Strafrecht AT
Strafrecht AT (in Ergänzung zu eigenen KK)
Strafrecht AT (in Ergänzung zu eigenen KK)
Set of flashcards Details
Flashcards | 157 |
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Students | 20 |
Language | Deutsch |
Category | Law |
Level | University |
Created / Updated | 10.11.2015 / 14.06.2025 |
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Freiheitsstrafen
- Zentrale Sanktionsform
- Zeitige Freiheitsstrafe soll im Regelfall mind. 6 Monate (Art. 40 S. 1 StGB; Ausnahme: Ersatz- freiheitsstrafe) und kann max. 20 Jahre betragen
- Für besonders schwere Verbrechen ist lebens- längliche Freiheitsstrafe möglich, wenn ausdrücklich gesetzlich vorgesehen, Art. 40 S. 2 StGB
- Vollzugsarten: unbedingt, bis maximal 24 Monate bedingbar, bis maximal 36 Monate teilbedingbar (wobei mind. 6 Monate vollziehbar sein müssen)
Freiheitsstrafen: Relevante Strafunter- und -obergrenzen nach Art. 41-43 StGB
- Freiheitsstrafen < 6 Monate: keine Möglichkeit einer Bedingung im Gesetz vorgesehen (Versehen des Gesetzgebers)
- Freiheitsstrafen ab 6 Monate bis 2 Jahre: bedingt vollziehbar
- Freiheitsstrafen 1 Jahr bis 3 Jahre: teilbedingt vollziehbar; bedingter Vollzug wegen Schwere des Verschuldens von Gesetzes wegen ausgeschlossen
- Abgrenzungsprobleme im Überschneidungsbereich bei FS von 1-2 Jahren
Gemeinnützige Arbeit: StGB 37 - 39
- Eigenständige Sanktionsform
- Alternative zur kurzen Freiheitsstrafe, um soziale Bindungen intakt zu halten und nachteilige Wirkungen der Freiheitsstrafe zu verhindern
- Setzt Zustimmung des Täters voraus
- Anwendungsbereich
- anstelle Freiheitsstrafe von weniger als 6 Mon. bis zu 720 Stunden (Art. 37 Abs. 1 StGB)
- anstelle Geldstrafe von bis zu 180 TS bis zu 720 Stunden
- anstelle einer Busse bis zu 360 Stunden (Art. 107 Abs. 1 StGB)
- Umrechnungsmodus: 1 Tag FS oder 1 TS = 4 Stunden gemeinnützige Arbeit
- Vollzugsmöglichkeiten: bedingt, teilbedingt oder unbedingt
- Gemeinnützige Arbeit ist unentgeltlich zu leisten
- zu Gunsten sozialer Einrichtungen, Werken in öffentlichem Interesse oder hilfsbedürftiger Personen
- Binnen zwei Jahren (Art. 38 StGB; bei Übertretungen 1 Jahr, Art. 107 Abs. 2 StGB)
- Andernfalls: Umwandlung in Geldstrafe (Art. 39 Abs. 3 StGB) und nachrangig Freiheitsstrafe
Busse
- Standardsanktion für Übertretungen
- Höchstbetrag: 10’000 CHF (Art. 106 Abs. 1); Minimum: 1 Franken
- Bussen können nicht bedingt werden (Art. 105 Abs. 1 StGB)!
- Bemessung:
- Wortlaut: Verhältnisse des Täters, Verschulden
- Praxis: starke Pauschalierung, da oft Massendelikte
- Folgt altem Geldsummensystem (Art. 106 Abs. 3 StGB)
Regelungen zur Vollziehbarkeit im StGB
- StGB differenziert bzgl. der Vollziehbarkeit der Strafarten zwischen
- unbedingten Strafen: Strafe vollstreckbar
- bedingten Strafen: Vollstreckung suspendiert
- teilbedingten Strafen: Vollstreckung nur teilweise aufgeschoben; Rest vollstreckbar
- Art. 44 Abs. 1 und 2 StGB regelt begleitende Massnahmen bei bedingter oder teilbedingter Strafe (Probezeit, Bewährungshilfe, Weisungen)
Bedingter Vollzug
- Eine Strafe nach Art. 42 Abs. 1 StGB (alle ausser Busse)
- Für Freiheitstrafe gelten Ober- und Untergrenzen: max. 2 Jahre; nicht unter 6 Monaten (Deutung str.)
- Für Geldstrafen und gemeinnützige Arbeit legt das StGB keine Grenzen fest
- Fehlen einer negativen Prognose zum Zeitpunkt des Entscheids genügt («schiebt auf. wenn unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint »)
- Unter gewissen Umständen darf der Strafvollzug aufgeschoben werden:
- Bei bestimmten Vorverurteilungen innerhalb der letzten fünf Jahre, müssen «besonders günstige Umstände» vorliegen (Art. 42 Abs. 2 StGB)
- In beiden Fällen «kann» Bedingung verweigert werden, wenn Täter zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat (Art. 42 Abs. 3 StGB).
Legalprognose
Relevante Kriterien für Prognoseentscheidung
- Vorbestrafung: inkl. im Ausland erfolgte Strafurteile
- Tatumstände: nicht die Schwere der Tat (!!); geht mehr um Rückfallgefahr
- Nachtatverhalten
- Familiäre und soziale Bindungen
- Arbeitsplatz
- Sucht
- Einsicht und Reue
- Verfügbarkeit u. Effektivität von Begleitmassnahmen
Unbeachtlich sind
- Generalpräventive Erwägungen
- Art und Schwere des Delikts
Teilbedingung der Strafe
- Gem. Art. 43 StGB kann Gericht für alle Strafarten teilbedingte Strafen aussprechen
- Ermöglicht Absehen von vollständigem unbedingtem Vollzug
- wenn dieser einerseits spezialpräventiv nicht notwen- dig ist, um Begehung künftiger Taten zu verhindern
- aber andererseits teilweiser Vollzug notwendig ist, um dem Verschulden des Täters (nicht der Generalprävention!) genügend Rechnung zu tragen
Teilbedingung der Strafe: Voraussetzung bei der Freiheitsstrafe
- Freiheitsstrafe von mind. 1 Jahr bis max. 3 Jahre
- Beide Teile müssen mind. 6 Mon. betragen und dürfen zusammen ausgesprochene Freiheitsstrafe nicht übersteigen (Art. 43 Abs. 3 StGB)
- Unbedingter Teil darf nicht mehr als Hälfte der Strafe betragen (Art. 43 Abs. 2 StGB)
- Bedingter Teil kann danach von 6 bis max. 30 Mon. und unbedingter Teil von 6 bis max. 18 Mon. reichen
- Option der bedingten Entlassung ist ausgeschlossen (Art. 43 Abs. 3 S. 2 StGB)
Teilbedingung der Strafe: Voraussetzung bei der Geldstrafe
- bedingter Teil von 1 bis 359 Tagessätzen
- unbedingter Teil von 1 bis 180 Tagessätzen
Teilbedingung der Strafe: Voraussetzung bei der gemeinnützigen Arbeit
- bedingter Teil von 4 bis 716 h
- unbedingter Teil von 4 bis 360 h
Teilbedingung der Strafe: Legalprognose
- Einschätzung der Wahrscheinlichkeit der Legalbewährung wie bei Art. 42 StGB
- Wenn Legalprognose „nicht schlecht“ (d.h. einschl. ungewisser Prognosen!), muss mindestens ein Teil der Strafe auf Bewährung ausgesetzt werden
- Wenn schlechte Prognose, dann unbedingter Vollzug
Art. 43 (Teilbedingung der Strafe): Verhältnis zu Art. 42 StGB
- Abgrenzungsprobleme im Überschneidungsbereich bei FS von 1-2 Jahren
- Bedingter Vollzug nach Art. 42 StGB ist die Regel
- teilbedingter Vollzug nur dann, wenn aus spezialpräventiven Gründen unumgänglich, aber nicht wegen Verschuldensklausel!
Bewährung
- Nach erfolgreichem Ablauf der Probezeit wird Strafe nicht mehr vollzogen, Art. 45 StGB
- Widerruf der Bedingung, Art. 46 StGB
- Bewährungsversagen
- Verbrechen oder Vergehen während Probezeit (gebundene Entscheidung/«widerruft»)
- Nichtbeachtung von Weisungen oder Entziehen aus Bewährungshilfe (Art. 46 Abs. 4 i.V.m. Art. 95 Abs. 5 StGB – Ermessen/«kann widerrufen»)
- Bewährungsversagen
- Ungünstige Legalprognose
- Keine Unverhältnismässigkeit (ggf. Anordnung von Ersatzmassnahmen, wenn Vollzug unangemessen)
- Kein Ausschluss wegen Zeitablaufs (Art. 46 Abs. 5 StGB: drei Jahre nach Ablauf der Probezeit )
- Ggf. Gesamtstrafenbildung nach Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB
- Keine ungünstige Legalprognose (Art. 46 Abs. 2 StGB):
- Verzicht auf Widerruf Ggf. Verwarnung
- Ggf. Verlängerung der Probezeit, neue Bewährungsauflagen und Weisungen
Strafrahmen
Festlegung der theoretischen Mindest- und Höchststrafe
Strafzumessung: Ausgangslage und Prüfungsschema
- Bestimmung einer gerechten Strafe für die begangenen Einzeltaten
Prüfschema:
1. Kein Vorliegen von Strafbefreiungsgründen
2. Bestimmung des ordentlichen Strafrahmens
a) Höchststrafe und Mindeststrafe
b) Strafrahmenverschiebung
3. Konkrete Strafzumessung
4. Ggf. Entscheidung über Bedingung oder Teilbedingung (s.o.)
Prüfungspunkt 1: Kein Vorliegen von Strafbefreiungsgründe (1)
- Verzicht auf Strafverfolgung/Verurteilung: Einstellung wenn Ehegatte / eingetragener Partner / Lebenspartner als Opfer darum ersucht (Art. 55a StGB)
- Auch schon im Ermittlungs- und Untersuchungsverfahren möglich
- Ausdruck des Opportunitätsprinzips
- Ratio
- Geringes Gewicht der Strafzwecke kann in bestimmten Konstellationen
- Strafbefreiung gestatten Einzelfallgerechtigkeit
Prüfungspunkt 1: Kein Vorliegen von Strafbefreiungsgründe (2)
- Strafbefreiungsgründe im StGB
- Fehlendes Strafbedürfnis (Art. 52 StGB)
- Schuld und Tatfolgen geringfügig; gemessen an Straftaten gleicher Art
- Kein sinnvoller Strafzweck mehr erreichbar
- Lässt öffentliches Interesse an Verfolgung entfallen
- Gebundene Entscheidung
- Fehlendes Strafbedürfnis (Art. 52 StGB)
- Wiedergutmachung (Art. 53 StGB)
- Schaden gedeckt oder
- Alle zumutbaren Anstrengungen unternommen
- Voraussetzungen von Art. 42 StGB erfüllt
- Interesse der Öffentlichkeit und des Geschädigten gering; impliziert Einräumung der Verantwortung durch Täter
- Zustimmung des Opfers grds. nicht erforderlich
- Gebundene Entscheidung
- Betroffenheit des Täters (Art. 54 StGB)
- Täter durch Tatfolgen selbst schwer betroffen
- Unmittelbare Folgen der Tat sind solche, die bereits bei der Ausführung der Tat eingetreten oder eng mit dem tatbestandsmässigen Erfolg verbunden sind
- zur Beurteilung der Unangemessenheit der Strafe ist Schwere der Betroffenheit des Täters ins Verhältnis zur Schwere der Straftat und Schuld setzen
- z. B. misslungener «Mitnahmeselbstmord»
Prüfungspunkt 2a: Strafzumessung: Ordentlicher Strafrahmen
Ausgangspunkt der Strafzumessung ist die Bestimmung des anzuwendenden Strafrahmens
- Bestimmung der Höchststrafe des jeweiligen Tatbestandes;
- Nach Massgabe des Straftatbestandes
- Nach Massgabe der Strafart (Art. 34, 37, 40 StGB)
- Bestimmung der Mindeststrafe
- Nach Massgabe des Tatbestandes
- Nach Massgabe der Strafart (Art. 34, 37, 40 StGB)
- Ggf. Qualifizierungen oder Privilegierungen berücksichtigen: führen zu Verschiebungen der Grenzen
Prüfungspunkt 2b: Strafzumessung: Strafrahmenverschiebung
- Art. 48-49 StGB sehen Strafmilderungs- und Strafschärfungsgründe vor
- Sie verschieben den Strafrahmen im konkreten Fall nach oben oder nach unten
- Verpflichtungsgrade (obligatorisch od. fakultativ) variieren
- Zusammentreffen von Strafmilderungs- und Strafschärfungsgründen
Prüfungspunkt 2b: Strafzumessung: Strafrahmenverschiebung: Strafverschärfung
- «Wiederholungstat» nicht mehr gesetzlich als Strafschärfungsgrund geregelt
- Erhöhung der Einsatzstrafe bei Mehrzahl verwirkter Strafen (Asperation), Art. 49 StGB
- Ausscheiden der Fälle unechter Konkurrenz
- Bei Feststellung echter Konkurrenz
- Erhöhung Regelstrafrahmens des schwersten Delikts um die Hälfte unter Beachtung gesetzlicher Obergrenzen
- Erhöhung des Mindestmasses der Strafe um mind. 1 Strafeinheit
Prüfungspunkt 2b: Strafzumessung: Strafrahmenverschiebung: Strafmilderung
Strafmilderungen können sich aus verschiedenen Rechtsquellen ergeben
- Besondere gesetzliche Strafmilderungsgründe
- AT
- BT
- Allgemeine gesetzliche Strafmilderungsgründe
- Internationale Vorgaben
- Lockspitzel (str.)
- Beschleunigungsgebot
Prüfungspunkt 2b: Strafzumessung: Strafrahmenverschiebung: Strafmilderung (besondere gesetzliche Strafmilderungsgründe):
Zwingend:
- Notwehrexzess(Art.16Abs.1StGB)
- Entschuldbarer Notstand (Art. 18 Abs. 1 StGB)
- verminderte Schuldfähigkeit (Art. 19 Abs. 2 StGB)
- vermeidbarer Verbotsirrtum (Art. 21 2.Var. StGB)
- Gehilfenschaft (Art. 25 StGB)
- Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 StGB: Körperverletzung («leichter Fall»)
Fakultativ:
- Unterlassen (Art. 11 Abs. 4 StGB)
- Versuch (Art. 22 Abs. 1 StGB)
- Rücktritt/tätige Reue (Art. 23 Abs. 1-4 StGB)
- Art. 54 StGB, wenn schwere Tatfolgen Strafbedürfnis nur teilweise entfallen lassen (str.; auch bzgl. Art. 52 und Art. 53).
- Art. 173 Ziff. 4 StGB: Üble Nachrede (Rücknahme der Äusserung als unwahr)
Prüfungspunkt 2b: Strafzumessung: Strafrahmenverschiebung: Strafmilderung (Allgemeine Strafmilderungsgründe in Art. 48 StGB):
- Achtenswerte Beweggründe, lit. a Nr. 1 (BGer: «ethisch hochstehende oder wenigstens ethisch zu rechtfertigende Gesinnung»)
- In schwerer Bedrängnis, lit. a Nr. 2
- Unter Eindruck einer schweren Drohung, lit. a Nr. 3
- Auf Veranlassung einer Person, der Täter Gehorsam schuldet oder von der er abhängig ist (Handeln auf Befehl), lit. a Nr. 4
- Verletzte Person hatte Täter ernsthaft in Versuchung geführt, lit. b (Provokation)
- Nach den Umständen entschuldbare heftige Gemütsbewegung oder Handeln unter grosser seelischer Belastung, lit. c
- Aufrichtige Reue, lit. d
- Minderung des Strafbedürfnisses mit Zeitablauf, lit. e
Prüfungspunkt 2b: Strafzumessung: Strafrahmenverschiebung: Strafmilderung (besondere gesetzliche Strafmilderungsgründe): Beschleunigungsgebot (Art. 6 Abs. 1 EMRK)
- Strafverfahren muss innert angemessener Frist zu einem Abschluss gelangen
- Verletzung des Beschleunigungsgebots durch überlanges Verfahren, kann (je nach Schwere) folgende Konsequenzen haben
- Feststellung im Urteil
- Strafmilderung (beachte auch Art. 48 lit. e StGB!)
- Schuldspruch ohne Strafe
- Einstellung des Verfahrens
Rechtsfolgen der Strafmilderungsgründen
- Art 48a StGB
- Bindung an Regelstrafrahmen entfällt
- Unterschreitung der erhöhten Mindeststrafe möglich
- Wahl einer anderen Strafart möglich (Bindung an gesetzliche Mindestmasse der gewählten Strafart bleibt)
Konkrete Strafzumessung
Hauptkriterium: das Verschulden (Art. 47 Abs. 1 S. 1 StGB)
- Verschulden bemisst sich nach Unrechtsgehalt und korrespondierendem persönlichem Schuldgehalt der konkreten Tat (Tatkomponente, Art. 47 Abs. 2 StGB)
- Daneben sind Vorleben, persönliche Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters zu berücksichtigen (Täterkomponente, Art. 47 Abs. 1 S. 2 StGB)
Achtung: Aufzählung in Art. 47 StGB nicht abschliessend
- z. B. Nachtatverhalten berücksichtigungsfähig
- Allgemeine generalpräventive (str.) und spezial- präventive Erwägungen
- Sonstige (tatexterne) Faktoren
Konkrete Strafzumessung: Tatbezogene Kriterien
- Objektive Elemente
- Ausmass bzw. Schwere der Verletzung oder
- Gefährdung des betroffenen Rechtsguts
- Verwerflichkeit des Handelns
- Täter-Opfer-Beziehung
- i.d.R. ausdrückliche objektive tatbezogene Strafmilderungsgründe
- Subjektive Elemente
- Beweggründe und Ziele des Täters (soweit Verschuldensbezug, sonst: allenfalls relevant für Beurteilung der Täterpersönlichkeit)
- Intensität des deliktischen Wissens und Willens, Vermeidungsmöglichkeit
- persönliche Entscheidungsfreiheit
- Grad der Pflichtwidrigkeit
- i.d.R. ausdrückliche subjektive tatbezogene Strafmilderungsgründe
- Beachte: Doppelverwertungsverbot
Konkrete Strafzumessung: Täterbezogene Kriterien
- Vorleben (Tatrelevanz; keine Lebensführungsschuld)
- Persönliche Verhältnisse (verteilen sich zum Teil eigentlich auf andere Kriterien: Vorleben, Wirkung auf das Leben)
- tw. auch Nachtat- und Prozessverhalten (Geständnis u. Wiedergutmachung/Einsicht und Reue), soweit Indikator für Täterpersönlichkeit (i.d.R. Strafmilderungsgrund)
- tw. auch besondere Strafempfindlichkeit
Konkrete Strafzumessung: Weitere Kriterien
Nicht tatbezogene Faktoren
- Spezialpräventive Erwägungen («Wirkung auf Leben des Täters»)
- Strafempfindlichkeit
- Belastung durch bereits verhängte Strafe
- Soziale Situation
- Physischer/psychischer Zustand
- nur innerhalb des schuldangemessenen Rahmens
- Generalpräventive Erwägungen (str.) innerhalb des schuldangemessenen Rahmens
- Schärfend
- Mindernd
Sonstige (tatexterne) Faktoren
- Ausserstrafrechtliche Folgen für Täter (beruflich, verwaltungsrechtlich, Belastung durch Presseberichterstattung)
- Tatprovokation, überlanges Verfahren
- Prozessverhalten (Kooperation, Förderung der Rechtspflege)
Strafzumessungsvorgang (Methodik)
- Einordnung der Tat in den Strafrahmen ungeregelt; Praxis: Orientierung am Regelfall, der im unteren Teil des Strafrahmens verortet wird
- Wertigkeit der einzelnen Strafzumessungskriterien nicht punktgenau bestimmbar; ebenso wenig ihre (ausgleichende oder schärfende) Wechselwirkung
- Wahl der Strafart oftmals nicht hinreichend vom Gesetz geregelt
- Gericht steht aufgrund der weiten Strafrahmen und des Ermessens bei der Gewichtung der einzelnen Faktoren weiter Spielraum zu
- Merke: Gerichtspraxis und Richtlinien können richterliches Ermessen in diversen Deliktsbereichen faktisch erheblich reduzieren
Methodik:
- Bestimmung einer Einsatzstrafe ausgerichtet am objektiven Unrechtsgehalt der Tat (objektive tat- bezogene Faktoren)
- Prüfung der Auswirkungen der subjektiven tat- bezogenen Faktoren und Benennung der daraus hypothetisch resultierenden Strafe
- Erhöhung oder Reduzierung der Strafe unter wertender Heranziehung sonstiger täterbezogener oder tatunabhängiger Strafzumessungsfaktoren
Strafbefreiung
- In Ausnahmefällen kann trotz tatbestandsmässigem und rechtswidrigem Verhalten auf jede Sanktion verzichtet werden (Strafbefreiung):
- Fehlendes Strafbedürfnis, wenn Schuld und Tatfolgen geringfügig sind (Art. 52)
- Wiedergutmachung (Art. 53)
- Betroffenheit des Täters (Art. 54)
- Ehegatte/Lebenspartner als Opfer (Art. 55a)
Schuld und Tatfolgen geringfügig: fehlendes Strafbedürfnis (Art. 52)
- Art. 52 bezieht sich auf Verhältnisse zum Zeitpunkt der Tat
- Kumulativ Schuld (Art. 47) und Tatfolgen geringfügig
- Unterschied zu Regelfall muss beachtlich sein
- Verursachte Rechtsgüterverletzung, entsprechende Gefährdung
- auch auf Unternehmen anwendbar: Organisationsverschulden ist gering und es liegen keine schweren Tatfolgen vor
- Beachte: sind die Vss von Art. 52 nicht gänzlich erfüllt, kann dies im Rahmen der Strafmilderung (Art. 48) trotzdem berücksichtigt werden
Wiedergutmachung (Art. 53)
- Art. 53 bezieht sich auf Verhalten des Täters nach der Tat
- Materiell oder immateriell
- Schaden gedeckt: vertragliche Schadensregelung mit Geschädigten --> nach OR
- Alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, um das bewirkte Unrecht auszugleichen:
- Nicht genug Geld für vollständige Begleichung des Schadens: Täter gleicht Schaden in dem Mass aus, wie es seine Finanzen zulassen
- Kein materieller Schaden: z.B. symbolische Handlungen
- Weitere Voraussetzungen:
- Bedingungen für bedingte Strafe erfüllt (Art. 42):
- mind. 6 Monate, max 2 J. Freiheitsstrafe, unbedingte Strafe erscheint nicht notwendig um Tätet vor weiteren Vergehen oder Verbrechen abzuhalten
- es liegen besonders günstige Umstände vor wenn Täter bereits in den letzten 5 Jahren zu mind 6 Monaten Freiheitsstrafe, zu einer Geldstrafe von mind. 180 Tagessätzen verurteilt wurde
- schwierig, wenn Täter zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat
- Interessen der Öffentlichkeit und des Geschädigten an Verfolgung sind gering
- Bedingungen für bedingte Strafe erfüllt (Art. 42):
Betroffenheit des Täters durch seine Tat
- Unmittelbare Betroffenheit des Täters
- Personenschaden in psychischer oder physischer Form
- Vermögensschaden
- Ersatzansprüche
- Unangemessenheit der Strafe
- unter sämtlichen denkbaren Gesichtspunkten
- Schwere der Betroffenheit berechtigt das entfallen des Strafbedürfnises
Massnahmen
Massnahmen unterscheiden sich darin von Strafen, dass ihre Dauer nicht vom Verschulden des Täters abhängt, sondern vom Zweck, der mit der Massnahme erzielt werden soll. Um die Gefahr der Rückfälligkeit zu minimieren, sollte die Dauer von Massnahmen von den zu erzie- lenden Erfolgsaussichten abhängen
Massnahmevoraussetzungen
1. Grundsatz der Subsidiarität insbesondere gegenüber Freiheitsstrafe
--> Strafe allein nicht geeignet, um angesichts der Gefährlichkeit des Täters weitere Straftaten auszuschliessen
2. Behandlungsbedürfnis des Täters oder Sicherheitsinteresse der Öffentlichkeit
3. Spezifische Voraussetzungen der jeweiligen Massnahme sind erfüllt (Art. 56 Abs. 1 lit. c StGB)
4. Verhältnismässigkeit zwischen Anlasstat, Rückfallrisiko und Massnahme (Art. 56 Abs. 2 StGB); keine Begrenzung durch Schuldprinzip!
- Eignung
- Notwendig
- Verhältnismässig i.e.S.
4. Bei sichernden Massnahmen Begutachtung durch mind. einen Sachverständigen (Art. 56 Abs. 3, 4 und 4bis StGB)
5. Anordnung nur bei geeigneter Einrichtung (Art. 56 Abs. 5 StGB): Massnahme muss realisiserbar sein
Konkurrenz von Massnahmen untereinander
- Bei gleichzeitiger Eignung mehrerer Massnahmen kommt diejenige zur Anwendung, welche den kleinstmöglichen Eingriff beim Täter zur Folge hat; soweit nur eine davon notwendig ist (Art. 56a Abs. 1 StGB)
- resozialisierende Massnahme ist gegenüber isolierender Massnahme stets vorrangig
- Im Falle der Notwendigkeit mehrerer Massnahmen werden sie kumulativ angeordnet (Art. 56a Abs. 2 StGB)
Konkurrenz von Massnahmen zu Strafen
- Parallele Anordnung von Massnahme und Strafe im Falle der Erfüllung der Voraussetzungen für beide Sanktionsarten (Dualismus, Art. 57 Abs. 1 StGB)
- Massnahmen nach Art. 59- 61 StGB gehen dem Vollzug der Freiheitsstrafe voraus (dualistisch-vikariierender Vollzug, Art. 57 Abs. 2 StGB).
- Dauer der Massnahme wird dem Freiheitsenzug angerechnet.
- Bei Verwahrung (Art. 64 StGB) geht die Strafe voraus (Art. 57 Abs. 2 StGB e contrario).
Stationäre Behandlung von psychischen Störungen (Art. 59 StGB)
- Wirkungsvollere Einwirkung auf Täter durch milieutherapeutischen Ansatz
- Durchführung in geschlossenem Vollzug in einer Haftanstalt möglich