Zivilprozessrecht 10 - Rechtskraft
Lienhard, Übungsbuch Zivilprozessrecht, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2012 Rechtskraft
Lienhard, Übungsbuch Zivilprozessrecht, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2012 Rechtskraft
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Cartes-fiches | 9 |
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Utilisateurs | 19 |
Langue | Deutsch |
Catégorie | Droit |
Niveau | Université |
Crée / Actualisé | 13.10.2015 / 04.01.2025 |
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1. Was versteht man unter Rechtskraft?
Einerseit die Unabänderlichkeit (formelle Rechtskraft),
andererseits die Verbindlichkeit (materielle Rechtkraft)
eines Entscheids.
2. Wo ist die Rechtkraft geregelt?
Sie ist im Gestz kaum geregelt. Voraussetzungen und Bedeutung ergeben sich vielmehr aus dem Rechtsmittelsystem, der Vollstreckung sowie Lehre und Rechtsprechung.
3. Wann ist ein Entscheid formell rechtskräftig?
Wenn kein ordentliches Rechtsmittel (mit aufschiebender Wirkung) mehr besteht:
- Bei Beschwerde (ZPO 319 ff.) / Beschwerde in Zivilsachen (BGG 72 ff.) im Zeitpunkt des Entscheids
- Bei Berufung (ZPO 308 ff.) bei unbenutzter Rechtsmittelfrist ist.
4. Welche gerichtlichen Entscheide werden formell rechtskräftig?
End- und Zwischenentscheide, sowie Entscheid Surrogate (Vergleich, Anerkennung, Rückzug)
nicht: vorsorgliche Massnahmen, prozessleitende Verfügungen sowie Abschreibungsbeschluss (aber das zugrundeliegende Surrogat)
5. Welche Wirkung hat die formelle Rechtskraft
- Unabänderlichkeit (unter Vorbehalt: Gutheissung des ausserordentlichen Rechtsmittels)
- Grundsatz: Vollstreckbarkeit des Entscheids (Ausnahme: Gewährung der aufschiebenden Wirkung)
- Wegfall der Rechtshängigkeit im Umfang der formellen Rechtskraft
6. Unter welchen Voraussetzungen wird ein Entscheid materiell rechtskräftig?
Grundsatz: alle Entscheide bei formeller Rechtskraft
Ausnahme:
- Nichteintretensentscheide werden nur bezüglich der beurteilten Prozessvoraussetzungen materiell rechtskräftig.
- Sachentscheide aufgrund beschränkter Kognition werden nur in Bezug auf spätere Verfahren mit gleicher Kognition materiell rechtskräftig (nicht: z.B. Rechtsöffnungsentscheid in Bezug auf späteren ordentlichen Aberkennungsprozess).
7. Was sind die wichtigsten Auswirkungen der materiellen Rechtskraft?
res iudicata:
- identische Klage ausgeschlossen (ZPO 59 II e)
- Streitfrage auch als Vorfrage in nicht-identischen (Folge-)Prozessen verbindlich entschieden
8. Wann liegt eine identische Klage i.S. der materiellen Rechtskraft vor?
Identität von Streitgegenstand und Parteien.
Identität der Parteien: Dieselben Parteien, Prozesstandschaft
Identität des Streitgegenstands: auf den gleichen Gegenstand zielen und sich aus dem gleichen Lebensvorgang ergeben. Auf die Anspruchsnorm kommte es nicht an.
pro memoria:
Identität des Streitgegenstands im Sinne der Rechtshängigkeit (ZPO 59 II d), ist weiter gefasst als diejenige im Sinne der Rechtskraft (ZPO 59 II e). Der Grund liegt in der unterschiedlichen Zielsetzung. Die Rechtshängigkeit will widersprechende Urteile verhindern, die Rechtskraft die erneute Beurteilung (zweigliedriger Streitgegenstandstheorie).
9. Wonach richtet sich der Umfang der materiellen Rechtskraft?
Die materielle Rechtskraft beschränkt sich auf das jeweilige Dispositiv (ZPO 238 lit. d).
Zur Feststellung der Bedeutung des Dispositivs, ist jedoch auch die Begründung hinzuzuziehen.