Völkerrecht Einführung + Rechtsquellen (Teil 1 und 2 von 6)

Einführung Völkerrecht + Rechtsquellen des Völkerrechts (Verträge, Gewohnheitsrecht, allgemeine Rechtsgrundsätze, weitere Völkerrechtsquellen, Normkollision)

Einführung Völkerrecht + Rechtsquellen des Völkerrechts (Verträge, Gewohnheitsrecht, allgemeine Rechtsgrundsätze, weitere Völkerrechtsquellen, Normkollision)


Kartei Details

Karten 81
Sprache Deutsch
Kategorie Recht
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 25.09.2014 / 05.06.2022
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Ab wann beginnt das Völkerrecht?

Ab 1648: Westfälischer Friede. Übergang vom Personalitätsprinzip (Rechtsbeziehung und anwendbares Recht bezog sich auf Abhängigkeit) auf Territorialitätsprinzip.

--> Gleichberechtigung unter den Staaten (Einsicht: wir müssen zusammen, nicht gegeneinander arbeiten)

 

Wann wird Klassisches Völkerrecht vom Modernen Völkerrecht abgelöst?

Klassisches Völkerrecht: 1648 - 1945

Modernes Völkerrecht: ab 1945

Grundzüge des Klassischen Völkerrechts?

Klassisches VR:

- Recht der Staaten

- Recht der 'zivilisierten' Staaten

- Absolute Souveränität

- Recht zum Krieg

- Koexistenzrecht

Grundzüge des Modernen Völkerrechts?

Modernes VR

- Recht der Staaten, internationalen Organisationen und Individuen

- Universelles Völkerrecht

- Relative Souveränität

- Gewaltverbot

- Kooperationsrecht

1) Klassisches Völkerrecht vs. Modernes Völkerrecht

Rechtssubjekte: Recht der Staaten vs. Recht der Staaten, IO und Individuen 

Klassisches VK: nur ein Rechtssubjekt. Individuum existiert nicht (war ein Rechtsobjekt). Heute: Eigentliches Opfer (z.B. von Folter) wird nicht beachtet --> nur Staaten sind Subjekte des Rechtes (immer noch klassisches Völkerrecht).

Modernes VK: Individuen haben völkerrechtliche Rechte (Menschenrechtsverträge = völkerrechtliche Verträge). Rechtssubjekt: Staaten, IO und Individuen

 

 

2) Klassisches Völkerrecht vs. Modernes Völkerrecht

'zivilisierte' Staaten vs. universelles Völkerrecht

Klassisches Völkerrecht: eurozentrisch. 'Zivilisierte' (westliche Staaten) sind Rechtssubjekte. Kolonialisierte Staaten nicht.

Modernes Völkerrecht: gilt universell. Es gibt keine Abstufung mehr in zivilisierte und nicht-zivilisierte Staaten. Alle Staaten sind gleich.

Begriff "Kulturvölker" ist Reminiszens an die Zeit des Klassischen Völkerrechts.

3) Klassisches Völkerrecht vs. Modernes Völkerrecht

Absolute vs. Relative Souveränität

Klassisches Völkerrecht:

Absolute Souveränität --> Jeder Staat war nach innen und aussen souverän (keine völkerrechtliche Schranken) --> Recht auf Krieg (um Ziele zu erreichen)

Modernes Völkerrecht:

Relative Souveränität: Völkerrechtliche Schranken. Krieg muss erklärt werden (nach Völkerrecht) --> Gewaltverbot (geht weiter als Kriegsverbot) --> Staaten müssen Menschenrechte beachten!

--> Radikalster Wechsel von Recht zum Krieg zum Gewaltverbot

 

4) Klassisches Völkerrecht vs. Modernes Völkerrecht

Koexistenzrecht vs. Kooperationsrecht

Klassisches Völkerrecht

Koexistenzrecht: Ziel: friedliche Koexistenz der Staaten

Modernes Völkerrecht

Kooperationsrecht: Zusammenarbeit der Staaten --> Probleme müssen von einer internationalen Gemeinschaft gelöst werden (z.B. Klimawandel, Umweltzerstörung)

Ist Völkerrecht Recht?

Völkerrecht hat keinen zentralen Gesetzgeber (ist nicht auf Herrschaft und Hierarchie gebaut). Jedoch sind völkerrechtliche Verpflichtungen immer stärker von Rechtsnormen geprägt. > Faktische Grundlage für das Funktionieren einer solchen Rechtsordnung ist die umfassende Interdependenz der Staaten (do ut des). 

Völkerrecht ist Koordinationsrecht einer sich selbstregierenden Gemeinschaft. Besteht aus Rechtssubjekten (Staaten, IO, Individuen)

VR ist dezentrales Recht. Wird durch die Rechtssubjekte selber durchgesetzt. > freiwillige Zustimmung (ausdrücklich: Vertragsrecht) oder konkluent (Gewohnheitsrecht)

VR basiert auf Konsensprinzip und Reziprozität > hält die Normgemeinschaft zusammen. > Interdependenz (jedoch Menschenrechtsschutz und Umweltrecht > kaum bedeutend)

Rechtsgeltung bezieht das internationale Recht v.a. aus Vertrag und Gewohnheitsrecht, die auch innerstaatlich Verbindlichkeit herzustellen vermögen. Was als Recht gilt, wird infolge des Mangels an zentralen Organen der Rechtsetzung in einem weiten Bereich von den Rechtssubjekten selbst in einem ständigen Prozess der Vereinbarung, Anerkennung, Duldung, Bestätigung etc. konkretisiert.

Grundprinzipien des Völkerrechtes

Konsensprinzip: VR basiert auf übereinstimmenden Haltung der Staatengemeinschaft --> es gibt Regeln, an die man sich halten muss. --> Interdependenz ist sehr hoch.

Reziprozitätsprinzip: Parallele oder ungleiche Interessen? 

Wo finden wir die völkerrechtlichen Regelungen?

VR unterscheidet sich vom nationalen Recht. VR --> keinen zentralen Gesetzgeber (keine Verfassung, keine Gesetzbücher)

--> Nur eine Regelung: Art 38 IGH-Statut (Inernationaler Gerichtshof).

IGH beurteilt nur zwischenstaatliche Verfahren (eine Einzelperson kann keine Klage einreichen!). IGH ist das Gericht, das der UNO unterstellt ist. Wurde 1945 gegründet. Vorläufer des IGH: Ständiger Gerichtshof. Die Regelungen des alten Gerichtshofes gelten auch noch für den neuen Gerichtshof. Siehe z.B. Begriff "Kulturvölker" --> Begriff stammt aus dem Klassischen Völkerrecht.

Artikel 38 IGH-Statut: welche Grundlagen müssen bei Beurteilung von Beschwerden beigezogen werden?

Der Gerichtshof, dessen Aufgabe es ist, die ihm unterbreiteten Streitigkeiten nach dem Völkerrecht zu entscheiden, wendet an:

1) internationale Übereinkünfte (völkerrechtliche Verträge)

2) internationales Gewohnheitsrecht (nicht geschriebenes Recht)

3) allgemeine Rechtsgrundsätze (nicht geschriebene Prinzipien --> Prinzipien, die wir in allen Rechtsordnungen finden. (Z.B. Verjährung)

1. Rechtsquelle: Völkerrechtliche Verträge

Notwendige Unterscheidung:

1) Völkerrechtliche Verträge als Rechtsquelle des Völkerrechts: Art. 38 IGH-Statut. Z.B. Europäische Menschenrechtskonvention

2) Recht der völkerrechtlichen Verträge: "völkerrechtliches Obligationenrecht"

Völkerrechtliche Verträge sind häufig sehr ausführlich und umständlich geschrieben --> bewusst, da jede Vertragspartei nach ihren Interessen versucht hinzubekommen. Bei Unklarheiten braucht man das Recht der völkerrechtlichen Verträge. Egal, ob das gegen das Landesrecht verstösst oder nicht

1. Rechtsquelle: Völkerrechtliche Verträge

Arten --> Unterscheidung nach der Zahl der beteiligten Parteien

1) bilaterale Verträge: 2 Parteien --> EU (Staatsgruppe) und die Schweiz

2) multilaterale Verträge: mehr als 2 Parteien

3) plurinationale Verträge: mehr als 2 Staaten, aber nur eine beschränkte Zahl Staaten, die nicht so einfach ausgeweitet werden kann.

Verträge zwischen Staaten oder internationalen Organisationen. --> Relevanz der Unterscheidung für Anwendung der VRK 1969 bzw. der VRK 1986

1. Rechtsquelle: Völkerrechtliche Verträge

4 Elemente

4 Elemente der Völkerrechtlichen Verträge

- dem Völkerrecht untersethende,

- durch ausdrückliche oder konkludente Willenseinigung zustande gekommene Vereinbarunge (Offerte von einer Seite und Akzept von der anderen Seite). Willenseinigung kann ausdrücklich erfolgen (schriftlich oder konkludent)

-  zwischen Staaten oder anderen Völkerrechtssubjekten (Staaten und Internationale Organisationen) (Mehrheit werden zw. Staaten geschlossen). Ein Individuum kann kein völkerrechtlicher Vertrag abschliessen

betreffen die Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten. Vertragspartei soll etwas tun, dulden, unterlassen

 

--> nur die 4 Elemente sind entscheidend bei der Beurteilung ob eine Vereinbarung ein Völkerrechtlicher Vertrag ist oder nicht. Diese müssen kumulativ vorhanden sein. Weitere Aspekte sind irrelevant. Häufig werden Begriffe wie "Vereinbarung" oder "Übereinkommen" verwendet. Nicht vom Namen in die Irre leiten lassen!

1. Rechtsquelle: Völkerrechtliche Verträge

Unterscheid zw. multilateral und plurinational

Multilateraler Vertrag: Europäische Menschenrechtskonvention → die Staaten können die EMK ratifizieren, Zusatzprotokolle ratifizieren. EMK und Zusatzprotokolle sind multilaterale Verträge. Die Mitgliedschaft ist nicht von Vornherein beschränkt

Plurinationale Vertrag: EU → Hürden sind enorm hoch. Beitrittsgesuch reicht nicht. Es müssen neue Völkerrechtliche Verträge ausgehandelt werden. Es braucht viel Zeit bis die Vertragsparteien ausgeweitet sind → viel mehr geschlossenerer Teilnehmerkreis als bei anderen Verträgen

Wichtigkeit Unterschied bilateral und multilateral:

Vorbehalte: Möglichkeit eines Staates zu sagen; ich würde gerne diesem Vertrag beitreten, aber ich möchte diese Bestimmung nicht annehmen. Problematik zeigt sich nur bei multilateralen Verträgen. Weshalb stellt sich das Problem von Vorbehalten nicht bei bilateralen Verträge? Im Rahmen von bilateralen Verträgen Vorbehaltsäusserung: Vorschlag zu Änderung des Vertrages oder das Fehlens einer Willensübereinkunft. Wenn eine der Vertragspartner nicht zufrieden ist → keine Willenseinigung!

Grösstes Problem bei Vorbehalten → bei multilateralen Verträgen

Was versteht man unter Völkerrecht?

Traditionell: Recht der zwischenstaatlichen Beziehungen (zwischen Staaten im Sinn von Gebietskörperschaften mit Regierungsmacht über ein bestimmtes Territorium). 

Heute: Recht, welches auf dem Konsens der Staaten beruht und in den anerkannten Rechtsquellen, insbesondere völkerrechtlichen Verträgen, Völkergewohnheitsrecht und allgemeinen Rechtsgrundsätzen seinen Ausdruck findet. > Zunahme innerstaatlicher Konflikte, Pluralisierung der Auffassungen und Globalisierung verändern das VR.

regelt Verhältnis der Staaten zueinander, hoheitsfreie Räume (Weltmeere, Atmosphäre, Weltraum), die internationalen Organisationen und ihre Beziehungen untereinander und zu den Staaten, sowie die Rechte und Pflichten Privater innerhalb der einzelnen Staaten (z.B. Menschenrechte und völkerrechtliche Delikte).

! Völkerrecht kann heute nicht mehr durch seinen Regelungsgegenstand definiert werden, sondern nur durch die Art, wie es zustande kommt, d.h. durch seine Rechtsquellen

Völkerrecht hat sich in Richtung einer Verfassungsordnung der Staatengemeinschaft entwickelt. UNO-Charta: Grundordnung > Art. 103 > völkerrechtliche Pflichten der Mitgliedstaaten > internationale Verhältnisse als organisiertes Zusammenwirken der Staaten.

Verfassung als Ausdruck obersten Wertordnung. Oberster Bezugspunkt des Völkerrechts ist die dem Gemeinwohl aller Mitglieder verpflichtete Völkerrechtsgemeinschaft.

Definition des Klassischen Völkerrechts bis zum 1. WK

Recht der zwischenstaatlichen Beziehungen. Staaten sind Gebilde mit absoluter Souveränität. Gleichberechtigung unter den zivilisierten Nationen (europäische Staaten, Nordamerika etc.).

Zwangselemente im Völkerrecht

Staaten müssen ihre völkerrechtliche Verpflichtungen beachten und das Völkerrecht durchsetzen.

Vermehrte Zwangsdurchsetzung von oben: Befugnisse des UNO-Sicherheitsrates. Kann sogar militärische Zwangsmittel beschliessen. Verschiedene internationale Gerichte.

Wo findet man die Rechtsquellen des Völkerrechts?

Art. 38 Abs. 1 des Status des Internationalen Gerichtshofs (IGH Statut)

Der Gerichtshof, dessen Aufgabe es ist, die ihm unterbreiteten Streitigkeiten nach Völkerrecht zu entscheiden wendet an:

1) internationale Übereinkünfte, anerkannte Normen

2) internationales Gewohnheitsrecht

3) allgemeinen, von den Kulturstaaten anerkannten Rechtsgrundsätze

4) unter Vorbehalt der Bestimmung des Artikels 59, die gerichtlichen Entscheide und die Lehren der anerkannten Autoren der verschiedenen Nationen als Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen

> ist nicht abschliessend.

Was ist ein völkerrechtlicher Vertrag?

eine dem Völkerrecht unterstehende ausdrückliche oder durch konkludente Handlung zustande gekommene Willenseinigung zwischen zwei oder mehreren Staaten oder anderen Völkerrechtssubjekten (v.a. internationale Organisationen), in dem sich diese zu einem bestimmten Verhalten (Leisten, Unterlassen, Dulden) verpflichten.

Völkerrechtliche Verträge können mündlich und formlos geschlossen werden. Alle wichtigen Verträge sind in Schriftform gefasst.

Auf die Bezeichnung kommt es nicht an, solange alle Begriffsmerkmale erfüllt sind. Völkerrechtliche Verträge können so unterschiedliche Bezeichnungen wie Übereinkommen, Konvention, Abkommen, Pakt, Satzung, Charta oder Protokoll tragen.

Welche Arten von völkerrechtlichen Verträgen gibt es?

1) nach beteiligten Völkerrechtssubjekten (zw. Staaten, zw. Staaten und/oder zw. internationalen Organisationen)

Das Recht der Verträge ist für Verträge zw. Staaten in der Wiener Konvention über das Recht der Vertäge (VRK) geregelt. .

2) nach der Zahl der Vertragsparteien (bilateral und multilateral)

3) nach dem Inhalt, gegliedert in rein rechtsgeschäftlicher Art (z.B. Vertrag über Schadensersatzzahlung, Grenzvertrag), rechtssetzender Art (Menschenrechtskonventionen etc.)

4) nach der Erfüllungsstruktur lassen sich multilaterale Verträge unterscheiden, wenn gefragt wird, wem gegenüber die Vertragsverpflichtungen im konkreten Fall zu erfüllen sind.

Bilateral: Wenn es um Leistungsaustausch geht (z.B. multilaterale Auslieferungsverträge, bei welchen konkret immer ein Staat eine bestimmte Person einem anderen Staat ausliefert).

Gegenüber allen Parteien: wenn eine Verletzung in einem konkreten Fall alle Vertragsparteien gleichzeitig trifft. (Z.B. Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre). 

Innerstaatlich gegenüber Privaten: z.B. Menschenrechtsgarantien. 

Ein konkreter Vertrag kann gleichzeitig zu mehreren oder allen diesen Kategorien gehörende Verpflichtungen enthalten (z.B. Menschenrechtsverträge).

Was ist die VRK?

Vertragsrechtkonvention. Das Recht der Verträge ist für Verträge zwischen Staaten in der Wiener Konvention über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (VRK) geregelt.

Enthält Bestimmungen über den 

- Abschluss und Inkrafttreten von Verträgen

- Erhaltung, Anwendung und Auslegung von Verträgen

- Änderung und Modifikation von Verträgen

- Unglültigkeit, Beendigung und Suspendierung von Verträgen

 

Welche Verträge sind keine völkerrechtlichen Verträge?

 

1) Privatrechtliche Verträge der Staaten (z.B. Kauf eines privaten/staatlichen Grundstücks)

2) Verwaltungsrechtliche Verträge grenzüberschreitender Art (z.B. Verträge über lokale Zusammenarbeit)

3) Verträge zwischen Gliedstaaten in Bundesstaaten (Sie unterstehen grundsätzlich dem Landesrecht)

4) Politische Absichtserklärungen und Verhaltensrichtlinien (ausschlaggebend ist das Fehlen eines Verpflichtungswillens)

5) Quasi-völkerrechtliche Verträge (zw. Staat und einem privaten ausländischen Investor)

Was ist Vertragsfähigkeit?

Attribut von Völkerrechtssubjekten. Staaten sind voll vertragsfähig, internationale Organisationen hingegen nur in ihrem Aufgabenbereich. Private können keine völkerrechtliche Verträge schliessen.

Form völkerrechtlicher Verträge

1) VRK definiert: in Schriftform geschlossene und vom Völkerrecht bestimmte internationale Übereinkunft zwischen Staaten, gleichviel ob sie in einer oder in mehreren zusammengehörigen Urkunden enthalten ist und welche besondere Bezeichnung sie hat.

(...)

Unter welchen Voraussetzungen können völkerrechtliche Verträge mündlich oder durch konkludentes Verhalten abgeschlossen werden?

siehe Gerichtshof des Völkerbundes, der Ständige Internationale Gerichtshof, als auch der IGH

...

Phasen des Verfahrens für schriftliche Verträge

1) Verhandlungen durch bevollmächtigte Unterhändler (Staatsoberhäupter und Minister brauchen keine Vollmacht). Vertragsverhandlungen werden oft im Rahmen internationaler Organisationen geführt (Konventionen der UNO, WTO oder Europarates), Staatenkonverenzen oder Ministertreffen.

2) Annahme des Vertragstextes: 2/3-Mehrheit (bei internationalen Konferenzen). Staaten sind noch nicht daran gebunden. Text kann nicht mehr geändert werden. Wenn Unterhändler nicht bevollmächtigt > Anfangsbuchstaben.

3) Unterzeichnung: durch interessierte Staaten. Noch nicht Vertragsparteien > zuerst innerstaatliche Prüfung. Verpflichtung, dass nicht gegen Ziel und Zweck verstossen wird.

4) Innerstaatliche Genehmigung: meist. Genehmigung durch innerstaatl. Organ (Regierung oder Parlament). Verfahren der Genehmigung wird durch Verfassungsrecht ger betr. Staaten geregelt.

5) Ratifikation: Innerstaatlich wird die Genehmigung für den Vertragsabschluss erteilt. Zustimmung mittels Urkunde oder Unterschrift > nun Vertragspartei, die gebunden ist an den Vertrag.

6) Inkrafttreten: wenn alle oder bestimmte Mindestzahl von Ratifikationen vorliegen. Kann aber auch nach Ablauf einer bestimmten Frist in Kraft treten (z.B. im Falle der Bilateralen Verträge zw. CH und EU)

Abschluss durch ein unzuständiges Organ:

Gemäss Art. 27 VRK kann sich eine Vertragspartei "nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen, um die Nichterfüllung eines Vertrages zu rechtfertigen". 

Was ist ein Vorbehalt?

"eine wie auch immer formulierte oder bezeichnete, von einem Staat bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung eines Vertrags oder bei dem Beitritt zu einem Vertrag abgegebene einseitige Erklärung, durch die der Staat bezweckt, die Rechtswirkung einzelner Vertragsbestimmungen in der Anwendung auf diesen Staat auszuschliessen oder zu ändern"

Wann ist ein Vorbehalt nicht zulässig?

1) wenn der Vertragstext ihn verbietet (explizit oder durch Umkehrschluss), oder 

2) wenn er mit dem Ziel und Zweck des Vertrages nicht vereinbar ist.

Für die Frage der Zulässigkeit von Vorbehalten ist zunächst der Vertragstext relevant. Es muss geprüft werden, ob der Vertrag selbst regelt, ob bzw. welche Vorbehalte zulässig sind. Schweigt sich ein Vertrag über die Zulässigkeit von Vorbehalten aus, sind Ziel und Zweck des Vertrages für die Frage der Zulässigkeit von Vorbehalten entscheidend.

 

Gültigkeit eines Vertrags: müssen die anderen Vertragsstaaten zustimmen, damit ein an sich zulässiger Vorbehalt gültig wird?

1) stillschweigende Annahme, wenn innert 12 Monaten kein Staat gegen den Vorbehalt protestiert.

2) keine Annahme ist nötig, wenn der Vertrag den Vorbehalt ausdrücklich erlaubt

3) eine ausdrückliche Annahme ist nötig:

- durch alle Vertragsparteien bei plurilateralen Verträgen nach Art. 20 Ziff. 2 VRK

- durch die Organe der Organisation bei Gründungsverträgen internationaler Organisationen (Art. 20 Ziff. 3 VRK)

Wie werden Rechtsfolgen eines Vorbehaltes geändert?

Nach dem Prinzip der Reziprozität

Art. 21 VRK setzt voraus, dass die entsprechende Vertragsbestimmung überhaupt reziprok Anwendung finden kann. Für Bestmmungen nicht-reziproken Charakters sieht eine ihm Rahmen der ILC im Mai 2010 provisorisch verabschiedete Richtlinie vor, dass ein gültiger Vorbehalt zwar die Vertragsverpflichtungen des vorbehaltenden Staates modifiziert, jene der übrigen Staaten (inkl. des protestierenden Staates) aber unberührt lässt.

Zulässigkeit und Rechtsfolgen bei Menschenrechtsverträgen

Gilt Regel der Reziprozität für Vorbehalten auch bei Menschenrechtsverträgen? Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Menschenrechtsverträge?)

Diejenigen Bestimmungen des Paktes, welche Regeln des internationalen Gewohnheitsrechtes wiedergeben (wenn sie den Charakter zwingender Normen haben), können nicht Gegenstand von Vorbehalten sein.

Vertragsorgane dürften zwar prüfen, ob ein Vorbehalt gültig sei, sie seien aber – abgesehen vom Fall der EMRK – nicht befugt, daraus die Konsequenz zu ziehen, dass der Staat voll an den Vertrag gebunden sei. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass ein Vertragsschluss vollumfänglich auf dem Willen des betreffenden Staates beruhen müsse. Im Fall einer Feststellung durch ein Vertragsorgan, dass ein Vorbehalt ungültig sei, könne der Staat verschiedene Konsequenzen ziehen:

a) the state could, after having examined the findig in good faith, maintain its reservation

b) the state could withdraw its reservation

c) the state could 'regularize' its situation by replacing its impermissible reservation with a permissible reservation

d) the state could renounce being party to the treaty.

Vorbehalte bei bilateralen Verträgen?

Praktisch Neueröffnung von Vertragsverhandlungen.

(Die Frage nach der Zulässigkeit und Gültigkeit von Vorbehalten stellt sich im Grunde genommen nur bei multilateralen Verträgen).

Was ist eine auslegende Erklärung?

Werden bei einer Unterzeichnung oder Ratifikation abgegeben.

- Dort wird festgehalten, wie ihrer Meinung nach eine bestimmte Vertragsbestimmung zu interpretieren sei.

- einseitige Erklärungen, denen keinerlei rechtliche Wirkungen zukommen

- sind inhaltich nicht immer klar von Vorbehalten zu unterscheiden. > bringt die Staaten dazu, unzulässige Vorbehalte in Form von auslegenden Erklärungen anzubringen oder die für Vorbehalte geltenden formellen Regeln zu umgehen.

 

Wer ist für die Auslegung vertraglicher Bestimmungen zuständig?

jeweils die einzelnen Vertragsparteien. Die Auslegung erfolgt nicht gestützt auf landesrechtlichen, sonder auf die völkerrechtlichen Auslegungsregeln.

(sofern völkerrechtliche Verträge nicht ein Vertragsorgan oder ein internationales Gericht mit der Auslegung vertraglicher Bestimmungen beauftragen).

Wie sehen die völkerrechtliche Auslegungsregeln aus?

finden sich in den Art. 31-33 VRK. 

Grundlegende Auslegungsregel:

"nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen"

Zum systematischen Zusammenhang ist nicht nur Präambel und Anhänge des Vertrages, sondern auch Übereinkünfte und Urkunden, die anlässlich des Vertragsschlusses verabschiedet worden sind. Spätere Übereinkünfte sind im Gegensatz zur historischen Auslegungsmethode relevant.

Den Auslegungsregeln kommt gewohnheitsrechtliche Geltung tu.

Was gibt es für völkerrechtliche Auslegungsmethoden?

a) Grammatikalische Auslegung: Wortlaut > gewöhnliche, übliche Bedeutung der verwendeten Begriffe und Formulierungen

b) Bedeutung von Treu und Glauben > Parteien eines völkerrechtlichen Vertrages wollen nur soweit verpflichtet sein, als sie dessen Inhalt beim Vertragsschluss akzeptiert haben

c) Teleologische Auslegung: Ziel und Zweck müssen erreicht werden können. Wichtiges Indiz für Gesamtzweck des Vertrages sind Aussagen der Präambel. (Z.B. Flüchtlingskonvention). Vertrag darf nicht seiner Wirksamkeit beraubt werden. Es ist jene Auslegung zu wählen, die dem Vertragszweck am besten zum Durchbruch verhelfen kann. 

d) systematische Auslegung: dazu gehören die übrigen Bestimmungen des Vertrages und andere Verträge zwischen den gleichen Vertragsparteien zu gleichartigen oder verwandten Themen.

e) nachfolgende Praxis

f) subsidiäre Bedeutung der Materialien: historische Auslegungsmethode hat bei multilateralen Verträgen nur eine subsidiäre Rolle