Seminar WS20/21


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Cartes-fiches 55
Langue Deutsch
Catégorie Psychologie
Niveau Université
Crée / Actualisé 18.01.2021 / 30.06.2024
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Welche Annahmen können aus der Gleichung R = D * C gemäß der Simple View abgeleitet werden?

  • R = Leseverstehen D = Dekodierfähigkeit C = Sprachverstehen
  • Bei Komponenten notwendig, aber nicht hinreichend
  • Bei perfekter Ausprägung einer Komponente: verbleibende Varianz wird vollständig durch die andere Komponente aufgeklärt
  • Leseverstehen nicht möglich, wenn eine Fähigkeit gar nicht ausgeprägt
  • signifikant mehr Varianzaufklärung durch Produkt als durch lineare Kombination der Komponenten
  • schlechte Leser: negative Beziehung zwischen Dekodierfähigkeit und Sprachverständnis
  • Lineare Beziehung zwischen Sprach- und Leseverstehen zeigt für höhere Dekodierleistungen konstante Schnittpunkte mit 0 und positive Steigungswerte, die in ihrer Größe steigen

Was ist bei der Operationalisierung von Dekodierfähigkeit, Sprachverständnis und Leseverständnis zu beachten?

  • Knoepke et al (2013) kritisierten bei der Operationalisierung von Hoover & Gough (1990) Folgendes:
  • Dekodieren: keine Berücksichtigung des 2-Wege-Modells, wenn Dekodieren ausschließlich durch Methode des lauten Vorlesens von Pseudowörtern operationalisiert wird, weil dabei nur die indirekte Worterkennung erfasst wird --> Miterheben der direkten Worterkennung über lexikalische Entscheidungsaufgaben
  • Lese- und Hörverstehen (=Sprachverstehen): Methoden sind strikt parallelisiert und unterscheiden sich nur in der Modalität (Stimuli geschrieben oder auditiv dargeboten) --> keine Komplexitätsunterschiede --> Methode: Textverifikationsaufgaben (Kinder mussten entscheiden, passen zwei Sätze zusammen)
  • keine verstehensfremden kognitiven Fähigkeiten abfragen

Knoepke et al. (2013) fanden im Gegensatz zu Hoover & Gough (1990) keinen Beleg für die multiplikative Verknüpfung von Dekodierfähigkeit und Sprachverständnis, wie es die „Einfache Sicht auf das Lesen“ vorhersagt. Wie können diese widersprüchlichen Ergebnisse erklärt werden? Beschreiben Sie 2 mögliche Ursachen.

  • Insgesamt Hinweis auf rein additive Verknüpfung von Dekodieren und Sprachverstehen
  • Insgesamt wenig Varianzaufklärung in der Studie (ein Drittel --> sonst bis zu 70%)
  • Erklärung 1: viele verstehensfremde kognitive Fähigkeiten wurden erfasst
  • Erklärung 2: Sprache der untersuchten Grundschulkinder (evtl. ist das Modell auf transparente Graphem-Phonem-Systeme nicht so übertragbar
  • Selektivität der Stichprobe

Beschreibe die zwei Wege des Dual-Route Cascade Model sowie dessen Nutzen und Grenzen in der Leseforschung.

  • Rechnerisches Modell, dass sich an der Vorlage des Zwei-Wege-Modells orientiert (nicht konnektionistisch!)
  • Rechnerisches Modell = Computerprogramm, das die Art der kognitiven Verarbeitung nachvollziehen kann und ähnlich wie Menschen auf kognitive Aufgaben reagiert
  • Aussprache eines geschriebenen Wortes wird über zwei Vorgänge (lexikalisch und nicht lexikalisch berechnet)
  • Lexikalischer Vorgang:
  • Zugriff der Wort-Repräsentation im orthographischen Lexikon
  • Aktivierung der Wortsequenz im phonemischen System
  • Aktivierung der Phoneme auf Phonemlevel
  • Nur echte Wörter
  • Nicht-lexikalisches Vorgehen:
  • Nutzung von Regeln der Graphem-Phonem-Korrespondenz
  • Umwandlung der Buchstaben in Phoneme
  • Anwendung verläuft seriell 
  • nicht-Wörter und reguläre Wörter
  • Nutzen:
  • Simulation des Leseverhaltens normaler Leser und Dyslexie
  • Nachvollziehbarkeit verschiedener Stimulus-Einflüsse (z.B. hochfrequente Wörter werden schneller laut vorgelesen als niederfrequente)
  • Erklären experimenteller Ergebnisse
  • Grenzen:
  • Nicht anwendbar bei mehrsilbigen Wörtern
  • Differenz zwischen Wörtern und Nicht-Wörtern unwahrscheinlich hoch
  • Varianz der Wort-Lese-Reaktionszeit sehr gering signifikant
  • Keine Aussage über Wortbedeutung (Semantik)

Wie können erworbene Dyslexien anhand des Zwei-Wege-Modells erklärt werden?

  • Erworbene Dyslexien entstehen durch Hirnschädigungen
  • Oberflächendyslexie:
  • Lexikale Route geschädigt
  • Nicht-lexikale Route intakt
  • Nicht-Wörter & reguläre Wörter --> normal
  • Irreguläre Wörter --> schlechter
  • Tiefendyslexie (auch phonologische Dyslexie):
  • Nicht-lexikale Route geschädigt
  • Lexikale Route intakt
  • Irreguläre Wörter und reguläre Wörter --> normal
  • Nicht-Wörter --> schlechter

Welche zwei Effekte treten bei Untersuchungen zum Zwei-Wege-Modell auf? Beschreibe die Auswirkung dieser Effekte auf die abhängige Variable (RT).

  • Vorlese-Experimente: AV --> RT UV --> echtes Wort vs. Nicht-Wort oder reguläres Wort vs. irreguläres Wort
  • Regularitätseffekt: längere RT bei orthographisch irregulären Wörtern, als bei regulären
  • Erklärung: in Konflikt tretende Informationen auf den zwei Routen (Phonem-Level)
  • Frequenzeffekt: Kürzere RT bei hoch frequentierten Wörtern
  • Erklärung: schneller Zugang zum Eintrag im mentalen Lexikon
  • Interaktion von Regularitäts- und Frequenzeffekt: 
  • weniger genutze Wörter zeigen größeren Regularitätseffekt

Was ist mit dem Matthäuseffekt gemeint und welche Rolle spielt er bei der Entwicklung der visuellen Worterkennung?

  • Gute Leseleistung führt zu höherer Lesemotivation und -menge; Leseleistung wird immer effizienter, Sichtwortschatz wird erweitert --> treibt Entwicklung der visuellen Worterkennung voran --> umgekehrt bei schlechten Leser*innen
  • Relevant in der dritten Phase der visuellen Worterkennung (gefestigte alphabetische Phase)

Erläutere anhand eines Beispiels wie die Worterkennung in der präalphabetischen Phase funktioniert und weshalb sie so fehleranfällig ist.

  • Logographische Strategie: Worterkennung durch saliente visuelle Merkmale (z.B. Firmenlogos oder eigener Name)
  • Worterkennung schnell aber nicht zuverlässig --> Grundschüler erkennen zwar Logos, aber bemerken keinen Fehler, wenn ein Buchstabe ausgetauscht wurde
  • Wenn sich saliente Merkmale ändern kann Wort nicht mehr erkannt werden
  • Kinder verfügen nur über begrenzte Wortanzahl 

In der präalphabethischen Phase erfolgt die Worterkennung anhand salienter visueller
Merkmale. Häufig handelt es sich hierbei um Merkmale wie Farbe, Schriftart, Kontext oder
Anfangsbuchstaben. Dabei wird sich auf wenige saliente Merkmale gestützt, Fehler oder
Veränderungen der Wörter werden häufig nicht erkannt, weil das Wort an sich nicht dekodiert
wird. In einer Studie von Masonheimer, Drum und Ehri (1984) konnte gezeigt werden, dass
Vorschüler die Logos bekannter Firmen (Bsp.: Pepsi) zwar erkennen können, den Austausch
von Buchstaben häufig jedoch nicht bemerkten. Obwohl ihnen die meisten Buchstaben
bekannt waren, dekodierten sie diese nicht. Weiterhin ist diese Art der Worterkennung in der
Anzahl der Wörter sehr begrenzt.

Welche Vorteile ergeben sich aus der Entwicklung eines größeren Sichtwortschatzes?

  • Begünstigt flüssiges Lesen und indirektes Textverständnis, da kognitive Ressourcen für hierarchiehöhere Prozesse frei bleiben
  • Sehr effizient
  • Sichtwortschatz (=direkte Worterkennung)

Beim Sichtwortschatz handelt es sich um die direkte Erkennung von Wörtern. Diese ist sehr
effizient. Zudem erleichtert sie das flüssige Lesen, da die Buchstaben nicht einzelnd dekodiert
werden müssen, sondern das Wort im Ganzen erkannt wird. Weiterhin ist ein großer
Sichtwortschatz ressourcenschonend, wodurch sich das indirekte Textverständnis verbessert,
da mehr Kapazitäten für hierarchiehöhere Prozesse frei bleiben.

Welche sublexikalischen Einheiten nutzen Kinder in der gefestigten alphabetischen Phase? Welche Vorteile bringen diese Einheiten?

  • Silben und Morpheme
  • Effizientere und weniger fehleranfällige Worterkennung --> keine Zwischenspeicherung von Einzellauten im AG mehr notwendig --> Einzellaute sind in größeren Päckchen verpackt

In der gefestigten alphabethischen Phase werden zunehmend sublexikalische Einheiten
erfasst, dabei handelt es sich vor allem um Silben und Morpheme. Bei Letzteren handelt es
sich z.B. um Präfixe, Suffixe und den Wortstamm. Um die Morphemstruktur von Wörtern zu
erkennen und Morpheme zu manipulieren, ist die morphologische Bewusstheit notwendig.
Im Gegensatz zu Buchstaben- Laut- Kombinationen ist das Nutzen von Silben und Morphemen
effizienter und weniger fehleranfällig bei der Worterkennung. Die kognitiv aufwändige
Zwischenspeicherung der Einzellaute im Arbeitsgedächtnis wird hierbei überflüssig, dadurch
verringert sich der kognitive Aufwand.

Erläutere die Studie von Masonheimer, Drum & Ehri zur logographischen Strategie. (präalphabetische Phase)

  • Vorschüler können Logos bekannter Firmen lesen (z.B. McDonalds oder Pepsi), bei Austausch eines Buchstabens entdecken sie keinen Fehler, obwohl die meisten Buchstaben bekannt sind à bei der logographischen Strategie findet keine Dekodierung statt

In der Studie von Masonheimer, Drum und Ehri (1984) konnte gezeigt werden, dass Kinder im
Vorschulalter die Logos von bekannten Firmen erkennen konnten, obwohl diese noch nicht
fähig waren, zu lesen. Die Erkennung der Logos erfolgte anhand der logographischen
Strategie, bei der die Worterkennung anhand salienter visueller Merkmale geschieht. Von
Nachteil ist hierbei die hohe Fehleranfälligkeit bzw. Unzuverlässigkeit, was sich in der Studie
daran zeigte, dass das Austauschen von Buchstaben (XEPSI statt PEPSI) nicht bemerkt wurde.
Obwohl die Buchstaben den Kindern bekannt waren, wendeten diese keine Strategie zur
Dekodierung an.

Erläutere die Graphem-Phonem-Korrespondenz anhand eines Beispiels.

  • Verknüpfung von Buchstaben und Lauten
  • Phonem: /i:/ --> Graphem: <ie> wie in Wiese, <ih> wie in ihr, <i> wie in Igel

Die Graphem-Phonem- Korrespondenz wird in der alphabetischen Phase erlernt. Bei
Graphemen handelt es sich um die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit in einem
Schriftsystem, die ein Phonem bzw. eine Phonemfolge repräsentiert (Buchstaben bzw.
Buchstabenverbindungen). Sie selbst tragen keine Bedeutung. Phoneme hingegen stellen die
kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit der Lautsprach dar. In der deutschen Sprache
gibt es 40 Phoneme. Die Graphem-Phonem- Korrespondenz ist im Deutschen relativ
konsistent, im Englischen oder Französischen eher inkonsistent. Ein Phonem kann mit
verschiedenen Graphemen korrespondieren, es kann also auf verschiedene Arten
verschriftlicht werden (Bsp.: Phonem i – Grapheme ie; ih; i; ieh).

Diskutieren Sie eines der sieben vorgestellten Modelle hinsichtlich inhaltlicher Stärken und Limitationen:

  • Construction Integration Model (Kintsch, 1998) als vollständigstes und am besten formuliertes Modell des Textverstehens
  • Beschreibt den iterativen Prozesse bei der Einordnung des aktuellen Diskursinputs in den früheren Diskurskontext
  • Construction: bezieht sich auf die Aktivierung der Informationen im Text und des damit verbundenen Wissens
  • Integration: bezieht sich auf die Verbreitung der Aktivierung über das Netzwerk, bis es sich gefestigt hat --> Konzepte, die stärker mit anderen Konzepten verbunden sind, werden stärker aktiviert
  • Modell geht davon aus, dass ein Satz drei Ebenen der Repräsentation umfasst: surface structure (repräsentiert Wörter im Text und syntaktische Beziehungen), propositional textbase (Prädikat + Argument(e), und das situational model
  • Situationsmodell und Textbase als unterschiedliche Dimensionen des episodischen Gedächtnisses für einen Text
  • Stärken:
  • Fokus: Lelrnen durch Text --> Fokus nicht auf narrativen, sondern eher Sachtexte (z.B. Enzyklopädien und Textbüchern) 
  • vollständiges, gut formuliertes Modell, dass diesen Prozess auf einer allgemeinen Ebene gut beschreibt
  • Limitationen:
  • Erklärt zum Beispiel nicht den Einfluss von unterschiedlichen Zielen, die der Leser hat
  • Oder weitere Prozesse, die Verständnis unterstützen (z.B. metakognitive Prozesse)
  • Adressiert auch nicht die individuellen Unterschiede im Leseverständnis

Finden Sie Methodenkritik hinsichtlich der Herangehensweise/Ausgangspunkte der vorgestellten Modelle.

- Meist Fokus auf eine Textart
- Teils individuelle Unterschiede bzgl. der Lesefähigkeiten in Modellen nicht ausreichend berücksichtigt

Ordnen Sie die sieben vorgestellten Modelle in das Quadranten-Modell ein.

  • Construction Integration Model: Quadranten C und D --> Forschung konzentriert sich auf vorhergehendes Wissen und den Effekt von Wissen
  • Structure-Building Model: Quadranten A und B --> Fokus auf narrativen Texten und Erklären von individuellen Unterschieden
  • Resonance Model: irgendwo zwischen A und B --> beschreibt keinen hoch motivierten oder strategischen Leser, aber auch keinen minimalistischen
  • Event-Indexing Model: Quadrant A --> macht Vorhersagen zu event-based Texten und keine zu den Fähigkeiten oder Zielen des Lesers (deswegen geht man davon aus, dass die Verarbeitung des Textes leicht ist und der Leser ausreichend fähig)
  • Causal Networtk Model: Quadrant A --> event-based texts, macht keine Annahmen über die Rolle von strategischer Verarbeitung, aber man kann davon ausgehen, dass der Leser ausreichend motiviert und fähig sein muss, um kausale Beziehungen im Text zu entziffern und daraus kausale Schlüsse zu ziehen
  • Constructionist Theory: Quadrant A, B, C, D --> Theorie spezifiziert Inferenzen und evaluative Prozesse, die Verständnis unterstützen; Wenn man davon ausgeht, dass das Modell auch beschreibt, was passiert, wenn die drei Leser-Annahmen scheitern (coherence, explanation, goals) dann beschreibt das Modell über alle vier Quadranten
  • Landscape Model: Quadrant A, B, C, D --> verständlichstes Modell, dass am ehesten alle vier Quadranten abdeckt

Welche positiven oder negativen Aspekte sehen Sie in der Vielzahl der existierenden Textverstehens-Modelle?

- Positiv: z.B.: Fokus auf verschiedene Aspekte des Textverstehens; Betrachtung unterschiedlicher Textarten / Rezeptions-Arten; verschiedene Quellen individueller Differenzen werden berücksichtigt,

- Negativ: z.B.: Differenzierung zwischen den Modellen teils schwer möglich, ganzheitliches Modell wäre teils leichter anwendbar, Modelle teilweise sehr komplex und trotzdem nicht ganzheitlich, Leseschwächen/ Einschränkungen finden wenig Beachtung, Gewisse kognitive Fertigkeiten werden vorausgesetzt,

Erklären Sie das Situation Model und nennen Sie ein Textverstehens-Modell, bei dem es eine große Rolle spielt.

- Kognitive/mentale Repräsentation der Ereignisse, Plätze, Personen, Aktionen, Objekte, die in einem Text vorkommen
- Integration der Informationen aus einem Text mit relevantem Vorwissen
- --> Aufbau eines mentalen kohärenten Modells der Situation, die im Text beschrieben wird
- Inferenzieren beteiligt beim Bilden des Situation Models
- Situation Model u.a. wichtig bei CI-Model

Welche Inferenzen spielen hier eine große Rolle und was unterscheidet sie?

- Assoziative Inferenzen: logischer Schluss, aufgrund von Informationen oder Konzepten, die der Rezipient in sich trägt (z.B. Allgemeinwissen)
- „Bridging“ Inferenzen: Vorgang, wenn der Rezipient vorherige Sätze mit aktuellen Sätzen verbindet

Welche Bedeutung hat der Kohärenzstandard für Textverstehen?

  • Kohärenzstandard = interindividuell variierendes Streben nach Kohärenz in der mentalen Textrepräsentation
  • Hoher Kohärenzstandard fördert Textverstehen

Der Kohärenzstandard im Kontext des Textverstehen wird definiert als interindividuell variierender Anspruch auf Kohärenz beim Leseverstehen. Ein hoher Kohärenzstandard zeigt sich u. a. dann, wenn ein Leser sein Leseverstehen überwacht und eventuelle Inkonsistenzen im Verständnis registriert und korrigiert (Verständnis Monitoring) oder aber bei Inferenzen. Allgemein gesprochen fördert ein hoher Kohärenzstandard das Textverstehen, so kann selbst das genetisch stark determinierte Arbeitsgedächtnis durch Lesen unter einem hohen Kohärenzstandard trainiert werden.

Inwiefern wirkt sich ein gutes Strukturverständnis auf Textverstehen aus?

  • Strukturverständnis = Verständnis der Gliederung in Titel, Einleitung, Hauptteil, Schluss (nur wenn Schüler zuerst mit der einfachen Geschichte konfrontiert wird)
  • Darauf aufbauende Fähigkeit: Verfassen strukturierter Geschichten
  • Struktur = Gerüst für mentale Repräsentation des Textes
  • Insbesondere für kausale Sinnerschließung beim Textverstehen wichtig
  • Ab drei Jahren entwickeln Kinder Verständnis für Geschichten, weil sie da beginnen menschliche Handlungsintentionen zu kennen
  • Studie von Yuill und Oakhill (1991): Leser mit schlechterem Textverständnis machten beim Nacherzählen einer Geschichte aus einer Bildsequenz weniger kausale Verknüpfungen und nutzten weniger Bindewörter, um ihre Geschichte zu strukturieren

Strukturverständnis stellt einen der Faktoren des höheren Verstehens und somit einen Förderfaktor für Textverstehen dar.

Primär im Textgenre der Geschichte wird Strukturverständnis insofern erworben, als dass sich ein Verständnis der Gliederung der Geschichte in Titel, Einleitung, Hauptteil, Schluss und die Fähigkeit, klar strukturierte Geschichten zu verfassen, entwickelt. Das Verfassen strukturierter Geschichten wird deutlich an der Verwendung von Struktur-Bindewörtern (beispielsweise zunächst, schlussendlich) und kausalen Verknüpfungen. Hierbei dient die Struktur als ein „Gerüst“, um den Text mental kohärent zu repräsentieren. Demnach ist das Strukturverständnis insbesondere für die kausale Sinnerschließung bei Textverstehen wichtig. In der Studie von Yuill und Oakhill (1991) erzählten Probanden eine Geschichte nach (ursprünglich als Bild-Sequenz). Ein positiver Zusammenhang zwischen Strukturverständnis und Textverstehen wurde gefunden. Die Gruppe mit niedrigerem Textverstehen zeigte weniger Struktur-Bindewörter und kausale Verknüpfungen in der Nacherzählung.  

Wie äußert sich Verständnis Monitoring (wie führt der Leser Verständnis Monitoring konkret aus)?

  • Monitoring: Leser verfolgt, ob Gelesenes konsistent ist oder ob Widerspruch besteht
  • Verständnis Monitoring äußert sich darin, dass Schüler, die viel Monitoring anwenden, mehr semantische und syntaktische Fehler erkennen à Inkonsistenzen korrigieren
  • Studie von Hacker (1997): 3 Altersgruppen (7.,9.,11. Jahrgang) lesen Text und müssen semantische, syntaktische und Buchstabier-Fehler entdecken à bessere und ältere Leser erkennen mehr Fehler à bessere Leser zeigen besseres (semantisches) Monitoring, wenn aufgefordert, auf Semantik zu achten
  • Hohes Verständnis Monitoring liegt vor, wenn Leser hohen Kohärenzstandard hat
  • Verständnismonitoring hängt in allen Altersstufen positiv mit Leseverstehen zusammen

Verständnis Monitoring stellt einen der Faktoren des höheren Verstehens und somit einen Förderfaktor für Textverstehen dar. Verständnis Monitoring meint das Überprüfen auf Verständnis-Inkonsistenzen und die gegebenenfalls anschließende Korrektur. Verständnis Monitoring tritt meist zusammen auf mit einem hohen Kohärenzstandard. Studien haben gezeigt, dass Verständnis Monitoring, altersübergreifend, das Leseverstehen fördert. Die Studie von Hacker (1997) zeigte, dass Probanden mehr semantische Fehler erkannten, wenn sie aufgefordert wurden, auf Semantik zu achten. Drei Altersgruppen (Jahrgangsstufen 7, 9 und 11) wurden aufgefordert, in einem Text Fehler zu finden. Der Text enthielt semantische Fehler, Grammatik- und Rechtschreibfehler. Zudem wurde die Lesefähigkeit getestet. Bessere, und ältere Leser erkannten mehr Fehler. Bei Aufforderung, speziell auf eine Fehlerkategorie zu achten, zeigten nur die besseren Leser besseres (semantisches) Monitoring. Die Studie bestätigte den positiven Zusammenhang zwischen Verständnis Monitoring und der auf Textverstehen bezogenen Lesefähigkeit. 

Inwiefern ist die Entwicklung einer Lese-/Rechtschreibstörung auf genetische Faktoren zurückzuführen und welche Bedeutung kommt dabei Faktoren aus der Umwelt zu?

 

 

  1. Annahme, dass Fähigkeiten im Bereich der sprachbasierten, kognitiven Grundlagen, die für das Lesen & Schreiben notwendig sind, durchaus genetisch determiniert sein können
  2. Studien, wie z.B. die Colorado Family Reading Study (1.) oder die Colorado Twin Study of Reading Disability (2.) weisen auf genetische Komponente hin
    1. (1.) Eltern und Geschwister von Kindern, die von einer Lesestörung betroffen sind, zeigten mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit ebenfalls Leseprobleme (verglichen mit Familienangehörigen unbeeinträchtigter Kinder)
    2. (2.) Zwillingsstudie (Vgl.: eineiige – zweieiige Zwillinge): unter den eineiigen Zwillingen häufiger beide Kinder von einer LRS betroffen als bei den zweieiigen
  3. Ergebnisse dieser Studien dennoch nur als Hinweise auf eine genetische Komponente zu interpretieren, denn:
    1. Auch individuelle Unterschiede unbeeinträchtigter Leistungen im Lesen & Schreiben ebenfalls stark genetisch determiniert
  4. Für Entstehung einer LRS außerdem kein einzelnes Gen verantwortlich, sondern eine Kombination von Genen („Kandidatengene“)
    1. Weder hinreichend, noch notwendig, da diese Gene ebenso an der Vererbung „normaler“ Lesefähigkeiten beteiligt sind
  5. LRS durch genetisch bedingte Prädisposition für Entwicklungsstörung neurobiologischer Strukturen und damit verbundener Prozesse begründet
  6. Auf verschiedenen Ebenen werden Umwelteinflüsse sichtbar
    1. Wirkzusammenhang von der biologischen Ursache bis zum Syndrom einer LRS unterliegt Interaktion mit Umwelteinflüssen
  7. Studie von Samuelson et al.: Umweltfaktoren haben zwar geringeren Einfluss als genetische Faktoren (Einfluss dennoch vorhanden!)
    1. Genetik: stärkerer Einfluss auf Aspekte der phonologischen Informationsverarbeitung
    2. Umwelt: stärkerer Einfluss auf Wortschatz, Grammatik oder Buchstabenkenntnis
  8. Bei Kindern mit genetischem Risiko liegen besonders ungünstige Bedingungen für den Schriftspracherwerb vor à besonders vulnerabel

Was spricht dafür, dass es eine neurobiologische Basis der Lese-/Rechtschreibstörung gibt? Welche Auffälligkeiten zeigen sich im Gehirn betroffener Personen und wie interagieren diese?

  1. Menschliches Gehirn umfasst drei zentrale Lesesysteme (anterior, ventral, dorsal), die jeweils ganz bestimmte Funktionen im Leseprozess erfüllen
  2. Anhaltspunkte, dass lese-rechtschreibgestörte Personen spezifische Über- und Unteraktivierungen in den Lesesystemen zeigen
    1. Annahme, dass Dysfunktionen (Unteraktivierungen) des dorsalen und ventralen Lesesystems die neurobiologische Basis der LRS abbilden und dass
    2. Lese-Rechtschreibgestörte Personen kompensatorisch „Hilfssysteme“ in anterioren Regionen der linken und rechten Hirnhälfte (Überaktivierung) nutzen, um diese Dysfunktionen auszugleichen
    3. Überaktivierungen im anterioren Bereich (mögliche Bedeutung):
      1. Personen mit LRS artikulieren beim Lesen verstärkt Wörter innerlich (soll helfen, sich der Lautstruktur von Wörtern bewusst zu werden, um Defizite im Bereich der Buchstaben-Laut-Zuordnung [Unteraktivierung dorsales Lesesystem] auszugleichen)

 

Wie äußert sich eine Störung der phonologischen Informationsverarbeitung? Welche Aspekte können hierbei gestört sein und welche wissenschaftlichen Belege gibt es?

  1. Viele Wissenschaftler der Meinung, dass LRS durch ein spezifisches kognitives Defizit bzgl. der Verarbeitung und Repräsentation von Sprachlauten verursacht wird (à Störung der phonologischen Informationsverarbeitung)
  2. Mögliche gestörte Komponenten/Aspekte:
    1. Defizite in Phonemwahrnehmung (z.B. fehlerhafte Lautunterscheidung & -identifikation) und dem Verstehen von Silben und Wörtern im Störgeräusch
    2. Defizite in phonologischer Bewusstheit sowie sprachlichen AG-Aufgaben (z.B. beim Behalten von Wörterfolgen in der richtigen Reihenfolge)
    3. Bezeichnungen von Objekten (& deren phonologische Repräsentationen) können weniger effizient aus dem LZG abgerufen werden)
  3. Wissenschaftliche Belege:
    1. Entwicklung der phonologischen Verarbeitung steht mit unbeeinträchtigter Entwicklung des Lesens &/oder Schreibens in Beziehung (frühere Fähigkeiten sagen spätere Leistungen vorher)
    2. Bildgebende Verfahren (PET und fMRT) sprechen ebenfalls für phonologisches Defizit
      1. PET-Studie: Verbindung zwischen vorderen und hinteren Spracharealen im Gehirn könnten bei LRS gestört sein
    3. Trainingsstudien haben aber auch gezeigt, dass z.B. eine Förderung der phonologischen Bewusstheit die Entstehung einer Störung vorbeugen oder die schriftsprachlichen Leistungen verbessern kann

Erläutere in groben Zügen das Triple-Code Modell von Dehaene.

  • Zahlen sind mental in drei verschiedenen Codes repräsentiert à diese interagieren zwar bei der Zahlenverarbeitung, sind aber funktionell unabhängig
  • die verbal(-phonologische) Zahlenform verarbeitet gesprochene und geschriebene Zahlwörter
  • Dieser Code wird durch allgemeine Sprachmodule beeinflusst --> Zählen ist nichts anderes als das Alphabet aufzusagen
  • Visuell-arabische Zahlenform ist für die Verarbeitung von arabischen Zahlen zuständig
  • Analoge (mentale) Größenrepräsentation ist bei allen Zahlenverarbeitungs- und Rechenprozessen involviert, die auf die Numerosiät (Mächtigkeit) von Mengen und Zahlen zugreifen --> Wissen um die numerische Größe einer Menge/Zahl
  • Die Repräsentation ist nur ungefähr --> „ungefähr 200“ statt 212, wo ein präzise und verbal gezählt werden müsste
  • Hier gibt es z.B. einen Patienten, der keinen Zugang mehr zu genauen Info über die Zahlen hatte, aber noch weiß, dass ein Jahr ungefähr 300 Tage hat à ungefähres Ausmaß konnte er schätzen. Konnte auch 2+2=5 nicht als falsch identifizieren, 2+2=9 aber schon à Leistung hing allein davon ab, wie falsch die Gleichung war à je falscher, desto besser konnte er sie als falsch identifizieren
  • Jede der Komponenten kann aber spezifisch beeinträchtigt sein, sodass bei der Beeinträchtigung der analogen Größenrepräsentation sowohl Zahlenlesen (arabisch àphonologisch) als auch Zahlenschreiben (phonologisch            --> arabisch) möglich ist, ohne dass die Bedeutung der Zahlen erfasst wird
  • Unterschiede zu den anderen Modellen: Zahlen sind in den Codes repräsentiert, und nicht in einer internalen Größenrepräsentation. Weiterer Unterschied: es gibt keine separate Komponente für die Rechenleistung, sondern die Leistungen werden der Komponente zugeordnet, auf deren Repräsentationsform sie basiere

Nenne zwei Effekte, die für eine mentale Repräsentation von Zahlen als Zahlenstrahl sprechen.

  • Distanzeffekt: VP soll entscheiden, welche von 2 Zahlen größer ist. Die RZ sinkt systematisch, je größer die Distanz zwischen den Zahlen ist (2 vs. 7 geht schneller als 2 vs. 3)--> VPn klassifizieren benachbarte Zahlen langsamer als weiter voneinander entfernte Zahlen. Das ist sowohl bei einstelligen als auch bei zweistelligen Zahlen der Fall.
  • Erklärungsansatz: interne semantische Größenrepräsentationen von benachbarten Zahlen überlappen sich eher als weit entfernte Zahlen, und treten somit beim Abruf miteinander in Konkurrenz
  • Der Distanzeffekt ist nicht nur bei arabischen Ziffern, sondern auch bei Linienlängen und Objektanzahlen sichtbar       --> wir haben offensichtlich eine mentale Repräsentation von Größen
  • Trat auch bei dem Patienten von vorhin auf, der nur noch ein ungefähres Gefühl für die Größe hatte à 3+1=9 konnte er als falsch identifizieren, 43 + 21 = 69 aber nicht
  • Der SNARC-Effekt ist ein Reaktionszeiteffekt, der die räumliche Orientierung des internalen Zahlenstrahls stützt
  • VP sieht arabische Zahl und soll entscheiden, ob diese gerade oder ungerade ist (die numerische Größe ist irrelevant) und entsprechend entweder mit links oder mit rechts eine Taste drücken
  • Effekt: Numerisch kleine Zahlen sind schneller mit der linken Hand und numerisch große Zahlen sind schneller mit der rechten Hand zu beantworten --> kleine Zahlen sind auf dem mentalen Zahlenstrahl eher links angeordnet und große eher rechts, sodass die räumliche Nähe zur jeweiligen Hand eine schnellere RZ ermöglicht
  • Effekt gibt es auch bei gehörten + geschriebenen Zahlen und sogar bei Punktmustern

Was sind Multiplikationsfakten und welche Formen gibt es?

  • Fakten, die wir im Langzeitgedächtnis gespeichert haben und abrufen können, ohne eine Rechnung durchzuführen
  • Regelbasierte Fakten sind Aufgaben, die eine 0 oder eine 1 beinhalten --> man muss nur eine Aufgabe verstanden haben, um alle Aufgaben dieser Art lösen zu können (wenn 3 x 0 = 0, dann kann man die Regel auf jede weitere Aufgabe anwenden, die eine 0 enthält)
  • Ties: sind alle Multiplikationen, bei denen die Operanden identisch sind (3x3, 9x9, ...) --> sind besonders gut abgespeichert und besonders schnell abrufbar
  • Alle übrigen Multiplikationsfakten müssen einzeln assoziativ erlernt und abgerufen werden

Diskutiere die Aussage „Säuglinge kommen bezüglich ihrer mathematischen Fähigkeiten quasi als tabula rasa auf die Welt“.

  • Habituierungsstudien von Antell und Keating (1983) zeigen, dass bereits wenige Tage alte Säuglinge auf Stimuli, die sich in ihrer Anzahl unterscheiden, unterschiedlich reagieren. Wenn ein Säugling zum Beispiel mehrmals ein Bild mit zwei Objekten gezeigt wird, dann steigt die Fixationszeit bei der Betrachtung eines Bildes mit drei Objekten an. Der Säugling richtet als mehr Aufmerksamkeit auf das Bild, in dem sich die Objektanzahl geändert hat -->  lässt auf angeborene mathematische Grundlagen schließen
  • In einer Habituierungsstude von Wynn (1996) konnte herausgefunden werden, dass sechs Monate alte Kinder Puppen, die eine Sprungfrequenz von 3 Sprüngen aufwiesen, Puppen mit einer Sprungfrequenz von 2 Sprüngen unterscheiden können --> Kinder können Mengen anhand ihrer Anzahl voneinander unterscheiden
  • Das Gehirn von Säuglingen ist durch „bereichsspezifische Lernpotentiale“ (Weinert 200) auf die vielfältigen Umwelterfahrungen angemessen vorbereitet

Bei rechenschwachen Kindern fällt auf, dass diese Mengen oft vollständig auszählen müssen, d.h. immer bei 1 beginnen zu zählen. Erkläre welcher Meilenstein hier nicht erreicht wurde und warum dieser für die Weiterentwicklung der mathematischen Fähigkeiten essentiell ist.

  • Hier wurde der Meilenstein der Kardinalität (= Einsicht, dass jedes Zahlwort zugleich für die Anzahl der darin enthaltenen Objekte steht) noch nicht erreicht
  • Kinder fangen von 1 an zu zählen, weil sie nicht verstehen, dass in der nächsten Zahl auf dem Zahlenstrahl alle vorangegangen Zahlen enthalten sind
  • Kardinalität ist wichtig, weil ohne sie die Kinder die Stufe 4 nicht erreichen. Kardinalität ist die Voraussetzung für das Verständnis für gleiche Abstände zwischen aufeinander-folgenden natürlichen Zahlen, für Differenzen zwischen Mengen, sowie für Teil-Teil-Ganzes-Verhältnisse und im weiteren Sinne natürlich auch für den relationalen Zahlbegriff

Nenne drei kognitive Faktoren, die Einfluss auf mathematische Leistungen nehmen. Beschreibe einen der drei Faktoren und seinen Einfluss auf die schulischen Mathematikleistungen genauer.

  • Visuell-räumliches Arbeitsgedächtnis
  • Aufmerksamkeitregulation
  • Mentale Rotation
  • Rechenschwache Neuntklässler zeigen bereits vor Schuleintritt deutliche Beeinträchtigungen in ihren vorschulischen Fähigkeiten zur mentalen Rotation
  • Rolle der mentalen Rotation für die mathematischen Grundschulleistungen konnte nicht nachgewiesen werden
  • Mögliche Erklärung für diesen zeitverzögerten Einfluss der mentalen Rotationsfähigkeit auf die mathematischen Schulleistungen: Verfügbarkeit von Veranschaulichungshilfen erst in der Sekundarstufe relevant

Krajewski, Schneider & Nieding (2008): Fassen Sie kurz die zentralen Befunde zusammen und skizieren Sie, welche Erkenntnisse zum Zusammenhang der erfassten Variablen gewonnen werden konnten.

  • Längsschnittstudie, in der überprüft wurde welche Bedeutung, die schon im Vorschulalter vorhandenen Fähigkeiten des Arbeitsgedächtnisses und der Intelligenz für die Erklärung von Leistungsunterschieden in Rechtschreiben und Mathematik am Ende der ersten Klasse haben 
  • Ergebnisse zeigten, dass beim Einbezug des Arbeitsgedächtnisses kein Effekt der Intelligenz nachgewiesen werden konnte --> Einfluss der Intelligenz wird vermittelt über AG
  • weitergehende Analysen weisen darauf hin, dass der Einfluss des Arbeitsgedächtnisses über die spezifischen Vorläuferfertigkeiten erklärt werden kann: 
    • Maße der phonologischen Schleife und der zentralen Exekutive klärten Varianz in der vorschulischen phonologischen Bewusstheit auf, welche wiederum die schulischen Rechtschreibleistungen vorhersagte
    • die visuell-räumliche Komponente des Arbeitsgedächtnisses erklärte Varianz in den vorschulischen Mengen-Zahlen-Kompetenzen, welche wiederum die schulischen Mathematikleistungen vorhersagten 
  • bedeutendstes Ergebnis: darüber hinaus sagte phonologische Bewusstheit basale numerische Kompetenzen (z.B. Zählfertigkeiten) vorher, wodurch sich mittelhohe Zusammenhänge zwischen schriftsprachlichen und mathemaitschen Kompetenzen erklären ließen ABER keine Korrelation mit höheren mathematischen Fähigkeiten 

Skizzieren Sie das Modell zur Störung zentral- exekutiver Funktionen von Barkley (1997). Welche Kritik übte Barkley an vorherrschenden Modellen?

  • Grundsätzlich: Annahme eines hierarchischen Zusammenhangs zwischen Verhaltensinhibition, vier exekutiven Funktionen und motorischer Kontrolle
    • Verhaltensinhibition = exekutiver Steuerungsprozess & Grundlage für vier weitere exekutive Funktionen, die der Ausführung von Handlungen unmittelbar vorangehen oder sie begleiten
    • Vier exekutive Funktionen:1) Verbales / nonverbales Arbeitsgedächtnis 2) Selbstregulation von Affekt / Motivation und Arousal 3) Verinnerlichen von Sprache 4) Handlungsplanung 
  • Unter Motorische Kontrolle / Flüssigkeit / Syntax fallen Funktionen wie z.B. Ausführung zielgerichteter Handlungen, Hemmung aufgabenirrelevanter Handlungsimpulse
  • Verhaltensinhibition nicht kausal für das Auftreten der EF verantwortlich, sondern bereitet günstige Bedingungen für das Auftreten jener
  • Verhaltensinhibition und EF dagegen direkte, kausalen Einfluss auf motorische Kontrolle
  • Zentral: Defizit in Verhaltensinhibition, wodurch...

a) sich sekundäre Beeinträchtigungen in den vier exekutiven Funktionen ergeben, deren effektive Funktionsweise teils von einer erfolgreichen Verhaltensinhibition abhängen

b) eine verminderte Kontrolle über zielgerichtetes motorisches Verhalten folgt

  • Letztlich sollte das Verhalten ADHS- Betroffener stärker durch den unmittelbaren Kontext und dessen Konsequenzen bestimmt werden, während das Verhalten anderer eher durch internal repräsentierte Informationen geleitet wird
  • Warum ein neues Modell?
    • Barkley kritisierte die damals vorherrschenden Modelle als nahezu atheoretisch bzw. nicht theoriegeleitet
    • D.h. rein deskriptive Beschreibung zweier bzw. dreier Verhaltensdefizite (Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität/Impulsivität)
    • Modelle können die Vielzahl an kognitiven und behavioralen Defiziten nicht begründen
    • Teilt die derzeitige Sicht nicht, dass sich die verschiedenen Subtypen nur durch die An- / Abwesenheit von hyperaktiven und impulsiven Symptomen unterscheiden

Welche Komponenten zählt Barkley (1997) zur Verhaltensinhibition? Bedingt selbige kausal das Auftreten der exekutiven Funktionen? Begründen Sie.

  • Verhaltensinhibition = exekutiver Steuerungsprozess, der 3 Komponenten umfasst:

1) Hemmung eines dominanten Handlungsimpulses auf einen Reiz

2) Unterbrechung einer laufenden Handlung

3) Hemmung interferierender Handlungstendenzen

  • Wie im Modell durch die abgestumpften Pfeile zwischen Verhaltensinhibition und den vier EF angedeutet, führt die Verhaltensinhibition grundsätzlich nicht kausal zum Auftreten der EF, sondern stellt günstige Bedingungen für deren Wirken her:
    • Hemmung eines dominanten Handlungsimpulses auf einen Reiz führt zu einer Verzögerung im Entscheidungsprozess (bzgl. weiterer Reaktionen / Handlungen)
    • Dies ermöglicht das Aktivwerden der EF, was wiederum die Handlungsentscheidung beeinflusst
    • Letztlich werden durch die Verhaltensinhibition auch interferierende Handlungstendenzen gehemmt, wodurch selbiger Entscheidungsprozess zusätzlich „geschützt“ wird

Was ist – laut Barkley (1997) - Zweck der Bemühungen der exekutiven Funktionen? Woraus gehen exekutive Funktionen möglicherweise hervor bzw. welche Entstehungsfaktoren nennt Barkley?

  • Verschiebung in der Verhaltenskontrolle erreichen – weg von externaler Kontrolle des Verhaltens hin zu einer Verhaltenskontrolle durch internal repräsentierte Informationen
  • Jeglicher Input (ob sensorischer Input oder motorische Handlungen), welcher nicht im Zusammenhang mit dem Ziel und dessen internal repräsentierten Strukturen steht, soll minimiert oder gar vollständig unterdrückt werden
  • Kurzfristig letztlich: bessere Vorhersage und Kontrolle eigenen Verhaltens und der Umwelt erreichen
  • Langfristig: Veränderung zukünftiger Konsequenzen, die wahrscheinlich durch ein Verhalten erzeugt werden
  • Entstehungsfaktoren:
    • Die Entwicklung neuronaler Netzwerke in präfrontalen Bereichen, die jenen neuropsychologischen Fähigkeiten zugrunde liegen und den Erwerb spezifischer Fähigkeiten, die für die Selbstkontrolle wichtig sind, ermöglichen
    • Der Erfolg, den EF- gesteuerte Handlungen in der Vergangenheit bzgl. einer Nutzenmaximierung („Nettokonsequenzen von Verhalten“ maximieren) erbracht haben (Nutzen wird hier v.a. langfristig betrachtet) – d.h. je mehr Nutzen eine Handlung auf lange Sicht erbringt, desto erfolgreicher & desto eher wird diese Handlung unterstützt
    • Sozialisierung eines Kindes
    • Momentan vorherrschende Verstärkung eines Individuums für den Gebrauch selbstregulatorischer Handlungen
  • Erfahrung wichtig!

Beschreiben Sie die Grundannahme des Simple-Motivational-Models zur Entstehung von ADHS.

  • Simple-motivational-Model als Alternative zu kognitiven Theorien
  • Verlagert den Fokus auf Belohnungsprozesse
  • Annahme:
    • Bei Personen mit ADHS wird angenommen, dass eine verminderte Aktivierung des Belohnungssystems dazu führt, dass die subjektive Wertigkeit zukünftiger Belohnungen mit zunehmender Verzögerung überproportional abnimmt
    • Dadurch werden Verzögerungen aversiver erlebt und man strebt nach unmittelbarer Belohnung
    • Wenn diese Möglichkeit nicht gegeben ist, initiiert die betroffene Person Verhaltensweisen, die dazu dienen, die subjektive Wahrnehmung von Verzögerungen zu minimieren, indem sie ihre Aufmerksamkeit auf Reize in der Umwelt richtet oder aktiv auf die Umwelt einwirkt

Zur Erklärung von ADHS gibt es zwei verschiedene - zunächst als konkurrierend betrachtete - Modelle, die ein Kerndefizit annehmen – wie wurden diese in vergangenen Studien überprüft? Welche Ergebnisse berichten Solanto et al. (2001)?

  • Stop- Signal- Task (Verhaltensinhibition)
    • Untersucht die Fähigkeit einer Person, eine präpotente motorische Reaktion zu stoppen
    • Wenn Reaktion gestoppt, wird Inhibition als erfolgreich angesehen (Stopp- Signal)
  • Choice- delay- Task (Delay Aversion)
    • Wahl zwischen kleinem, unmittelbaren & größeren, aber verzögerten Gewinn
  • Studie und Ergebnisse Solanto et al. (2001):
    • Stichprobe: Schulkinder mit ADHS- Diagnose (kombinierter Subtypus) absolvieren sowohl Stop- Signal- Task als auch Choice- delay- Task
    • Ergebnisse deuten keinen Zusammenhang zwischen beiden Aufgaben an (Aufgaben unkorreliert), Verhaltensinhibition und Delay Aversion sind also unabhängig voneinander
    • 4 Ergebniskategorien:
      • 23% ausschließlich inhibitorische Defizite
      • 15% ausschließlich motivationale Defizite
      • 23% sowohl inhibitorische als auch motivationale Defizite
      • 39% keine Auffälligkeiten
  • Zusammen können beide Modelle nahezu 90% der Kinder mit ADHS korrekt klassifizieren

Weshalb kam es zu einem Paradigmenwechsel bei der Erklärung von ADHS? Nennen Sie eines der bekanntesten Multiple-Pathway-Modelle und beschreiben Sie dessen Aufbau.

  • Experimenteller Nachweis über unabhängigen Beitrag sowohl exekutiver als auch motivationaler Prozesse beim Zustandekommen von ADHS trug zu einem Paradigmenwechsel bei
  • Es entstanden Multiple-Pathway-Modelle
  • Eines der bekanntesten Modelle: Dual-Pathway-Model von Sonuga-Barke (2002)
  • Sonuga-Barke erweiterte Barkleys Grundgedanken und entwickelte ein Modell, dass zwei Pfade zur Entstehung von ADHS beinhaltet
  • ADHS resultiert aus Pfad der Störung exekutiver Funktionen und dem Pfad der Störung von Motivation
  • Pfad der Störung exekutiver Funktionen:
    • Veränderungen im mesokortikalen System führen zu Beeinträchtigung exekutiver Funktionen
    • Inhibitorische Dysfunktion führt zu kognitiver und behavioraler Dysregulation
    • Auftreten von ADHS-Symptomen durch behaviorale Dysregulation; Auswirkungen auf die Aufgabenbewältigung durch kognitive Dysregulation
  • Pfad der Störung von Motivation
    • Veränderungen im mesolimbischen System
    • Grundlegende Veränderungen der Belohnungsmechanismen: insbesondere einem verkürzten Belohnungsverzögerungsgradienten
    • Verminderte Aktivierung des Belohnungssystems führt dazu, dass die subjektive Wertigkeit zukünftiger Belohnungen mit zunehmender Verzögerung überproportional abnimmt à Verzögerungen werden aversiver erlebt und eine unmittelbare Belohnung wird angestrebt
    • Kulturelle Normen (z.B. Reaktionen von Bezugspersonen) moderieren den Zusammenhang zwischen unmittelbarem Belohnungsstreben und verzögerungsassoziiertem negativem Affekt und schaffen somit den Kontext für die Entstehung von Verzögerungsaversion und den daraus resultierenden ADHS-Symptomen

Beschreiben Sie Defizite in der kognitiven Repräsentation von Numerositäten bei Dyskalkulikern mithilfe der Ergebnisse der Studie von Landerl, 2013. 

  • Longitudinalstudie mit Kindern der 2. Bis zum Beginn der 4. Klasse, wurden insgesamt 5 mal untersucht
  • Nonsymbolischer Mengenvergleich: Anzahl von Quadraten musste geschätzt werden
  • Symbolischer Mengenvergleich: einstellige Ziffern mussten verglichen werden
  • Methode: Reaktionszeit wurde am Computer gemessen
  • Beide Gruppen zeigen einen Distanzeffekt: bessere/schnellere Leistungen bei Zahlen, die weiter voneinander entfernt sind
  • Kinder mit Dyskalkulie zeigten vor allem beim symbolischen Mengenvergleich schlechtere Leistungen
  • Beim nonsymbolischen Zahlenvergleich gibt es in unterschiedlichen Studien widersprüchliche Befunde und selbst wenn die Unterschiede beim nonsymbolsichen Zahlenvergleich zwischen Kindern mit und ohne Dyskalkulie signifikant sind, ist der Effekt nur sehr klein, sodass keine zusätzliche Varianz aufgeklärt wird

Beschreiben Sie potenzielle Auslöser für Defizite im Langzeitgedächtnis (LZG) bei Kindern mit Dyskalkulie. 

  • Defizite im LZG beziehen sich vor allem auf das arithmetische Faktenwissen (z.B. das kleine Einmaleins)
  • Hypersensibilität für Ähnlichkeit könnte Auslöser sein: anfällig für Interferenzen (z.B. bei gleichen Operanden oder gleichen Dekaden kann es zu einer Verwechslung kommen)
  • Defizite im Zugriff auf semantische Gedächtniseinträge, was nicht universell, sondern nur bei Zahlen und Mengen gilt    ---> auch hier zeigt sich wieder ein Defizit in Bezug auf die Verarbeitung von Numerositäten

Inwieweit verändert sich die Aktivierung von Hirnarealen im zunehmenden Alter bei Aufgaben der motorischen Verarbeitung? 

  • Kaufmann et al., 2008
  • VPn sahen auf einem Bildschirm zwei Hände und mussten unterscheiden, auf welcher Seite, bzw. Hand, mehr ausgestreckte Finger zu sehen waren
  • Kinder zeigten eine gemeinsame Aktivierung von Hirnarealen, die die Fingermotorik modulieren und die für die Zahlengrößenverarbeitung zuständig sind
  • Erwachsene zeigten diese Koaktivierung nicht mehr: die Fingerareale waren deaktiviert --> Erwachsene brauchen diese Regionen beim einfachen Zahlenvergleich nicht mehr
  • Die Ergebnisse sind ein Hinweis darauf, dass die kognitive Repräsentation der Finger und deren motorische Verarbeitung vor allem im jungen Alter eine wichtige Rolle beim Zahlenvergleich einnehmen