet über Termine, verschiebungen etc. Die Parteien haben darauf (grundsätzlich) keinen Einfluss.
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