Sozialpädagogik
Theorien und Geschichte der Sozialpädagogik
Theorien und Geschichte der Sozialpädagogik
Kartei Details
Karten | 75 |
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Lernende | 15 |
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Pädagogik |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 16.06.2015 / 29.12.2023 |
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Karl Mager (1810-1858)
- 1844 Begriff "Social-Pädagogik" =
- Inbegriff neuer pädagogischer Aufgaben und Einrichtungen, als Antwort auf typische Probleme der modernen Gesellschaft
- Beginn der Industrialisierung
- 3 Generationen lebten in einem Haushalt = Großfamilien; Wandel von Großfamilie zur Kleinfamilie → Wer schaut auf Kinder, wenn nicht mehr alle Generationen im Haus sind?
- es entstanden Einrichtungen/ Institution(en z.B. neben Fabriken, um den Kindern arbeitender Eltern eine Bleibe bieten zu können)
- er geht auch von einer allgemeinen „Pädagogik“ aus
- bezieht Sozialpädagogik auf die Praxis der Pädagogik in der konkreten Gesellschaft
- soziale Missstände → Verwahrlosung → Arbeitslosigkeit → Armut →SP ist auch defizitorientierend
Adolf Diesterweg (1790-1866)
- gibt 1851 den Begriff „Sozialpädagogik“ seine Prägung
- einerseits: Erziehung des Individuums zu sozialer Mündigkeit und Emanzipation
- anderseits: soziales Leben im Sinne einer höchstmöglichen, emanzipativen, kooperativen Teilnahme aller Zugehörigen gestalten
- reaktive Sozialpädagogik = Sozialpädagogik als Reaktion auf die Entstehung sozialer Missstände, erzieherischer Notsituationen und gesellschaftspolitischer Spannung zu Beginn des Industriezeitalters → Überwindung durch spezifische pädagogische Maßnahmen und Institutionen der Gemeinschaftserziehung
Paul Natorp (1854-1924)
- Sozialerziehung!
- um Jahrhundertwende: Konzeption der Sozialpädagogik im Sinne von Sozialerziehung als Antwort auf die soziale Frage
- Sozialpädagogik stellt im Gegensatz zur Individualpädagogik ein wesentliches Merkmal jeder Erziehung dar
- für ihn ist „Erziehung und Bildung zur Gemeinschaft durch Gemeinschaft“ notwendig
- wichtig ist ein soziales Wesen zu werden; wirkte um die Zeit zur Entstehung des Nationalsozialismus
- er ist auch Mitgründer der sozialpädagogischen Theoriebildung
Herman Nohl und Getrud Bäumer
- definieren in den zwanziger Jahren Sozialpädagogik als eigenen subsidiär zu verstehenden Erziehungsbereich neben Familie und Schule
- ihre Überlegungen einer Theorie der Sozialpädagogik haben den Verlauf und die Entwicklung der SP nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die jüngste Zeit entscheidend geprägt
Herman Nohl
- „Wer Schwierigkeiten macht, der hat welche…“
- hat Sozialpädagogik nie definiert aber prägte sie nach und nach
- erkennt die Notwendigkeit, das Individuum in seiner konkreten Notlage zu sehen, ohne dabei seine Bezogenheit zur Gemeinschaft zu übersehen
- will man dem einzelnen helfen, bedarf es eine positiven Verhältnisses zu ihm → pädagogischer Bezug
- mit seinen Überlegungen zur Individualität und zum pädagogischen Bezug leitet er die „kopernikanische Wende der pädagogischen Arbeit“ ein
- Sozialpädagogik richtet ihre Aufmerksamkeit nicht mehr so sehr auf die Schwierigkeit, die der einzelne macht, sondern auf die Schwierigkeit, die er hat
- Ziel der sozialpädagogischen Hilfe sei das Wohl und die Anerkennung des Lebensrechts jedes einzelnen, zu seinem Wohlsein zu kommen
- bis zu Nohl ist Sozialpädagogik „konzentriert auf die Krankheit, sie sollte aber auf die Gesunderhaltung konzentriert sein“ stellt er fest und meint weiter, dass sich „das ganze Schwergewicht unserer Arbeit von der Heilung und Rettung irgendwie verwahrloster und kranker Jugend auf die Vorbeugung, von der Therapeutik auf die Prophylaxe verlagern“ müsse
- er gibt der Sozialpädagogik einen wesentlichen Impuls für eine neue, positive Sichtweise; primär vorbeugend, prophylaktisch
- Therapie gilt für den Notfall
- Sozialpädagogik aber ist aufbauend und nicht heilend
- nachgehende Hilfe = Nachbetreuung ist unumgänglich und darf nicht plötzlich aus sein; Pädagogischer Bezug = um jemanden zu unterstützen, braucht er ein positives Umfeld: Nicht auf Symptome, sondern auf innere Not schauen
Gertrud Bäumer (1873-1854)
- war Mitarbeiterin von Nohl
- von ihr stammt bekannteste und gebräuchlichste Definition von SP
- „Sozialpädagogik ist alles was Erziehung, aber nicht Schule und Familie ist“
- richtet sich an Kinder und Jugendliche mit dem Ziel, ihnen Hilfe zukommen zu lassen
- ihr Ausgangspunkt ist zunächst eine Notsituation, jedoch entwickelt sie sich zu einer positiven Pädagogik, die vor allem vorbeugend, aber auch nachbereitend tätig ist
- Sozialpädagogik steht als eigenständiger dritter Erziehungsbereich neben Familie und Schule
- sie ist jedoch nicht nur außerhalb von Familie und Schule tätig, sondern wirkt in sie hinein und arbeitet mit ihnen zusammen
- Familie, Schule und Sozialpädagogik verstehen sich als drei Erziehungs-, Bildungs- und Lernsituationen, die alle je nach ihrer spezifischen Zielvorstellung ihren eigenen Beitrag zur Persönlichkeitsentfaltung des Individuums in der Gesellschaft leisten
- alle drei Institutionen stehen in Kooperation und Wechselbeziehung
Klaus Mollenhauer (1928-1998)
- "Mit dem Ausdruck Sozialpädagogik als einem erziehungswissenschaftlichen Terminus hat es eigene Schwierigkeiten."
- gehört zu den führenden Vertretern der neuen gesellschaftskritischen Sozialpädagogik
- Sozialpädagogik als eine Funktion der Gesellschaft
- "Sie ist Bestandteil jenes pädagogischen Systems, dass durch die industrielle Gesellschaft hervorgebracht wurde. Von ihrem Beginn an und in allen ihren Formen war sie eine Antwort auf Probleme dieser Gesellschaft, die der Sozialpädagoge zu Erziehungsfragen umformulierte.“ → dadurch positive Wende der Sozialpädagogik von der bloßer Nothilfe zu eigenwertiger und selbstverständlichen Erziehungsleistung
- Ziel: Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen und Motiven des einzelnen Individuums und den mit der Struktur der modernen Gesellschaft gegebenen Anforderung finden
- Schutz: die Prävention vor den Schädigungen/ Bedrohungen der Gesellschaft (z.B. auch die Bedrohung der neuen Medien wie Handy, wie gehe ich als Pädagogin damit um?) Schutz vor dem Zwang des Erwachsenendasein; Kinder haben andere Bedürfnisse als Erwachsene → Ellen Key; Kinder sind keine Erwachsen → Reformpädagogik; ab 1920 Forschung über das Jugendalter
- Pflege: der Kultivierungs- und Sozialisationsprozess
- Beratung
Hans Thiersch
- Heimerziehung 1990
- Konzept der Lebensweltorientierten Sozialpädagogik → Handlungsmaxime:
- Strukturmaxime: optimale Handlungsmöglichkeit, Empathie, aber nicht mitschwingen:
- Objektivität:
- Raum: wie schaut Wohnung aus?
- Zeit: wer kocht, wer geht einkaufen, Tagesablauf
- Interaktionen: wie wird untereinander gesprochen
- Basis für Beziehung knüpfen: Mithelfen
- Konfrontation mit neuen Handlungsmöglichkeiten (kann konfliktreich werden)
- Objektivität:
- Partizipation: Mitbestimmung, Freiwilligkeit, teilnehmend und nicht für oder über den
anderen; es dürfen Dinge nur in Verhandlungen passieren - Integration/ Normalisierung: es geht nicht mehr um Randgruppen; alle Personen mit besonderen Bedürfnissen
- Alltagsnähe: Zugänglichkeit der Leistungsangebote; viele Angebote sind den
Betroffenen nicht bekannt; Kinder-/ Jugendhilfe muss auch im Alltag der Kinder/ Jugendlichen und ihrer Familien zugänglich sein → Barrieren abbauen, die diesen leichten Zugang zu Angeboten der Kinder-/ Jugendhilfe verhindern (organisatorische, zeitliche, institutionelle Barrieren wie z. B. unpassende/ unflexible Öffnungszeiten, umständliche Anmeldungsregeln, kalte und unpersönliche Räumlichkeiten,…)- normative und nonnormative Alltagsnähe
- Wo leben die Menschen und welche Aufgaben haben sie?
- Dezentralisierung/ Regionalisierung: Angebote dort anbieten, wo sie auch gebraucht
werden; Kinder nicht aus Lebensumfeld zu reißen → Angebote/ Hilfen in Umgebung; überregionale zentrale Großeinrichtungen mit einem weiträumigen Einzugsgebiet verhindern/ reduzieren zugunsten von kleineren Einrichtungen vor Ort - Prävention: knüpfte an Nohl an, Hilfe bereits vorausblickend anbieten → familienbegleitende Arbeit und Jugendarbeit; es soll gar nicht erst zu schlimmen Konflikten und Krisen im Leben von Kindern/ Jugendlichen kommen → Kinder- und Jugendhilfe, die lebenswertes Leben ermöglichen
- Strukturmaxime: optimale Handlungsmöglichkeit, Empathie, aber nicht mitschwingen:
- Entspezialisierung
- Entformalisierung
- Individualisierung
Lothar Bönisch
- Sozialpädagogik ist nicht nur eine sozial- und erziehungswissenschaftliche Disziplin
im allg. Sinne, sondern auch eine Theorie besonderer Praxisinstitutionen –
vor allem der Jugendhilfe und Sozialarbeit - als erziehungswissenschaftliche Disziplin beschäftigt sich die Sozialpädagogik mit
jenen sozial-strukturell und institutionell bedingten Konflikten, welche Verlauf der
Sozialisation von Kindern und Jugendlichen und gesellschaftlichen und institutionellen
Anforderungen, wie sie in Familie, Schule, Arbeitswelt und Gemeinwesen vermittelt sind - versucht, Konflikte aufzuklären, ihre Folgeprobleme zu prognostizieren und
in ihrem Kontext die Grundlage für erzieherische Hilfen zu entwickeln - Konzept der Lebensbewältigung:
- Biographisierung, soziale Einbettung der Lebensprobleme → erfordert Bewältigungsverhalten → soziale Probleme führen zu persönlichen Krisen → Sehnsucht nach "Normalisierung" regt zu Versuchen an, aus dem Stress eine Balance von Handlungsfähigkeit und Integration zu erreichen
Franz Hamburger
- in Phasen gesellschaftlicher Umbrüche und Krisen ist Sozialpädagogik entstanden
und in diesen Konflikten hat sie an Entwicklungen von neuen Formen des Verhältnisses zwischen Individuum und Gesellschaft mitgewirkt - Sozialpädagogik hat eine globale Zuständigkeit für das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft
- sozialpädagogische ,Herstellung‘ von ,Normalität‘ ist notwendig, weil traditionelle Selbstverständlichkeiten verdampft sind
- Nothilfe in schwierigen Situationen
- Disziplinierung schwieriger Personen und konstituierende Funktion für Gesellschaft
Michael Winkler
- intuitiv wissen die meisten, was Sozialpädagogik ist und was Sozialpädagogen tun
- Sozialpädagogik ist in Gesellschaft angekommen und wird in den spannungsreichen Problemlagen, welche sich zwischen Gesellschaft, ihren Institutionen und den Einzelnen ergeben, benötigt
- Verdrängung etwa durch die Schulpädagogik im Zusammenhang mit Ganztagsschulen
- Sozialpädagogik, wenn historisch gesellschaftliche Situationen eintreten, in welchen Sozialisation nicht mehr funktioniert und Erziehung unvermeidlich wird
Wurzeln der Sozialpädagogik und Sozialarbeit
- ab Ende 1970: beginnende Überschneidungen der SP/ SA in der Praxis
- bis in 1980er: definitorische Abgrenzung SP/ SA brennendes Thema der Wissenschaftler
- 2 Hauptstränge:
- SA: Fürsorge für Erwachsene
- SP: Fürsorge für Kinder/Jugendliche
↓
Soziale Arbeit / System sozialer Hilfen und Interventionen
Historische Aspekte: Ziele der SP/ SA
- SP: Jugendfürsorge und Anstaltserziehung
- Antwort auf Erziehungsprobleme und Jugendnöte
- Jugendfürsorge als Ersatz für schwindende familiäre und verwandtschaftliche
Erziehungsleistung
- SA:
- Antwort auf Armenfürsorge für Erwachsene als Ersatz für schwindende familiäre und
verwandtschaftliche Sicherungsleistungen
- Antwort auf Armenfürsorge für Erwachsene als Ersatz für schwindende familiäre und
Verhältnis der SP zur SA
- 7 theoretische Ansätze des Verhältnisses von SP zur SA nach A. MÜHLUM:
- Divergenz-These: Sozialpädagogik // Sozialarbeit
- Subordinations-These: Sozialpädagogik ↓
Sozialarbeit ↑
- Substitutions-These: Sozialpädagogik ←→Sozialarbeit (diese Theorie ist heute aktuell)
- Identitäts-These: Sozialpädagogik = Sozialarbeit
- Alternativ-These: Sozialpädagogik → Sozialerziehung
Sozialarbeit → Sozialtherapie
- Konvergenz-These: Sozialpädagogik →←Sozialarbeit (Säulen nähern sich immer mehr an)
- Subsumtions-Theorie: Sozialpädagogik + Sozialarbeit = Soziale Arbeit
Soziale Arbeit
- Fürsorge für Erwachsene und Fürsorge für Kinder/ Jugendliche haben sich aus
den gleichen historischen Wurzeln zu eigenständigen fürsorgerischen Einrichtungen
entwickelt - gegenwärtig sind sie im Begriff, zu einem Gesamtkomplex „Soziale Arbeit“ zusammenzuwachsen
- dabei sind beide Hauptstränge der sozialen Arbeit, Sozialpädagogik und Sozialarbeit, darauf bedacht, ihre Charakteristika und Spezifika beizubehalten
Fürsorge im Mittelalter
- Almosenlehre Thomas v. Aquin (1224 – 1274)
- „Thomistische Almosenlehre“ = „ sich den Himmel verdienen“...ich muss im Diesseits alles tun, damit ich im Jenseits alles verdient habe“
- Gesellschaftsordnung: feste Ständeordnung
- geistlicher Stand
- weltlicher Stand (brauchten nicht arbeiten)
- bürgerlicher Stand (Handwerker, Ärzte)
- armer Stand: Bettler war damals ein Beruf, es gab sogar Bettlerzünfte
- bedürftiger Stand (kranke Kinder, die nicht versorgt wurden)
- Armut wurde weitestgehend familiär gelöst, erst als Verbände die Armut nicht mehr intern bewältigen konnten, wurde Armut öffentlich → Entwicklung einer öffentlichen Fürsorge als eigenständiges Hilfsangebot
- Verhältnis zur Arbeit
- Hinordnung auf das Jenseits
- Armut und Betteln: Notstand Erwachsener → materielle Hilfe
- Träger der Fürsorge: Kirche, Klöster (Benediktiner an höchster Stelle), Orden,
begüterte Einzelpersonen - kein Unterschied zwischen Erwachsenen und Kindern wegen Kleidung und Arbeit
- durch Erziehung wurden Kinder vor Verwahrlosung sittlicher Not geschützt
- Findel- und Waisenkinder im Mittelalter (12./ 13. Jhdt.)
- Vormundschaft der Sippe: Waisen versorgen
- arme Erwachsene/ Kinder im Hospital
- Ausdifferenzierung in Findel- und Waisenhäuser, bloße Versorgung, zum Betteln angehalten
- sich von Sünden frei kaufen, um in den Himmel zu kommen
Fürsorge Beginn der Neuzeit (15./ 16. Jhdt.)
- Calvinismus stellt „Betteln“ unter neues Licht: „Wer nicht arbeitet, soll nicht essen“
- Zunft der Bettler; Bettlerverbot
- Selbstverschuldetete Armut
- Martin Luther „...den Himmel nicht verdienen...“
- Humanismus: Erasmus von Rotterdam, Juan Luis Vives, Thomas Morus
- Beginn der städtischen Armenfürsorge
Juan Luis Vives (1492-1540)
- Arbeitspflicht für Arme
- Selbstwirksamkeit
- Versorgung der Armen mit Arbeit
- Individualisierung
- Erziehungsprinzip der Armen pflegen
- Armenschule: nach dem Konzept des Humanisten Vives (Elberfelder und Straßburger System)
- Erziehung für Kinder und Erwachsene
- Ziel: gute Bürger/ Christen
Elberfelder System
- Armenfürsorge
- 1867
- Versuch, die kommunale Armenverwaltung an die Bedingungen der entstehenden Industriegesellschaft anzupassen
- entstand in Elberfeld
- wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von zahlreichen Städten übernommen
- 3 Prinzipien:
- Dezentralisierung der Armenverwaltung
- Ehrenamtlichkeit der Armenpfleger
- Hilfe zur Selbsthilfe
- Ehrenamtliche Arbeit
- Individualisierung: 4 Familien/ Armenpfleger (männlich)
- Dezentralisierung: keine Dauerleistung
- Ursachen der Arbeit nicht thematisiert
- Arbeitsbeschaffung und Zuweisung
- Gegenarbeiterbewegung
- bürgerliche Armenpflege
Straßburger System
- kommunale Armenfürsorge
- 1905 wurde ein besseres System als Elberfelder verlangt
- erstmals Berufsarmenpfleger mit Bezahlung (hauptamtlich); Arbeitsvertrag und Lohn
- Frauen ehrenamtlich Ermittlungstätigkeit – Bedarfsermittlung (zentralisierte Armenverwaltung)
- Frauen waren im Außendienst zuständig. Armenpflege vor Ort; sozial engagierte Frauen
- Männer waren in Innendienst zuständig (Administration) → Entscheidung ob Hilfe/ Hilfegewährung
- klare Abgrenzung zwischen beruflichen und ehrenamtlichen Kräften
- Grundstein der Sozialarbeit, da nicht mehr nur ehrenamtlich tätig
- Ämter mit klaren Gesetzen und Regeln
Städtische Armenfürsorge
- Kommunalisierung
- Übergabe von Kirche zu Staat
- lokale Zuständigkeit
- lokale Arme - keine Fremden
- Bürokratisierung
- Sozialadministrative
- Stigmatisierung
- Bettelordnung
- Rationalisierung
- Kriterien definieren – wer erhält Fürsorge wer nicht
- vom religiösen zum Zweckrationalen
- Pädagogisierung
- Unterstützung ist auch Verhaltensregel, Disziplin, Mäßigung, Ordnung zeigen
- Normen/Werte der dominierenden Gruppen
Fürsorge, Aufklärung und Absolutismus (16./ 17. Jhdt.)
- Erste Werke, Zucht- und Arbeitshäuser
- Tradition der Hospitäler
- Arbeitszwang
- Bettlerverbot – Arbeitsbeschaffung – Einweisung in Arbeitshäuser
Fürsorge Industrialisierung (zweite Hälfte des 18./ 19. Jhdt.)
- Pauperismus – strukturelle, längerfristige Armut vieler Bevölkerungsschichten zurzeit
der Frühindustrialisierung - Übergang von agrar-handwerklichen zum kapitalwirtschaftlichen-System
- Problem: Bevölkerung wächst schneller als Wirtschaft
Soziale Arbeit im Lebenslauf
- Von Geburt an
- Familienberatung
- Geburtsvorbereitung
- Vormundschaftswesen
- 0-6 Jahre
- Kindertageseinrichtung
- Hilfe zur Erziehung
- 6-18 Jahre
- Kinder und Jugend Arbeit
- Schulsozialarbeit
- Jugendsozialarbeit
- Hilfe zur Erziehung
- Beratung
- Jugendgerichtshilfe
Settlement-Bewegung
sozialreformerische Strategie
Ausgangspunkt: 1884 eröffnete Toynbee Hall in London
gilt als historische Basis für Gemeinwesenarbeit
Angehörige gebildeter bürgerlicher Schichten siedelten in den Elendsvierteln des Proletariats und boten nachbarschaftliche Kontakte und Weiterbildungsmöglichkeiten an→ dadurch sollte das Selbsthilfepotential der Betroffenen gestärkt werden, was im Gegensatz zur bis dahin praktizierten Hilfe in Form von Almosengeben stand
Pioniere der Settlement-Bewegung waren:
Samuel Augustus Barnett
seine Ehefrau Henrietta
Jane Addams (Hull House)
Toynbee Hall 1984
- Samuel und Henriette Barnett (Gemeindepfarrer)
- Wissen und Erfahrung teilen
- Arme und Hilfsbedürftige sollen lernen, ihr Leben selbst zu meistern → individueller Ansatz
- Stärkung der individuellen Verantwortung durch Bildung
- Entwicklung von Selbstachtung (lernen, mir selbst zu vertrauen, Veranstaltungen wurden organisiert, Freizeitangebote, um außerhalb der Arbeit beschäftigt zu sein, kein bewusstes Programm, jedoch spontane Veranstaltungen wurde abgehalten, Rechtsbeistand)
- Nachbarschaftshilfe
- Akademiker siedelten sich in Armenviertel an, mit Blick auf Bildung und Erziehung
Hull House, Chicago 1989
- Jane Adams, lernt Barnetts in London kennen, daraufhin Eröffnung des Hull House
- 1931 Friedensnobelpreis
- Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen
- Adressaten waren hochqualifiziert
- Zielgruppen waren Migranten aus Europa
- für diese sollten Lebensbedingungen verbessert werden → strukturorientierter Ansatz
- Sprachkurse wurden abgehalten → Sprache verbindet und ermöglicht Integration
- Kultur sollte jedoch unbedingt behalten werden →eigene Clubs und Brauchtumsveranstaltungen
- heute noch kroatischer Club von damals sowie auch heute noch sehr viele Burgenländer vor Ort sind
- wurde wegen Finanzen geschlossen und war auch sozialwissenschafliche Forschungseinrichtung
Mary Ellen Richmond, USA
- ab 1893 Leiterin der COS (Charity Organization Society, 1869, London) in Baltimore:
- individuumsorientierter Ansatz
- Einwandererprobleme und Armut
- „friendly visitors (Frauen, ehrenamtlich)
- hauptberufliche Mitarbeiterinnen (Kunst zu ermitteln, Kunst der tragfähigen Beziehung, Kunst der Beratung)
- „Soziale Diagnose“
- „Sozialarbeit ist Erziehungsarbeit mit dem Ziel, die Persönlichkeit durch bewusst bewirte, individuell-fallspezifische Anpassungsleistungen zwischen Menschen und sozialen Umfeld zu entwickeln“
Aufklärungspädagogik
- Jean-Jacques Rousseau: Contract Social (Sozialvertrag)
- Emile, Rousseaus Zögling, ist ein gesunder, durchschnittlich begabter Junge aus reichem Hause mit Jean-Jacques als seinem einzigen Erzieher → dieser hat für ihn 2 Ziele festgesetzt:
- Emile soll als erwachsener Mensch in der Lage sein, in der Zivilisation zu bestehen, ohne an seiner Person Schaden zu nehmen
- er soll bereit sein, den Gesellschaftsvertrag zu schließen
- pädagogische Prinzipien:
- Eigenrecht des Kindes
- Gegenstand der Reflexion
- kognitives + körperliches + emotionales + moralisches Lernen
- Eigenstruktur der Erziehung durch Vernunft
- keinem Menschen Erziehung vorenthalten
- Schule aus Bevormundung der Kirche
Erziehungsprojekte im 18./ 19. Jhdt.
- Johann Hinrich Wichern:
- Rettungswerke für verwahrloste Jugendliche, Hamburg 1933
- 1848 Innere Mission, sie ging im Diakonischen Werk auf
- innere Mission Österreichs gründeten die Gebrüder Schwarz
- Religiöse Rettungsarbeit
- Erziehungsdorf (Familie, Erzieher)
- Ausgang: individuelle Defizite, moralische Not
- Johann Heinrich Pestalozzi:
- Schweizer Pädagoge
- Französische Revolution, Rousseau
- Erziehungspraxis und Reflexion: Stanser Brief
- Volkschulbewegung: „halbe Aufklärung“
- „Pestalozzi-Syndrom“ (H. Thiersch) (= Helfer-Syndrom)
Berufstätigkeit der Frauen zur Jahrhundertwende
- Proletarische Frau:
- Zwang zur Arbeit zur Existenzsicherung
- Doppelbelastung: Lohnarbeit, Hausarbeit, Kinderziehung
- Unterschiedliche soziale Situation
- Bürgerliche Frau:
- ohne Recht auf Arbeit
- Ausnahme: Lehrerrinnen, Governanten
- Wunsch der Frauen auf „Lebenserfüllung“ durch Erwerbstätigkeit
Alice Salomon (1872-1948)
- 1899: 1. Jahreskurs zur Ausbildung für ehrenamtliche Berufsarbeit – Wohlfahrtspflege
- studierte bis 1906 in Berlin
- gründete als erste Deutsche eine Schule für soziale Berufe im Jahr 1908 für Frauen in Berlin
- war viel in den USA und hat Methoden nach Europa mitgenommen
- in Zusammenarbeit mit dem Frauenbund setzte sie sich unter anderem für die materielle und psychische Unterstützung von verarmten, „eheverlassenen“, alleinerziehenden sowie überforderten Müttern ein, um so der Verwahrlosung ihrer Kinder vorzubeugen bzw. diese zu verhindern
- 3 Prinzipien: Einzelfallhilfe, soziale Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit
- 1912: erste Frauenschule in Österreich von Ilse
- 1917: Internationale Komitees Sozialer Schulen
- 1937: Emigration in USA
- Datenmaterial durch eigene Beobachtungen und Aussagen von Dritten gesammelt
- Materialüberprüfung und -bewertung
- Erstellung eines Behandlungsplans
Geschichte der Heimerziehung
- Heimerziehung Beginn im Mittelalter
- es hat noch keine Sozialpädagogik gegeben
- Fremderziehung als Ersatz bei Ausfall der Herkunftsfamilie
- Gewährleistung (höherer) Schulbildung
- Massenerziehung
- große Schlafsäle
- sehr autoritär
- Armut wurde in großer Familie gelöst
- keine individuelle Erklärung
- keine höhere Schulbildung (heute Internaterziehung)
- unterschiedlich: stationär, ambulant, Wohngemeinschaft, Kinderdorf, Josefinum,
Dauerpflegefamilie, betreute Wohngemeinschaften, teilstationär/ ambulant
Heimerziehung
- breite Palette unterschiedlicher Leistungsangebote
Entwicklungslinien Heimerziehung
- Heime für die Braven:
- Erzieher
- Heime für die Schlimmen:
- Aufseher
Internaterziehung
- Orte des Lebens, Lernens, Wohnens während der Schulzeiten
- familienergänzender Charakter
- enge Kooperation von Erziehung und Bildung
Internaterziehung - historisch
- Heranbildung des Nachwuchses:
- Priesternachwuchs
- standesbezogen: Ritterakademien, Kadettenanstalten, Militärakademien, …
- reformpädagogische/ sozialreformerische Ansätze
- Schul-/ Berufsbildung für alle
- Schul-/ Berufsbildung für best. AdressatInnen
Heimerziehung am Beginn des 20. Jh.
- Ellen Key: Das Jahrhundert des Kindes
- Psychoanalyse (S. Freud)
- Individualpsychologie (A. Adler)
- Reformpädagogik
- Sozialdemokratische Reformen: A. Tandler → war Lehrer und sollte in Wien Horte aufbauen → Sozialwesen in Wien wurde reformiert
- Berufserzieher/ Heimmütter → Ute Böck
- Aichhorn leitet Heime in NÖ, S. Bernfeld
- Zwischenkriegszeit: sozialpäd. wichtige Epoche für die (Wiener) Jugend
- Kinder mit Defizite (Korrekturanstalt)
- Massenerziehung
- 1 Betreuer und viele Kinder (60 bis 80 Kinder)
- höhere Schulausbildung war nicht möglich
- Heime lagen am Stadtrand mit hoher Mauer, Stachelzaun damit die Kinder nicht hinaussteigen konnten
- Manufakturen, Schneiderein, Malerbetriebe, Tischlerein → konnte man anlehren aber
keine Ausbildung machen - Begriff „Jugend“ → bis zum 20 Jh. hat es nur Kinder gegeben, sie wurden gleich zu
Erwachsene
Heimerziehung in der NS
- jäher Abbruch der Reformbestrebungen – Rückkehr zur anonymen Massenbetreuung
- Zeitdokument (A): Gross, Johann (2000): Spiegelgrund. Leben in NS Erziehungsanstalten. Wien
- Spartakusbewegung in Wien 70er → erfolglos, Aufmerksamkeit wurde erregt, Kinder
sollten befreit werden
Heimerziehung nach 1945
- Ernste Zucht – Gold‘ne Frucht!
- Disziplinierung
- Isolierung
- Anstaltsprinzip
- Zeitdokument (D): Meinhof, U. M. (1971): Bambule