Europarecht

§ 14/1 Grundfreiheiten (Allgemeines)

§ 14/1 Grundfreiheiten (Allgemeines)

Stefanie Holzmann

Stefanie Holzmann

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Flashcards 22
Language Deutsch
Category Law
Level University
Created / Updated 13.09.2014 / 04.01.2017
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Unterschied zwischen Grundrechte und Grundfreiheiten?

 

Grundrechte:

hat der EuGH als allgemeine Rechtsgrundsätze aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der MS und internationalen Menschrechtsverträgen der EMRK, abgeleitet und sind nunmehr in der GrC kodifiziert

 

Grundfreiheiten:

sie erfassen ausschließlich Behinderungen des Wirtschaftsverkehrs in der Union (Ausnahme: Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit auch gegenüber Drittstaaten)

Nenne die 6 Grundfreiheiten und

erkläre die Parallelität der Grundfreiheiten?

. Warenverkehrsfreiheit

2. Arbeitnehmerfreizügigkeit

3. Niederlassungsfreiheit

4. Dienstleistungsfreiheit

5. Kapitalverkehrsfreiheit

6. Zahlungsverkehrsfreiheit

 

 

„Parallelität der Grundfreiheiten“ = Grundsätze aus dem Recht einer Freiheit sind grds auf andere Grundfreiheiten übertragbar

 

Prüfungsschema der Grundfreiheiten

1. Anwendungsbereich

) sachlich: Grenzüberschreitung zB keine Inländerdiskriminierung, aber schon bei Rückkehrerfall

 

b) persönlich: zB Waren, Arbeitnehmer, etc

 

c) Ausnahmen: nur wenn ausdrückliche Ausnahmebestimmungen bestehen zB 45 Abs 4 AEUV für die öffentliche Verwaltung

 

d) keine lex specialis: zB Art 39 ff, 346 AEUV, Sekundärrecht

Entstehung von Inländerdiskriminierung bei den Grundfreiheiten?

 

entsteht, weil die Grundfreiheiten auch nichtdiskriminierende Beschränkungen für den Zugang von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital aus anderen MS verbieten. Verstößt eine solches Zugangshindernis gegen eine Grundfreiheit, bewirkt der Vorrang des U-Rechts, dass diese unanwendbar wird. Die betroffene nationale Regelung ist jedoch keineswegs nichtig, sondern gilt weiterhin für SV, die nicht dem U-Recht unterliegen

sie entsteht, weil sich die MS weigern, die nat Regelungen anzupassen, die Diskriminierung ist deshalb kein Gegenstand des U-Rechts und stell keine verbotene Diskriminierung dar, weil sie sich nicht im Handel zwischen den MS abspielt und kann nur nach Verfassungsrecht verboten sein

Berufung auf Grundfreiheiten im Rückkehrerfall?

 

Vorwurf, dass die Berufung untersagt wird, weil sie diese rechtsmissbräuchlich zum Zwecke der Umgehung der für sie im Herkunftsland geltenden nat Vorschriften in Anspruch nehmen, aber EuGH stellt fest, dass U-Bürger die rechtlichen Vorteile ausnutzen dürfen, somit gewähren die Grundfreiheiten ein Recht auf die Wahl der günstigeren Rechtsordnung

Berechtigte der einzelnen Grundfreiheiten?

grds können sich nat und jur Personen auf die Grundfreiheiten berufen

 

jur Personen, sofern diese

nach den Rechtsvorschriften eines MS gegründet worden sind und

ihren satzungsmäßigen Sit ihre Hauptverwaltung oder –niederlassung innerhalb der Union haben

 

Grundfreiheiten sind unmittelbar anwendbar und schaffen individuelle Rechte für den Einzelnen vor nat Gerichten/Behörden

 

Personenverkehr: U-Bürger und ihre Angehörigen aus Drittstaaten

Warenverkehrsfreiheit: knüpft an die Herkunft: Unionswaren

Kapital- und Zahlungsverkehr: Kapitalleistungen und Zahlungen im Verhältnis zu Drittstaaten den Wertübertragungen innerhalb der Union gleichgestellt

 

Prüfungsschema der Grundfreiheiten

2. Maßnahmen

 

Verpflichtete (Adressaten) der Grundfreiheiten?

Mitgliedstaaten:  staatliches Tun oder Unterlassen und staatliche Schutzpflichten (jeden rechtswidrigen Eingriff in den freien Verkehr von dritter Seite zu unterbinden, auch gegenüber privat errichteten Hindernissen aufgrund der Loyalitätspflicht)

 

Privatpersonen: private Maßnahmen: = Horizontalwirkung, die durch Effektivitätsprinzip begründet wird. Gilt für individuelle oder kollektive Maßnahmen, Private können sich auch auf Rechtfertigungsgründe berufen

 

Unionsmaßnahmen: dürfen Grundfreiheiten nicht beschränken à Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen nicht so genau geprüft wie bei anderen 2 wegen Ermessenspielraum

Horizontalwirkung bei den Grundfreiheiten

es handelt sich um eine unmittelbare Einwirkung der Grundfreiheiten auf den Privatrechtsbereich dh die Freiheiten sind im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen Privatpersonen vor nat Gerichten direkt anwendbar und nicht nur Auslegungsmaßstab

 

gilt für alle Freiheiten des Personen- und Dienstleistungsverkehrs, nicht aber für die Warenverkehrsfreiheit

 

gilt für kollektive Maßnahmen (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen) und für individuelle (alle Verträge zwischen Privatpersonen) in Bezug auf das Diskriminierungsverbot

 

Prüfungsschema der Grundfreiheiten

3. Beschränkungen

als Begriff für die von den Grundfreiheiten verbotenen Maßnahmen wird der Begriff der „Beschränkung“ verwendet

 

Verbot von Diskriminierung: unmittelbar und mittelbar (dass die Vorschrift dazu geeignet ist reicht)

 

Verbot nichtdiskriminierende Beschränkungen:

a) Grundsatz: Verbot jeder Behinderung des freien Verkehrs = allgemeines Beschränkungsverbot (Dassonville-Formel)

b) Eingrenzung auf nichtdiskriminierende Beschränkungen des Marktzugangs (Keck-Formel)

c) Eingrenzung für nichtdiskriminierende Beschränkungen durch weitere Kriteren (Kausalitätsprüfung)

Dassonville-Formel?

  • Jede Handelsregelung der MS, die geeignet ist, den inner(unionalen) Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ist als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen
  •  
  • später auch auf alle Personenverkehrsfreiheiten übertragen (Parallelität)
  •  
  • nat Recht wurde einer Verhältnismäßigkeitskontrolle unterworfen
  •  

viele begannen sich auf Grundfreiheiten zu berufen, obwohl kein Zusammenhang zu U-Recht bestand à daher: Eingrenzung durch EuGH à „bestimmte nat Vorschriften sind nicht geeignet, den Marktzugang zu versperren, sofern sie nichtdiskriminierender Natur sind = Konkretisierung der Dassonville-Formel, des Begriffs der Eignung zur Behinderung des innerunionalen Handels

 

Unterschied zwischen verkaufsbezogenen (Verkaufsmodalitäten) und produktbezogenen Bestimmungen?

 

 

verkaufsbezogene: die Art und Weise des Verkaufs von Waren

 

produktbezogene: betreffen die Ware selbst, dh bestimmte Vorschriften über Bezeichnung, Form, Abmessung, Gewicht, Zusammensetzung, Aufmachung, Etikettierung und Verpackung der Ware à sind stets verbotene Maßnahmen, selbst wenn sie nichtdiskriminierender Natur sind

 

Keck-Formel?

 

Die Anwendung von nat Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen MS ist nicht geeignet, den Handel zwischen den MS i Sd Urteil Dassonville unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen MS rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren

 

 

Erlaubte und nicht erlaubte Bestimmungen der Personenverkehrsfreiheiten?

erlaubt: Bestimmungen, die die Berufsausübung regeln, sie fallen nicht in den Anwendungsbereich der GrFr, sofern sie nichtdiskriminierender Natur sind

 

nicht erlaubt: Bestimmungen, die den Zugang zu einem bestimmten Beruf einschränken

 

 

daher: à Recht auf Marktzugang, das durch Zugangsbeschränkungen eines Bestimmungslandes oder durch Wegzugsbeschränkungen des Herkunftslandes verletz werden kann

 

Kausalitätsprüfung, ob nichtdiskriminierende Beschränkung vorliegt oder nicht?

Beschränkung der Grundfreiheiten scheidet aus, wenn die Behinderung des zwischenstaatlichen Handels nicht spürbar ist:

 

dh die aufgrund der nat Maßnahme geltend gemachte Beschränkung darf nicht von einem zukünftigen hypothetischen Ereignis also von einem ungewissen oder indirekten Ereignis, abhängig gemacht werden = Zurechnungszusammenhang zwischen Maßnahme und Handelsbeschränkung herstellen

 

Prüfungsschema der Grundfreiheiten

4. Rechtfertigungsgrund

Wann kann man sich darauf berufen?

Welche Rechtfertigungsgründe sind gerechtfertigt?

Was müssen die MS beachten?

wenn der betreffende Gesichtspunkt nicht durch Sekundärrecht abschließend geregelt ist sind diskr und nichtdisk RFG gerechtfertig

Rechtfertigungsründe sind ausschließlich nichtwirtschaftlicher Natur

  • ausdrückliche:

Rechtfertigungsgrund im Primärrecht = eng zu interpretieren, Beurteilungsspielraum der MS bei Auslegung, keine wirtschaftlichen Motive

  • (ungeschriebene) zwingende Gründe des Allgemeininteresses (Gebhard) bzw zwingende Erfordernisse (Cassis de Dijon) = jeder Grund, soweit nicht rein wirtschaftlich
  • Unionsgrundrechte als Rechtfertigungsgrund

 

Verhältnismäßigkeit:

  • geeignet
  • erforderlich

angemessen

Nenne ausdrückliche Rechtfertigungsgründe?

 

  • öffentliche Ordnung und Sicherheit
  • öffentliche Sittlichkeit
  • Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen
  • Schutz des Lebens von Tieren und Pflanzen

 

sind vertraglich ausdrücklich vorgesehene Ausnahmen, diskriminierende und nichtdiskriminierende Beschränkungen rechtfertigen

Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

 

der EuGH ha zusätzlich zu den geschriebenen Ausnahmen noch ungeschriebene Schranken für die Grundfreiheiten geschaffen, da die geschriebenen alleine nicht ausreichen, verbotenen nat Maßnahmen, die ein legitimes Regelungsziel verfolgen, zu rechtfertigen

 

der GH wendet auf beide Rechtfertigungstatbestände (geschrieben und ungeschrieben) dieselben Kriterien an, insb das Verhältnismäßigkeitsprinzip

 

Cassis de Dijon-Formel (ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe für Warenverkehrsfreiheit

 

Nat Handelsregelungen sind grds zulässig wenn

 

1) eine spezielle U-Regelung fehlt, weil der Rechtsbereich nocht nicht harmonisiert wurde

2) die nat Regelung nichtdiskriminierender Natur ist

3) sie erlassen wurde, um zwingende Erfordernisse im Allgemeininteresse gerecht zu werden und

4) verhältnismäßig ist

 

Nenne zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses?

 

  • Zweck einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit, des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes

 

  • kulturelle Gründe
  • Erfordernisse des Umweltschutzes
  • Schutz der Medienvielfalt

Schutz der Sozialversicherungssysteme

 

Gebhard-Formel (ungeschriebene Rechtfertigungsgründe für die Personenverkehrsfreiheiten)

Grundgedanke der Cassis-Formel auf Personenverkehrsfreiheiten übertragen:

 

Nat Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegende Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, müssen vier Voraussetzungen erfüllen:

1) müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden

2) müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein

3) müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten

4) sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung diesds Zieles erforderlich ist

Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Einschränkung durch Rechtfertigungsgründe durch MS?

die zum Schutz bestimmter Rechtsgüter ergriffenen Maßnahmen müssen gerechtfertigt sein(also unterliegen Befugnisse der MS gewissen Schranken) dh:

  • jede Regelung zur Einschränkung der Grundfreiheiten muss geeignet sein, das verfolgte Ziel zu erreichen
  • die Eingriffe dürfen nicht darüber hinausgehen, was für das angestrebte Ziel erforderlich ist
  • der Eingriff muss angemessen sein, als geeignetstes und mildestes Mittel wählen ( = Abwägung der betroffenen Rechtsgüter, zB werden nichtdiskriminierende Maßnahmen günstiger beurteilt als diskriminierende, oder Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung von Schutzstandards der MS)

à früher strenge Prüfung durch EuGH heute: Sache der einzelnen MS, ob eine Beschränkung einer Grundfreiheit zum Schutz der betroffenen Interessen wirklich erforderlich ist = nat Spielraum

Vorsorgeprinzip als allgemeiner Rechtsgrundsatz?

 

ist das Recht, auch bei unsicherer Beweislage zu handeln = Beweiserleichterung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zB: wenn Gesundheitsschädigung eines best Stoffes nicht derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht exakt festgestellt werden kann, reicht schon der Verdacht, dass es gesundheitsschädlich sein kann