Personenrecht 2 - Der Persönlichkeitsschutz

Bieri/Morand/Müller/Perren, Übungsbuch Personenrecht und Einleitungsartikel, 2. Aufl., Orell Füssli, Zürich 2015 Allgemeines, interner Schutz nach ZGB 27, externer Schutz nach ZGB 28, Klagemöglichkeiten, Gegendarstellungsrecht, vorsorgliche Massnahmen

Bieri/Morand/Müller/Perren, Übungsbuch Personenrecht und Einleitungsartikel, 2. Aufl., Orell Füssli, Zürich 2015 Allgemeines, interner Schutz nach ZGB 27, externer Schutz nach ZGB 28, Klagemöglichkeiten, Gegendarstellungsrecht, vorsorgliche Massnahmen


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Flashcards 84
Students 24
Language Deutsch
Category Law
Level University
Created / Updated 22.01.2016 / 01.06.2025
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1. Bezeichne die grundsätzliche Unterteilung der gesetzlichen Regelung des Persönlichkeitsschutzes.

  • Schutz der Persönlichkeitsrechte vor dem Träger selbst (ZGB 27)
  • Schutz der Persönlichkeitsrechte gegen Dritte (ZGB 28)

2. Wer kann sich auf die Normen des Persönlichkeitsschutzes berufen?

natürliche und juristische Personen.

Juristische Personen jedoch mit Einschränkungen (ZGB 53).

Bsp: bei juristischen Personen ist umstritten, ob sie einen Anspruch auf Genugtuung haben, da sie selbst keinen "seelischen Schmerz" empfinden kann (s. BGE 31 II 242; 95 II 481)

3. Definiere Persönlichkeit.

Es gibt keine gesetzliche Definition.

Beispiel aus der Literatur und Rechtsprechung: Gesamtheit der individuellen Grundwerte einer Person. Persönlichkeitsrechte stehen einer Person um ihrer selbst willen zu.

BGE 84 II 570: Inbegriff der Rechte, die untrennbar mit einer Person verknüpft sind.

4. Sind Persönlichkeitsrechte vererbbar?

Persönlichkeitsrechte erlöschen mit dem Tod (ZGB 31).

Vermögensrechtliche Ansprüche, welche aus Verletzungen der Persönlichkeitsrechte herrühren, sind dagegen vererbbar.

Ausnahme: Das Urheberrecht ist gemäss URG 16 I übertragbar und vererblich.

5. Auf welche Rechte kann eine Person nach ZGB 27 nicht verzichten?

Auf die eigene Rechts- und Handlungsfähigkeit (weder durch Vertrag noch durch einseitige Erklärung).

ZGB 27 schützt dadurch die Dispositionsfähigkeit als Möglichkeit zukünftiger Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäfte.

6. Welche beiden Fallgruppen unterscheidet ZGB 27 II?

Kernbereich der geschützten Persönlichkeit (z.B. körperliche Bewegungsfreiheit, physische Integrität etc.); jegliche rechtliche Bindung in diesem Bereich ist ausgeschlossen.

Ausserhalb des Kernbereichs ist dagegen nur die übermässige rechtsgeschäftliche Bindung ausgeschlossen.

Es kann jedoch auch zu Überschneidungen der Fallgruppen kommen (BGE 129 III 209).

7. Nenne positivrechtliche Beispiele des Verbots der übermässigen Selbstbindung.

  • ZGB 90 III: Rücktritt vom Eheversprechen
  • OR 325 II: Verbot der Zession zukünftiger Lohnforderungen des Arbeitnehmers
  • OR 546 i.V.m. OR 545 I 6: Recht der Gesellschafter auf Auflösung der einfachen Gesellschaft

8. Was bedeutet Sittlichkeit im Sinne des Privatrechts?

Sittlichkeit wird als die herrschende Moral, das allgemeine Anstandsgefühl oder die der Geschäftsordnung immanenenten etischen Prinzipien und Wertmassstäbe definiert.

9. Wie wird die Sittlichkeit einer Bindung im Einzelfall beurteilt?

Im konkreten Einzelfall sind die gesamten Umstände zu berücksichtigen.

Mögliche Ausgangspunkte sind die Dauer der Bindung, ihr Inhalt oder die vereinbarte Gegenleistung. Die Entscheidung bleibt letzlich ein Ermessensentscheid des Gerichts.

10. Nenne Beispiele, in welchen eine Vereinbarung gegen ZGB27 II verstossen kann.

Vereinbarungen können übermässig sein hinsichtlich

  • ihres Inhalts
    • physische Freiheit (z.B. Verpflichtung an medizinischem Versuch teilzunehmen; der Rücktritt davon ist jederzeit möglich)
    • gesellschaftlichen Freiräume (z.B. sein ganzes Leben in einem Kloster zu verbringen)
  • ihrer Intensität (z.B. Konkurrenzverbot als faktisches Berufsverbot)
  • ihrer Dauer (z.B. Knebelverträge, "Bierliefervertrag für alle Zeit")
  • der Vertragsparteien (Kontrahierungszwang, Kontrahierungsverbot)
  • der verbleibenden wirtschalftichen Handlungs-/Dispositionsfähigkeit (z.B. Globalzession aller gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen)

11. Wodurch unterscheidet sich die Rechtsfolge eines Verstosses gegen ZGB 27 I und ZGB 27 II?

Ein Verstoss gegen ZGB 27 I führt zur Nichtigkeit der Vereinbarung/Disposition (die Rechts- und Handlungsfähigkeit ist dem Willen der Parteien entzogen).

Ein Verstoss gegen ZGB 27 II führt zur Teilnichtigkeit und die Vereinbarung ist auf ein angebrachtes Mass zu reduzieren.

12. Wer kann Nichtigkeit/Teilnichtigkeit einer Vereinbarung gestützt auf ZGB 27 geltend machen?

Nur derjenige, welcher einer übermässigen Bindung unterworfen wird.

13. Was sind Persönlichkeitsrechte?

Absolute Rechte, die gegenüber jedermann wirken (erga omnes).

Höchstpersönliche Rechte, die dem Schutz der Selbstbestimmung dienen und vertretungsfeindlich sind.

Sie verleihen dem Träger ein reines Abwehrrecht, ohne im ein Recht auf aktives Handeln Dritter einzuräumen.

14. Welche Bereiche sind durch die Persönlichkeitsrechte geschützt?

grundsätzlich umfassen die Schutzbereiche die 

  • physische
  • psychische und 
  • soziale Integrität

15. Was umfasst die physische Integrität/der physische Schutzbereich der Persönlichkeitsrechte?

  • Recht auf Leben
  • körperliche Unversehrtheit
  • Bewegungsfreiheit
  • sexuelle Selbstbestimmung
  • Bestimmungsrecht über den eigenen Leichnahm sowie Ort/Art der Bestattung

16. Was umfasst die psychische Integrität/der psychische Schutzbereich der Persönlichkeitsrechte?

die psychische Unversehrtheit

17. Was umfasst die soziale Integrität/der soziale Schutzbereich der Persönlichkeitsrechte?

  • Schutz der Privatsphäre/Respektierung des Privatlebens
  • Recht am eigenen Namen (vgl. ZGB 29 und 30 III)
  • Recht am eigenen Bild, an der eigenen Stimme, am eigenen Wort
  • Schutz der Ehre (auf gesellschaftliches und beruflich-geschäftliches Ansehen)
  • Recht auf Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung und Entfaltung

18. Was ist die Sphärentheorie?

Nach h.L. und Rechtsprechung wird der soziale Schutzbereich in drei unterschiedliche Lebenssphären unterteilt, die unterschiedlichen Schutz geniessen. Der Schutzbereich von ZGB 28 bezieht sich nur auf die Privat- und Intimssphäre.

  • Gemeinsphäre: alle Informationen einer Person die der breiten Öffentlichkeit zugänglich sind
  • Privatssphäre: Lebensäusserungen, die der Einzelne gemeinhin nur mit nahe verbungenen Personen teilen und vor der Öffentlichkeit geheimhalten will
  • Intimssphäre: Lebensvorgänge, die der Einzelne der Wahrnehmung und dem Wissen aller Mitmenschen entzogen haben will oder nur mit ganz bestimmten/ausgeählten Menschen teilen möchte (z.B. Krankengeschichte, sexuelle Vorlieben etc.)

19. Was beinhaltet das Recht am eigenen Namen?

Grundsätzlich soll der Name einer Person nur als Kennzeichnungselement verwedet werden. Jeder Gebrauch des Namens, der darüber hinausgeht, muss vom Namensträger genehmigt werden. Der in der Praxis vorherrschende Fall einer gesetzeswidrigen Verwendung des Namens ist die Namendanmassung. Dieser wird in ZGB 29 gesondert geregelt.

20. Was beinhaltet das Recht am eigenen Bild/an der eigenen Stimme/am eigenen Wort?

  • Grundsatz: Ohne Zustimmung darf niemend auf einer Fotografie/einem Film/einem Bildnis oder Zeichnung dargestellt werden.
  • Ausnahme:
    • Einwilligung
    • Abbildung einer Person als Teil eines Geschehens
    • absolute oder relative Person der Zeitgeschichte
    • mittelbare Darstellung, als Teil eines Kunstwerks

Das Recht an der eigenen Stimme setzt voraus, dass diese individualisierbar ist (grundsätzlich nur bei bekannten Persönlichkeiten).

Das Recht am eigenen Wort schützt schriftliche und mündliche Äusserungen.

21. Wodurch unterscheidet sich der Ehrbegriff im Zivil- und Strafrecht?

Strafrecht: Ruf ein ehrbarer Mensch zu sein (menschlich-sittlicher Teil der Ehre).

Zivilrecht: Ansehen einer Person (auch in Beruf, Politik, Sport, Armee etc.)

Es hängt von der sozialen und beruflichen Stellung eines Menschen ab, ob eine Äusserung geeignet ist, das Ansehen einer Person zu verletzen. Wobei dies aus dem Blickwinkel eines Durchschnittsmenschen beurteilt wird. Bei politischen Angelegenheiten gelten zudem strengere Masstäbe für Ehrverletzungen.

22. Welche Handlungen verletzen die Ehre im Sinne des Persönlichkeitsrechts?

Herabmindernde Äusserung, wenn sie

  • vor grossem Publikum/in den Medien geäussert werden
  • unwahr/wahr aber unnötig herabmindernd sind

reine Werturteile,

  • die unsachlich (und deshalb unnötig herabsetzend) sind.

23. Nenne ein Beispiel für die Verletzung der wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit (ZGB 28).

von einem Verband auferlegten Sperren, welche ein Wettkampfverbot bewirken.

24. Welche Verletzung der Persönlichkeit ist rechtswidrig?

Grundsatz: jede Verletzung der Persönlichkeit

Ausnahmen:

  • Einwilligung des Verletzten
  • überwiegendes öffentliches oder privates Interesse
  • Gesetzesvorschrift

25. Wie kann ein Verletzter in eine Persönlichkeitsverletzung einwilligen?

26. Unter welchen Voraussetzungen kann ein Verletzter in eine Persönlichkeitsverletzung gültig einwilligen?

  • Urteilsfähigkeit
  • freiwillig (bei Sperren problematisch, da Weigerung faktisch ausschluss vom organisierten Sport bedeutet)
  • nach hinreichender Aufklärung
  • keine rechts-/sittenwidrige Verletzung (keine Einwilligungsmöglichkeit)

27. Kann ein bewusstloser Patient, gültig in einen ärztlichen Eingriff einwilligen?

ärztlicher Eingriff stellt eine Persönlichkeitsverletzung dar (physische Integrität).

Als Rechtfertigung kommt die Einwilligung in Frage. Diese kann auch nachträglich gegeben werden.

Im Augenblick, da dies nicht möglich ist, muss abgewogen werden, ob der Patient bei voller Urteilsfähigkeit, nach hinreichender Aufklärung und freiwillig in den Eingriff eingewilligt hätte (hypothetische Einwilligung).

28. Was ist bei Medien mit Bezug auf Persönlichkeitsverletzungen zu beachten?

Die Medien haben die Aufgabe die Bevölkerung über Ereignisse von besonderer Bedeutung zu informieren.

Persönlichkeitsverletzungen (z.B. Kritik eines Politikers) können durch das öffentliche Interesse (Pressefreiheit, Person der Zeitgeschichte) gerechtfertigt sein.

Ehrverletzung: Voraussetzung bleibt, dass die Information den Tatsachen entspricht oder zumindest nicht unnötig herabmindernd ist.

29. Welche Art von gesetzlichen Vorschriften kommen als Rechtfertigung einer Persönlichkeitsverletzung in Betracht?

nur privatrechtliche.

öffentlich-rechtliche Normen stellen keinen Rechtfertigungsgrund dar.

pro memoria:

(überwiegende) öffentliche Interessen stellen dagegen einen Rechtfertigungsgrund dar.

30. Muss bei einer Persönlichkeitsverletzung (i.S.v. ZGB 28) ein Verschulden nachgewiesen sein?

Nein. ZGB 28 setzt (im Gegensatz zur ausservertraglichen Haftpflicht) kein Verschulden voraus.

31. Wer kann Ansprüche aus der Verletzung von Persönlichkeit geltend machen?

natürliche und juristische Personen, aber nur solche aufgrund der Verletzung der eigenen Persönlichkeit.

nicht legitimiert sind nicht rechtsfähige Personengemeinschaften (z.B. einfache Gesellschaft)

32. Wer kann die Verletzung der Persönlichkeit eines Verstorbenen geltend machen?

niemand. Die Persönlichkeit endet mit dem Tod. Im Namen des Verstorbenen kann niemand eine Klage erheben oder fortführen.

 

33. Wer ist bei einer Klage wegen Persönlichkeitsverletzung (ZGB 28 I) passivlegitimiert?

der Urheber der Verletzungshandlung und jeder der daran mitwirkt (Gehilfe oder Anstifter)

34. Wer kommt bei einer Persönlichkeitsverletzung durch einen Zeitungsartikel als Beklagter in Betracht?

  • Herausgeber der Zeitung
  • Redaktor,
  • Journalist,
  • Drucker,
  • Verteiler
  • ...

35. Welche Arten von Ansprüchen sind bei einer widerrechtlichen Verletzung der Persönlichkeit denkbar?

negatorische Ansprüche (Abwehrklagen)

reparatorische Ansprüche (Wiedergutmachung)

36. Nenne die negatorischen Ansprüche bei einer Persönlichkeitsverletzung.

negatorische Ansprüche (Abwehrklagen) sind in ZGB 28 a I und II sowie ZGB 28b geregelt:

  • Unterlassungsanspruch (ZGB 28a I 1)
  • Beseitigungsanspruch (ZGB 28a I 2)
  • Feststellungsanspruch (ZGB 28a I 3)
  • Klagen im Falle von Gewalt, Drohung, Nachstellungen (ZGB 28 b)

37. Nenne die reparatorischen Ansprüche im Falle einer Persönlichkeitsverletzung.

reparatorische Ansprüche (Wiedergutmachungsklagen) werden aus dem Haftpflichtrecht des OR abgeleitet:

  • Schadenersatzanspruch (ZGB 28a III i.V.m. OR 41 I)
  • Genugtuungsanspruch (ZGB 28a III i.V.m. OR 47 und 49)
  • Gewinnherausgabeanspruch (ZGB 28a III i.V.m. OR 423)
  • Berichtigungs- und Veröffentlichungsanspruch (ZGB 28a II)

38. Worauf richtet sich ein Unterlassungsbegehren?

Das gerichtliche Verbot einer möglichen Verletzung durch eine geplante Handlung, die unmittelbar droht.

Der Klageantrag muss zur Verhinderung der Verletzung geeignet und verhältnismässig sein.

Beispiel:

Es sei X zu verbieten das Bild von Y im Zusammenhang mit dem Artikel Z zu Werbezwecken zu verwenden; unter Strafandrohung im Falle der Zuwiderhandlung nach StGB 292.

39. Worauf ist bei der Formulierung eines Unterlassungsbegehrens zu achten?

Das Rechtsbegehren ist so zu formulieren, dass es direkt ins Urteil aufgenommen werden könnte.

Es muss die zu unterlassene Handlung so genau umschreiben, dass es dem Strafrichter möglich ist, das in Frage stehende Verhalten auf Verstösse gegen das Urteil zu untersuchen.

Das Begehren und das Urteil müssen mit einer Strafandrohung nach StGB 292 versehen sein.

40. Wann kann eine Klage auf Beseitigung einer Persönlichkeitsverletzung eingereicht werden?

Solange die Verletzung andauert und noch behoben werden kann.