Interkulturelle Handelskompetenz


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Flashcards 25
Language Deutsch
Category Social
Level University
Created / Updated 17.12.2013 / 16.08.2023
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Erläutern Sie das Beispiel der missglückten Zusammenarbeit zwischen dem amerikanischen Manager und seinem griechischen Mitarbeiter in einem amerikanischen Tochterunternehmen in Griechenland.

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Im Beispiel der Zusammenarbeit zwischen dem amerikanischen Boss und dem griechischen Mitarbeiter ist offensichtlich das Synthesekonzept nicht wirksam geworden. Beide Partner handeln im Verlauf der Interaktionssituation völlig aneinader vorbei.

Der amerikanische Vorgesetzte verfolgt einen mitarbeiterorientierten Führungsstil, indem er davon ausgeht, dass der griechische Mitarbeiter gewillt und qualifziert ist, sich an der Planung seiner Arbeitsaufgaben zu beteiligen, seine Arbeit zu organisieren und Verantwortung zu übernehmen. Das entspricht modernen amerikanischen Managementmethoden und der amerikanischen Auffassung von einem wirklichen Mitarbeiter. 

Der griechische Mitarbeiter dagegen ist es gewohnt, dass der Vorgesetzte über ein hohes Maß an Übersicht und Einsicht in arbeitsrelevante Zusammenhänge verfügt, dass er aus diesem Wissen heraus realistische und sachkundige Anweisungen gibt und dass sich der Mitarbeiter auf diese Anweisungen verlassen kann und ihnen zu folgen hat. Er geht sicher davon aus, dass der Vorgesetzte gerade für diese Führungsleistungen speziell ausgebildet und qualifiziert ist und dafür auch höher bezahlt wird als er. Für ihn ist nicht einsehbar, warum er sich über die Arbeitsorganisation wie Zeiteinteilung, Belastbarkeit und Dauer der Arbeitsverrichtungen Gedanken machen und Eigenverantwortung übernehmen soll. Das gehört seiner Auffasung nach nicht zu seinen Pflichten. 

Das im Beispiel sichtbar werdende unterschiedliche Verhalten der beiden Partner und die unterschiedlichen Interpretationen der Reaktionen des jeweiligen Gegenübers sind unter Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Auffasungen von Position und Rolle von Vorsgesetztem und Mitarbeiter, die einerseits unternehmenskulturspezifisch und darüber hinaus national-kulturspezifisch begründet sind, gut verständlich und nachvollziehbar. Diese national- und unternehmenskulturellen Verankerungen für das so unterschiedliche und unerwartete Partnerverhalten wird den handelnden Personen deshalb nicht bewusst, weil sie die Unterschiede als Fehlverhalten des jeweiligen Partners interpretieren. Einmal als Versagen und Inkompetenz der Führungskraft und zum anderen als mangelnde Organisationsfähigkeit und Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme. 

Wie wird die kulturkritische Überschneidungssituation beschrieben?

Der verbale Dialog wird unter der Rubrik "Verhalten" aufgelistet, die Gedanken, Absichten und Gefühle der Kommunikationspartner werden parallel dazu unter der Rubrik "Attribution" aufgeführt. Unter Attribution versteht man alles das, was Menschen ihrem Verhalten und dem ihrer Partner ursächlich an Merkmalen zuschreiben und unterstellen.

Was ist eine kulturelle Überschneidungssituation? Erläutern Sie in diesem Zusammenhang die Dynamik kultureller Überschneidungssituationen (siehe Bild 4, S. 46)

Eine kulturelle Überschneidungssituation bezeichnet eine Situation, in der die beteiligten Personen nicht allein aus einem kulturspezifischen Orientierungssystem heraus agieren können, sondern es mit 2 unteschiedlichen Orientierungssystemen zu tun haben, die mehr oder weniger deutlich wahrgenommen werden können. Die kulturelle Überschneidungssituation ist geprägt von Handlungsbedingungen und -anreizen, aber aufgrund der unterschiedlichen Kulturen auch von Handlungsgrenzen. Beide Kulturmerkmale müssen in Verbindung mit der beginnenden Entwicklung einer neuen, durch die beginnende Kommunikation und Interaktion entstehende "dritte" Kultur im Denken und Verhalten der beteiligten Personen zur Wirksamkeit kommen.

Kulturelle Überschneidungssituationen entstehen dann, wenn Fremdes für das Eigene bedeutsam wird und wenn es zu wechselseitigen Beziehungen zwischen Eigenem und Fremden kommt. Zwischen dem Eigenkulturellen und dem zunächst sehr fernen, dann aber immer näher rückenden Fremden entsteht ein Zwischenraum der Uneindeutigkeit, Vagheit und Neuartigkeit, der bedrohlich oder auch anregend wirken kann. Alltagssprachlich ausgedrückt, liegen hier die "Fettnäpfchen" bereit, in die man geraten kann, wenn man sich auf Fremdheit einlässt, aber zuwenig über sie weiß und nicht von ihren Merkmalen und Eigentümlichkeiten versteht.

Das interaktive Verhalten kann unter günstigen Bedingungen mal mehr vom Eigenen und mal mehr vom Fremden her bestimmt sein (wechselseitige Anpassung) und im ungünstigen Fall allein vom Fremden her (einseitiger Anpassungsdruck).

 

Inwiefern ist das Beispiel mit dem amerikanischen Manager und dem Griechen eine kulturelle Überschneidungssituation?

Der amerikanische Vorgesetzte bzw. der Grieche sind im jeweiligen Land aufgewachsen, sozialisiert, ausgebildet, beruflich qualifiziert und erfolgreich. Vorurteile scheinen die Partner nicht gegeneinander zu hegen. Das Hierarchieverhältnsi (Amerikaner = Chef, Grieche = Mitarbeiter) wird von beiden akzeptiert. Beide Partner sind keine aggressiven Menschen. Zwischen ihnen geht es freundlich und gesittet zu, sie sind gutwillig, zielorientiert und um eine gute Zusammenarbeit bemüht. Sprachprobleme scheint es nicht zu geben. Beide verstehen, dass es darum geht, den Bericht zu erstellen und das bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Alles optimale Voraussetzungen für eine produktive Zusammenarbeit und doch kündigt der Grieche und überrascht damit den Amerikaner. Grund? Beide Partner denken und handeln aus ihrem eigenkulturellen Verständnis (monokulturelle) heraus, obwohl sie sich tatsächlich in einer kulturellen Überschneidungssituation befinden. Beide Personen sind fest davon überzeugt, dass der jeweilige Partner im Irrtum ist, sich falsch verhält und sein Verhalten keinen Sinn macht. Weiterhin sind die Partner sich weder ihres eigenkulturellen Orientierungssystems bewusst noch kennen/wissen sie etwas über das des anderen. Sie haben kein Verständnis dafür, dass in der kulturellen Überschneidungssituation ein interkulturelles Verhalten erforderlich ist, damit beide Seite zu ihrem Recht kommen.

Eigenes und Fremdes stehen hier in ständigem Wechsel miteinander, ohne aber zu so etwas wie einer Synthese zu finden und aus dem Interkulturellen Neues zu schaffen.

Welche 4 Typen der Verhaltensregulation lassen sich bei der Dynamik im Feld kultureller Überschneidungssituationen unterscheiden?

4 Typen der Verhaltensregulation im Feld kultureller Überschneidungssituationen:

  1. Dominanzkonzept
  2. Assimilationskonzept
  3. Divergenzkonzept
  4. Synthesekonzept

Erläutern Sie das Dominanzkonzept.

Dominanzkonzept:

Die eigenkulturellen Werte und Normen werden fremden Kulturen gegenüber als überlegen angesehen. Eigenes soll sich gegen Fremdeinflüsse durchsetzen und das Interaktionsgeschehen dominieren. So soll im angeführten Beispiel das amerikanische Führungskonzept auch für den griechischen Mitarbeiter gelten und das griechische Hierarchiekonzept (Paternalismus) auch für den die Zusammenarbeit mit einem amerikanischen Vorgesetzten. Deutsche Arbeitstugenden, westliche Methoden der Konfliktbehandlung, asiatisches Krisenmanagement, französische Problemlösungsstrategien usw. werden als die besten, bewährtesten und sachgerechtesten Lösungen angesehen und wie selbstverständlich gegenüber Lösungsformen durchgesetzt, die in anderen Kulturen entwickelt worden sind. Auf den Partner wird so lange Anpassungsdruck ausgeübt, bis er bereit ist und gelernt hat, sich in seinem Verhalten an den Kulturstandards des dominanten Partners zu orientieren.

Erläutern Sie das Assimilationskonzept.

Assimilationskonzept:

Die fremdkulturellen Werte und Normen werden bereitwillig übernommen und in das eigene Handeln integriert. Die Anpassungstendenzen an die fremde Kultur können so stark werden, dass ein Verlust der eigenen kulturellen Identität erfolgt und ein völliges Aufgehen in der Fremdkultur verursacht wird. Personen passen sich den nationalen und firmenspezifischen Normen und Werten der überlegenen und mächtigen Kultur an, um so der ständigen Kritik an ihrem Verhalten zu entgehen und den Anpassungsdruck seitens der Fremdkultur zu minimieren. Sie können auch von der Überlegenheit des fremdkulturellen Orientierungssystems überzeugt und bemüht sein, sich ihm anzupassen, wie das in Extremformen der Xenophilie (Fremdenliebe) in Erscheinung tritt. Die Übernahme des fremdkulturellen Orienterungssystems und die Bereitschaft zur Assimilation geschehen nicht selten auch aus rein pragmatischen Gründen, um den Leidensdruck zu minimieren, der aus dem ständigen Erleben von Diskrepanzen zwischen Eigen- und Fremdkultur entsteht.

Erläutern Sie das Divergenzkonzept.

Divergenzkonzept:

Werte und Normen beider Kulturen werden als bedeutsam und effektiv angesehen. Viele Elemente sind allerdings inkompatibel und führen in der Anwendung zu ständigen Widersprüchen. Da eine Integration nicht gelingt, kommt es zu unauflösbaren Divergenzen (Abweichungen) und ständigen Schwankungen zwischen dem eigenkulturellen und dem fremdkulturellen Orientierugnssystem. Besonders in der Anfangsphase der Bildung interkultureller Formen der Zusammenarbeit sind solche Prozesse zu beobachten. Dies führt zu Verunsicherungen bezüglich der für die Zusammenarbeit gültigen Werte, Normen und Verhaltensweisen und langfristig zur Reduzierung der Arbeitsmotivation, der Gruppenkohäsion (Gruppenzusammenhalt) und der Bindung an den Partner.

Erläutern Sie das Synthesekonzept.

Synthesekonzept:

Den Partnern gelingt es, bedeutsame Elemente beider Kulturen zu einer neuen Qualität (Gesamtheit) zu verschmelzen. Das Resultat besteht dann nicht mehr in der Bevorzugung einer der beiden Kulturen, sondern in einer aus den Ressourcen beider Kulturen gewonnen Neudefinition und Neuorganisation wichtiger Elemente, die dann für beide Partner normbildend werden. So können unter günstigen Bedingungen kulturelle Synergieeffekte entstehen.

Aus kulturellen Überschneidungssituationen ergeben sich 3 verschiedene Anforderungskomplexe, deren Bewältigung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Welche Anforderungskomplexe sind das?

Spezielle Anforderungen (Anforderungskomplexe) an die Bewältigung interkultureller Zusammenarbeit:

  • Anforderungen aus der eigenkulturellen Orientierung
  • Anforderungen aus der fremdkulturellen Orientierung
  • Anforderungen aus der interkulturellen Orientierung

Erläutern Sie den Anforderungskomplex "Anforderungen aus der eigenkulturellen Orientierung" bei der Bewältigung interkultureller Zusammenarbeit.

Anforderungen aus der eigenkulturellen Orientierung:

  • Menschen gehen davon aus, dass so, wie sie sich verhalten, auch alle anderen Menschen verhalten. Sie fühlen sich zu dieser Annahme berechtigt, weil  sie mit ihren Mitmenschen, die zur eigenen (Sub-)Kultur gehören, über ein hohes Maß an Gemeinsamkeit und Ähnlichkeit verfügen. Das ist der Grund, warum die Menschen sich unter normalen Umständen in der Interaktion und Kommunikation nicht permanent mit Konflikten, Missverständnissen und unerwarteten Reaktionen in der Interaktion mit ihren Partnern abgeben müssen, sondern relativ gut miteinander auskommen.
  • Wenn jemand erfährt, dass sich einzelne Personen in seiner gewohnten Umgebung nicht so verhalten, wie er es erwartet, dann führt dies zur Beunruhigung und macht nachdenklich. In besonders wichtigen oder häufig auftretenden Fällen versucht der Betroffene dann über Infos, Vertrauenspersonen herauszufinden, warum sich sein Partner nicht so verhält, wie er es erwartet hat und gewohnt ist.
  • Menschen gehen zudem davon aus, dass so, wie sie die Welt wahrnehmen und sie sich und ihre Umgebung beurteilen, wie sie die Welt und ihre Mitmenschen zu beeinflussen/steuern versuchen, es richtig und angemessen ist. Andere Formen der Wahrnehmung, Beurteilung und Beeinflussung, die sie erleben und über die sie sich Gedanken machen, werden von ihnen als falsch, nicht ganz richtig, lückenhaft, primitiv angesehen.
  • Die dem eigenkulturellen Orientierungssystem folgende Art der Informationsaufnahme-, verarbeitung, der Beurteilung und der Reaktionsweisen auf fremdes Verhalten sind dem Individuum im Laufe seiner individuellen Entwicklung (Sozialisation) zur Gewohnheit/alltäglichen Verhaltensroutine geworden und nicht mehr bewusstseinspflichtig. Nur dann, wenn nicht alles so gewohnheitsmäßig verläuft, wenn das Erwartete nicht eintritt und die Routine unterbrochen wird (z.B. bei Kindern, Älterern, Behinderten, Fremden), kommt es dazu, dass diese Abweichungen vom Selbstverständlichen z.B. mit Vertrauenspersonen bewusst thematisiert werden und als nachdenkenswert bzw. bedenkswert gesehen werden. Oft werden solche Abweichungen vom Gewohnten aber auch in Richtung auf die eigenen Erwartungen/Gewohnheiten hin interpretiert (assimiliert) oder sie werden, als zum Leben dazugehörig gesehen bzw. ertragen.

Aus dem Anforderungskomplex "Anforderungen aus der eigenkulturellen Orientierung" lassen sich spezifische Anforderungen definieren. Welche sind das?

Spezifische Anforderungen aus der eigenkulturellen Orientierung:

So ergibt sich aus der Tatsache, dass Menschen ihre eigenen, kulturspezifischen Denk- und Verhaltensgewohnheiten, die sie als unumstößlich richtig und sachgerecht angesehen, die zudem zur Gewohnheit und Routine geworden sind und die sie auf alle anderen Menschen hin generalisieren, im Zusammenhang mit dem Thema interkulturelles Lernen, Verstehen und Handeln eine spezifische Anforderung, die man so definieren kann:

Die eigenkulturellen Bedingungen des Wahrnehmens, Denkens und Verhaltens müssen thematisiert, reflektiert, in ihren Bedingungskonstellationen erkannt und in ihren Verlaufsprozessen und Wertungen verstanden werden. Dies erfordert das Kennenlernen des eigenkulturellen Orientierungssystems und seiner handlungsregulierenden Funktionen.

Erläutern Sie den Anforderungskomplex "Anforderungen aus der fremdkulturellen Orientierung" bei der Bewältigung interkultureller Zusammenarbeit.

Anforderungen aus der fremdkulturellen Orientierung:

Jeder Deutsche, der sein bisheriges Leben in der eigenen Kultur verbracht hat und nun ins Ausland geht, dort als Ausländer, speziell als Deutscher erkannt, mit Stereotypen oder mit Vorurteilen gegenüber Deutschen konfrontiert wird, findet sich plötzlich und  unerwartet in einer Situation wieder, die ihm höchst befremdlich erscheint. Er weiß natürlich, dass er Deutscher ist, hat sich aber nie Gedanken darüber gemacht, was dies im konkreten Umgang mit Menschen anderer Kulturen tatsächlich bedeutet. So kennt er zwar etwas von der dt. Geschichte, ist stolz auf die Leistungen der eigenen Kultur, ist informiert über die Schattenseiten der dt. Geschichte, aber es ist etwas anderes, wenn Menschen fremder Kultur, ihn direkt als Deutscher auf seine Zugehörigkeit zur dt. Kultur/Geschichte ansprechen und ihn evtl. dafür verantwortlich machen. Schon allein die Tatsache, dass Ausländer einen Deutschen nach bestimmten Ereignissen, Entwicklungen der Dt. Geschichte/Politik fragen oder von ihm Begründungen für spezifisches, aus ihrer Sicht ungewöhnliches Verhalten von Dt. wissen wollen, führt zu erheblichen Irritationen, weil der Gefragte so merkt, dass er dazu nichts sagen kann, weil er sich selbst nie Rechenschaft über solche, für einen Ausländer interessante und befragenswerte Ereignisse abgelegt hat. Erst im Ausland wird dem Deutschen so richtig bewusst, dass er Deutscher ist und was dies konkret für andere Menschen bedeutet. Diese Erfahrung kann zu dem Bewusstsein führen, dass vieles Vertrautes, nun aus der Perspektive des Partners einem selbst fremd vorkommt.

Menschen aus anderen Kulturen haben andere Formen des Wahrnehmens, Urteilens Empfindens und Handelns entwickelt. Sie sind über viele Generationen hinweg unter anderen geografischen, klimatischen, wirtschaftlichen, politischen, sozialen, religiösen und geistig-kulturellen Bedingungen aufgewachsen. Sie haben andere Überlebensstrategien und andere Formen der Problembewältigung und des sozialen Umgangs entwickelt. Zwar bestehen gewisse Ähnlichkeiten zwischen der eigenen und der fremden Kultur, die aber nicht unbedingt auf gegenseitige Beeinflussung, sondern z.T. auf parallele Entwicklungen zurückzuführen sind. So zeichnen sich geografisch weit entfernte Kulturen z.B. durch ein hohes Maß an Individualismus/Kollektivismus aus (vgl. Kulturdimensionen Hofstede).

Aus dem Anforderungskomplex "Anforderungen aus der fremdkulturellen Orientierung" lassen sich spezifische Anforderungen definieren. Welche sind das?

Spezifische Anforderungen aus der fremdkulturellen Orientierung:

Wer ineffektive und psychisch belastende Interaktionssituationen vermeiden will, muss in der Lage sein, die fremdkulturellen Bedingungen des Wahrnehmens, Denkens, Urteilens, Empfindens und Handelns zu erkennen. Daraus resultieren die Anforderungen:

  • die fremdkulturellen Bedingungen und Formen der Lebens- und Problembewältigung verstehen lernen und anerkennen, dass diese Formen durchaus ebenso vernünftig und sinnvoll sind wie die eigenen
  • akzeptieren, dass ein fremdkulturelles Orientierungssystem ebenso wie das eigenkulturelle nur eine Variante einer großen Vielfalt möglicher kultureller Orientierungssysteme darstellt
  • die Entwicklung eines Verständnisses zum Umgang mit diesem fremden Orientierungssystem und seinen Konsequenzen

Erläutern Sie den Anforderungskomplex "Anforderungen aus der interkulturellen Orientierung" bei der Bewältigung interkultureller Zusammenarbeit.

Anforderungen aus der interkulturellen Orientierung:

In vielen Fällen kommt es zu Begegnungen zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, in denen beide Partner zwar beobachten, dass ihr Denken, Urteilen und ihre Verhaltensweisen unterschiedlich sind, sie vergleichen sich miteinander, finden solche Vergleiche interessant, spannend und das vom Gewohnten abweichende Verhalten eines Fremden exotisch, ohne aber von dieser Fremdheit Bezug auf das eigene Denken und Verhalten merklich berührt zu werden. Wer z.B. eine komplett organisierte Pauschalreise bucht und sich dann als Teilnehmer einer deutschen Reisegruppe unter Anleitung eines sachkundigen Reiseführers durch fremdes Land bewegt, kann vieles von der fremden Kultur beobachten und erleben, er kann Exotisches genießen und von krassen Unterschieden zum Gewohnten emotional berührt und angesprochen sein, ohne sich ernsthaft mit der fremden Kultur auseinander setzen zu müssen.

Die eigene Betroffenheit setzt aber spätestens dann ein, wenn es darum geht, mit Menschen aus der anderen Kultur zusammenzuarbeiten und dies womöglich noch mit Blick auf das Erreichen eines gemeinsamen Ziels. Im Vergleich zum Pauschaltouristen ist z.B. eine Fach- und Führungskraft, die im Auftrag einer deutschen Firma ein Wirtschaftsunternehmen mit ausländischem und internationalem Personl im Ausland erfolgreich führen soll und deren Ansehen im Unternehmen und berufliche Zukunft vom Erfolg dieser Unternehmung abhängen, auf eine möglichst reibungslose und prdouktive Zusammenarbeit mit seinen fremden Partnern existenziell angewisen. Ohne deren Interesse ist jede noch so hoch qualifizierte deutsche Fach- und Führungskraft hilflos.

Aus dem Anforderungskomplex "Anforderungen aus der interkulturellen Orientierung" lassen sich spezifische Anforderungen definieren. Welche sind das?

Spezifische Anforderungen aus der interkulturellen Orientierung:

Im Falle der internationalen Zusammenarbeit reicht es nicht mehr aus, das Eigene zu reflektieren und das Fremde nur zur Kenntnis zu nehmen. Die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit provoziert und erzwingt die Bewältigung folgender Anforderungen:

Eigenes und Fremdes müssen unter den Bedingungen interkultureller Zusammenarbeit aufeinander abgestimmt werden. Dieser Abstimmungsprozess erfordert eine Distanzierung vom Gewohnten und Althergebrachten und einen Perspektivenwechsel in Bezug auf die Handlungsmöglichkeiten und Handlungsgrenzen des eigenen Orientierungssystems. Neue Möglichkeiten müssen erkannt und genutzt, aber neue Handlungsbarrieren auch anerkannt und geachtet werden.

Welche Schwierigkeiten treten bei der Anpassung unterschiedlicher Orientierungssysteme bei einer interkulturellen Kooperation auf?

Wenn beide Orientierungssysteme sehr unterschiedlich erlebt werden, und das auch noch von beiden Partnern, stellt sich die Frage, wer passt sein Orientierungssystem wem wie und in welchem Ausmaß an. In vielen Fällen alltäglicher interkultureller Begnung stellt sich meist ohne weitere Anstrengung seitens der Partner wie von selbst ein wechselseitiges Verständnis ein, schon allein aufgrund der äußeren Gegebenheiten. Wenn ein Franzose am Flughafen einen deutschen Firmenvertreter abholt, dann ist ihm klar, was zu tun ist: Er muss ihn in der Menschenmasse identifizieren, begrüßen, zum Konferenzort fahren und ihn auf dem Weg dorthin etwas unterhalten. Das erwartet auch der Deutsch.

Kommt der Franzose aber deutlich zu spät zum Flughafen, überspielt er nach einem langen Suchprozess diese Peinlichkeit mit besonders höflichem Verhalten, ohne einleuchtende Begründung für sein Fehlverhalten abzugeben und besteht er dann noch darauf, erst einmal in Ruhe zum Essen zu gehen, statt so schnell wie möglich zum Konferenzort zu reisen, dann ist das für den Deutschen äußerst irritierend. Dieser wird währenddessen ständig von dem Gedanken geplagt, etwas zu verpassen und in seinen geschäftlichen Anliegen zu kurz zu kommen.

Dadurch entstehen Erwartungs-, Bewertungs-, Entscheidungs- und Handlungsdifferenzen, die in der Regel nicht mit widrigen äußeren Umständen erklärt werden, sondern mit persönlichem Fehlverhalten, obwohl tatsächlich kulturell bedingte Unterschiede handlungswirksam sein konnten. Hier stellt sich die Frage, wer sollte sich wem und wie anpassen, damit nicht schon der Beginn einer solchen Begegnung im Desaster endet?

 

Erläutern Sie die 4 Handlungsschritte hinsichtlich der kulturellen Konvergenz und Divergenz bei interkulturellen Begegnungen.

Fasst man interkulturelle Begegnung als Prozessgeschehen auf, das von Absichten, Erwartungen, Wünschen und Hoffnungen der beteiligten Partner gesteuert wird, dann lassen sich folgende Handlungsschritte unterscheiden:

  1. Es wird zu prüfen sein oder es wird reflektierend erlebt oder es wird nur erahnt, inwieweit Eigenes und Fremdes miteinander übereinstimmen, ob kulturelle Konvergenz vorhanden ist.
  2. Es wird zu prüfen sein, in welchem Ausmaß und mit welcher Beständigkeit Eigenes und Fremdes voneinander abweichen, also mit welcher Qualtitä von kultureller Divergenz zu rechnen ist.
  3. Es wird zu prüfen sein, ob und inwieweit Eigenes und Fremdes nebeneinander bestehen können, ohne dass es zu ernsthaften Konflikten kommt, also ob kulturelle Kompatibilität hergestellt werden kann.
  4. Es wird zu prüfen sein, ob Eigenes und Fremdes unvereinbar sind, also kulturelle Inkompatibilität besteht, die gewollt ist, unvermeidbar ist oder unveränderbar erscheint.

Wenn zwischen dem eigenem und dem fremden Orientierungssystem Divergenzen festgestellt werden, die den beteiligten Personen aber im Sinne einer "kulturellen Veränderung" veränderbar erscheinen, dann hat dies mindestens 3 Konsequenzen. Welche sind dies?

3 Konsequenzen der kulturellen Veränderung

  1. Prüfung, was vom Eigenen in Richtung auf das Fremde geändert werden kann
  2. Prüfung, wie das Fremde in Richtung auf das Eigene geändert werden kann
  3. Prüfung, in welchem Ausmaß beide Partner wechselseitige Anpassungen vollziehen können und wollen

Inwiefern kann die kulturelle Veränderung durch Veränderung des Eigenen in Richtung auf das Fremde geändert werden?

  • Der Deutsche könnte die französische Art der Problembewältigung genießen nach dem Motto "Leben wie Gott in Frankreich", ohne Stress und doch irgendwie produktiv. Die zentrale Frage lautet dann: Wie weit kann und sollte eine solche Anpassung gehen? Keinerlei Anpassungsbereitschaft führt gewöhnlich zu erheblichne Problemen im Umgang mit Fremden. Ein solches Verhalten kann von den fremdkulturellen Partnern als arrogant, hochnäsig, dominant und abweichend empfunden werden. Auf der anderen Seite wäre eine völlige Anpassung des Eigenen an das Fremde schon deshalb unangemessen, weil der Partner ein gewisses Maß an kulturell authentischem Verhalten, aus seiner Sicht also fremdem Verhalten, erwartet.
  • Ein Deutscher, der in seiner eigenen Kultur sozialisiert worden ist, kann sich um Anpassung an die französische Kultur bemühen, er kann einiges von diesen fremdkulturellen Orientierungssystem übernehmen, sein eigenes damit anreichern und so flexibler und adäquater auf Fremdkulturelles reagieren. Er wird aber deshalb noch lange kein authentischer Franzose. Schon das Bemühen um eine völlige Anpassung an das Fremde läuft Gefahr, ins Lächerliche abzugleiten.

Inwiefern kann die kulturelle Veränderung durch Veränderung des Fremden in Richtung auf das Eigene geändert werden?

Es muss geprüft werdne, wie das Fremde in Richtung auf das Eigene geändert werden kann. Das kann in dem Bemühen bestehen, den Fremden auf die eigenen Gefühle und Verhaltensgewohnheiten so hinzuweisen, dass er bereit ist, sie zu erkennen, anzuerkennen und sich ihnen eventuell weitgehend anzunähern. Menschen werden, besonders wenn sie eine wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich mächtige Minderheiten in einem Land darstellen, wie z.B. Experten aus Industrienationen in einem Entwicklungsland, werden zwar nicht auf direkte Weise zur Anpassung gezwungen, doch werden sie sich indirekt dem dortigen kulturellen Orientierungssystem in vielen Teilbereichen anpassen müssen, um erfolgreich kooperieren zu können.

Inwiefern kann die kulturelle Veränderung durch wechselseitge Anpassung beider Partner vollzogen werden?

  • Wenn man das Aufeinandertreffen von Eigenem und Fremden als eine interkulturelle Begegnung auffasst und wenn beide Partner davon überzeugt sind, dass eine effektive und zufrieden stellende Zusammenarbeit nur möglich ist, wenn ein möglichst hohes Maß an gegenseitiger Wertschätzung und wechselseitiger Kontingenz das interaktive Geschehen bestimmen, dann muss geprüft werden, in welchem Ausmaß beide Partner wechselseitige Anpassungen vollziehen können und wollen, welche kulturspezifischen Merkmale der beiden Orientierungssysteme zu einem gegebenen Zeitpunkt und bei der Lösung einer bestimmten Aufgabenstellung ein Höchstmaß an Effizienz versprechen und inwieweit die Kombination beider Orientierungssysteme kulturelle Synergien erzeugen kann.
  • Chinesische Kriegstaktik: "Nur wer das eigene und das fremde kulturelle Orientierungssystem gut kennt, kann in einer interkulturellen Kooperation erfolgreich sein."
  • Da kulturelle Orientierungssysteme keine statischen Gebilde, sondern dynamsich und flexibel sind, enthält jede interkulturelle Begegnungssituation das Potenzial zur Schaffunge einer neuen Kultur und eines neuen kulturellen Orientierungssystems. Dies hat vielleicht zunächst nur für die beiden Partner Geltung, aber im Verlauf kann es darüber hinaus auch auf andere Personen, Gruppen und Organisationen Wirkung erzielen.
  • So ist die Misserfolgsrate bei internationalen Unternehmenszusammenschlüssen (Merger) darauf zurückzuführen, dass von einem der beiden Partner ein zu hohes Maß an einseitiger Anpassungsleistung erwartet und erzwungen wurde. Bei den Führungskräften und in der Organisation werden werder Zeit noch Kompetenz vorhanden, um aus 2 Organisationskulturen eine 3., für beide Partner akzeptable, erträgliche und effiziente neue Kultur zu schaffen, die es erlaubt, eine gemeinsame Identifikation mit Werten und Normen herzustellen.

Wie läuft die Interkulturalität in der Praxis ab?

  • Das kulturell Eigene ist vertraut, zur Gewohnheit geworden, nicht mehr bewusstseinspflichtig und wird als gut und richtig wahrgenommen. Das kulturell Fremde wird als störend, grundsätzlich defizitär, eher falsch als richtig, eher unvernünftig als vernünftig sowie generell als verbesserungsbedürftig wahrgenommen.
  • Das kulturell Fremde wird, da es meist an fremden Personen und in der Interaktion mit fremden Personen beobachtet und erfahren wird, in der Regel als personales Fehlverhalten wahrgenommen und gewertet. Dies entspricht dem in der Sozialpsychologie der Attribution gut untersuchten Phänomen der so genannten Korrespondenzneigung. Danach wird an Personen beobachtetes Verhalten nahezu ausschließlich auf personengebundene Eigenschaften des Handelnden zurückgeführt und situative Einflüsse auf das Verhalten werden übersehen, unterbewertet oder völlig vernachlässigt. Im hier vorliegenden Fall sind Personen, die nicht über kulturspezifisches Wissen, z.B. Merkmale fremdkultureller Orientierungssysteme, verfügen und keinerlei Sensibilität für die Bedeutung von kulturellen Orientierungssystemen aufgebaut haben, von sich aus nicht in der Lage, die durch ihre Korrespondenzneigung entstehenden Fehlurteile gegenüber dem Fremden zu erkennen und zu beheben.
  • Das Interkulturelle kann nur unter den Bedingungen einseitiger Dominanz und Unterlegenheit eines Partners gegenüber dem anderen mit bisher verfügbaren Mitteln (z.B. eigenkulturellem Orientierungssystem) organisiert werden. Unter allen anderen Bedingungen ist Neuartiges zu entdecken und zu entwickeln.

Inwiefern ist der Umgang mit Fremden von der eigenen Kultur bestimmt?

  • Nun ist aber zu beobachten, dass alle Kulturen kulturspezifische Formen des Umgangs mit dem Fremden und mehr oder weniger kollektiv verankerte Einstellungen gegenüber dem Fremden entwickelt haben. In wirtschaftlich und militärisch mächtigen Staaten sowie bei denen, die eine ungebrochene Jahrhunderte oder Jahrtausende alte Identität besitzen, entwickeln sich Formen kultureller Orientierung, die eher von Überlegenheit, Dominanz und geringer Flexibilität in Bezug auf Fremdheit bestimmt sind als bei Nationen mit einer wechselvollen Geschichte von Eigenständigkeit, Abhängigkeit und Anpassungszwang. So gesehen sind die interagierenden Partner in einer kulturellen Überschneidungssituation in ihrem Anpassungsverhalten keineswegs frei in der Entwicklung einer eigenen Anpassungsdynamik, sondern gebunden an die eigenkulturellen Vorgaben.
  • Unter diesen Bedingungen wird die Gestaltung von Interkulturalität in Richtung auf die Entwicklung kultureller Synergieeffekte erheblich erschwert. Wenn die Partner nicht zuvor ein gewisses Maß an Toleranz für Ambiguitäten, d.h. für das Aushalten und Akzeptieren von unklaren und widersprüchlichen Situationen und Verhaltensreaktionen entwickelt haben, ein gewisses Maß an Wertschätzung gegenüber fremden Spielarten der Lebensgestaltung, Lebensbewältigung und des sozialen Miteinanders als inntere Grundhaltung aufgebaut haben und auch eine gewisse Offenheit, Neugier und Fähigkeit zur Innovation in die interkulturelle Begegnung mitbringen, dann werden sie zwangsläufig im eigenkulturellen Orientierungssystem verhaftet bleiben oder spätestens dann, wenn es zu kulturell bedingten Konflikten in bedeutsamen Interaktionssituationen komm, dorthin zurückfallen.

Wie lässt sich Interkulturalität erfolgreich gestalten?

  • In Gesellschaften und Kulturen, die in hohem Maß an dem Prozess der Internationalisierung udn Globalisierung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens beteiligt sind, wird es darauf ankommen, über Fach- und Führungspersonal zu verfügen, das in der Lage ist, in diesem Sinn Interkulturalität zu gestalten. Diese Führungspersonen müssen einerseits eige klare eigenkulturelle Orientierung besitzen, andererseits Kenntnisse und Verständnis für fremdkulturelle Orientierungssysteme erworben haben und die erforderlichen interkulturellen Kompetenzen besitzen, um das Synergiepotenzial in interkulturellen Begegnungs- und Handlungssituationen erkennen und auswerten zu können.
  • Die hier geforderten Qualifikationen entwickeln sich nicht von selbst, z.B. durch "learning by doing", sondern bedürfen spezifischer Lernangebote und Qualifizierungsmaßnahmen, z.B. in Form kulturallgemeinen Trainings, kulturspezifischen Orientierungstrainings und interkulturellen Coachings.