Grundlagen von Lernstörungen
Seminar WS20/21
Seminar WS20/21
Kartei Details
Karten | 55 |
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Sprache | Deutsch |
Kategorie | Psychologie |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 18.01.2021 / 30.06.2024 |
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Welche Aufgabe der Exekutiven Funktionen (EF) führt dazu, dass es schwierig ist, Probleme beim Rechnen bei Kindern mit AD(H)S auf eine Dyskalkulie zurückzuführen?
- Hohe Komorbidität mit ADHS und Dyskalkulie
- Kinder mit ADHS machen beim numerischen und physischen Zahlenvergleich mehr Fehler als unauffällige Kontrollgruppe
- Kinder mit ADHS haben eine höhere Fehlerquote in Zahlenvergleichsaufgabe
- Höhere Fehlerquoten lassen sich aber wohl besser durch defizitäre Inhibition erklären, die bei ADHS gegeben ist
- Daher ist es schwierig festzustellen, ob Kinder mit ADHS eine Rechenschwäche haben und aufgrund dessen schlechtere Leistungen erbringen, oder ob die schwächeren Rechenleistungen auf mangelnde Inhibition zurückzuführen sind
Zu welchen Ergebnissen kam die Studie von Landerl et al., 2009, die die Komorbidität von Dyskalkulie und Legasthenie untersuchte?
- Gesamtstichprobe mit über 1000 Kindern der 2.-4. Klasse
- Kinder mit auffällig schwachen Rechenleistungen, aber altersgemäß entwickelten Leseleistungen (Dyskalkulie)
- Kinder mit schwachen Lese- und Rechenleistungen (Legasthenie/Dyskalkulie)
- Kinder mit unauffälligen Rechenleistungen, aber mit schwachen Leseleistungen (Legasthenie)
- KG mit unauffälligen Lese- und Rechenleistungen (Kontrollgruppe)
- Kinder in Gruppen mit isolierten Lernstörungen wurden so ausgewählt, dass die jeweils nicht beeinträchtigte Leistung dem Altersdurchschnitt entsprach --> das ist wichtig, weil in vielen anderen Studien nicht darauf geachtet wird, welche eventuellen Komorbiditäten vorliegen und die Ergebnisse dann nicht komplett auf eine Rechenstörung zurückzuführen sind! (siehe Frage 6)
- Die Kinder haben einen Mengengrößenvergleich gemacht
- Ergebnisse:
- Distanzeffekt in allen Gruppen --> Reaktionszeit ist bei Mengen, die dichter aneinander liegen (kleine Distanz) größer
- Beide Gruppen von rechenschwachen Kindern zeigten gleichermaßen basisnumerische Defizite, unabhängig davon, ob die Leseleistungen beeinträchtigt war oder nicht --> basisnumerische Defizite sind also spezifisch für Dyskalkulie
- spricht für spezifische kognitive Kernmechanismen für Dyskalkulie und Legasthenie
Benennen Sie Faktoren, die die Diagnostik von Dyskalkulie erschweren und methodische Probleme bei der Erforschung von Dyskalkulie darstellen.
- Probleme beim Studiendesign: oft werden rechenschwache Kinder mit unauffälligen Kindern verglichen, es wird aber nicht auf Komorbiditäten untersucht --> schlechtere Ergebnisse der rechenschwachen Kinder müssen also nicht unbedingt auf eine Dyskalkulie zurückzuführen sein, sondern könnten eventuell an Komorbiditäten (z.B. ADHS) liegen.
- Auch andere Entwicklungsstörungen können Einfluss auf die Zahlenverarbeitung und Rechenleistung haben, Bsp. ADHS
- In IQ-Tests sind Untertests, die die Rechenleistung erfassen --> Kinder mit Rechenschwäche schneiden schlechter ab und würden möglicherweise keine Diskrepanzdiagnose erhalten
- Diagn. Verfahren erheben sehr unterschiedliche Komponenten
- Leistungsprofile sind sehr heterogen, sodass eine eindeutige Zuordnung schwerfällt
Für welche Fähigkeiten stehen die exekutiven Funktionen updating, shifting und inhibition? Nennen Sie für jede Komponente eine Beispielaugabe zur Erfassung dieser.
- Updating:
- Überwachung des Informationsflusses und Ergänzung bzw. Löschung von Inhalten des Arbeitsgedächtnisses
- Erfassung z.B. durch Aufgaben, in denen nach jedem neuen Stimulus die letzten drei Stimuli genannt werden müssen
- Z.B. Buchstaben-Gedächtnisaufgabe:
- timuli: Serie von Konsonanten
- Aufgabe: immer die letzten drei Buchstaben berichten
- AV: Richtigkeit der erinnerten Buchstaben
- Inhibition
- Gezieltes Unterdrücken dominanter oder automatischer Reaktionen
- z.B. Stroop-Test: Lesen eines Farbwortes unterdrücken, um Farbe zu erkennen
- Z.B. Antisakkaden-Aufgabe:
- Distraktorreiz: kurzer Blitz auf der einen Seite des Bildschirms
- Zielreiz: Pfeil auf der nicht gecueten Seite des Bildschirms
- Aufgabe: Fixation des Kreuzes, dann berichten der Pfeilrichtung
- AV: Anteil korrekt berichteter Pfeile
- Shifting
- Flexibler Wechsel zw. Aufgaben/ mentalen Sets
- Task-switiching Aufgaben bei denen z.B. das Merkmal wechselt, nach dem Stimuli Kategorien zugeordnet werden sollen
- Z.B. Number-letter-Aufgabe
- Stimuli: Kombination aus einer Zahl und einem Buchstaben
- Cue: Auftauchen des Stimulus auf oberer oder unterer Bildschirmhälfte
- Aufgabe:
- Entscheidung, ob Zahl gerade oder ungerade, wenn Stimulus auf oberer Bildschirmhälfte
- Entscheidung ob Buchstabe Konsonant oder Vokal, wenn Stimulus auf oberer Bildschirmhälfte
- AV: Reaktionszeitdifferenz zwischen trials mit gleicher und trials mit unterschiedlicher Anweisung
Wie werden exekutiven Funktionen im Unity/Diversity Framework aufgefasst?
- wenn man eine VPn verschiedene Aufgaben zur Messung der EFn durchführen lässt sieht man, dass die verschiedenen EFn deutlich miteinander korrelieren --> dies verstanden Forscher als Hinweis für eine übergeordnete Fähigkeit, eine gemeinsame Komponente der EFn --> Unity
- die EFn zeigen jedoch keine perfekten Korrelationen und teilweise sogar unterschiedliche Korrelationsmuster mit anderen Maßen --> die verschiedenen EFn lassen sich also auch differenzieren --> es gibt eine spezifische Komponente --> Diversity
- Die einzelnen Fähigkeiten bestehen aus einer gemeinsamen und einer spezifischen Komponente
- Fähigkeit zum Updating = Common EF + Updating Spezifische EF
- Fähigkeit zum Shifting = Common EF + Shififting Spezifische EF
- Fähigkeit zur Inhibtion = Common EF
- Hypothesen zur Funktionen der Komponenten
- Common EF
- Aktives Aufrechterhalten von Aufgabenzielen und zielbezogener Informationen
- Nutzen zielbezogener Informationen zur Steuerung oberflächlicher Informtionsverarbeitung (low level processing)
- Fähigkeiten, die für alle spezifischen exekutiven Funktionen notwendig ist
- Updating-Specific --> noch uneindeutig evtl. kontrollierter Abruf aus dem Langzeitgedächtnis
- Shifting-Specific
- Fähigkeit zur Flexibilität: Fähigkeit, schnell und spontan neue Aufgaben/ Bedingungen zu repräsentieren und umzusetzen
- Common EF
Wieso sind exekutive Funktionen allgemein und bezogen auf ADHS ein relevantes Forschungsgebiet?
Exekutive Funktionen als Prädiktor für unterschiedlichste Verhaltensweisen
- Z.B: Zusammenhang mit behavioral disinhibtion (=genereller Vulnerabilitätsfakor)
- Wird mit Aufmerksamkeitsdifiziten, novelty seeking, Verhaltensstörungen und Substanzkonsum in Verbindung gebracht
- Korreliert zu -.63 mit genereller EF
- --> bessere generelle exekutive Funktionen gehen einher mit weniger behavioralen Problemen
Weitere Zusammenhänge:
- Ausdruck und Kontrolle impiziter Vorurteile und Verzerrungen
- Treue in der Beziehung zum Partner
- Erfolgreiches Ausführen von Diät- oder Trainingsplänen
--> Erfassen exekutiver Fähigkeiten könnte relevant sein in Interventionsprogrammen oder zur Identifikation von Zielgruppen für Präventionsprogramme
Zusammenhang mit ADHS
- Beeinträchtigte Inhibitionsfähigkeit gefunden
- Diskussion, ob primäres Inhibitionsdefizit ursächlich für ADHS-Symptome ist (s. Referat ADHS2)
Welche Risikofaktoren für die Ausbildung einer ADHS wurden bisher identifiziert? Gibt es protektive Faktoren?
Genetische Risikofaktoren
- Etwa 80% der Verhaltensvarianz werden durch erbliche Faktoren erklärt
- V.a. Gene beteiligt, die zusammengenommen komplexe Neurontransmitterfunktionen (v.a. Dopamin) kontrollieren
- Jedes einzelne gefundene Risikoallel erhöht das relative ADHS-Risiko nur zu einem geringen Maß
- ADHS = komplexe Erkrankung, die durch Interaktion verschiedener Faktoren verursacht wird
Exogene Risikofaktoren
- Deutliche Befundlage für folgende Faktoren
- Nikotinexposition während der Schwangerschaft
- -->Mechanismus: Reduktion der Dichte nikotinerger Rezeptoren, die die dopaminerge Aktivität modulieren-->
- Interaktion von genetischen und exogenen Faktoren: Beleg, dass das Vorliegen eines bestimmten Allels das Risiko einer ADHS-Entstehung erhöht, wenn während Schwangerschaft geraucht wird
- Chronische Bleiexposition (selten)
- Ungünstige psychosoziale Bedingungen, z.B: schwere Deprivation in Kindheit, institutionelle Erziehung (weniger Ursache als Moderator: Auswirkung auf Schweregrad und Stabilität der Symptomatik)
- Widersprüchliche/ uneindeutige Befunde für
- Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen
- Virale Infektionen während der Schwangerschaft
- Atopische Krankheiten (z.B. Neurodermitis)
Protektive Faktoren
- Positive Qualität von Beziehung in Familie und Schule
Welche neuropsychologischen Auffälligkeiten wurden bei Kindern mit ADHS beobachtet?
- Störungen der IV --> Schlechtere Leistungen wenn die Menge & Komplexität der zu verarbeitetenden Infos zunimmt
- Beeinträchtigung der motorischen Kontrolle --> Vorbereitung, Auswahl und Ausführung motorischer Antworten gestört
- Beeinträchtigungen exekutiver Funktionen --> Vielfach nachgewiesen --> Mangelnde Fähigkeit zur Verhaltensinhibition --> manche Forscher sehen primäres Inhibitionsdefizit als ursächlich für Störung anderer exekutiver Funktionen --> Dadurch z.B. verbales & nonverbales AG, planerisches & problemlösendes Denken beeinträchtigt
- Motivationale Faktoren (delay aversion, verkürzte retrograde Verstärkerwirksamkeit) modulieren Ausmaß der Beeinträchtigung
Welche Rolle spielt das Dopaminsystem im Bezug auf eine ADHS?
- Dopaminsysteme
- Mesokortikolimbisches System: beeinflusst motorische Aktivität, Neugierverhalten, planerisches Denken
- Mesostriatales System: Rolle bei stereotypen Verhaltensweisen und Aufrechterhaltung von Aufmerksamkeit
- Auffälligkeiten des Dopaminsystems
- Um 70% höhere Bindungskapazitäten der präsynaptischen Dopamintransporter (Höchstwahrscheinlich genetisch determiniert)
- Folge: schnellerer Rücktransport aus synaptischem Spalt
- Angriffspunkt von Methylphenidat
- Methylphenidat blockiert Transporter --> hemmt Wiederaufnahme --> Dopamin kann länger Wirken
- Angriffspunkt von Methylphenidat
- Dopaminerge Hypofunktion im PFC
- bei Erwachsenen beobachtet, bei Kindern nicht
- evtl. im Verlauf der Entwicklung Ausweitung der Beeinträchtigung der dopaminergen Neurone im Bereich der Basalganglien zu einem Defizit im präfrontalen Zielbereich der Neurone
Beschreiben Sie das Modell von Miyake et al. (2000) und erklären Sie vorher kurz und präzise, was man unter exekutiven Funktionen versteht.
Exekutive Funktionen sind höhere kognitive Prozesse, die das Denken und Handeln regulieren und im Einsatz sind, wenn es um Bewältigung neuer, unbekannter und komplexer Aufgaben und Situationen geht.
Miyake und Kollegen beschreiben in ihrem Modell:
- Inhibition: Fähigkeit, dominante, automatische oder vorherrschende Reize bewusst zu unterdrücken bzw. zu hemmen
- Updating: Aktualisieren und Aufrechterhalten von Arbeitsgedächtnisinhalten und -prozessen; eine aktive Verarbeitung und Manipulation der Information wird ermöglich. Das Updating ist eng verknüpft mit dem Konzept des Arbeitsgedächtnisses
- Shifiting: Schneller Wechsel zwischen Aufgaben, Lösungsstrategien oder auch Denkmustern bei neuen Situationen und Anforderungen
Wie unterscheidet sich die Therapie von Kindern mit einer isolierten LRS zu der von Kindern, die komorbide Auffälligkeiten zeigen? Welche Probleme sind vor allem bei Kindern mit LRS und ADHS aufgetreten?
Kinder mit LRS und ADHS zeigten vor allem Probleme in der Aufmerksamkeitssteuerung und -aufrechterhaltung und weniger im Bereich der Hyperaktivität. Für die Therapie sollte man sich bei Kindern mit isolierter LRS besonders auf die phonologische Verarbeitung der gesprochenen und geschriebenen Sprache konzentrieren, wohingegen man bei Kindern mit komorbiden Auffälligkeiten darauf achten sollte, sie in der Selbstkontrolle und im Erwerb konkreter Lernstrategien zu unterstützen.
Bei der Studie von Landerl und Moll von 2010 wurde unter anderem auch die familiäre Transmission untersucht. Welche Ergebnisse konnten die Autoren finden, insbesondere bezüglich erhöhten Raten für Rechenstörungen u. LRS?
- Erhöhte Raten für Rechenstörung bei Familien mit Kindern mit Rechenstörung
- Erhöhte Lese-Recht-Schreib-Raten bei Familien von Kindern mit LRS
- Erhöhte Raten sind störungsspezifisch u. sprechen gegen eine gemeinsame Ätiologie
- Interessante Beobachtung: Familien mit Kindern, die eine Rechenstörung und eine LRS haben, berichten nicht eher von Rechenstörung u. LRS in Familie als Familien mit Kindern mit einer isolierten Störung
- Familien mit Kindern, die eine Rechenstörung und eine LRS haben, die von Verwandten mit LRS berichten, berichten eher von Rechenstörungen als Familien, die nicht über eine LRS berichten --> Ko-Segregation
Landerl und Moll verwenden Ausschlusskriterien für Ihre Studie, was in vorherigen Untersuchungen nicht der Fall gewesen ist. Welche Kriterien sind das? Und welche Kinder werden für eine weitere individuelle Beurteilung eingeladen? Die Kinder werden dann im Bereich Lesen, Rechnen und Schreiben geprüft. Suchen Sie sich eine Kategorie aus den dreien aus und beschreiben Sie davon das Testverfahren.
- Ausschlusskriterium: Kinder mit Deutsch als Zweitsprache, Kinder mit einer diagnostizierten ADHS o. Kinder mit einer Diagnose von generellen Lernproblemen
- Alle Kinder, die mindestens eine SD unter der Altersnorm in Rechnen, Lesen u. Schreiben waren à werden für individuelle Beurteilung eingeladen
- Lesen
- standardisierter Sätzelesetest (Mayringer u. Wimmer, 2003)
- einfache Sätze lesen und ankreuzen, ob ihre Bedeutung richtig ist
- Bsp: "Erdbeeren sind blau"
- Rechtschreibung
- standardisierter Rechtschreibtest (Landerl u. Moll, 2009)
- 24 Wörter für Zweitklässler
- 48 Wörter für Dritt- u. Viertklässler
- Rechnen
- standardisierter Test mathematischer Fähigkeiten (Haffner et al., 2005)
- Kompetenz der Kinder in den vier mathematischen Operationen in spezifischen Subtests beurteilt
- zusätzlich zwei Untertests
- mündliche Instruktionen
Welche vier Hauptannahmen entkräftet Siegel in ihrem Artikel „IQ is irrelevant for the Definition of Learning disabilities?“
- IQ-Tests messen Intelligenz
- Intelligenz und Leistung sind unabhängig voneinander
- IQ-Scores sagen Lese- oder Rechenscores voraus
- Individuen mit Lesestörung verschiedener IQ-Level haben verschiedene kognitive Prozesse und Informationsverarbeitungsfähigkeiten
Was schlägt Siegel vor, wie man eine Lernstörung ohne das Diskrepanzkriterium diagnostizieren sollte, und was nennt sie als bestes Argument für die Modularität von Leseprozessen?
- Pseudowort-Lesetest
- Worterkennungstests
- Bestes Argument für die Modularität von Leseprozessen u. Beweis, dass Lesen als ein Prozess wirklich unabhängig vom IQ ist: hyperlexikalische Kinder (= Kinder, die zwar Wörter lesen und vorlesen können, aber die Bedeutung nicht verstehen)
Welche Annahmen können aus der Gleichung R = D * C gemäß der Simple View abgeleitet werden?
- R = Leseverstehen D = Dekodierfähigkeit C = Sprachverstehen
- Bei Komponenten notwendig, aber nicht hinreichend
- Bei perfekter Ausprägung einer Komponente: verbleibende Varianz wird vollständig durch die andere Komponente aufgeklärt
- Leseverstehen nicht möglich, wenn eine Fähigkeit gar nicht ausgeprägt
- signifikant mehr Varianzaufklärung durch Produkt als durch lineare Kombination der Komponenten
- schlechte Leser: negative Beziehung zwischen Dekodierfähigkeit und Sprachverständnis
- Lineare Beziehung zwischen Sprach- und Leseverstehen zeigt für höhere Dekodierleistungen konstante Schnittpunkte mit 0 und positive Steigungswerte, die in ihrer Größe steigen
Was ist bei der Operationalisierung von Dekodierfähigkeit, Sprachverständnis und Leseverständnis zu beachten?
- Knoepke et al (2013) kritisierten bei der Operationalisierung von Hoover & Gough (1990) Folgendes:
- Dekodieren: keine Berücksichtigung des 2-Wege-Modells, wenn Dekodieren ausschließlich durch Methode des lauten Vorlesens von Pseudowörtern operationalisiert wird, weil dabei nur die indirekte Worterkennung erfasst wird --> Miterheben der direkten Worterkennung über lexikalische Entscheidungsaufgaben
- Lese- und Hörverstehen (=Sprachverstehen): Methoden sind strikt parallelisiert und unterscheiden sich nur in der Modalität (Stimuli geschrieben oder auditiv dargeboten) --> keine Komplexitätsunterschiede --> Methode: Textverifikationsaufgaben (Kinder mussten entscheiden, passen zwei Sätze zusammen)
- keine verstehensfremden kognitiven Fähigkeiten abfragen
Knoepke et al. (2013) fanden im Gegensatz zu Hoover & Gough (1990) keinen Beleg für die multiplikative Verknüpfung von Dekodierfähigkeit und Sprachverständnis, wie es die „Einfache Sicht auf das Lesen“ vorhersagt. Wie können diese widersprüchlichen Ergebnisse erklärt werden? Beschreiben Sie 2 mögliche Ursachen.
- Insgesamt Hinweis auf rein additive Verknüpfung von Dekodieren und Sprachverstehen
- Insgesamt wenig Varianzaufklärung in der Studie (ein Drittel --> sonst bis zu 70%)
- Erklärung 1: viele verstehensfremde kognitive Fähigkeiten wurden erfasst
- Erklärung 2: Sprache der untersuchten Grundschulkinder (evtl. ist das Modell auf transparente Graphem-Phonem-Systeme nicht so übertragbar
- Selektivität der Stichprobe
Beschreibe die zwei Wege des Dual-Route Cascade Model sowie dessen Nutzen und Grenzen in der Leseforschung.
- Rechnerisches Modell, dass sich an der Vorlage des Zwei-Wege-Modells orientiert (nicht konnektionistisch!)
- Rechnerisches Modell = Computerprogramm, das die Art der kognitiven Verarbeitung nachvollziehen kann und ähnlich wie Menschen auf kognitive Aufgaben reagiert
- Aussprache eines geschriebenen Wortes wird über zwei Vorgänge (lexikalisch und nicht lexikalisch berechnet)
- Lexikalischer Vorgang:
- Zugriff der Wort-Repräsentation im orthographischen Lexikon
- Aktivierung der Wortsequenz im phonemischen System
- Aktivierung der Phoneme auf Phonemlevel
- Nur echte Wörter
- Nicht-lexikalisches Vorgehen:
- Nutzung von Regeln der Graphem-Phonem-Korrespondenz
- Umwandlung der Buchstaben in Phoneme
- Anwendung verläuft seriell
- nicht-Wörter und reguläre Wörter
- Nutzen:
- Simulation des Leseverhaltens normaler Leser und Dyslexie
- Nachvollziehbarkeit verschiedener Stimulus-Einflüsse (z.B. hochfrequente Wörter werden schneller laut vorgelesen als niederfrequente)
- Erklären experimenteller Ergebnisse
- Grenzen:
- Nicht anwendbar bei mehrsilbigen Wörtern
- Differenz zwischen Wörtern und Nicht-Wörtern unwahrscheinlich hoch
- Varianz der Wort-Lese-Reaktionszeit sehr gering signifikant
- Keine Aussage über Wortbedeutung (Semantik)
Wie können erworbene Dyslexien anhand des Zwei-Wege-Modells erklärt werden?
- Erworbene Dyslexien entstehen durch Hirnschädigungen
- Oberflächendyslexie:
- Lexikale Route geschädigt
- Nicht-lexikale Route intakt
- Nicht-Wörter & reguläre Wörter --> normal
- Irreguläre Wörter --> schlechter
- Tiefendyslexie (auch phonologische Dyslexie):
- Nicht-lexikale Route geschädigt
- Lexikale Route intakt
- Irreguläre Wörter und reguläre Wörter --> normal
- Nicht-Wörter --> schlechter
Welche zwei Effekte treten bei Untersuchungen zum Zwei-Wege-Modell auf? Beschreibe die Auswirkung dieser Effekte auf die abhängige Variable (RT).
- Vorlese-Experimente: AV --> RT UV --> echtes Wort vs. Nicht-Wort oder reguläres Wort vs. irreguläres Wort
- Regularitätseffekt: längere RT bei orthographisch irregulären Wörtern, als bei regulären
- Erklärung: in Konflikt tretende Informationen auf den zwei Routen (Phonem-Level)
- Frequenzeffekt: Kürzere RT bei hoch frequentierten Wörtern
- Erklärung: schneller Zugang zum Eintrag im mentalen Lexikon
- Interaktion von Regularitäts- und Frequenzeffekt:
- weniger genutze Wörter zeigen größeren Regularitätseffekt
Was ist mit dem Matthäuseffekt gemeint und welche Rolle spielt er bei der Entwicklung der visuellen Worterkennung?
- Gute Leseleistung führt zu höherer Lesemotivation und -menge; Leseleistung wird immer effizienter, Sichtwortschatz wird erweitert --> treibt Entwicklung der visuellen Worterkennung voran --> umgekehrt bei schlechten Leser*innen
- Relevant in der dritten Phase der visuellen Worterkennung (gefestigte alphabetische Phase)
Erläutere anhand eines Beispiels wie die Worterkennung in der präalphabetischen Phase funktioniert und weshalb sie so fehleranfällig ist.
- Logographische Strategie: Worterkennung durch saliente visuelle Merkmale (z.B. Firmenlogos oder eigener Name)
- Worterkennung schnell aber nicht zuverlässig --> Grundschüler erkennen zwar Logos, aber bemerken keinen Fehler, wenn ein Buchstabe ausgetauscht wurde
- Wenn sich saliente Merkmale ändern kann Wort nicht mehr erkannt werden
- Kinder verfügen nur über begrenzte Wortanzahl
In der präalphabethischen Phase erfolgt die Worterkennung anhand salienter visueller
Merkmale. Häufig handelt es sich hierbei um Merkmale wie Farbe, Schriftart, Kontext oder
Anfangsbuchstaben. Dabei wird sich auf wenige saliente Merkmale gestützt, Fehler oder
Veränderungen der Wörter werden häufig nicht erkannt, weil das Wort an sich nicht dekodiert
wird. In einer Studie von Masonheimer, Drum und Ehri (1984) konnte gezeigt werden, dass
Vorschüler die Logos bekannter Firmen (Bsp.: Pepsi) zwar erkennen können, den Austausch
von Buchstaben häufig jedoch nicht bemerkten. Obwohl ihnen die meisten Buchstaben
bekannt waren, dekodierten sie diese nicht. Weiterhin ist diese Art der Worterkennung in der
Anzahl der Wörter sehr begrenzt.
Welche Vorteile ergeben sich aus der Entwicklung eines größeren Sichtwortschatzes?
- Begünstigt flüssiges Lesen und indirektes Textverständnis, da kognitive Ressourcen für hierarchiehöhere Prozesse frei bleiben
- Sehr effizient
- Sichtwortschatz (=direkte Worterkennung)
Beim Sichtwortschatz handelt es sich um die direkte Erkennung von Wörtern. Diese ist sehr
effizient. Zudem erleichtert sie das flüssige Lesen, da die Buchstaben nicht einzelnd dekodiert
werden müssen, sondern das Wort im Ganzen erkannt wird. Weiterhin ist ein großer
Sichtwortschatz ressourcenschonend, wodurch sich das indirekte Textverständnis verbessert,
da mehr Kapazitäten für hierarchiehöhere Prozesse frei bleiben.
Welche sublexikalischen Einheiten nutzen Kinder in der gefestigten alphabetischen Phase? Welche Vorteile bringen diese Einheiten?
- Silben und Morpheme
- Effizientere und weniger fehleranfällige Worterkennung --> keine Zwischenspeicherung von Einzellauten im AG mehr notwendig --> Einzellaute sind in größeren Päckchen verpackt
In der gefestigten alphabethischen Phase werden zunehmend sublexikalische Einheiten
erfasst, dabei handelt es sich vor allem um Silben und Morpheme. Bei Letzteren handelt es
sich z.B. um Präfixe, Suffixe und den Wortstamm. Um die Morphemstruktur von Wörtern zu
erkennen und Morpheme zu manipulieren, ist die morphologische Bewusstheit notwendig.
Im Gegensatz zu Buchstaben- Laut- Kombinationen ist das Nutzen von Silben und Morphemen
effizienter und weniger fehleranfällig bei der Worterkennung. Die kognitiv aufwändige
Zwischenspeicherung der Einzellaute im Arbeitsgedächtnis wird hierbei überflüssig, dadurch
verringert sich der kognitive Aufwand.
Erläutere die Studie von Masonheimer, Drum & Ehri zur logographischen Strategie. (präalphabetische Phase)
- Vorschüler können Logos bekannter Firmen lesen (z.B. McDonalds oder Pepsi), bei Austausch eines Buchstabens entdecken sie keinen Fehler, obwohl die meisten Buchstaben bekannt sind à bei der logographischen Strategie findet keine Dekodierung statt
In der Studie von Masonheimer, Drum und Ehri (1984) konnte gezeigt werden, dass Kinder im
Vorschulalter die Logos von bekannten Firmen erkennen konnten, obwohl diese noch nicht
fähig waren, zu lesen. Die Erkennung der Logos erfolgte anhand der logographischen
Strategie, bei der die Worterkennung anhand salienter visueller Merkmale geschieht. Von
Nachteil ist hierbei die hohe Fehleranfälligkeit bzw. Unzuverlässigkeit, was sich in der Studie
daran zeigte, dass das Austauschen von Buchstaben (XEPSI statt PEPSI) nicht bemerkt wurde.
Obwohl die Buchstaben den Kindern bekannt waren, wendeten diese keine Strategie zur
Dekodierung an.
Erläutere die Graphem-Phonem-Korrespondenz anhand eines Beispiels.
- Verknüpfung von Buchstaben und Lauten
- Phonem: /i:/ --> Graphem: <ie> wie in Wiese, <ih> wie in ihr, <i> wie in Igel
Die Graphem-Phonem- Korrespondenz wird in der alphabetischen Phase erlernt. Bei
Graphemen handelt es sich um die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit in einem
Schriftsystem, die ein Phonem bzw. eine Phonemfolge repräsentiert (Buchstaben bzw.
Buchstabenverbindungen). Sie selbst tragen keine Bedeutung. Phoneme hingegen stellen die
kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit der Lautsprach dar. In der deutschen Sprache
gibt es 40 Phoneme. Die Graphem-Phonem- Korrespondenz ist im Deutschen relativ
konsistent, im Englischen oder Französischen eher inkonsistent. Ein Phonem kann mit
verschiedenen Graphemen korrespondieren, es kann also auf verschiedene Arten
verschriftlicht werden (Bsp.: Phonem i – Grapheme ie; ih; i; ieh).
Diskutieren Sie eines der sieben vorgestellten Modelle hinsichtlich inhaltlicher Stärken und Limitationen:
- Construction Integration Model (Kintsch, 1998) als vollständigstes und am besten formuliertes Modell des Textverstehens
- Beschreibt den iterativen Prozesse bei der Einordnung des aktuellen Diskursinputs in den früheren Diskurskontext
- Construction: bezieht sich auf die Aktivierung der Informationen im Text und des damit verbundenen Wissens
- Integration: bezieht sich auf die Verbreitung der Aktivierung über das Netzwerk, bis es sich gefestigt hat --> Konzepte, die stärker mit anderen Konzepten verbunden sind, werden stärker aktiviert
- Modell geht davon aus, dass ein Satz drei Ebenen der Repräsentation umfasst: surface structure (repräsentiert Wörter im Text und syntaktische Beziehungen), propositional textbase (Prädikat + Argument(e), und das situational model
- Situationsmodell und Textbase als unterschiedliche Dimensionen des episodischen Gedächtnisses für einen Text
- Stärken:
- Fokus: Lelrnen durch Text --> Fokus nicht auf narrativen, sondern eher Sachtexte (z.B. Enzyklopädien und Textbüchern)
- vollständiges, gut formuliertes Modell, dass diesen Prozess auf einer allgemeinen Ebene gut beschreibt
- Limitationen:
- Erklärt zum Beispiel nicht den Einfluss von unterschiedlichen Zielen, die der Leser hat
- Oder weitere Prozesse, die Verständnis unterstützen (z.B. metakognitive Prozesse)
- Adressiert auch nicht die individuellen Unterschiede im Leseverständnis
Finden Sie Methodenkritik hinsichtlich der Herangehensweise/Ausgangspunkte der vorgestellten Modelle.
- Meist Fokus auf eine Textart
- Teils individuelle Unterschiede bzgl. der Lesefähigkeiten in Modellen nicht ausreichend berücksichtigt
Ordnen Sie die sieben vorgestellten Modelle in das Quadranten-Modell ein.
- Construction Integration Model: Quadranten C und D --> Forschung konzentriert sich auf vorhergehendes Wissen und den Effekt von Wissen
- Structure-Building Model: Quadranten A und B --> Fokus auf narrativen Texten und Erklären von individuellen Unterschieden
- Resonance Model: irgendwo zwischen A und B --> beschreibt keinen hoch motivierten oder strategischen Leser, aber auch keinen minimalistischen
- Event-Indexing Model: Quadrant A --> macht Vorhersagen zu event-based Texten und keine zu den Fähigkeiten oder Zielen des Lesers (deswegen geht man davon aus, dass die Verarbeitung des Textes leicht ist und der Leser ausreichend fähig)
- Causal Networtk Model: Quadrant A --> event-based texts, macht keine Annahmen über die Rolle von strategischer Verarbeitung, aber man kann davon ausgehen, dass der Leser ausreichend motiviert und fähig sein muss, um kausale Beziehungen im Text zu entziffern und daraus kausale Schlüsse zu ziehen
- Constructionist Theory: Quadrant A, B, C, D --> Theorie spezifiziert Inferenzen und evaluative Prozesse, die Verständnis unterstützen; Wenn man davon ausgeht, dass das Modell auch beschreibt, was passiert, wenn die drei Leser-Annahmen scheitern (coherence, explanation, goals) dann beschreibt das Modell über alle vier Quadranten
- Landscape Model: Quadrant A, B, C, D --> verständlichstes Modell, dass am ehesten alle vier Quadranten abdeckt
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