Lohaus Entwicklungspsychologie Kap. 5-8

B. Sc. Psychologie Fernuniversität Hagen

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Langue Deutsch
Catégorie Psychologie
Niveau Université
Crée / Actualisé 26.10.2014 / 02.06.2020
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Worum geht es bei der Entwicklungsdiagnostik?

Feststellung des Entwicklungsstandes eines Kindes und die Schlussfolgerungen, die sich daraus ergeben (also Status quo und Vorhersage)

Entwicklungstests orientieren sich vielfach am Lebensalter eines Kindes und gehen der Frage nach, ob ein Kind altersgerecht entwickelt ist.

Nachteile Entwicklungsdiagnostik

  1. es können kaum Rückschlüsse auf die Bedingungen gezogen werden, die zu einem Entwicklungsergebnis geführt haben
  2. vorrangig in Altersabschnitten einseztbar, in denen eine Reifunsabhängigkeit zu vermuten ist (frühe Lebensabschnitte)

Trotzdem haben lebensalterorientierte Entwicklungstests den größten Verbreitungsgrad.

Alternative zu lebenalterorientierten Entwicklungstests

Orientierung an Entwicklungssequenzen

  • Entwicklungsstand innerhalb einer Entwicklungssequenz diagnostizieren
  • durch Tests wird festgestellt, in welchem Entwicklungsstadium sich Kind befindet
  • Lebensalter spielt nur sekundäre Rolle

Vorteil:

  • kann über gesamte Lebensspanne genutzt werden
  • ermöglicht genaue Bestimmung des Entwicklungsstandes

Nachteil:

  • Entwicklungssequenz muss präzise bestimmt sein, bevor man versuchen kann eine Test zur Erfassung des Enwicklungsstandes innerhalb dieser Sequenz zu konstruieren
    -> es gibt aber wenige Entwicklungsbereiche, in denen der Forschungsstand so weit fortgeschritten ist, das das problemlos möglich wäre

Objektivität

Testergebnis muss unabhängig von Einflüssen des Untersuchers sein.

man unterscheidet zwischen:

  • Durchführungobjektivität
  • Auswertungsobjektivität
  • Interptretationsobjektivität

am besten erreicht man das durch standardisierung:

  • Durchführungsrichtlinien
  • Auswertungsrichtlinien
  • Interpretationshilfen für Testresultate

ABER: gerade im Kindesalter Grauzonen, da oft schwierig Handlungen des Kindes zu bewerten.

Reliabilität

Bezieht sich auf Zuverlässigkeit, mit der ein Test das misst, was er misst (unbahänig davon, ob es das ist, was er messen soll).

4 Formen:

  1. Retest-Reliabilität (führt Test bei Wiederholung zu vergleichbarem Ergebnis)
  2. Paralleltest-Reliabilität (führt Parallelform eines Tests zu vergleichbaren Ergebnissen)
  3. Split-Half-Reliabilität (führen beide Testhälften zu vergleichbarem Ergebnis -> spezifische Testhalbierung)
  4. Konsistenzanalyse (Aufschluss über durchschnittliche Reliabilität, die sich bei beliebigen Testhalbierungen ergeben würde -> Verallgemeinerung des Split-Half)

Bei 1. und 2. können sich Konfundierungen mit Entwicklungsveränderungen ergeben, da durch spätere Messung ein anderer Entwicklungszustand vorliegen kann. Es ist daher sinnvoll, das Zeitintervall so zu wählen, das noch nicht mit Entwicklungsveränderungen zu rechnen ist.

Validität

Misst Test das, was er messen soll?

Voraussetzung: reliable Messung

Validitätsformen:

  • Inhaltsvalidität (vom Augenschein her wird überprüft, ob Test das angezielte Merkmal abbildet -> z.B. feststellen ob Kind laufen kann, einfach laufen lassen)
  • kriterienbezogenen Validität (durch Korrelation mit Außenkritrien wird überprüft, ob Test misst was er soll, z.B. Kind mit höherem Lebensalter sollte besser abschneiden, weiter Möglichkeiten: Expertenurteile, schon existierende Entwicklungstests. Auch wichtig: prognostische Validität des Test -> künftige Entwicklung prognostizieren)
  • Konstruktvalidität (wird ein theoretisch postuliertes Konstrukt mit einem Erhebungsinstrument empirisch erfasst, s. Bsp. S. 65 unten)

Normierung

  • Erhebung von Normen, an denen ein Testergebnis gemessen werden kann
  • man kann feststellen, wie weit ein Kind im Verhältnis zu seinen Altersgenossen entwickelt ist
  • benutzt werden z- und T-Werte
  • wenn unter Altersnorm entwickelt: Entwicklungsverzögerung
  • wenn über Altersnorm entwickelt: Entwicklungsbeschleunigung

Screeningtests

  • für raschen Überblick über Entwicklungsstand Kind
  • kein hoher Zeitaufwand, nur allgemeine Aussage ob Kind altersentsprechend entwickelt oder Entwicklungsauffälligkeiten
  • Bei Auffälligkeiten müssen umfangreichere Tests gemacht werden

Bsp:

  • Erweiterte Vorsorgeuntersuchung (EVU)
    - Melchers et al.
    - kann zur Ergänzung der kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen U4-U9 eingesetzt werden
    - im Altersbereich von 3-64 Monaten
    - Dauer 10-20min
    - untersucht wird: motorische Entwicklung, Sprachentwicklung und kognitive Entwicklung
    - auch Fragebogen für Eltern über frühere Verhaltensauffälligkeiten
    - festgestellt wird ob unauffällig, grenzwertiger Befund oder Entwicklungsgefährdung
    - bei letzteren zwei weitere Diagnostik und evtl. Interventionsmaßnahemn
    - Reliabel und valide
  • Neuropsychologisches Entwicklungsscreening (NES)
    - Petermann und Renziehausen 2005
    - in den ersten beiden Lebensjahren

Allgemeine Entwicklungstests

allgemeinen Entwicklungsstand des Kindes differenzierter erfassen als mit Sreeningtest

Wiener Entwicklungstest (Kastner-Knoller und Deimann)

  • zw. 3-6 LJ,
  • 75-90 Min,
  • prüft:
    - Motorik
    - visuelle Wahrnehmung
    - kognitive Entwicklung
    - Sprache
    - Lern und Gedächtnis
    - souzial-emotionale Entwicklung
  • Reliabel, Valide und normiert

weitere Tests: "Entwicklungstest sechs Monate bis sechs Jahre" (ET 6-6) und "Barley Scales of Infant and Toddler Development, Third Edition" (Bayley III, v.a. im internationalen Raum gebräuchlich)

spezielle Entwicklungstests

erfassen einzelne Funktionsbereiche (wie Sprache, Motorik, Wahrnehmungsentwicklung, kognitive Entwicklung und Sozialverhalten)

Marburger Sprachverständnistest für Kinder (MSVK)

  • Elben und Lohaus
  • prüft Sprachverständnis von Kindern von 5-7 LG
  • Bereiche:
    - Semantik mit Untertests Passiver Wortschatz und Wortbedeutung
    - Syntax mit Untertests Satzverständnis und Instruktionsverständnis
    - Pragmatik mit Untertests Personenbezogene Sprachzuordnung und Sitautionsbezogene Sprachzuordnung
  • es werden keine Sprachäußerungen verlangt, es ist nur ein Sprachverständnis nötig (Aussagen zu Bilder zuordnen, z.B. "Nimm Regenschirm mit" dem richtigem Bild zuordnen)

weitere Sprachentwicklungstests:

  • Sprachentwicklungstest für zweijährige Kinder (SETK-2)
  • Sprachentwicklungstest für drei- bis fünfjährige Kinder (SETK 3-5)
  • Sprachscreening für das Vorschulalter (aus SETK 3-5 abgeleitet)
  • Entwicklungstest Sprache für Kinder von vier bis acht Jahren (ETS 4-8)
  • Elternfragebogen für die Früherkennung von Risikokindern (ELFRA)

Pränatale physische Entwicklung - Entwicklungsstadien

Zygotenstadium

  • von der Befruchtung bis zur Einnistung der befruchteten Eiszelle (Zygote)
  • ersten 2 Lebenswochen

Embryonalstadium

  • 3.-8. Lebenswoche
  • Entscheidende Entwicklungsmechanismen:
    - Zellteilung
    - Zellspezialisierung
    - Zellmigration (Wanderung der Zelle von Ausgangsort zu Bestimmungsort)
    - Zellsterben (programmierter Zelltod um überflüssige oder hinderliche Zellen zu beseitigen)
  • es findet bereits Differenzierung von Organsystemen statt
  • Parallel zum Embryo entwickelt sich Unterstützungssystem:
    - Plazenta (ermöglicht Stoffaustausch zw. Blutkreislauf Mutter und Kind, halbdurchlässig: lebenswichtige Stoffe kommen durch, Giftstoffe und Krankheitserreger werden zurückgehalten, gilt aber nicht für ALLE Substanzen)
    - Nabelschnur (dadurch verlaufen Blutgefäße, stellt Verbindung zw. Mutter und Embryo her)
    - Fruchtblase (schützt vor abrupten Bewegungen und Temperaturschwankungen)

Fötalstadium

  • 9. Woche bis Geburt
  • Binnendifferenzierung der Strukturen und Funtionen des Organismus stetzt sich fort
  • Informationen können sensorisch aufgenommen werden
  • Sinnesorgane entwickeln sich -> alle wesentlichen Sinnesleistungen (Sehen, Hören, Geschmack, Gerucht, Tastsinn) vorgeburtlich ausgebildet, aber nach Geburt noch Weiterentwicklung
  • Schmerzempfindung noch nicht hinreichend bekannt, aber man geht davon aus, das ebenfalls pränatal ausgeprägt
  • auch erste Verhaltensweisen erkennbar (Bewegungen, Schlaf-Wach-Zeiten, erste Lernerfahrungen

s. auch Tabelle S. 74

Was sind Teratogene?

schädliche Einflussfaktoren, die bereits pränatal die Entwicklung eines Kindes beeinträchtigen können.

Beispiele für Teratogene

  • Alkohol oder Drogen
  • Rauchen
  • spezifische Medikamente
  • Umweltgifte (Blei, Quecksilber, Pestizide) oder Strahelnschäden (radioaktive Strahlung)
  • Infektionserkrankungen der Mutter (z.B. HIV)

Bei Alkohol über längere Zeit in größerem Umfang kann es zur Alkoholembryopathie kommen: Organschäden, Intelligenzverminderungen und Verhaltensänderungen (z.B. Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität)

Rauchen kann zu Gewichtsreduktionen und verlangsamten Wachstum führen, Risiko für plötzlichen Säuglingstod erhöht.

Bestimmte Medikamente wirken teratogen (z.B. Thalidomid als Wirkstoff in Contergan). Medikamente in der Schwangerschaft können auch verzögerte Wirkung bei Kindern zeigen, z.B. erst viele Jahre später.

Wirkung Teratogene in der Embryonalzeit vs. Fötalzeit

  • Embryonalzeit v.a. strukturelle Veränderungen, also Schäden in der körperlichen Struktur wie geschädigte Organstrukturen und Fehlbildungen der Extremitäten
  • Fötalzeit v.a. funktionelle Veränderungen, also Beeinträchtigung körperlicher Funktionen, z.B. Intelligenzbeeinträchtigungen oder Verhaltensänderungen

Frühgeburten

  • Schwangerschaft im Durchschnitt 38 Wochen
  • es hat schon Überlebensfähigkeit mit medizinischer Unterstützung etwa mit 23 Wochen gegeben
  • zw. 23. und 26. SSW steigt Überlebenswahrscheinlichkeit um 2% je zusätzlichem Tag (also Überlebenswahrscheinlichkeit 16% in der 23. SSW, 57% in der 26. SSW
  • Aber spätere Entwicklungsdefizite bei Frühgeburten, Risiko medizinischer Komplikationen steigt (z.B. Hirnblutungen v.a. vor 27. SSW)
  • oft Spätfolgen, die sich in Intelligenzminderung, Lernstörungen und Verhaltensproblemen äußern können
  • manche Beeinträchtigungen können durch Fördermaßnahmen kompensiert werden

Apgar-Index

Überprüfung der Überlebensfähigkeit des Säuglings. -> Prognose der unmittelbaren Überlebensfähigkeit

5 Parameter werden beurteilt:

  • Herzfrequenz
  • Atmungsaktivität
  • Reflexauslösbarkeit
  • Muskeltonus
  • Hautfärbung

0, 1 oder 2 Punkte werden vergeben (s. Tabelle S. 76)

Erhebung des Apgar-Index 1, 5 und 10 Min nach Geburt

Säuglingssterblichkeit
 

  • am höchsten in den ersten 7 Lebenstagen, sinkt im Laufe des 1. LJ
  • 53,6% der verstorbenen Säuglinge in den ersten 7 Lebenstagen, 7-28. Lebenstag 15%, 28. Tag bis 12. Monat 31,4%

Plötzlicher Säuglingstod (sudden infant death syndrom, SIDS)

  • plötzliche und unerklärliche Todesfälle
  • mögliche Ursache: plötzliche und anhaltende Atemnunterbrechung aufgrund einer Fehlfunktion des Atemzentrums

Risiko erhöht sich durch:

  • bereits aufgetretener lebensbedrohlicher Zustand
  • an SIDS verstorbenes Geschwisterkind
  • Frühgeburt (vor 33. SSW) bzw. sehr niedriges Geburtsgewicht
  • Drogenkonsum der Mutter
  • Schlafen in Bauchlage
  • Rauchen während der Schwangerschaft
  • Rauchen in Gegenwart des Säuglings
  • Verzicht auf Stillen
  • Überwärmung des Kindes

 

zirkadiane Rhythmen

Endogene bzw. innere Rhythmen des Organismus, die der Apassung an die zeitlichen Abläufe in der Umgebung dienen und die typischerweise auf eine Tagesperiodik abgestimmt sind.
 

Schlaf-Wach-Rhythmus

  • ca. 16 Std. am Tag Schlaf (individuelle Unterschied zw. Säuglingen)
  • Differnezierung zw. tiefen, ruhigen und aktiven, unruhigen Schlaf möglich
  • ruhiger Schlaf: regelmäßige Atmung, geringe motorische Aktivität, geringe Muskelspannung
  • unruhiger Schlaf: unregelmäßige Atmung, leicht erhöhte Muskelspannung, motorische Aktivität (z.B. Bewegungen der Extremitäten, Grimassieren), schnelle Augenbewegungen zu beobachten (REM Phase)
  • Verhältnis REM- zu Non-REM-Schlaf verändert sich (Am Anfang 50% der Gesamtschlafzeit, 3-4 Jahre ca. 20%), Wichtig für Lernen und Informationsverarbeitung
  • Schlafintervalle werden mit der Zeit länger: Zunahme des Nachtschlafes, Abnahme des Tagschlafes (in ersten 3-4 LJ noch Mittagsschlaf benötigt)

Aktivierungszustand des Säuglings

  • ruhiger Schlaf
  • unruhiger Schlaf
  • Schläfrigkeit (Übergang zw. Schlafstadien und wacher Aufmerksamkeit)
  • wache Aufmerksamkeit (geringe Aktivität, entspannt, besonders günstig für Infoaufnahme)
  • aufmerksamer, aber quengeliger Zustand (Übergang zu Stadium Schreien - unzufrieden, Belastungen)
  • Schreien (für äußere Reize kaum noch ansprechbar)

s. Tabelle S. 79

Schreien

als Signal für die soziale Umgebung

Gründe:

  • Schmerzen
  • Hunger
  • Müdigkeit
  • Langeweile

Säuglinge unterscheiden sich hinsichtlich des Ausmaßes, in dem sie weinen, deutlich voneinander.

In Studie von Keller, Lohaus, Völker, Cappenberg und Chasiotis (98) kam raus, dass Spannbreite von ca. 1-12 Std. Weinen über 3 Tage zw. Kindern bestand. Weinhäufigkeit über Alter hinweg relativ stabil: Kinder die mit 3 Mo relativ viel wienen, zählten auch mit 1 Jahr eher zu Kindern mit erhöhter Weinhäufigkeit.

Was ist erfahrungsabhängige Plastizität des Gehirns?
 

Synapsen werden in Abhängigkeit von den Erfahrungen in der Interaktion mit der Umgebung gebildet.

z.B. Pianist verfügen über verstärkte kortikale Repräsentation der Finger

Was ist erfahrungserwartende Plasitzität?

Erst wenn ein spezifischer Input erfolgt, kommt es zu einer ungestörten Entwicklung bestimmter Funktionen.

z.B. Spracherwerb nur möglich, wenn in den ersten LJ Kontakt mit Sprache stattgefunden hat.

Was ist der zephalokaudale Trend?

Myelinschichten werden bei gehirnnahen Neuronen früher ausgebildet als bei den peripher lokalisierten Neuronen.

Somit folgt Motorik- und Wahrnehmungsleistungen ebenfalls diesem Entwicklungstrend. In der Motorik bedeutet das, dass das Heben des Kopfes und die Koordination der Gescichtsmuskeln bereits sehr früh erfolgen, während koordinierte Steuerung der Hand- und Fußmuskulatur erst später stattdinden.

Körperwachstum

  • Geburtsgröße ca. 48-53 cm
  • 18-25 cm Körperwachstum im 1. LJ
  • 10-13 cm Körperwachstum im 2. LJ, danach deutliche Abnahme
  • bis zur Pubertät durchschnittliches Wachstum von 5-6 cm
  • in der Pubertät wieder Wachstumsschub, ausgewachsen mit 14-18 Jahren (Mädchen früher als Jungs)
  • im Laufe der Entwicklung kommt es zu einer Veränderung des Kopf-Rumpf Verhältnisses

angeborene Reflexe des Säuglings (Frühkindliche Reflexe)

Funktion: Überlebenssicherung

  • Saugreflex
  • Rooting-Reflex (Säugling wendet sich Berührung zu in Erwartung einer Nahrungsquelle)
  • Greifreflex: Säugling hält sich dabei so fest, dass er sein eigenens Gewicht halten kann, diente ursprünglich dem Anklammern an Mutter
  • Schreitreflex
  • Schwimmreflex
  • Moro- oder Schreckreflex: wenn Säugling erschrickt, diente zur Anklammerung an Mutter

Reflexe die erhalten bleiben / verschwinden
 

erhalten: Rückziehreflex, Blinzelreaktion

verschwinden: Schreitreflex, Moro-Reflex (sollte mit 6 Mo weg sein)

Verschwinden einige Reflexe innerhalb eines best. Zeitfensters nicht, deutet das auf neurologische Störungen hin.

Methoden zum Nachweis von Sinnesleistungen im Säuglingsalter

  • Präferenzmethode: 2 Flächen werden gezeit (grau und grau gestreift s. 86), kann Säugling Streifen differnezieren, schaut es gestreifte Fläche länger an, da das Muster präferiert wird
  • Habituations-Dishabituations-Methode: 2 graue Flächen werden auf Monitor gezeigt, bis Säugling habituiert ist, danach wird eine Fläche durch Streifenmuster ersetzt (erst Streifen ganz eng, dann immer weiter auseinander) bis Säugling dishabituiert, sobald er Streifen von der grauen Fläche unterscheiden kann. Streifenmuster, bei dem Dishabituation erfolgt gibt Aufschluss über visuelles Auflösungsvermögen

visuelle Präferenzen von Säuglingen

Grund: visuelles Auflösungsvermögen noch nicht volle Leistungsfähigkeit erreicht

  • einfache vor komplexen Mustern
  • symmetrische vor unsymmetrischen Mustern
  • äußere vor inneren Konturen
  • kurvilineare vor geradlinigen Mustern
  • bewegte vor unbewegten Mustern

Musterergänzungseffekte

  • schon bei Säuglingen (nehmen virtuelle Quadrate wahr)
  • zeigt sich auch bei bewegten Mustern
  • mit 12 Mo noch komplexere Musterergänzungsleistungen möglich

Tiefenwahrnehmung

  • bei Geburt noch nicht vollständig ausgebildet, entwickelt sich erst in den ersten Lebensmonaten
  • sehr früh nachweisbar: Größenkonstanz
  • Nachweis der Größenkonstanz mit Habituations-Dishabituations-Paradigma
  • Tiefencues (Hinweis für räumliche Tiefe) erst deutlich später erworben -> näher liegende Objekte erscheinen größer als entfernte, obwohl man weiß, dass es sich um gleich große Objekte handelt, kann man aus den visuellen Größenverhältnissen auf die räumliche Entfernung schließen
    Nachweis durch visuelle Klippe (S. 90): Mit 6 Mo krabbeln Kinder nicht mehr auf Glasplatte, aber schon Reaktionen auf Tiefe mit 2-3 Mo
    -> Reaktion auf Tiefe nicht angeboren, sondern im Zusammenhang mit der Motorikentwicklung gelernt

Auditive Wahrnehmung

  • schon vorgeburtlich
  • schon 4 Tage nach Geburt kann Säugling Stimme der Mutter von anderen Frauen unterscheiden und zeigen Präferenz für Stimme der eigenen Mutter
  • gilt nicht für Stimme des Vaters! Grund sind vermutlich vorgeburtliche Erfahrungen mit der Stimme der Mutter
  • Säuglinge haben Präferenzen für hohe Töne und best. Rhythmen

Was ist intermodale bzw. crossmodale Wahrnehmung?

Die Integration von Informationen aus verschiedenen Sinsessystemen zu einem ganzheitlichen Sinneseindruck.

  • zeigt sich schon bei Neugeborenen
  • Studie: Bei unvollständiger Habituation kommt es vor, dass nach einer Habituationsphase nicht das neue Objekt, sondern das bereits bekannte Objekt präferiert wird.
  • Integration von visueller und auditiver Info kann schon deutlich früher als 5 Mo nachgewiesen werden: z.B. reagieren Säuglinge beunruhigt, wenn Stimme der Mutter nicht synchron mit den Lippenbewegungen ist (z.B. Video)

-> Fähigkeit zur intermodalen Wahrnehmung liegt schon von Geburt an vor, entwickelt sich aber mit zunehmender Erfahrung weiter

Bindungstheorie John Bowlby

Unterschieden wird

  • Bindungssystem (aufseiten des Kindes):
    • zielt auf Nähe und Sicherheit seitens der BP ab
    • versch. Verhaltensweisen um räumliche Nähe und emotionale Sicherheit zu erreichen (Weinen, Quengeln, Lächeln...)
    • Aktivierung, wenn Sicherheitsbedürfnisse bedroht, Deaktivierung, wenn Sicherheit erreicht
  • Fürsorgesystem (aufseiten der Bezugsperson)
    • geeignetes Fürsorgeverhalten (Streicheln, Wiegen, Singen...) um Bedürfnisse Kind zu befriedigen
    • Abruf von früheren Fürsorgeerfahrungen, die im inneren Arbeitsmodell gespeichert sind
    • bleibt durch neue Erfahrungen veränderbar

Wie wird das Fürsorgesystem aktiviert?

Durch Bindungsverhaltensweisen:

  • Weinen
  • Lächeln
  • Blickkontakt
  • frühkindliche Imitation

Lächeln: wichtig um Bindung der BP an Kind (auch Bonding), schon ab 1. Lebensmonat, aber noch nichtsoziales Lächeln (kann durch nichtsoziale Stimuli ausgelöst werden und ist nicht auf BP bezogen), ab 6-10 Wochen folgt echtes soziales Lächeln.

Frühkindliche Imitation: schon im Alter von wenigen Tagen zu Imitationsleistungen in der Lage (z.B. wenn BP Zunge rausstreckt), Imitation nimmt zw. 3. und 6. Monat wg. kortikaler Reorganisation ab, steigt danach wieder an.

Was ist eine wichtige Grundlage für das Entstehen einer sicheren Bindung des Kindes an BP?

Sensitivität der BP für die Signale eines Kindes

Was ist das intuitive Elternprogramm?

Verhaltensweisen der BP, die vermutlich evolutionsbiologisch entstanden sind und auf die Bedürfnisse von Säuglingen abgestimmt sind.

Welche Verhaltensweisen gehören zum intuitiven Elternprogramm?

  • Einhalten eines optimalen Reaktionszeitfenster: so können Säuglinge Zusammenhänge zw. eigenem Verhalten und Reaktionen in der sozialen Umgebung erkennen
  • verbales und präverbales Verhalten der Eltern: entspricht den auditiven und sprachlichen Kompetenzen von Säuglingen, hilft bei Lautbildung und bei Infoaufnahme
  • Herstellen und Aufrechterhalten von Blickkontakt: unterstützt frühe Verhaltensregulation des Säuglings
  • Regulation des Wachheits- und Erregungszustandes: Überprüfung des Aktivierungszustands des Kindes, ist Erregung zu hoch, wird es wieder durch Streicheln... reguliert

Wozu dient das elterliche Fürsorgeverhalten?

Dem Säugling Wärme und Sicherheit zu geben, aber auch frühzeitig Informationen bereitzustellen, die ihm Lernerfahrungen ermöglichen.

Die Bindung eines Kindes an seine BP erfolgt i.d.R. deutlich später als die Bindung der BP an das Kind.