Personenrecht 3 - Die juristische Person

Bieri/Morand/Müller/Perren, Übungsbuch Personenrecht und Einleitungsartikel, 2. Aufl., Orell Füssli, Zürich 2015 Die juristische Person im Allgemeinen, Der Verein, Die Stiftung

Bieri/Morand/Müller/Perren, Übungsbuch Personenrecht und Einleitungsartikel, 2. Aufl., Orell Füssli, Zürich 2015 Die juristische Person im Allgemeinen, Der Verein, Die Stiftung


Kartei Details

Karten 62
Lernende 11
Sprache Deutsch
Kategorie Recht
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 21.03.2016 / 18.06.2024
Weblink
https://card2brain.ch/cards/persoenlichkeitsrecht_3_die_juristische_person
Einbinden
<iframe src="https://card2brain.ch/box/persoenlichkeitsrecht_3_die_juristische_person/embed" width="780" height="150" scrolling="no" frameborder="0"></iframe>

1. Wo ist das Recht der privatrechtlichen juristischen Person geregelt?

ZGB 52-89

2. Was unterscheidet die privatrechtliche juristische Person von den öffentlich-rechtlichen juristischen Personen?

Die rechtliche Grundlage der privatrechtlichen juristischen Person bildet das Privatrecht, d.h. ZGB und OR, diejenige der öffentlich-rechtlichen juristischen Person das öffentliche Recht.

3. Was bildet die verfassungsmässige Grundlage für die juristische Personen ganz allgemein?

Vereinigungsfreiheit BV 23 Abs. 2 und EMRK 11

Jede Person hat das Recht, Vereinigungen zu bilden, bei- und daraus wieder auszurtreten und sich an den Tätigkeiten von Vereinigungen zu beteiligen.

4. Was beinhaltet die sogenannte Vereinsautonomie?

Recht der Vereinigungen, sich autonum eine eigene innere Verfassung zu geben, d.h. mit Statuten die eigene Organisation und Beschlussfassung zu regeln.

Schranken werden durch zwingende Bestimmungen der Rechtsordnungen aufgestellt.

5. Was ist unter numerus clausus der juristischen Personen oder Typenzwang zu verstehen?

juristische Personen können nur in der Form gebildet werden, die das Gesetz vorsieht.

z.B. AG, GmbH, Verein, etc.; nicht GmbH & Co. KG

6. Was wäre ein Beispiel für eine Rechtsgemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit?

  • einfache Gesellschaft (OR 530 ff.)
  • Kollektivgesellschaft (OR 552 ff.)
  • Kommanditgesellschaft (OR 594 ff.)

7. Was ist der Unterschied zwischen einer Körperschaft und einer Anstalt?

Körperschaft: Zusammenschluss von mehreren natürliche/juristischen Personen zur Verfolgung von gemeinsamen Zwecken mit gemeinsamen Mitteln. Z.B. Verein

Anstalt: Zusammenfassung und rechtliche Verselbstständigung eines Vermögens, welches einem einmal festgelegten Zweck dient. Z.B. Stiftung

8. Welche juristischen Personen sind im ZGB geregelt?

Verein und Stiftung

9. Weshalb sind juristische Personen rechtsfähig?

von Gesetzes wegen: ZGB 53

Sie sind aller Recht eung Pflichten fähig, die nicht die natürlichen Eigenschaften des Menschen, wie Geschlecht, das Alter oder die Verwandtschaft zur norwendigen Voraussetzung haben.

10. Wie wird eine juristische Person handlungsfähig?

Eine juristische Person wird handlungsfähig, sobald die nach Gesetz und Statuten hierfür unentbehrlichen Organe bestellt sind (vgl. ZGB 54).

11. Hat eine juristische Person einen Wohnsitz?

Eine juristische Person hat einen Sitz, am Ort, wo ihre Verwaltung geführt wird, wenn es die Statuen nicht anders bestimmen (ZGB 56).

12. Wie bestimmt man, wer Organ einer juristischen Person ist?

formelle Organe: Organstellung gemäss Gesetz/Statuten

faktische Organe: Wer in der juristischen Person dauerhaft und selbstständig eine wichtige Aufgabe oder Funktion erfüllt.

12a. Welche Folgen hat die Organstellung?

Organe vertreten die juristische Person nach aussen.

Sie können, wenn sie als Organ handeln, im Namen der juristischen Person Verpflichtungen eingehen.

Die juristische Person hagtet somit für die Handlungen ihrer Organe.

13. Wie kann eine juristische Person aufgehoben werden?

  • Nach gesetzlichen Regelungen
  • durch Urteil
  • durch den Beschluss des willensbildenden Organs

14. Welche Regeln gelten für die Liquidation des Vermögens bei der Aufhebung einer juristischen Person?

ZGB 58:

Das Verfahren bei der Liquidation des Vermögens richtet sich nach den Vorschriften für die Genossenschaft (OR 913 i.V.m. OR 739-747)

15. Was ist ein Verein?

  • Eine körperschaftlich organisierte (d.h. rechtsfähige/verselbstständigte) privatrechtliche juristische Person.
  • Er besteht aus mehreren Mitgliedern,
  • die einen gemeinsamen (ideellen oder wirtschaftlichen) Zweck
  • mit gemeinsamen Mitteln verfolgen.

16. Was ist ein Verband?

ein dezentralistisch organisierter Verein, der den Vereinszweck durch mehrere Sektionen (=Mitglieder, z.T. selbst Vereine) verfolgt.

17. Was ist betreffend den Vereinszweck zu beachten?

Es werden Vereine mit ideellem und wirtschaftlichem Zweck unterschieden, wobei letzterer in der Erlangung geldwerter Vorteile für die Vereinsmitglieder liegt. Demgegenüber stellt der Zweck der Erlangung geldwerter Vorteile für Dritte einen ideellen Zweck dar. 

Der Gesetzgeber sieht lediglich Vereine mit ideelem Zweck vor. Wirtschafliche Zwecke sind folglich nicht erlaubt.

BGer: Vereine mit wirtschaftlichem Zweck (geldwerter Vorteil für die Mitglieder) sind nach dem Gesetzeswortlaut verboten, nach BGer-Praxis jedoch erlaubt, wenn sie selbst kein kaufmännisches Unternehmen führen (BGE 131 III 97 E. 3.1; z.B. Wirtschafts- und Berufsverbände, welche die wirtschatlichen Interessen ihrer Mitglieder wahrnehmen)

 

18. Kann ein Verein ein kaufmännsches Gewerbe führen?

Der Verein ist in der Wahl seiner Mittel frei. Er kann zur Erreichung seines Zweckes ein kaufmännisches Gewerbe betreiben (nicht jedoch zum Vorteil seiner Mitglieder, z.B. Wirtschafts- und Berufsverbände).

pro memoria:

Ein kaufmännisches Gewerbe ist eine selbständige, auf dauernden Erwerb ausgerichtete Wirtschaftliche Tätigkeit.

19. Wann erlangt der Verein die Rechtsfähigkeit?

Aus ZGB 52 Abs. 1 und ZGB 60 folgt, dass zur Entstehung des Vereins mit ideellem Zweck (Erlangung der Rechtsfähigkeit) folgendes zwingend vorausgesetzt ist:

  • Personenmehrheit
  • Gemeinsamer Zweck
  • Wille als Körperschaft zu bestehen
  • Schriftliche Statuten (Zweck, Mittel und Organisation)

Vereine, welche zur Zweckerreichung ein kaufmännisches Gewerbe betreiben oder nach ZGB 69b revisionspflichtig sind, sind zum deklaratorischen Eintrag in das HR verpflichtet.

20. Gibt es Formerfordernisse für Vereinsstatuten?

Die Statuten des Vereins sind schriftlich abzufassen müssen gemäss ZGB 60 Abs. 2 folgende Punkt zwingend umfassen:

  • Zweck
  • Mittel
  • Organisation

Sie haben Auskunft über den Vereinsnamen zu geben, welcher den Namensschutz gemäss ZGB 29 geniesst, nicht zu Verwechslungen führen und nicht täuschend sein darf (HRegV 92, BGE 5C.76/2004 E. 2.1).

Sitz: in den Statuten festzulegen, ansonsten befindet er sich gemäss ZGB 56 resp. HRegV 92 lit. b am Ort der Verwaltung (ständiges Sekretariat/Wohnsitz des Präsidenten).

21. Wann kann sich ein Verein mit ideeller Zwecksetzung im Handelsregister eintragen lassen?

ZGB 61 Abs. 1: der Verein ist befugt (nach Annahme der Statuten [Rechtsfähigkeit] und Bestellung der Organe [Handlungsfähigkeit]), sich ins HR eintragen zu lassen. Der Eintrag in das HR ist deklaratorisch.

Vereine, die ein kaufmännisches Gewerbe führen oder nach ZGB 69b revisionspflichtig sind, sind zum Eintrag verpflichtet. Der verpflichtete Verein besitzt einen Rechtsanspruch auf Eintragung.

pro memoria:

Eingetragene Vereine unterliegen der kaufmännischen Buchführungspflicht (gem. OR 957 ff.) verpflichtete sogar wenn sie die Eintragung ins HR unterlassen (ZGB 69a). Sie unterliegen durch den HR-Eintrag zudem dem ordentlichen Konkursverfahren.

 

22. Welche Regelungen gelten für die Gründungsversammlung vor rechtsgültigen Errichtung der Vereinsform?

ZGB 62: Die Gründungsversammlung unterliegt dem Recht der einfachen Gesellschaft.

23. Was gilt bei unvollständigen, lückenhaften Statuten?

Allgemein: Es gelten die subsidiären Bestimmungen des ZGB (ZGB 63 Abs. 1)

Lücke betr. Zweck, Mittel, Organisation: Zwingender Mindestgehalt der Statuten nicht erfüllt, d.h. der Verein ist nicht nicht rechtsgültig entstanden (ZGB 60 Abs. 2)

24. Kann der Vereinsvorstand/-präsident das oberste Organ im Verein sein?

Nein. Das oberste Vereinsorgan ist nach zwingender gesetzlicher Vorschrift die Vereinsversammlung (ZGB 64 Abs. 1).

25. Welche Aufgaben hat der Vereinsvorstand?

  • Einberufung der Mitgliederversammlung (ZGB 64 Abs. 2)
  • statutarische übertragene Aufgaben

26. Unter wessen Aufsicht steht der Vereinsvorstand?

Unter der Aufsicht der Vereinsversammlung (ZGB 65 Abs. 2).

27. Welche Aufgaben hat die Vereinsversammlung?

Es gilt generell eine Kompetenzvermutung nach ZGB 65 Abs. 1 zugunsten der Vereinsversammlung.

Wenn spezifische Organe nicht vorgesehen sind, fungiert die Vereinsversammlung als Schieds- und Kontrollorgan.

Sie ist Trägerin unentziehbarer Kompetenzen:

  • Statutenkompetenz,
  • Gründung und Auflösung,
  • Aufsichts- und Abberufungsrecht inkl. Recht auf Erteilung der Décharge

pro memoria:

Mit den unentziehbaren Rechten gehen die dafür notwendigen Informations- Auskunftsrechte und das Recht auf Rechenschaftsablegung einher.

28. Darf vom Grundsatz des Kopfstimmrechts abgewichen werden?

Die Mitglieder haben grundsätzlich das gleiche Stimmrechte (Kopfstimme).

Hiervon kann nur aus sachlichen Gründen (z.B. Stichentscheid, Mehrfachstimmrecht, Stimmrechtsentzug als Vereinsstrafe) abgewichen werden.

29. Kann ein Vorstandsmitglied jederzeit von der Vereinsversammlung abberufen werden?

Ja, Bei vorliegen eines wichtigen Grundes (ZGB 65 Abs. 3).

Die Statuten können die Abberufung auch ohne wichtigen Grund vorsehen.

pro memoria:

Ansprüche aus Organstellung (analog Arbeits-/Auftragsrecht) bleiben davon unberührt.

30. Ist auch der Zirkularbeschluss im Verein zulässig?

Die Möglichkeit des Zirkularbeschlusses muss in den Statuten geregelt sein.

Bei Zirkularbeschlüssen ist grundsätzlich Einstimmigkeit gefordert (ZGB 66 Abs. 2), sofern dies nicht statutarisch abgeändert wird.

 

31. Wann muss ein Vereinsmitglied in den Ausstand treten?

ZGB 68: Von Gesetzes wegen sind Mitglieder in bestimmten Fällen von möglichen Interessenskollisionen (persönliche Betroffenheit oder die eines nahen Verwandten) vom Stimmrecht ausgeschlossen.

Darüber hinaus sind aber auch weitere Konstellationen denkbar, in welchen sich eine Ausstandspflicht aufdrängt (Treuepflicht/Rechtsmissbrauchsverbot; ZGB 2 Abs. 2).

32. Darf ein Vereinsmitglied auch ohne gesetzlichen Grund in den Ausstand treten?

Nichts spricht dagegen

33. Darf ein Vereinsmitglied durch die Mitgliederversammlung grundlos ausgeschlossen werden?

Der Ausschluss ohne Grundangabe ist gestattet, wenn er statutarisch vorgesehen ist (ZGB 72 Abs. 1). Unbestimmt formulierte Ausschlussgründe wie Statutenverletzung, vereinsschädigendes Verhalten, sind dem Ausschluss ohne Grund gleichgestellt.

34. Kann die Mitgliedschaf in einem als Verein organisierten Golfklub vererbt werden?

Als höchstpersönliches Recht erlischt die Vereinsmitgliedschaft mit dem Tod des Vereinsmitglieds automatisch.

pro memoria:

Die Möglichkeit der Übertragung der Mitgliedschaft unter Lebenden oder von Todes wegen kann statutarisch zwar vorgesehen werden; gegen den Willen des Erben kann dieser aber nicht Vereinsmitglied werden.

35. Kann ein einstimmig gefällter Vereinsbveschluss von einem Vereinsmitglied angefochten werden?

Anfechtungsklage (ZGB 75):

Vereinsmitglieder können die Verletzung ihrer Mitgliedschaftsrechte sowie unrechtmässige Vereinstätigkeit im Allgemeinen anfechten. Nicht jedoch gegen faktisches Verhalten, dieses ist mit einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage zu bekämpfen.

Klagelegitimiert sind nur Mitglieder, die dem Beschluss nicht zugestimmt (d.h. dagegengestimmt haben, nicht anwesend waren oder sich enthalten haben).

pro memoria:

Die Mitgliedschaft muss auch im Zeitpunkt der Klageerhebung noch bestehen (ausser) der Ausschluss wird gerade angefochten.

36. Welche fehlerhaften Vereinsbeschlüsse sind anfechtbar, welche nichtig?

Anfechtungsobjekte: gesetzes- und/oder statutenwidrige letztinstanzliche Beschlüsse i.S.v. Willenserklärungen sämtlicher auch unterer Organe und gegebenenfalls auch von Einzelpersonen (auch Urabstimmungen und Beschlüsse der Delegiertenversammlung). 

Anfechtungsgrund: Verletzung von Gesetzen (insb. Vereinsrecht) oder Statuten. Verfahrensfehler führen nur zur Aufhebung des Beschlusses, wenn sie Zustandekommen ermöglichten (z.B. entscheidende Stimme eines Nichtmitglieds).

Nichtigkeit: Schwerwiegende formelle und materielle Mängel im Sinne von qualifizierten Normverstössen führen zur Nichtigkeit des Beschlusses. Alle Interessierten (auch Zustimmende) können solche Mängel unbefristet und ohne vorherige Ausschöpfung des vereinsinternen Instanzenzugs mit einer negativen Feststellungsklage geltend machen.

37. Braucht ein Verein eine Revisionsstelle?

Zur ordentlichen Revision ist ein Verein verpflichtet wenn er in 2 aufeinander folgenden Jahren 2 der folgenden Grössen überschreitet (ZGB 69b Abs. 1; 2x 10-20-50-Regel):

  • Bilanzsumme: Fr. 10 Mio.
  • Umsatzerlös: Fr. 20 Mio.
  • Durchschnittliche Vollzeitstellen: 50

Zu einer eingeschränkten Revision ist ein Verein verpflichtet, wenn dies ein Vereinsmitglied, welches persönlich haftet oder eine Nachschusspflicht trägt, es verlangt (ZGB 69b Abs. 2).

Ansonsten ist der Verein frei, die Art der Revision durch Vereinsversammlungsbeschluss oder statutarisch zu regeln (ZGB 69b Abs. 4) oder auch auf die Revision zu verzichten.

38. Wer haftet für die Schulden des Vereins?

Ist keine Nachschusspflicht oder persönliche Haftung in den Statuten vorgesehen, so haftet ausschliesslich das Vereinsvermögen (ZGB 75a).

Beachte: Zum Vereinsvermögen gehören auch die Beiträge der Vereinsmitglieder.

39. Stimmt es, dass ein Verein jeweils auf Ende seines Geschäftsjahres aufgelöst werden kann?

Die Vereinsversammlung kann jederzeit den Verein mit einfachem Mehr auflösen (ZGB 76). 

Die Statuten können weitere Voraussetzungen oder andere Quoren etc. vorsehen. Die statutarische generelle Unauflösbarkeit ist ausgeschlossen.