Sozialpädagogik
Theorien und Geschichte der Sozialpädagogik
Theorien und Geschichte der Sozialpädagogik
Kartei Details
Karten | 75 |
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Lernende | 15 |
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Pädagogik |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 16.06.2015 / 29.12.2023 |
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4 Theorien nach Thiersch
- Hermeneutisch-pragmatisch:
- zentral: das Verstehen der alltäglichen Verhältnisse ohne konkreten Handlungsdruck:
- der Sozialpädagoge geht zunächst in die Lebenswelt der Adressaten hinein, um genau zu beobachten, ohne zu agieren oder zu werten → Ressourcen des Alltags nutzen, um gemeinsam mit den Adressaten bessere Lebensverhältnisse für ein gelingenderes Leben zu schaffen, indem sich
die Menschen als Subjekte erfahren
- Phänomenologisch-systematisch:
- zentral: Rekonstruktion der subjektiv erfahrenen Wirklichkeit in ihrer individuellen Sinnhaftigkeit und sozialen sowie gesellschaftlichen Abhängigkeit
- abweichendes Verhalten als Ergebnis subjektiver Anstrengungen und Bewältigungsmuster, sich in eigener Wirklichkeit behaupten zu müssen → Was könnte aufgebrochen/ verändert werden? Was könnte besser/ gelingender gehen?
- Weg zu Veränderungen führt über Verhandlungen zwischen Sozialpädagogen und Adressaten → Konfrontation mit neuen, optionalen Lebensentwürfen → gemeinsam zu einem gelingenderen Leben gelangen
- Sozialpädagoge: sich in Verhältnisse der Adressaten hineinversetzen und diese von einem theoretisch distanzierten, mehrperspektivischen Standpunkt aus betrachten
- Respekt vor den Verhältnissen; Konfrontation mit Verhaltensweisen setzen, die nicht mehr tragbar sind und der Veränderung bedürfen → führt Adressaten auf anstrengenden und schmerzhaften Weg, vertraute, Sicherheit gebende Denkmuster/ Lebensgewohnheiten/ Bequemlichkeiten aufzugeben
- Soziale Arbeit setzt an Problemen an und wird dort hilfreich, wo Menschen alleine nicht mehr zu Rande kommen
- Lebensweltorientierung: Analysen gesellschaftlicher Strukturen → alles subjektive Handeln findet in gesellschaftlichen Gegebenheiten statt
- Lebenswelt als Schnittstelle von Objektivem und Subjektivem; Ort der Erfahrungen und Bewältigung von Strukturen/ Handlungsmustern: „ein Ort des Stehgreifspiels in gegebenen Mustern“
- Kritische Alltagstehorie
- Gelingender Alltag
Methoden der Sozialpädagogik
es gibt keine spezifischen Methoden der SP → daher häufig „Klassische Methoden“ der SA als Methoden der SP
Praxis von SP zielt immer auf die Veränderung sozialer Gegebenheiten → Veränderung von Menschen, Gruppen und/ oder Gemeinwesen bis hin zu ganzen Gesellschaften
amerikanisches „social work“ hat seine Methoden danach unterschieden, wer sich unter seinem Einfluss verändern bzw. entwickeln soll:
case work (vgl. "friendly visiting") → Einzelfallhilfe
group work → Gruppenarbeit
community work (vgl. settlement-Bewegung in London → Toynbee Hall, Chicago → Hulls House, ....) → Gemeinwesenarbeit
amerikanische Dreiteilung der Methoden der Sozialarbeit ist ins Deutsche übernommen worden: Einzel(fall)hilfe, Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit
Konvergenz: zunehmend miteinander verknüpfte Praxis von SP und SA → hilfreich, da mit ihr auf Anhieb festgestellt werden kann, wer mit einer bestimmten Methode auf den Weg gebracht werden oder begleitet werden soll → über den Weg selbst oder über das Ziel sagt dieses Dreierschema zunächst nichts aus
SCHILLING (1997) löst dieses Methoden-Dilemma in Rückschau auf die geschichtliche Entwicklung und skizziert 4 Phasen:
Phase 1: Anfänge zu Beginn des 20. Jh.
Phase 2: Übernahme amerikanischer Methoden in den 50er Jahren
Phase 3: Methodenkritik zwischen 1968 und 1975
Phase 4: Ausdifferenzierung seit den 80er Jahren
RAUSCHENBACH (1993): Ende des „methodischen Dreigestirn“: nicht mehr „klassische Methoden“ der Sozialen Arbeit, sondern Verwendung treffenderer Bezeichnungen: Arbeitsformen, Arbeitsweisen, Arbeitskonzepte, Arbeitsprinzipien; Strategien; Interventionen, -strategien; Techniken; Mittel
im Zuge der enormen Ausweitung der Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit erwies sich der Methodenbegriff theoretisch wie praktisch als zunehmend unzureichend; gleichzeitig ist eine Tendenz zu erkennen, dass sich Sozialpädagogik gegenüber Techniken und Arbeitsformen, die nicht genuin aus der Tradition der sozialen Arbeit stammt, öffnet
Konzept der Sozialraumorientierung von Hinte
- ähnelt LWO
- gegenwärtig führend in Praxis sozialpädagogischer Arbeit
- soziale Räume gestalten/ deren Ressourcen gebrauchen → Menschen in ihrem Lebensraum Balance von Einzelfall, Zielgruppe, Immobilie und Sozialraum mittels fallspezifischer, -übergreifender und -unspezifischer Arbeit geben → dabei Einbeziehung kultureller, sozialer, historischer und räumlicher Dimensionen → Ziel: Erweiterung ihrer Handlungsoptionen
Arbeistfelder der SP
- Entwicklungsschub in den letzten 20 Jahren
- zu den traditionellen sozialpädagogischen Aufgaben und Tätigkeiten → neue Aufgabenfelder durch Ausweitung und Differenzierung
- aus Jugendhilfe (Heimerziehung) als Kernzelle der SP → neue Arbeitsfelder durch Abspaltung
- Jugendhilfe nimmt nach wie vor breiten Teil im sozialpädagogischen Handlungsfeld ein, steht aber als eines neben anderen Praxisfeldern
- Ausweitung und Zersplitterung der Aufgaben sozialer Berufe in neue gesellschaftliche Bereiche
- neue Zielgruppen werden erschlossen und neue Tätigkeitsfelder geschaffen
- gewaltige und kontinuierliche Expansion der öffentlichen Erziehung und der sozialen Dienste
- Einsatzmöglichkeiten nach Weinschenk:
- Abenteuerspielplatz, Beratungsstellen, Bewährungshilfe, Drogenberatungsstellen, Clubarbeit, Erziehungsberatung, Erziehungsheim
- Unterscheidung der Tätigkeitsbereiche nach entsprechendem Arbeitsfeld/ Inhalt (Hamann):
- Einrichtungen der Kinderpflege und Kindererziehung
- Einrichtungen der Jugendarbeit und außerschulischen Jugendbildung
- Einrichtungen der Heimerziehung, offene Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Jugendverwahrlosung und Jugendkriminalität, Beratungsstellen
- Einrichtungen der Kranken-, Gefangenen-, Inhaftierten- und Altenhilfe, Maßnahmen zur Betreuung randständiger Gruppen
- Hoffstätter:
- traditionelle, fast traditionelle und neue Arbeitsfelder
- Böhnisch:
- Erweiterung der Zielgruppe innerhalb der SP
- Zielgruppe: nicht mehr nur verwahrloste und gefährdete Kinder/ Jugl., sondern gesamte Jugend
- auch Erwachsene brauchen sozialpädagogische Hilfe
- Erziehung und Bildung wird heute als lebenslanger Lernprozess gesehen → daher befasst sich SP zunehmend mit Menschen aller Altersgruppen und hat mit gesunden, kranken, behinderten und süchtigen Menschen zu tun
Ausblick Lebensweltorientierung
- hat für grundlegende Veränderungen im Feld der Sozialen Arbeit gesorgt und kennzeichnet den Beginn eines Paradigmenwechsels
- von einem fürsorgerisch-repressiven und einseitig therapeutischen Verständnis zur Subjekt- und Alltagsorientierung
- von einer stigmatisierenden Defizit- zu einer Ressourcenorientierung
- von einem in der Expertenmacht begründeten Eingriffsrecht zu einem sozialen Leistungsnetz mit Rechtsansprüchen auf Hilfen und einer grundsätzlichen Dienstleistungsorientierung auf Augenhöhe
- von einem Angebot für Randständige zu einem „Leistungsangebot für alle“
- Thiersch: „Lebensweltorientierung betont nicht nur die Vielfalt der im Alltag zu bewältigenden Aufgaben und Probleme, sondern auch die grundsätzliche autonome Zuständigkeit aller Menschen für ihren je eigenen Alltag“
Pestalozzi-Syndrom (Thiersch)
- Argumentation engagierter Praktiker das eigene Handeln jeweils aus der Situation heraus und damit basierend auf situativen Einschätzungen und individuellen Erfahrungswerten begründen zu müssen – obwohl allgemeine Orientierungen und fachlich fundierte Konzepte durchaus verfügbar wären
- wenn Sozialpädagogen in ihrer täglichen Praxis sozialpädagogische Theorien bzw. Konzepte nicht als Deutungsmuster, als „sicheren Faden“ (Pestalozzi) verfügbar haben, dann kann es für diese Praktiker schwierig sein, ihre spezifische Professionalität und damit ihre fachliche Identität, auch in Abgrenzung zu anderen Experten zu benennen → erschwert die Ausbildung bzw. Stabilisierung einer professionellen Identität
Aichhorns Experiment mit den aggressiven Jugendlichen
- Aichhorn unternahm Versuch, Kinder/ Jugendliche nach Alter, Geschlecht, Intelligenzgrad und psychischen Störungen in Gruppen zusammenzufassen → 12 Knaben blieben übrig, die infolge ihres aggressiven Verhaltens in keiner Gruppe geduldet wurden
- Aichhorn fasste sie nun zu einer eigenen "Gruppe der Aggressiven"/ "Sechsergruppe" zusammen
- Aichhorn baute zu jedem einzelnen eine Beziehung auf und führte zahlreiche Gespräche mit ihnen → er suchte nach dem Ursprung der Aggressionen
- Aggressionsäußerungen als Symptom der Krankheit "Verwahrlosung"
- alle Knaben stammten aus Kampfehen → noch ehe sie die entsprechenden Abwehrmechanismen ausbilden konnten, mussten sie gegen Mutter/ Vater oder gegen beide Stellung beziehen → Entwicklung eines starken Hassgefühls
- alle wurden verprügelt und gingen auf andere Kinder los wenn sie sich stärker fühlten
- keiner erhielt Liebe aus Elternhaus, jeder erlitt Strenge ud Brutalität
- manche projezierten eine vollstädige Liebe auf ein Tier
- zunächst musste Defizit an Liebe ausgeglichen werden
- dann nach und nach vorsichtig stärkere Belastung
- keine strenge Zucht
- absolut milde Güte; fortwährende Beschäftigung und viel Spiel (um auch Aggressionen vorzubeugen); fortgesetzte Aussprachen mit jedem Einzelnen
- Unterkunft: alte Holzbaracke Nr. 13 am Rande des Flüchtlingslagers
- Aichhorn betreute die Kinder mit zwei weiteren Kolleginnen
- vorerst wurde den Kindern keinerlei Widerstände entgegengesetzt: so weit wie möglich gewähren lassen → Aggression näherte sich Grenze, über die hinaus sie nicht mehr steigerungsfähig war → dann trat Änderung ein: Aggressionen wurde zu Scheinaggressionen, welche nur gespielt war → dies beachtetetn die Erzieher nicht → Wutweinen → Zeit großer Labilität → allmählich Gefühlsbeziehung zwischen Jungen und Erziehern, Zeiten des Bravseins wurden immer länger
- Methode war bei 72% der Jugendlichen erfolgreich
Fallbeispiel Maria
Marias Vater ist seit dem Krebstod der Mutter vor 4 Jahren kaum mehr ansprechbar. Er
kümmert sich um nichts mehr. Maria muss sich um 2 jüngere Schwestern und den
Haushalt kümmern. Sie hat kaum Zeit für Freundinnen und Schule und gehört zu keiner
Clique mehr. Die Familie hat wenig Geld, daher beginnt Maria zu stehlen. Sie darf auch
nicht mit zur Klassenfahrt. Schulpsychologin/Mädchenberatungsstelle.
- Räumlichkeiten ansehen
- schlechte Kommunikation zwischen Kinder und Vater
- wie lange trägt Maria die Rolle der Mutter schon?
- wie lange war die Mutter schon krank?
- warum stiehlt Maria?
- hat sie absichtlich gestohlen um Zuhause zu bleiben?
- sie kann nicht von Zuhause weg, da kein Geld vorhanden ist
- es müssen Veränderungen gemacht werden
- gibt es Verwandtschaft? → wenn nicht, dann wird die Familienintensivberatung eingeschaltet
- Vater braucht vielleicht eine Therapie
1. Zuhören/ Beobachten
2. Therapie für den Vater
3. Trauerbewältigungsarbeit für alle
4. evt. KIZ als Maßnahme, wenn Vater in stationäre Therapie geht
- Lösung:
- Vertrauen schaffen → dadurch, dass man z.B. einen Kaffee trinken geht; Mädchen ist „toll“, weil sie mit 10 Jahren schon den Haushalt erledigt hat; geht in die Schule; Vater trinkt nicht; hätte sie nicht gestohlen wäre die Familie nie aufgefallen; sie ist ein sehr starkes Mädchen; für die Beratung ist die „Autobushaltung“ eine sehr wichtige Übung → man sitzt sich nicht gegenüber, sondern nebeneinander, wo man sich nicht ansehen muss, dann wartet man bis sie anfängt (z.B. Spaziergang, gemeinsames Abwaschen, Auto fahren…..)
- Beobachten: wie schauen die Räume und die Zeit bei ihr und der Familie aus?; gibt es noch Verwandte, die man aufsuchen kann?; wie ist die Beziehung zwischen ihr und ihrem Vater?
- Vater aus der Lethargie holen, eventuell durch Besuch zu Hause oder zu Unterhaltungsarbeit einladen, dadurch kann man den Vater näher kennenlernen
- um „Ansprüche“ kümmern → Waisenrente, Witwenrente
- Maria zeigen, was sie alles schafft und macht, da dies für ein 14 jähriges Mädchen nicht selbstverständlich ist; auf lange Sicht ihr die Verantwortung nehmen
- Schulpsychologin/ Schule einbinden → warum bemerkt in der Schule niemand, dass Maria schlecht gekleidet ist und wenig Geld hat? → Elternrat hätte finanziell einspringen können; Maria sucht durch Diebstahl soziale Annerkennung; Diebstahl eventuell auch, weil sie nicht mit zur Klassenfahrt wollte, damit sie bei ihrer Familie bleiben kann oder damit sie Geld zum Mitfahren hat; es besteht auch ein geschlossenes Familiensystem; Maria hat großes Organisationstalent, autonom, kommunikativ
Gegenwärtige Definition der Sozialpädagogik
- wird nicht mehr wie im 19. Jh. nur als Nothilfe oder wie in klassischer Epoche der 20er als Erziehungshilfe aufgefasst
- heute: differenziertes System von wissenschaftlichen Fragestellungen/ von Institutionen tätiger Hilfe, um Familie und Schule zu unterstützen, zu ergänzen oder Familiensysteme zu ersetzen und Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu helfen, sich in der jeweiligen Gesellschaft zurechtzufinden
- es kommen stets neue Tätigkeits- und Zuständigkeitsbereiche hinzu
- Institutionen außerhalb der Schule mit pädagogischen Aktivitäten = Institutionen der Sozialpädagogik/ Sozialarbeit bezeichnet
- verschiedene Berufsbezeichnungen: Sozialpädagoge, Sozialarbeiter, Erzieher etc.
- Mollenhauer „Sozialpädagogik als Inbegriff einer Gruppe von neuen pädagogischen Maßnahmen und Einrichtungen als Antwort auf typische Probleme der Gesellschaft“
- sozialpädagogische Praxis nicht nur ursprünglich typische Erziehungshilfen wie Fürsorge, Schutz, Pflege oder Beratung, sondern auch gesellschaftspolitische und gesellschaftsverändernde Maßnahmen durch Entwicklung eines kritischen Bewusstseins und durch Emanzipation des Menschen
- Sozialpädagogik als zunehmend selbstverständliche Leistung in der Daseinsgestaltung moderner
Gesellschaften - Sozialpädagogik beginnt sich zu normalisieren
Herbert Altrichter
- Modell der professionellen (sozial-)pädagogischen Kompetenz:
- Ich-Kompetenz
- soziale-K.
- historische-K.
- Werte-K.
- Methoden-K.
- Theorie-K.
- methateoretische-K.
Sozialpädagogik
- "Wer heute von Sozialpädagogik spricht, kann kaum erwarten, dass sein Gegenüber auch dasselbe darunter versteht wie er. Denn sowohl in der Alltagssprache als auch in der Fachliteratur wird dieser Begriff sehr unterschiedlich und vieldeutig gebraucht." (Thurau)
- Jugendfürsorge und Anstaltserziehung
- Ersatz für schwindende familiäre und verwandtschaftliche Erziehungsleistungen → im Gegensatz zu Sozialarbeit: Sicherungsleistungen
Etablierung der Sozialpädagogik
- seit Mitte 60er: Prozess der Verberuflichung sozialpädagogischen Tätigkeiten
- Etablierung der SP als eigenständiger Beruf vollzieht sich schrittweise:
- ehrenamtliche Helfer werden von bezahlten zunehmend abgelöst
- Entwicklung eigener beruflicher Methoden
- spezielle Ausbildung
- Diskussionen um einen spezifischen beruflichen Codex
Heimerziehung nach Simmen
- Heimerziehung umfasst heute jede Art von Erziehung, die die familiäre Erziehung ersetzt
- über einen mittel- oder längerfristigen Zeitraum durch speziell ausgebildete und bezahlte Sozialpädagogen in dafür vorgesehenen Institutionen/ Organisationen
- "Kinder, Jugendliche und Erwachsene, deren Entwicklung oder selbständiger Lebensvollzug im privaten oder öffentlichen Lebensumfeld in einer Weise erschwert ist, dass sie vorübergehend oder langzeitlich zu einem Leben im Heim gezwungen sind oder gezwungen werden können."
Heimerziehung
Heimerziehung hat sich durch anhaltende Entwicklungs- und Reformbestrebungen in den letzten Jahrzehnten erheblich ausgeweitet und differenziert
Heimerziehung musste sich durch veränderte gesellschaftliche, ökonomische und sozialpolitische Bedingungen und unter Einbeziehung neuer sozialpädagogischer Paradigma ausweiten und differenzieren
gegenwärtig ist Heimerziehung im Begriff, sich als Teil einer lebensweltorientierten Sozialpädagogik zu etablieren
Heimerziehung galt lange als einzige Form der Fremderziehung
galt als Ersatz für die Herkunftsfamilie entweder bei unvorhersehbarem Ausfall der Familie oder zur Gewährleistung (höherer) schulischer Bildung/ Ausbildung
Karl Mager (1810-1858)
- 1844 Begriff "Social-Pädagogik" =
- Inbegriff neuer pädagogischer Aufgaben und Einrichtungen, als Antwort auf typische Probleme der modernen Gesellschaft
- Beginn der Industrialisierung
- 3 Generationen lebten in einem Haushalt = Großfamilien; Wandel von Großfamilie zur Kleinfamilie → Wer schaut auf Kinder, wenn nicht mehr alle Generationen im Haus sind?
- es entstanden Einrichtungen/ Institution(en z.B. neben Fabriken, um den Kindern arbeitender Eltern eine Bleibe bieten zu können)
- er geht auch von einer allgemeinen „Pädagogik“ aus
- bezieht Sozialpädagogik auf die Praxis der Pädagogik in der konkreten Gesellschaft
- soziale Missstände → Verwahrlosung → Arbeitslosigkeit → Armut →SP ist auch defizitorientierend
Adolf Diesterweg (1790-1866)
- gibt 1851 den Begriff „Sozialpädagogik“ seine Prägung
- einerseits: Erziehung des Individuums zu sozialer Mündigkeit und Emanzipation
- anderseits: soziales Leben im Sinne einer höchstmöglichen, emanzipativen, kooperativen Teilnahme aller Zugehörigen gestalten
- reaktive Sozialpädagogik = Sozialpädagogik als Reaktion auf die Entstehung sozialer Missstände, erzieherischer Notsituationen und gesellschaftspolitischer Spannung zu Beginn des Industriezeitalters → Überwindung durch spezifische pädagogische Maßnahmen und Institutionen der Gemeinschaftserziehung
Paul Natorp (1854-1924)
- Sozialerziehung!
- um Jahrhundertwende: Konzeption der Sozialpädagogik im Sinne von Sozialerziehung als Antwort auf die soziale Frage
- Sozialpädagogik stellt im Gegensatz zur Individualpädagogik ein wesentliches Merkmal jeder Erziehung dar
- für ihn ist „Erziehung und Bildung zur Gemeinschaft durch Gemeinschaft“ notwendig
- wichtig ist ein soziales Wesen zu werden; wirkte um die Zeit zur Entstehung des Nationalsozialismus
- er ist auch Mitgründer der sozialpädagogischen Theoriebildung
Herman Nohl und Getrud Bäumer
- definieren in den zwanziger Jahren Sozialpädagogik als eigenen subsidiär zu verstehenden Erziehungsbereich neben Familie und Schule
- ihre Überlegungen einer Theorie der Sozialpädagogik haben den Verlauf und die Entwicklung der SP nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die jüngste Zeit entscheidend geprägt
Herman Nohl
- „Wer Schwierigkeiten macht, der hat welche…“
- hat Sozialpädagogik nie definiert aber prägte sie nach und nach
- erkennt die Notwendigkeit, das Individuum in seiner konkreten Notlage zu sehen, ohne dabei seine Bezogenheit zur Gemeinschaft zu übersehen
- will man dem einzelnen helfen, bedarf es eine positiven Verhältnisses zu ihm → pädagogischer Bezug
- mit seinen Überlegungen zur Individualität und zum pädagogischen Bezug leitet er die „kopernikanische Wende der pädagogischen Arbeit“ ein
- Sozialpädagogik richtet ihre Aufmerksamkeit nicht mehr so sehr auf die Schwierigkeit, die der einzelne macht, sondern auf die Schwierigkeit, die er hat
- Ziel der sozialpädagogischen Hilfe sei das Wohl und die Anerkennung des Lebensrechts jedes einzelnen, zu seinem Wohlsein zu kommen
- bis zu Nohl ist Sozialpädagogik „konzentriert auf die Krankheit, sie sollte aber auf die Gesunderhaltung konzentriert sein“ stellt er fest und meint weiter, dass sich „das ganze Schwergewicht unserer Arbeit von der Heilung und Rettung irgendwie verwahrloster und kranker Jugend auf die Vorbeugung, von der Therapeutik auf die Prophylaxe verlagern“ müsse
- er gibt der Sozialpädagogik einen wesentlichen Impuls für eine neue, positive Sichtweise; primär vorbeugend, prophylaktisch
- Therapie gilt für den Notfall
- Sozialpädagogik aber ist aufbauend und nicht heilend
- nachgehende Hilfe = Nachbetreuung ist unumgänglich und darf nicht plötzlich aus sein; Pädagogischer Bezug = um jemanden zu unterstützen, braucht er ein positives Umfeld: Nicht auf Symptome, sondern auf innere Not schauen
Gertrud Bäumer (1873-1854)
- war Mitarbeiterin von Nohl
- von ihr stammt bekannteste und gebräuchlichste Definition von SP
- „Sozialpädagogik ist alles was Erziehung, aber nicht Schule und Familie ist“
- richtet sich an Kinder und Jugendliche mit dem Ziel, ihnen Hilfe zukommen zu lassen
- ihr Ausgangspunkt ist zunächst eine Notsituation, jedoch entwickelt sie sich zu einer positiven Pädagogik, die vor allem vorbeugend, aber auch nachbereitend tätig ist
- Sozialpädagogik steht als eigenständiger dritter Erziehungsbereich neben Familie und Schule
- sie ist jedoch nicht nur außerhalb von Familie und Schule tätig, sondern wirkt in sie hinein und arbeitet mit ihnen zusammen
- Familie, Schule und Sozialpädagogik verstehen sich als drei Erziehungs-, Bildungs- und Lernsituationen, die alle je nach ihrer spezifischen Zielvorstellung ihren eigenen Beitrag zur Persönlichkeitsentfaltung des Individuums in der Gesellschaft leisten
- alle drei Institutionen stehen in Kooperation und Wechselbeziehung
Klaus Mollenhauer (1928-1998)
- "Mit dem Ausdruck Sozialpädagogik als einem erziehungswissenschaftlichen Terminus hat es eigene Schwierigkeiten."
- gehört zu den führenden Vertretern der neuen gesellschaftskritischen Sozialpädagogik
- Sozialpädagogik als eine Funktion der Gesellschaft
- "Sie ist Bestandteil jenes pädagogischen Systems, dass durch die industrielle Gesellschaft hervorgebracht wurde. Von ihrem Beginn an und in allen ihren Formen war sie eine Antwort auf Probleme dieser Gesellschaft, die der Sozialpädagoge zu Erziehungsfragen umformulierte.“ → dadurch positive Wende der Sozialpädagogik von der bloßer Nothilfe zu eigenwertiger und selbstverständlichen Erziehungsleistung
- Ziel: Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen und Motiven des einzelnen Individuums und den mit der Struktur der modernen Gesellschaft gegebenen Anforderung finden
- Schutz: die Prävention vor den Schädigungen/ Bedrohungen der Gesellschaft (z.B. auch die Bedrohung der neuen Medien wie Handy, wie gehe ich als Pädagogin damit um?) Schutz vor dem Zwang des Erwachsenendasein; Kinder haben andere Bedürfnisse als Erwachsene → Ellen Key; Kinder sind keine Erwachsen → Reformpädagogik; ab 1920 Forschung über das Jugendalter
- Pflege: der Kultivierungs- und Sozialisationsprozess
- Beratung
Hans Thiersch
- Heimerziehung 1990
- Konzept der Lebensweltorientierten Sozialpädagogik → Handlungsmaxime:
- Strukturmaxime: optimale Handlungsmöglichkeit, Empathie, aber nicht mitschwingen:
- Objektivität:
- Raum: wie schaut Wohnung aus?
- Zeit: wer kocht, wer geht einkaufen, Tagesablauf
- Interaktionen: wie wird untereinander gesprochen
- Basis für Beziehung knüpfen: Mithelfen
- Konfrontation mit neuen Handlungsmöglichkeiten (kann konfliktreich werden)
- Objektivität:
- Partizipation: Mitbestimmung, Freiwilligkeit, teilnehmend und nicht für oder über den
anderen; es dürfen Dinge nur in Verhandlungen passieren - Integration/ Normalisierung: es geht nicht mehr um Randgruppen; alle Personen mit besonderen Bedürfnissen
- Alltagsnähe: Zugänglichkeit der Leistungsangebote; viele Angebote sind den
Betroffenen nicht bekannt; Kinder-/ Jugendhilfe muss auch im Alltag der Kinder/ Jugendlichen und ihrer Familien zugänglich sein → Barrieren abbauen, die diesen leichten Zugang zu Angeboten der Kinder-/ Jugendhilfe verhindern (organisatorische, zeitliche, institutionelle Barrieren wie z. B. unpassende/ unflexible Öffnungszeiten, umständliche Anmeldungsregeln, kalte und unpersönliche Räumlichkeiten,…)- normative und nonnormative Alltagsnähe
- Wo leben die Menschen und welche Aufgaben haben sie?
- Dezentralisierung/ Regionalisierung: Angebote dort anbieten, wo sie auch gebraucht
werden; Kinder nicht aus Lebensumfeld zu reißen → Angebote/ Hilfen in Umgebung; überregionale zentrale Großeinrichtungen mit einem weiträumigen Einzugsgebiet verhindern/ reduzieren zugunsten von kleineren Einrichtungen vor Ort - Prävention: knüpfte an Nohl an, Hilfe bereits vorausblickend anbieten → familienbegleitende Arbeit und Jugendarbeit; es soll gar nicht erst zu schlimmen Konflikten und Krisen im Leben von Kindern/ Jugendlichen kommen → Kinder- und Jugendhilfe, die lebenswertes Leben ermöglichen
- Strukturmaxime: optimale Handlungsmöglichkeit, Empathie, aber nicht mitschwingen:
- Entspezialisierung
- Entformalisierung
- Individualisierung
Lothar Bönisch
- Sozialpädagogik ist nicht nur eine sozial- und erziehungswissenschaftliche Disziplin
im allg. Sinne, sondern auch eine Theorie besonderer Praxisinstitutionen –
vor allem der Jugendhilfe und Sozialarbeit - als erziehungswissenschaftliche Disziplin beschäftigt sich die Sozialpädagogik mit
jenen sozial-strukturell und institutionell bedingten Konflikten, welche Verlauf der
Sozialisation von Kindern und Jugendlichen und gesellschaftlichen und institutionellen
Anforderungen, wie sie in Familie, Schule, Arbeitswelt und Gemeinwesen vermittelt sind - versucht, Konflikte aufzuklären, ihre Folgeprobleme zu prognostizieren und
in ihrem Kontext die Grundlage für erzieherische Hilfen zu entwickeln - Konzept der Lebensbewältigung:
- Biographisierung, soziale Einbettung der Lebensprobleme → erfordert Bewältigungsverhalten → soziale Probleme führen zu persönlichen Krisen → Sehnsucht nach "Normalisierung" regt zu Versuchen an, aus dem Stress eine Balance von Handlungsfähigkeit und Integration zu erreichen
Franz Hamburger
- in Phasen gesellschaftlicher Umbrüche und Krisen ist Sozialpädagogik entstanden
und in diesen Konflikten hat sie an Entwicklungen von neuen Formen des Verhältnisses zwischen Individuum und Gesellschaft mitgewirkt - Sozialpädagogik hat eine globale Zuständigkeit für das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft
- sozialpädagogische ,Herstellung‘ von ,Normalität‘ ist notwendig, weil traditionelle Selbstverständlichkeiten verdampft sind
- Nothilfe in schwierigen Situationen
- Disziplinierung schwieriger Personen und konstituierende Funktion für Gesellschaft
Michael Winkler
- intuitiv wissen die meisten, was Sozialpädagogik ist und was Sozialpädagogen tun
- Sozialpädagogik ist in Gesellschaft angekommen und wird in den spannungsreichen Problemlagen, welche sich zwischen Gesellschaft, ihren Institutionen und den Einzelnen ergeben, benötigt
- Verdrängung etwa durch die Schulpädagogik im Zusammenhang mit Ganztagsschulen
- Sozialpädagogik, wenn historisch gesellschaftliche Situationen eintreten, in welchen Sozialisation nicht mehr funktioniert und Erziehung unvermeidlich wird
Wurzeln der Sozialpädagogik und Sozialarbeit
- ab Ende 1970: beginnende Überschneidungen der SP/ SA in der Praxis
- bis in 1980er: definitorische Abgrenzung SP/ SA brennendes Thema der Wissenschaftler
- 2 Hauptstränge:
- SA: Fürsorge für Erwachsene
- SP: Fürsorge für Kinder/Jugendliche
↓
Soziale Arbeit / System sozialer Hilfen und Interventionen
Historische Aspekte: Ziele der SP/ SA
- SP: Jugendfürsorge und Anstaltserziehung
- Antwort auf Erziehungsprobleme und Jugendnöte
- Jugendfürsorge als Ersatz für schwindende familiäre und verwandtschaftliche
Erziehungsleistung
- SA:
- Antwort auf Armenfürsorge für Erwachsene als Ersatz für schwindende familiäre und
verwandtschaftliche Sicherungsleistungen
- Antwort auf Armenfürsorge für Erwachsene als Ersatz für schwindende familiäre und
Verhältnis der SP zur SA
- 7 theoretische Ansätze des Verhältnisses von SP zur SA nach A. MÜHLUM:
- Divergenz-These: Sozialpädagogik // Sozialarbeit
- Subordinations-These: Sozialpädagogik ↓
Sozialarbeit ↑
- Substitutions-These: Sozialpädagogik ←→Sozialarbeit (diese Theorie ist heute aktuell)
- Identitäts-These: Sozialpädagogik = Sozialarbeit
- Alternativ-These: Sozialpädagogik → Sozialerziehung
Sozialarbeit → Sozialtherapie
- Konvergenz-These: Sozialpädagogik →←Sozialarbeit (Säulen nähern sich immer mehr an)
- Subsumtions-Theorie: Sozialpädagogik + Sozialarbeit = Soziale Arbeit
Soziale Arbeit
- Fürsorge für Erwachsene und Fürsorge für Kinder/ Jugendliche haben sich aus
den gleichen historischen Wurzeln zu eigenständigen fürsorgerischen Einrichtungen
entwickelt - gegenwärtig sind sie im Begriff, zu einem Gesamtkomplex „Soziale Arbeit“ zusammenzuwachsen
- dabei sind beide Hauptstränge der sozialen Arbeit, Sozialpädagogik und Sozialarbeit, darauf bedacht, ihre Charakteristika und Spezifika beizubehalten
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