Psychopathologie

Allgemeine Grundlagen der Psychopathologie und psychiatrischen Krankheitslehre (Schwerpunkt Erscheinungsbild) => Lernziele bei Störungsbildern

Allgemeine Grundlagen der Psychopathologie und psychiatrischen Krankheitslehre (Schwerpunkt Erscheinungsbild) => Lernziele bei Störungsbildern


Kartei Details

Karten 68
Lernende 11
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Grundschule
Erstellt / Aktualisiert 12.06.2013 / 11.04.2022
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Warum handelt es sich bei der Demenz bei Alzheimer-Krankheit um eine Ausschlussdiagnose?

Die Krankheit kann mit ihren Symptomen anderen Krankheitsformen oder Folgen von Schädelverletzungen ähneln. Solche Ursachen müssen ausgeschlossen werden.

Was muss bei der Diagnosestellung der Alzheimer-Demenz ausgeschlossen werden können?

  • Zerebrovaskuläre Erkrankung
  • Parkinson- oder Huntington-Krankheit
  • eine Systemerkrankung (z.B. Hypothyreose, Vitamin B 12- oder Folsäuremangel,
    Hyperkalzämie)
  • Alkohol oder Substanzmissbrauch
  • HIV-Krankheit
  • Normaldruck-Hydrozephalus

Was sind die 2 Hauptmerkmale einer Demenz?

Welche Unterschiede bei den Kriterien gibt es zwischen   der ICD-10 und dem DSM-IV in Bezug auf die Alzheimer-Demenz?

  • DSM-IV kennt keine zeitliche Mindestdauer von sechs Monaten
  • Nicht im DSM-IV aufgeführt: Kriterium der Verminderung der Affektkontrolle und des Antriebs
  • Im DSM-IV: separater Code für eine Demenz vom Alzheimer Typ mit/ohne Verhaltensstörung
  • DSM-IV: keine gesonderte Codierung eines frühen oder späten Beginns
  • Beeinträchtigungen in sozialen oder beruflichen Funktionsbereichen: im DSM-IV als Kriterium, in der ICD-10 als Schweregrade

Geben Sie je ein konkretes Beispiel für die unterschiedlichen Schweregrade einer Demenz

  1. Leicht: Schwierigkeiten bei der Aufnahme, dem Speichern und Wiedergeben von alltäglichen Dingen, z. B. wo etwas hingelegt wurde, soziale Verabredungen oder kürzlich von Familienmitgliedern mitgeteilte Informationen. Beeinträchtigte Leistungsfähigkeit im täglichen Leben, macht die Betroffenen aber nicht von anderen abhängig. Komplizierte tägliche Aufgaben oder Freizeitbeschäfti-
    gungen können nicht ausgeführt werden
    .
  2. Mittelgradig: Ernste Behinderung für ein unabhängiges Leben. Nur gut gelerntes oder sehr vertrautes Material wird behalten. Neue Informationen werden nur gelegentlich und sehr kurz behalten. Die Betroffenen sind nicht in der Lage, sich an grundlegende Informationen darüber, wo sie leben, was sie vor kurzem getan haben, oder an Namen vertrauter Personen zu erinnern. Durch Abnahme der kognitiven Fähigkeiten => nicht ohne Hilfe eines anderen im täglichen Leben, wie z.B. mit dem Einkaufen sowie im Umgang mit Geld, zurechtkommen.
  3. Schwer: Schwerer Gedächtnisverlust mit vollständiger Unfähigkeit, neue Informationen zu behalten. Nur Fragmente von früher Gelerntem bleiben übrig. Die Betroffenen erkennen nicht einmal mehr enge Verwandte. Der kognitive Abbau ist durch das Fehlen oder das so gut wie vollständige Fehlen nachvollziehbarer Gedankengänge charakterisiert.

Wie sieht die zeitliche Entwicklung (Beginn und Progredienz) bei Alzheimer mit spätem Beginn meist aus?

Beginn: 65 Jahre oder älter

Sehr langsamer Beginn und eine allmähliche Progredienz

Welche kognitive Symptomatik herrscht beim Alzheimer mit spätem Beginn meist vor?

Gedächtnisstörung

Was ist das Kernmerkmal des Delirs?

Bewusstseinstrübung

Anhand welcher Merkmale kann man das Delir von der Demenz unterscheiden?

  • Verminderte Bewusstseinsklarheit (Bewusstseinstrübung)
  • Beginn der Symptomatik: schnell (Stunden oder Tage)
  • Fluktuation des Schweregrades innerhalb von 24 Stunden

Nennen Sie baasierend auf den ICD-10 Kriterien die vier gestörten Hauptsymptombereiche des Delirs

  • Bewusstseinsstörung (Bewusstseinstrübung)
  • Störung der Kognition
  • Mindestens eine psychomotorische Störung
  • Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus

Nennen Sie 5 typische, aber für die Diagnose des Delirs nicht spezifische Phänomene

  1. Affektive Störungen wie Depression
  2. Euphorie
  3. Angst oder Furcht
  4. Reizbarkeit
  5. Apathie

Benennen Sie die 3 Hauptklassen schizophrener Symptome und geben Sie in jeder Klasse mindestens zwei Symptome an

  1. Positive oder Plus-Symptome (d.h. Exzesse, ein "Zuviel" von Gedanken, Gefühlen und Verhalten); z.B. Wahn, desorganisiertes Denken und Sprechen, intensivierte Wahrnehmung und Halluzinationen
  2. Negative oder Minus-Symptome (d.h. Defizite bei Gedanken, Gefühlen und Verhalten); z.B. Spracharmut, abgestumpfter, flacher oder inadäquater Affekt, Freud- und Lustlosigkeit, Antriebsarmut, sozialer Rückzug
  3. Psychomotorische Symptome; z.B. Verlust der Bewegungsspontaneität, Entwicklung seltsamer
    Grimassen, Gesten und Manierismen, katatone Symptome z.B. flexibilitas cerea (= wächserne Biegsam- keit)

     

Umschreiben Sie die 8 Gruppen der allg. ICD-10 Symptome von Schizophrenie (1/2) => mind. 1

  1. Gedanken (-lautwerden, -eingebung, -entzug, -ausbreitung) z.B. Andere hören meine Gedanken, wollen sie mir wegnehmen
  2. Wahnphänomene (Kontrollwahn, Beeinflussungswahn, Gefühl des Gemachten, Wahnwahrnehmungen) z.B. Mein Willen ist von aussen ersetzt worden, unbedeutende Sinneswahrnehmung hat abnorme Bedeutung
  3. Stimmenhören; z.B. eine Stmme kommentiert, was ich mache, mein Bauch redet mit mir
  4. Anhaltender, kulturell unangemessener, bizarrer Wahn; z.B. Ich kontrolliere das Wetter, habe Kontakt zu Ausserirdischen

Umschreiben Sie die 8 Gruppen der allg. ICD-10 Symptome von Schizophrenie (2/2) => mind. 2

  1. Anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität, täglich während mind. eines Monats (+Wahngedanken od. überwertige Ideen) z.B. Wahrnehmung von Dingen, trotz fehlender Reizgrundlage, wahnhafte Gedanken, Gefühl der Bedrohung
  2. Denken und Sprache (Neologismen, Gedankenabreissen => führt zu Zerfahrenheit oder Danebenreden) z.B. Aneinanderreihung von Wörtern, Denkverworrenheit, Nichteingehen
  3. Katatone Symptome (Erregung, Haltungsstereotypien, wächserne Biegsamkeit, Negativismus, Mutismus, Stupor = Bewegungshemmung) z.B. sinnlose motorische Aktivität, unsinnige und bizarre Haltungen, genau das Gegenteil tun
  4. "Negative" Symptome (auffällige Apathie, Sprachverarmung, verflachte oder inadäquate Affekte) z.B. Verharren in Stimmung, Lachen bei Trauer => diese Symptome dürfen nicht durch eine Depression oder Medikation verursacht sein

Nennen Sie die Bezeichnungen der vier wichtigsten Verlaufsformen von Schizophrenie

  1. kontinuierlich (F20.x0)
  2. episodisch remittierend (phasenhaft) (F20.x3)
  3. episodisch mit stabilem Residuum (schubförmig) (F20.x2)
  4. episodisch mit zunehmendem Residuum (schubförmig progredient) (F20.x1)

Welches sind charakteristische (sehr vielgestaltige psychopathologische) Symptome der Schizophrenie?

  • Sinnestäuschungen
  • Wahn
  • Formale Denkstörungen (z.B. Zerfahrenheit/Inkohärenz)
  • Ich-Störungen (z.B. Gedankeneingebung oder das Gefühl, dass man von aussen gesteuert wird)
  • Störungen der Affektivität
  • Antriebs- und psychomotorische Störungen

Was wird unter primären und sekundären Ursachen für organisch bedingte psychische Störungen verstanden?

Primär: eine Gehirnerkrankung oder –schädigung

z.B. Entzündung des Gehirns, Hirntumor, Epilepsie

Sekundär: eine sonstige Erkrankung, die zu einer Funktionsstörung des Gehirns führt

z.B. Leber- oder Nierenunterfunktion, Störungen der Hormonproduktion

Welches sind die hauptsächlichen Symptome, die in der Kategorie F06 (sonstige organisch bedingte psychische Störungen) auftreten ?

Wichtig: zeitlicher Zusammenhang zwischen den organischen Auffälligkeiten und den psychischen Symptomen. In ihrem Erscheinungsbild sind die Krankheitsbilder der Kategorie F06 von Störungen ohne definierte organische Ursache (sog. "nicht-organische" Störungen) kaum zu unterscheiden (starke Ähnlichkeiten zu affektiven, schizophrenen und zu Angststörungen).

= Syndrome 2. Ranges (kaum Bewusstseinsstörungen/kognitive Defizite)

  • vorwiegend Halluzinationen
  • Wahn
  • affektive, psychomotorische und dissoziative Symptome

Geben Sie die allg. Kriterien für sonstige psychische Störungen mit organischer Ursache an

  • Objektiver Nachweis einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer systemischen Krankheit, von der bekannt ist, dass sie eine zerebrale Funktionsstörung verursachen kann
  • Ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen der Entwicklung der zugrunde liegenden Krankheit/Schädigung/Funktionsstörung und der psychischen Störung
  • Rückbildung oder deutliche Besserung der psychischen Störung nach Rückbildung oder Besserung der vermutlich zugrunde liegenden Krankheit
  • Kein ausreichender oder überzeugender Beleg für eine andere Verursachung der psychischen Störung, wie z. B. eine sehr belastete Familienanamnese für eine klinisch gleiche oder ähnliche Störung

Nennen Sie das vorherrschende Symptom der organisch wahnhaften (schizophreniformen) Störung

Anhaltende oder immer wieder auftretende Wahnideen sind hier vorherrschend (Verfolgungswahn, Wahn körperlicher Veränderung, Krankheits-, Todes- und Eifersuchtswahn, Grössenwahn, Verarmungswahn) Sie können von Halluzinationen begleitet sein (aber diese sind – anders als bei der organischen Halluzinose - nicht dominierend).

Umschreiben Sie welcher Natur die Inhalte des vorherrschenden Symptoms bei der organisch wahnhaften (schizophreniformen) Störung meistens sind

"schizophreniform": Es handelt sich inhaltlich meist um paranoide Wahnideen sowie Grössen- und Verarmungswahn. Auch: Wahn körperlicher Veränderung, Eifersuchtswahn, Krankheitswahn u.a.

Eher auf das "Diesseitige, Nächstliegende, Überschaubare und Unmittelbare" ausgerichtet > kann aber auch bizarrer Natur sein.

Schizophrenie: "Verborgenes, Geheimnisvolles und Metaphysisches"

Das Bewusstsein ist klar und das Gedächtnis intakt!

Sogar einzelne psychomotorische (katatone) Symptome können vorliegen, dürfen aber nicht dominieren.

Nennen Sie fünf prototypische Trinker-Typen und ihre wesentlichen Charakteristiken bezüglich Abhängigkeit, Kontrollverlust und Abstinenzfähigkeit

Konflikt-, Sorgen-, Erleichterungstrinker (Alpha): nur psychische Abhängigkeit (Stresssituationen), ohne Kontrollverlust, Fähigkeit zur Abstinenz => gefährdet

Gelegenheits-Trinker (Beta): Vom sozialen Umfeld abhängig > "alkoholnaher" Lebensstil, ohne Kontrollverlust, Fähigkeit zur Abstinenz => gefährdet

süchtiger Trinker (Gamma): psychisch + körperlich abhängig, Kontrollverlust, Fähigkeit zu befristeten Abstinenzen

Spiegel-Trinker (Delta): ausgeprägte körperliche Abhängigkeit, ohne Fähigkeit zur Abstinenz, kaum Kontrollverlust (Blutalkoholspiegel wird aufrecht erhalten)

episodischer Trinker, "Quartals-Säufer" (Epsilon): psychische Abhängigkeit, mehrtägige Alkoholexzesse mit Kontrollverlust, Fähigkeit zur Abstinenz, Intervalle (Zeitabstände, Phasen) von unterschiedlicher Dauer, evl. depressive Verstimmungszustände, Folgeschäden sozial

Nennen Sie mindestens vier äusserlich erkennbare Anzeichen einer akuten Alkoholintoxikation

  1. Enthemmung
  2. Streitlust
  3. Aggressivität
  4. Gangunsicherheit
  5. verwachsene Sprache

Betroffen: Bewusstsein, Kognition, Wahrnehmung, Affekte oder Verhalten

Nennen Sie für die Kategorien Bewusstsein, Affekt, Kognition und Verhalten je 1-2 Symptome bei Alkoholintoxikation

Bewusstsein: Bewusstseinsminderung (z.B. Somnolenz, Koma)

Affekt: Aggressivität, Enthemmung, Affektlabilität, Streitlust

Kognition: Beeinträchtigung der persönlichen Leistungsfähigkeit, Einschränkung der Urteilsfähigkeit

Verhalten: verwaschene Sprache, Gangunsicherheit, Standunsicherheit

Wahrnehmung: Aufmerksamkeitsstörung

Nennen Sie je drei direkt sichtbare und nicht beobachtbare Symptome bei Alkoholentzugssyndrom

  1. Tremor der vorgehaltenen Hände, der Zunge oder der Augenlider
  2. Schwitzen
  3. Übelkeit, Würgen und Erbrechen
  4. Tachykardie und Hypertonie
  5. Kopfschmerzen
  6. Schwächegefühl

Nennen Sie die Art der Abhängigkeit bei starkem Dauerkonsum von Cannabisprodukten

psychische Abhängigkeit (Tendenz zur Dosissteigerung)

Welche Aspekte der allg. Kriterien für schädlichen Gebrauch können bei Cannabinoiden besonders hervortreten?

  • bedeutende Beeinträchtigungen bei der Bewältigung des Alltags 
  • psychische Abhängigkeit
  • Euphorie
  • Antriebsminderung
  • Wesensveränderung der Betroffenen
  • Leistungs- und Kritikschwäche
  • sozialer Rückzug

Welches sind die zeitlichen Bedingungen, die bei schädlichem Gebrauch von Cannabinoiden erfüllt sein müssen?

Gebrauchsmuster seit mind. einem Monat oder wiederholt in den letzten 12 Monaten

Welches sind zwei grosse psychische Bereiche, in denen Kokain seine Wirkungen entfaltet?

  1. Im Bereich der Affekte (Euphorie, gesteigerte Kontaktfreudigkeit, Enthemmung, Überzeugung der eigenen Grandiosität, Aggressivität und Streitlust)
  2. Im Bereich der Wahrnehmung (akustische, optische oder taktile Illusionen sowie Halluzinationen > Dermatozoenwahn, "Intoxikations-Psychosen" mit paranoiden Erlebnissen und Angstzuständen)

Wie kann man die vegetativen Symptome bei Kokainkonsum allgemein umschreiben?

Symptome, die mit der Vorbereitung des Körpers auf Aktivität zu tun haben

(vegetative Reaktionen wie Pupillenerweiterung, Schweissausbrüche, erhöhter Puls, Störungen im Tonus und manchmal Krampfanfälle; Hungergefühle werden unterdrückt (was bei längerem Konsum zu Gewichtsverlust führen kann)

Nennen Sie je zwei affektive und wahrnehmungsbezogene Symptome bei Kokain-Intoxikation

Affektive Symptome:

  • Euphorie und Gefühl von gesteigerter Energie
  • beleidigendes Verhalten oder Aggressivität

Wahrnehmungsbezogene Symptome:

  • akustische, optische oder taktile Illusionen
  • Halluzinationen, gewöhnlich bei erhaltener Orientierung
  • paranoide Vorstellungen

Nennen Sie 3 mögliche sichtbare körperliche Symptome bei einer akuten Kokainintoxikation

  1. Übelkeit oder Erbrechen
  2. psychomotorische Unruhe (manchmal Verlangsamung)
  3. Krampfanfälle

Nennen Sie ein wichtiges affektives Syndrom bei Kokain-Entzug und mindestens zwei physiologische Begleiterscheinungen

Affektives Syndrom: Affektstörung ( z. B. Traurigkeit oder Anhedonie)

Physiologische Begleiterscheinungen:

  • Lethargie und Müdigkeit
  • psychomotorische Verlangsamung oder Unruhe
  • Verlangen (Craving) nach Kokain
  • Appetitsteigerung
  • Insomnie oder Hypersomnie
  • bizarre oder unangenehme Träume

Wann ist die Psychopathologie als Methodenlehre und Expertensprache entstanden?

Die wissenschaftlichen Anfänge der Psychopathologie datieren aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals wurde die Psychopathologie zu dem Teilgebiet der Psychiatrie, das sich mit der Beschreibung und Untersuchung der neu entdeckten psychischen Krankheiten beschäftigte. Sie war der einzige wissenschaftliche Bestandteil der Psychiatrie.

Die heute verwendete psychopathologische Expertensprache/Begrifflichkeit umfasst einen festgelegten Kanon von Konzepten und Bezeichnungen sowie grammatikalische und syntaktische Regeln zur Beschreibung psychischer Störungen. Im Wesentlichen bildete sie sich schon in der französischen und deutschen Psychiatrie zwischen 1815 und 1880 heraus. Ihre wissenschaftliche Grundlegung begann 1913 mit dem Buch „Allgemeine Psychopathologie“ von Karl Jaspers. In diesem wird eine Unterscheidung von Erklären (Suche nach Ursachen der Krankheit, wissenschaftliche Untermauerung) und Verstehen (den Patienten verstehen, nachvollziehen können, was er erlebt und weshalb er so agiert) aufgezeigt.

Welche Störungsklassifikationssysteme werden heute angewendet?

Diagnosen im psychischen Bereich werden nach zwei international standardisierten Störungsklassifikations- verzeichnissen vergeben:

International Classification of Diseases, Version 10, Kapitel F (Psychische und Verhaltensstörun-
gen)

Die ICD-Versionen werden jeweils von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben. Störungsdefinitionen der ICD-10 basieren auf der Konsensfindung internationaler Experten und haben u.a. zum Ziel, eine internationale (cross-cultural) Vergleichbarkeit zu ermöglichen.

Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der American Psychiatric Association, Version IV bzw. IV-TR.

Der Gebrauch der DSM-Versionen war zunächst auf den amerikanischen Raum begrenzt. Da die Störungsdefinitionen aber teilweise mit empirisch-statistischen Verfahren gewonnen wurden, wird dieses System in der internationalen Forschung bevorzugt und ist auch für wissenschaftlich-systematische Zwecke besser geeignet.

Diskutieren Sie, inwieweit Normbegriffe wichtig für die Psychopathologie sind.

Für die Psychopathologie ist die Abgrenzung des Normalen vom Pathologischen wichtig. Diese Abgrenzung beginnt mit einer Verständigung darüber, was "normal" oder "die Norm" ist, im Gegensatz zu nicht normalem, abnormem oder abweichendem Verhalten.
 

Normbegriffe

  • Subjektive Norm: Die eigene Befindlichkeit ist Massstab oder Norm. Meist ist die subjektive Norm ent- scheidend für das Krankheitsverhalten; z.B. gehen Patienten oft nur dann zur Behandlung, wenn sie sich unwohl fühlen.
     
  • Statistische Norm: Krank ist, was von der Häufigkeitsverteilung abweicht und selten ist.
     
  • Ideal- oder Funktionsnorm: Krankheit ist aus einer Beeinträchtigung ersichtlich, die als Abweichung von einem Idealzustand definiert ist. Die Gesundheitsdefinition der WHO entspricht dieser Idealnorm-Definition. Bei psychischen Funktionen ist eine Ideal- oder Funktionsnorm aber oft schwierig festzulegen. (Bsp.: Homosexualität)
     
  • Soziale Norm: Störung oder Krankheit ist ein Abweichen von gesellschaftlichen Konventionen oder Regeln, was auf die kulturelle Bedingtheit der Störungsdefinition hindeutet. Im Labeling-Ansatz der Sozialpsychiatrie werden die damit zusammen hängenden Phänomene genauer beschrieben.

=> Es ist ein Kriterium nötig für die Unterscheidung von "Normalem" und "Abnormem"

Erklären Sie die Unterschiede der Begriffe Symptom, Syndrom und Diagnose und geben Sie jeweils Beispiele dafür. 2/2

Das Syndrom (Symptomatik) ist das gleichzeitige Vorliegen verschiedener Symptome, somit ein Symptomkomplex. Besipiel: Zum paranoid-halluzinatorischen Syndrom gehören akustische Halluzinationen, Coenästhesien, Wahnstimmung, Verfolgungswahn, Gedankeneingebung. Bei einem Syndrom wird kein Entstehungsmodell mit beschrieben bzw. vorausgesetzt.

Die Diagnose ist in der Psychologie und der Medizin die genaue Zuordnung von Befunden – Symptomen oder Syndromen - zu einem Störungsbegriff. Das Ziel des diagnostischen Entscheidungsprozesses ist die Zuordnung eines klinisch feststellbaren Erscheinungsbilds zu einer Diagnose im Sinne einer ursachenzuschreibenden (= ätiopathogenetischen) Störungsbezeichnung.

Erklären Sie die Unterschiede der Begriffe Symptom, Syndrom und Diagnose und geben Sie jeweils Beispiele dafür. 1/2

Das Symptom ist ein Einzelmerkmal für eine Störung und gleichzeitig die kleinste beschreibbare Untersuchungseinheit in der Klinischen Psychologie bzw. der Medizin. Leitsymptome nennt man die diagnostisch wegweisenden Symptome, z.B. Gedächtnisstörungen für hirnorganische Schädigungen oder eine bestimmte Art von Stimmenhören für Schizophrenie.Dazu kommen in der Regel akzessorische Symptome, d.h. zusätzliche Symptome, die aber keine diagnostischen Rückschlüsse erlauben, z.B. Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen oder gedrückte Stimmung, die man bei verschiedenen Störungen antrifft.

Begründen Sie, warum eine multimodale Diagnostik wichtig ist.

Eine diagnostische Erstuntersuchung und Befunderhebung erfüllt mehrere Funktionen. Nebst der Beziehungs- aufnahme geht es um das systematische Zusammentragen von Informationen zur Biographie und Situation des Patienten sowie zu aktuellen und vergangenen Krankheits- resp. Störungsmerkmalen

Das Grundprinzip der klinischen Untersuchung (bzw. psychopathologischen Diagnostik) ist die Multimodalität. Das bedeutet, dass anstelle des univariaten Zugangs ein multivariates Vorgehen gewählt wird, bei dem jeweils innerhalb einzelner Kategorien zwischen verschiedenen Ansätzen variiert wird. Damit werden die Informationen grossflächig gewonnen.

Nennen Sie verschiedene Datenebenen, Datenquellen und Untersuchungsverfahren.

Datenebenen:

  • biologisch/
    somatisch
     
  • psychisch/
    psychologisch/
    psychiatrisch
     
  • sozial
     
  • ökologisch

Datenquellen:

  • die befragte Person selbst
    (Selbstbeurteilung)
     
  • andere Personen
    (Fremdbeurteilung)
     
  • apparative Verfahren
    (z.B. computergestützte Tests, MRI, EEG u.ä.)

Untersuchungsverfahren:

  • Fragebögen
     
  • Verhaltensbeobachtung
     
  • (strukt.) Interviews
     
  • (strukturierte) Fremd-
    beurteilungssysteme
     
  • Leistungsdiagnostik
     
  • projektive Verfahren
     
  • inhaltsanalytische Verfahren