Arbeitsrecht 5 - Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Studer/Sigerist, Übungsbuch Arbeitsrecht, 2. Aufl., Orell Füssli, Zürich 2013 Beendigung befristetes Arbeitsverhältnis, Beendigung unbefristetes Arbeitsverhältnis, zeitlicher Kündigungsschutz, Fristlose Kündigung, Folgen der Beendigung

Studer/Sigerist, Übungsbuch Arbeitsrecht, 2. Aufl., Orell Füssli, Zürich 2013 Beendigung befristetes Arbeitsverhältnis, Beendigung unbefristetes Arbeitsverhältnis, zeitlicher Kündigungsschutz, Fristlose Kündigung, Folgen der Beendigung


Kartei Details

Karten 84
Sprache Deutsch
Kategorie Recht
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 16.04.2016 / 09.06.2024
Weblink
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1. Woraus kann sich die Befristung des Arbeitsverhältnisses ergeben?

Die Befristung des Arbeitsverhältnisses kann sich aus

  • Gesetz (OR 344a II [Lehrvertrag], OR 354 [Heimarbeitsvertrag]
  • Vereinbarung (ausdrücklich/stillschweigend)

ergeben.

2. Kann ein befristetes Arbeitsverhältnis vorliegen, obwohl dessen Endzeitpunkt noch ungewiss ist?

Ja, der Endzeitpunkt muss lediglich objektiv bestimmbar oder zumindest ungefähr vorhersehbar sein.

3. Kann ein befristetes Arbeitsverhältnis vorliegen, obwohl der Eintritt des Endzeitpunktes an eine Bedingung geknüpft ist?

Nein, der Zeitpunkt kann zwar ungewiss sein, dass er eintritt muss sicher sein.

Bei einer Bedingung ist der Eintritt ungewiss.

pro memoria:

besteht die Bedingung im Ablauf einer gewissen Zeit, so spricht man von einer Befristung nicht von einer Bedingung.

4. Sind Arbeitsverhältnisse mit einer Höchst- oder Mindestdauer befristete  Arbeitsverhältnisse?

Nein, sondern unecht befristete Arbeitsverhältnisse.

Arbeitsverhältnisse mit Höchstdauer: können vor Ablauf normal gekündigt werden.

Arbeitsverhältnisse mit Mindestdauer: schliessen die Kündigung bis Ablauf der Dauer aus, danach können sie normal gekündigt werden.

5. Welche Beendigungsgründe gibt es bei befristeten Arbeitsverhältnissen?

  • Zeitablauf
  • Ablauf von 10 Jahren (OR  334 III)
  • ordentliche Kündigung während der Probezeit (je nach Lehrmeinung)
  • ausserordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (OR 337 I; Arbeitsverhältnisse über mehr als 10 Jahre)
  • Aufhebungsvertrag
  • Tod des Arbeitnehmers (OR 338 I)
  • Tod des Arbeitgebers (OR 338a I; bei Arbeitsverhältnissen die mit Rücksicht auf die Person des Arbeitgebers abgeschlossen wurden)

6. Was versteht man unter Kettenarbeitsverträgen?

mehrere lückenlos aneinander gereihte zeitlich befristete Arbeitsverträge (auch bei bestimmten untergeordneten zeitlichen Unterbrüchen).

7. Sind Kettenarbeitsverträge zulässig?

nur wenn die Befristung der einzelnen Arbeitsverträgen auf einem sachlichen Grund beruht. Sonst wird das Arbeitsverhältnis als unbefristet behandelt.

Kein sachlicher Grund, ist der zur Umgehung von

  • Kündigungschutzbestimmungen (OR 335c und 336c)
  • gesetzlichen Sozialleistungen
  • Entstehung gesetzlicher Ansprüche die von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängen.

8. Welche Auswirkungen hat der Tod des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers auf das - befristete oder unbefristete - Arbeitsverhältnis?

  • Tod des Arbeitnehmers: bewirkt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (OR 338 I)
  • Tod des Arbeitgebers: bewirkt die Beendigung wenn das Arbeitsverhältnis mit besonderer Rücksicht auf den Arbeitgeber eingegangen wurde (OR 338a II), ansonsten treten die Erben ein (OR 338a I).

pro memoria:

Der Arbeitnehmer kann, wenn er das Arbeitsverhältnis mit besonderer Rücksicht auf die Person des Arbeitgebers abgeschlossen hat, für erlittenen Schaden aus der vorzeitigen Beendigung Schadenersatz verlangen (OR 33a II)

9. Welche Beendigunggründe gibt es bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen?

  • ordentliche Kündigung
  • ausserordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (OR 337 I)
  • Aufhebungsvertrag
  • Tod des Arbeitnehmers (OR 338 I)
  • Tod des Arbeitnehmers (OR 338a I, wenn Arbeitsverhältnis mit besonderer Rücksicht auf die Person des Arbeitgebers eingegangen wurde)

10. Weshalb wird die Zulässigkeit von Aufhebungsverträgen beim Arbeitsverhältnis (nur) mit Zurückhaltung bejaht?

Die gesetzlich zwingenden Sozialschutzregelungen sollen nicht umgangen/ausgehebelt werden.

11. Welches sind die Rechtsfolgen eines unzulässigen, die zwingenden gesetzlichen Sozialschutzvorschriften umgehenden, Aufhebungsvertrages?

umstritten

BGer: Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages

Teil der Lehre: Arbeitsverhältnis ist beendet (wie bei ungerechtfertigter fristlosen Entlassung), die umgangenen Kündigungsbestimmungen sind anwendbar.

12. Weshalb ist der Aufhebungsvertrag vom Verzichtsverbot nach OR 341 I nicht betroffen?

OR 341 I erfasst bereits entstandene Forderungen.

Mit dem Aufhebungsvertrag werden noch nicht entstandene Rechte aufgegeben.

13. Welche Auswirkungen auf den Arbeitsvertrag hat die Unmöglichkeit der Arbeitsleistungen?

ursprüngliche Unmöglichkeit: Nichtigkeit des Arbeitsvertrages (OR 20 I)

nachträglich Unmöglichkeit: u.U. wichtiger Grund für sofortige Vertragsauflösung

pro memoria:

OR 320 III: der gutgläubige Arbeitnehmer kann sich auch auf den ungültigen (z.B. nichitgen) Vertrag wie auf einen gültigen berufen, wenn er bereits Arbeit geleistet hat.

14. Welche Arten von Kündigungen gibt es?

ordentliche Kündigung: kein wichtiger Grund, aber Beachtung von Fristen und Terminen

ausserordentliche Kündigung: wichtiger Grund, keine Beachtung von Fristen und Terminen

15. Ist eine bedingte Kündigung zulässig?

Grundsatz: Kündigung ist ein aufhebendes Gestaltungsrecht und bedingungsfeindlich.

Ausnahme: Potestativbedingungen, deren Eintritt vom Willen des Empfängers abhängen.

16. Bedarf eine Kündigung der Begründung?

Nein, nur auf Verlangen des Empfängers, dann aber schriftlich (OR 335 II)

17. Welche Rechtsfolge hat die Weigerung des Kündigenden, die Kündigung auf Verlangen ihres Empfängers zu begründen?

Begründungspflicht ist eine Ordnungspflicht, die Verletzung kann rechtliche Nachteile nach sich ziehen, z.B. bei der Beweiswürdigung

Die Kündigung bleibt von der fehlenden Begründung unberührt.

18. Was versteht man unter Änderungskündigung?

Eine Kündigung unter der Bedingung, dass der Empfänger eine bestimmte Änderung des Arbeitsvertrages ablehnt (Potestativbedingung ist zulässig).

19. Ist eine Änderungskündigung zulässig?

Grundsatz: Ja, die Bedingung ist vom Willen des Empfängers abhängig (Potestativbedingung)

BGer: Änderungskündigung missbräuchlich, wenn sich die belastende Änderungskündigung nicht sachlich (aus marktbedingten oder betrieblichen Gründen) rechtfertigen lässt.

20. Was ist eine Kündigungsfrist?

Zeitraum, zwischen dem Zugang der Kündigung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Beispiel:

Kündigungsfrist beträgt 3 Monate = Kündigung muss 3 Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim Empfänger zugehen.

21. Was ist ein Kündigungstermin?

Zeitpunkt, auf welchen das Arbeitsverhältnis endet.

Beispiel:

Kündigungstermine sind 1.1. und 1.6. = Arbeitsverhältnis kann (ordentlich) nur an diese Daten enden.

22. Was gilt, wenn der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ungleiche Kündigungsfristen haben?

OR 335a I: es gilt die längere Frist für beide Vertragsparteien (Parität der Kündigungsfristen, Paritätsgrundsatz)

23. Gilt der Grundsatz der Parität der Kündigungsfristen uneingeschränkt?

OR 335a II: Es ist erlaubt dem Arbeitnehmer kürzere Kündigungsfristen einzuräumen, für den Fall, dass der arbeitgeber aus wirtschaftlichen Gründen kündigt oder eine solche Absicht kundtut.

Die Einräumung solcher kürzeren Fristen kann einzelarbeitsvertraglich, normalarbeitsvertraglich, gesamtarbeitsvertraglich geschehen.

24. Wodurch wird die Länge der gesetzlichen Kündigungsfristen bestimmt?

im wesentlichen von der Dauer des Arbeitsverhältnisses (OR 335b und OR 335c).

25. Wie lange sind die gesetzlichen Kündigungsfristen?

  • während Probezeit: 7 Tage (OR 335b I in fine)
  • nach Probezeit (OR 335c):
    • im 1. Dienstjahr: 1 Monat
    • im 2.-9. Dienstjahr: 2 Monate
    • ab 10. Dienstjahr: 3 Monate

26. Was gilt von Gesetzes wegen als Probezeit und können davon abweichende vertragliche Abreden getroffen werden?

der erste Monat des Arbeitsverhältnisses (OR 335b I in fine)

Abweichung:

  • schriftlich,
  • durch Vereinbarung (Einzel-, Normal- od. Gesamtarbeitsvertrag),
  • verkürzen, wegbedingen, auf max. 3 Monate verlängern (OR 335b II;bei Lehrvertrag 6 Monate OR 344a IV)

27. Gibt es auch beim befristeten Arbeitsverhältnis eine Probezeit?

Die Existenz einer Probezeit ist in der Lehre umstritten

28. Haben die zeitlichen und sachlichen Kündigungsschutzbestimmungen während der Probezeit Geltung?

keine Geltung des zeitlichen Kündigungsschutzes (OR 336c und OR 336d).

sachlicher Kündigungsschutz (OR 336, OR 336a, OR 336b) ist in der Lehre umstritten.

29. Kann die Kündigungsfrist einzelarbeitsvertraglich unter einen Monat herabgesetzt oder ganz wegbedungen werden?

OR 335c II: Nein, unter einen Monat darf die Kündigungsfrist nur für 1. Dienstjahr und nur durch Gesamtarbeitsvertrag gesenkt werden.

30. Kann einzelarbeitsvertraglich ein anderer Kündigungstermin als das Ende eines Monats vereinbart werden?

umstritten.

Bejahender Teil der Lehre beruft sich auf den dispositiven Charakter von OR 335c II.

31. Hat der Arbeitnehmer einen Beschäftigungsanspruch?

Beim Lehrvertrag: Ja.

Beim regulären Arbeitsverhältnis:

  • Grundsatz: nein
  • Ausnahme: Ja, wenn Nichtbeschäftigung persönlichkeitsverletzend ist (z.B. Mobbing), Beschäftigung zur Erhaltung der Berufsfähigkeit erforderlich und dem Arbeitgeber zumutbar ist (z.B. Sportler).

32. Was bedeutet Freistellung?

Der Arbeitgeber verzichtet (bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses) auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers.

33. Gestützt auf welche Rechtsgrundlage hat sich der Arbeitnehmer den während der Freistellung anderweitig erlangten Verdienst anrechnen zu lassen?

umstritten.

BGer: Gesetzeslücke, Anrechnungspflicht aus analoger Anwendung von OR 337 II (Folgen ungerechtfertigter Entlassung)

h.L.: keine Gesetzeslücke, Anrechnungspflicht aus Annahmeverzug des Arbeitgebers (OR 324).

34. Darf der Arbeitnehmer während der Dauer der Freistellung bei einem Dritten eine neue Stelle antreten?

Grundsatz: Ja.

Ausnahme: Verbot durch Arbeitgeber wegen schützenswerten Interessen (an Konkurrenzverbot)

pro memoria:

Schützenswertes Interesse an Konkurrenzverbot wird nur bejaht, wenn ein nachvertragliches Konkurrenzverbot vereinbart wurde oder die Voraussetzungen gegeben wären, der Arbeitnehmer aber die Unterzeichnung verweigert.

35. Welche beiden wesentlichen Verfahrensvorschriften sind bei Massenentlassungen zu beachten und welches sind die Rechtsfolgen von Massenentlassungen, welche diese Vorschriften missachten?

  1. Arbeitgeber muss die Arbeitnehmervertretung resp. die Arbeitnehmer konsultieren (OR 335f)
  2. Arbeitgeber muss die beabsichtigte Massenentlassung dem kantonalen Arbeitsamt schriftlich anzeigen (OR 335g)

Wirkung eines Verstosses:

  • Massenentlassungen sind gültig,
  • ohne Konsultation ist die Kündigung aber missbräuchlich (OR 336 II c), Strafzahlung (OR 336a III)
  • ohne/verspätete Anzeige Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird hinausgeschoben (frühestens 30 Tage nach Mitteilung, OR 335g IV)

36. Bedarf die ordentliche Kündigung eines besonderen Grundes?

Nein (Kündigungsfreiheit; OR 335 I)

37. Kann der Arbeitnehmer auf den gesetzlichen Kündigungsschutz verzichten?

Im Voraus kann der Arbeitnehmer weder auf den sachlichen (OR 336) noch auf den zeitlichen (OR 336c) Kündigungsschutz verzichten.

Im Nachhinein kann darauf Verzichtet werden, aber nicht falls eine Rechtumgehung vorliegt.

 

38. Welches sind die Rechtsfolgen einer missbräuchlichen Kündigung?

  • Kündigung ist gültig
  • Entschädigungsanspruch wegen Missbräuchlichkeit (OR 336a I), nur bei Geltendmachung nach OR 336b

39. Ist die gesetzliche Aufzählung der Missbrauchstatbestände in OR 336 abschliessend?

Nein, eine Kündigung kann auch aus anderen Gründen missbräuchlich sein.

Insbesondere enthält auch das Gleichstellungsgesetz (GIG) weitere Missbrauchstatbestände (diskriminierende Kündigung, Rachekündigung)

40. Wodurch unterscheidet sich die Rachekündigung (OR 336 I d) von jener aufgrund des Gleichstellungsgesetzes (GIG 10 I und II)?

Bei der Rachekündigung nach GIG besteht die Möglichkeit, anzuordnen, dass das Arbeitsverhältnis durch Urteil fortgesetzt wird (Bestandesschutz, GIG 10 III).