OR BT 1 - Kaufvertrag
Herzog/Lienhard, Übungsbuch Obligationenrecht Besonderer Teil, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2015
Herzog/Lienhard, Übungsbuch Obligationenrecht Besonderer Teil, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2015
Kartei Details
Karten | 105 |
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Lernende | 48 |
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Recht |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 17.08.2015 / 12.12.2024 |
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1. Wie wird der Kaufvertrag erfüllt?
Zug um Zug (OR 184 II)
- Bezahlung des Entgelts
gegen
- bewegliche Sachen durch Besitzesübertragung (bzw. Surrogate; ZGB 714 und 922 ff.)
- Grundeigentum durch eintragung in das Grundbuch (ZGB 656 ff.; Anmeldung beim Grundbuchamt)
- Forderungen werden zediert (OR 164 ff.)
- übertragbare Immaterialgüterrechte durch Willenseinigung und ev. Registereintrag
- Wertpapiere nach dem Typ des Wertpapiers
2. Wie wird der Kaufvertrag charakterisiert?
- keine Legaldefinition im Gesetz
- Verpflichtung zum Austausch von Sache gegen Geld
- vollkommen zweiseitiger Vertrag (Synallagma)
3. Wie ist das Kaufvertragsrecht im OR unterteilt?
- Allgemeine Bestimmungen (OR 184-186)
- Fahrniskauf (OR 187-215)
- Grundstückkauf (OR 216 - 221)
- Besondere Arten des Kaufs (OR 222 - 236)
- Kauf nach Muster
- Kauf auf Probe
- Vorauszahlungsvertrag
- Versteigerung
4. Welcher Natur ist die Sachübereignung und welche Folgen hat dies?
- Sachübereignung (Verfügungsgeschäft) ist kausaler Natur
- Gültigkeit des Verfügungsgeschäfts vom Bestand des Grundgeschäfts (Verpflichtungsgeschäft) abhängig
- ist das Verpflichtungsgeschäft ungültig/unwirksam, so kann
- die Sache vindiziert werden
- das Grundbuch berichtigt und
- der Kaufpreis mit der Kondition herausverlangt werden
5. Welcher Natur ist die Übertragung von Forderungen und welche Folgen hat dies?
- Die Übertragung einer Forderung ist abstrakter Natur
- ist das Verpflichtungsgeschäft ungültig/unwirksam kann die Übertragung der Forderung trotzdem gültig sein
6. Welche Pflichten hat der Verkäufer?
- Übergabe des Kaufgegenstandes (OR 184 I)
- Verschaffung des Eigentums und
- Erfüllung anderer Nebenpflichten (z.B. OR 188, Kosten der Übergabe/messen/wägen)
Die Verletzung von Nebenpflichten kann zu vertraglichen Haftung des Verkäufers führen.
7. Welche Pflichten hat der Käufer?
- Zahlung des Kaufpreises
- Annahme des Kaufgegenstandes (Obliegenheit -> Gläubigerverzug)
- Erfüllung von Nebenpflichten (z.B. OR 189 Transportkosten)
8. Was kann alles Kaufgegenstand sein?
- bewegliche und unbewegliche Sachen
- körperliche und unkörperliche Sachen
- absolute und relative Rechte
- sonstige Wirtschaftsgüter (Know-how, Goodwill, Kundschaft)
Achtung: vorbehältlich bestimmte Persönlichkeitsrechte, widerrechtliche Güter
Eine Sachgesamtheit bezeichnet mehrere selbständige Sachen, welche gemeinsam unter einem Titel verkauft werden.
Die Übertragung erfolgt jedoch gemäss dem Spezialitätsprinzip (dingliche Rechte können nur an einzelnen Sachen - nicht an Sachgesamtheiten- bestehen) für jede Sache einzeln nach den jeweiligen Regeln.
10. Wie kann ein Unternehmen gekauft werden?
Mittels "asset deal" oder "share deal"
Der "asset deal" ist der Kauf einer Sach- und Rechtsgesamtheit. Der Verkäufer haftet, ohne anderweitige Zusicherung, nur nach Sachmängelgewährleistung. Allerdings treffen ihn Nebenpflichten wie z.B. Geheimhaltung der Geschäftsgeheimnisse.
Der "share deal" ist der Kauf der Kontrollmehrheit der Unternehmensanteile (z.B. Aktien). Kaufgegenstand ist nur der Unternehmensanteil resp. das entsprechende Wertpapier, weshalb die Sachmängelgewährleistung auch nur diese betrifft.
11. Muss der Kaufgegenstand bei Vertragsschluss bestimmt sein?
Er muss anhand des Vertrages und der Umstände bestimmbar sein (auch Auswahl durch Dritte).
12. Muss der Kaufpreis bei Vertragsschluss bestimmt sein?
Es genügt die Bestimmbarkeit nach den Umständen (OR 184 III). Beim Fahrniskauf besteht die Vermutung, dass der Kaufpreis dem mittleren Marktpreis am Ort der Erfüllung entspricht, wenn nichts vereinbart wurde.
13. Was ist Gegenstand eines Grundstückskauf?
Ein Grundstück im Sinne von ZGB 655.
Als Grundstücke gelten (ZGB 655 II):
- Liegenschaften
- ins Grundbuch aufgenommene selbständige und dauernde Rechte
- Bergwerke
- Miteigentumsanteile an Grundstücken
14. Was ist Gegenstand eines Fahrniskaufs?
Gemäss OR 187 I ist jeder Kaufvertrag über etwas anderes als ein Grundstück ein Fahrniskauf.
Für den Forderungskauf und den Patentkauf sind die Regelungen des Fahrniskaufs unbefriedigend, sie werden als Kaufverträge sui generis behandelt, die Regeln des Fahrniskaufs kommen allenfalls analog zur Anwendung (z.B. Forderung Übertragung durch Zession, OR 171; Patent: Rechtsmängelgewährleistung für Nichtigkeit des Patents sondern nur für Eviktion durch Dritten desselben Patents, vgl. BGE 110 II 239)
15. Welche Regeln gelten, wenn eine Materie nicht in den Bestimmungen über den Grundstückkauf (OR 216-221) geregelt ist?
Gemäss OR 221 kommen die Regeln des Fahrniskaufs (OR 187-215) analog zur Anwendung.
16. Um was handelt es sich beim Gattungskauf?
Gattungskauf liegt vor, wenn der Verkaufsgegenstand nur qualitativ und quantitativ bestimmt ist. Die Unterscheidung zum Spezieskauf ist u.a. bei der Gefahrtragung wichtig.
17. Um was handelt es sich beim beschränkten Gattungskauf?
Der nach qualitativen und quantitativen Merkmalen bestimmte Kaufgegenstand ist nur in einer beschränkten Stückzahl vorhanden (d.h. wenn es nicht unendlich viele davon gibt resp. wenn diese nicht unbeschränkt hergestellt werden können, z.B. Bugatti Veyron)
18. Um was handelt es sich beim Spezieskauf?
Spezies- oder Stückkauf liegt vor, wenn eine genaubestimmte, individualisierte Sache als Kaufgegenstand geschuldet wird (z.B. das Orginalbild "Der Schrei").
19. Was sind vertretbare Sachen?
Vertretbare Sachen werden i.d.R. nach Zahl, Mass oder Gewicht bestimmt (z.B. 1 Kilo Reis)
20. Was sind unvertretbare Sachen?
Bei unvertretbaren Sachen ist die Individualität entscheidend (z.B. ein Bild von Picasso aber keines von Monet)
21. Welche Arten des Kaufs künftiger Sachen können unterschieden werden?
Kauf einer erhofften Sache (Emptio rei speratae):
- Kauf einer zukünftigen Sache, deren Entstehung noch ungewiss ist. Der Kaufvertrag ist suspensiv bedingt (z.B. nur wenn eine neu Staffel einer Fernsehserie überhaupt abgedreht wird).
Kauf einer Hoffnung/Chance (Emptio spei):
- Kauf einer Aussicht/Möglichkeit auf eine Sache. Der Kaufvertrag ist unbedingt (z.B. ein Lotterielos).
22. Welche Arten des Kaufvertrages werden durch den Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung unterschieden?
- Pränumerandokauf: Kaufpreiszahlung erfolgt vor Übergabe der Kaufsache
- Barkauf: Kaufpreiszahlung erfolgt gleichzeitig mit der Übergabe der Kaufsache
- Postnumerandokauf: Kaufpreiszahlung erfolgt erst nach Übergabe der Kaufsache.
Die Unterscheidung ist hinsichtlich der Verzugsfolgen von Bedeutung (OR 214).
23. Welche Arten des Kaufes können anhand des Erfüllungsortes unterschieden werden?
- Platzkauf: Erfüllungsort ist der gesetzliche Erfüllungsort (OR 74)
- Versendungskauf: Der Verkäufer hat den Kaufgegenstand an einen vereinbarten Ort zu versenden.
- Fernkauf: Der Verkäufer muss den Kaufgegenstand an einen vereinbarten Ort bringen.
Die Unterscheidung ist hinsichtlich der Gefahrtragung von Relevanz (OR 185 und OR 220).
24. Wie grenzt sich Kauf von Tausch ab?
Tausch: Sache gegen Sache
Kauf: Sache gegen Geld
Wird gleichzeitig eine Sache gegen eine Sache getauscht und die Bezahlung eines Entgelts vereinbart, so ist das Verhältnis der eingetauschten Sache zum Entgelt entscheidend (Tausch wenn Sache mehr wert ist, Kauf, wenn Anteil des Entgelts grösser)
25. Wie grenzt sich Kauf von der Schenkung ab?
Schenkung: Sache/Geld gegen nichts aber mit Schenkungsabsicht
Kauf: Sache gegen Geld
Speziell: gemischte Schenkung, bei welcher der vereinbarte Kaufpreis unter dem objektiven Kaufpreis liegt und bezüglich der Differenz eine Schenkungsabsicht vorliegt.
26. Was unterscheidet den Kauf von der Miete?
Miete: Gebrauch der Sache gegen Entgelt
Kauf: Eigentum der Sache gegen Entgelt
27. Was unterscheidet den Kauf vom Leasing?
Leasing: Gebrauchsüberlassung gegen Entgelt
Kauf: Eigentumsverschaffung gegen Entgelt
28. Wie grenzt sich der Kauf vom Werkvertrag ab?
Werkvertrag: individuell herzustellende Sache gegen Entgelt (z.B. Massanzug)
Kaufvertrag: (serienmässig hergestellte) Sache gegen Entgelt (Anzug ab Stange)
Trotz der Verfügbarkeit von Optionen (z.B. Laptop mit zusätzlichem Speicher) bleibt es ein Kaufvertrag.
29. Welche Formvorschriften gelten beim Kaufvertrag?
Grundsatz: formfrei (OR 11)
einfache Schriftlichkeit: unlimitiertes Vorkaufsrecht bei Grundstücken
qualifizierte Schriftlichkeit: Abzahlungsvertrag (KKG), Vorauszahlungsvertrag (OR 227a ff.)
öffentliche Beurkundung: Vorvertrag des Grundstückskaufs (OR 216 II), Grundstückkauf (OR 216 I), Begründung eines Kaufs-, Rückkaufs oder limitierten Vorkaufsrecht (OR 216 II).
30. Können die Parteien beim Kaufvertrag eine bestimmte Form vereinbaren?
nur wenn das Gesetz keine Formvorschrift vorsieht (OR 16 I). Wird eine Form vereinbart, so gilt die gesetzliche Vermutung dass die Gültigkeit von der Einhaltung der Formvorschriften abhängen soll (OR 16 I). Anpassungen und Änderungen des Vertrages unterliegen derselben Formvorschrift mit Ausnahme der Formvorschrift selbst, welche auch konkludent aufgehoben/verändert werden kann.
31. Welcher Form bedarf die Übertragung einer Forderung?
Das Verfügungsgeschäft (Übertragung) der Forderung stellt eine Zession dar und bedarf der einfachen Schriftlichkeit (OR 165 I).
Das Verpflichtungsgeschäft ist formlos gültig (OR 165 II).
32. Wann ist ein Kaufvertrag nichtig?
Wenn er gemäss OR 19 und OR 20 einen
- unmöglichen
- widerrechtlichen
- sittenwidrigen
Inhalt hat.
33. Worum geht es bei der Gefahrtragung und wo ist sie geregelt?
Die Gefahrtragung regelt die Verteilung des Risikos des zufälligen Untergangs/der zufälligen Verschlechterung der Sache zwischen Vertragsabschluss und Erfüllung.
OR 119 regelt grundsätzlich die unmöglich gewordene Leistung, kennt aber einen Vorbehalt der abweichenden Gefahrtragung (OR 119 III). Diese Gefahrtragung ist in OR 185 und OR 220 für den Kaufvertrag geregelt.
34. Welche Regelungen gelten hinsichtlich der Gefahrtragung?
vereinbarte Regelungen gehen vor, OR 185 gilt subsidiär.
OR 185 bestimmt, dass Nutzen und Gefahr
- grundsätzlich mit Vertragsabschluss (OR 185 I)
- beim Gattungskauf mit Ausscheiden der Ware (OR 185 II)
- beim Versendungskauf mit Versenden der Ware (OR 185 II)
- beim suspensiv (aufschiebend) bedingten Kauf mit Eintritt der Bedingung (OR 185 III)
auf den Erwerber übergehen.
35. Wann gehen Nutzen und Gefahr beim Spezieskauf über?
- Nach Vereinbarung
- subsidiär mit Vertragsabschluss
36. Wann gehen Nutzen und Gefahr beim Gattungskauf über?
- Nach Vereinbarung
- subsidiär mit Aussonderung der Ware (Trennung von der Gattung und Bereitstellen)
37. Wann gehen Nutzen und Gefahr beim Versendungskauf über?
- Nach Vereinbarung
- subsidiär mit Aussonderung und Übergabe zur Versendung
38. Wieso ist die Regelung der Gefahrtragung wichtig?
Der Verkäufer hat mit Übergang von Nutzen und Gefahr wird er behandelt als ob er erfüllt hätte (OR 119 III). Nur wenn die Sache durch sein Verschulden untergeht, schuldet er weiterhin die Erfüllung. Ist die Erfüllung gänzlich unmöglich geworden, z.B. Untergang der letzten seiner Art (Spezieskauf), so haftet er aus OR 97 I für das positive Interesse des Käufers wegen Verletzung einer Hauptpflicht.
39. Was ist ein Doppelverkauf?
Der Verkauf derselben Sache an mehrere Käufer.
40. Welche Ansprüche ergeben sich aus einem Doppelverkauf?
Durch die Erfüllung eines der beiden Kaufverträge wird der andere nachträglich subjektiv unmöglich, d.h. keine anfängliche objektive Unmöglichkeit nach OR 20, die den Vertrag nicht entstehen lässt.
Den Verkäufer trifft dabei ein Verschulden, so dass er aus OR 97 I für das positive Interesse des nicht bedienten Käufers haftet.
Der Erstkäufer hat Anspruch auf die Herausgabe des erzielten Kaufpreis (insb. des allenfalls höheren Kaufpreises des Zweitkäufers).