Block 1: Allgemeine Haftungsvoraussetzungen

Haftpflichtrecht I VBV René Beck

Haftpflichtrecht I VBV René Beck


Set of flashcards Details

Flashcards 14
Students 322
Language Deutsch
Category Career Studies
Level University
Created / Updated 30.10.2015 / 06.06.2025
Weblink
https://card2brain.ch/box/allgemeine_haftungsvoraussetzungen
Embed
<iframe src="https://card2brain.ch/box/allgemeine_haftungsvoraussetzungen/embed" width="780" height="150" scrolling="no" frameborder="0"></iframe>

Class-Action-Verfahren / punitive damages / perte d'une chance

Erkläre die Begriffe

Class-Action-Verfahren: eine Zusammenfassung einer Vielzahl von Ansprüchen verschiedener Geschädigter zu einer einzigen Klage.

punitive damages: anglo-amerikanischer Rechtskreismit eigenem Rechtsinstitut, welches den Zweck verfolgt, den Schädiger zu bestrafen und diesen sowie evtl. zukünftige Täter damit abzuschrecken.

perte d'une chance: Alles-oder-Nichts-Prinzip, Bsp. ein Tennisstar verletzt seinen Arm vor dem Tennisturnier. Er kann am Turnier nicht teilnehmen und es entgeht ihm die Siegesprämie - respektive er "verpasst sie".

Was bedeutet Haftpflicht? (Allgemeiner Begriff)

Einstehen müssen für den einem anderen zugefügten Schaden oder immaterielle Unbill, welche eine Genugtuungsleistung auslöst.

Für was steht das Haftpflichtrecht? (im Allgemeinen)

Das Haftpflichtrecht ist die Gesamtheit der Bestimmungen, welche die Ersatzpflicht aus einer Schadenszufügung regeln.

Nenne die Allgemeinen Haftungsvoraussetzungen

1. Ersatzfähiger Schaden

2. Widerrechtlichkeit (gegen das Gesetz verstossen zu haben)

3. Adäquater Kausalzusammenhang (rechtlich-relevanter Zusammenhang)

4. Haftungsgrund

Ersatzfähiger Schaden (Differenztheorie)

 

Als Schaden gilt jede ungewollte Vermögenseinbusse, welche in einer Verminderung der Aktiven, einer Vermehrung der Passiven oder im entgangenen Gewinn bestehen kann.

Ersatzfähiger Schaden (Begriffspaare)

1. Mittelbarer und unmittelbarer Schaden

2. Direkter Schaden und indirekter Schaden (Reflexschaden)

1. Mittelbarer und unmittelbarer Schaden: Im Gegensatz zum unmittelbaren Schaden, welchr als direkte Folge des schädigenden Ereignisses zu betrachten ist, erscheint der mittelbare Schaden innerhalb der Kausalkette als Wirkung einer weiter entfernten Ursache (gleiche Person).

2. Direkter Schaden und indirekter Schaden (Reflexschaden): Hier geht es um die Frage, ob der Verursacher des ersten Schadens einer Person auch für den Reflexschaden einer anderer Person einzustehen hat.

Bsp.: Hunterfall (BGE 112 II 118) das Bundesgericht hat einem Vater, der ab der Botschaft über die Tötung seiner beiden Söhne einen Nervenzusammenbruch mit anschliessender Teil-Arbeitsunfähigkeit erlitt, Schadenersatz zugesprochen. Nach Meinung des Gerichts wurde der Vater in seiner körperlichen Integrität im Sinne eines Personenschadens verletzt und damit direkt geschädigt.

Ersatzfähiger Schaden

Zähle die Schadensarten (Kategorien) auf!

1. Personenschaden

2. Sachschaden

3. (reiner) Vermögensschaden

inkl. darauf zurückführende, bei der gleichen Person eintretende Vermögensschäden

Widerrechtlichkeit

Nenne die Erscheinungsformen und erkläre diese

Widerrechtlichkeit: Verstoss gegen eine allgemeine gesetzliche Pflicht

Erscheinungsformen: Erfolgsunrecht und Verhaltensunrecht

Erfolgsunrecht: Verletzung eines absoluten Rechtsguts, z.Bsp. Personen- oder Sachschaden (vorbehältlich eines Rechtfertigungsgrunds)

Verhaltensunrecht: Reiner Vermögensschaden durch Verletzung einer speziellen Schutznorm, die dem Schutz vor solchen Schädigungen dient

Widerrechtlichkeit

Zähle die Rechtfertigungsgründe auf und erkläre diese

1. Amtspflicht: Rechtmässige und verhältnismässige Ausübung der öffentlichen Gewalt (zBsp. Polizeieinsatz)

2. Einwilligung: z.Bsp. ärztliche Behandlung oder bei der Ausübung eines Sports

3. Notwehr: Schadenszufügung bei Abwehr eines Angriffs in berechtigter Notwehr

4. Notstand: Eingriff in fremdes Vermögen, um drohenden Schaden oder Gefahr von sich oder einem andern abzuwenden

5. Selbsthilfe: Sicherung eines berechtigten Anspruchs durch Selbsthilfe

Adäquater Kausalzusammenhang

Nenne die Definition vom natürlichen Kausalzusammenhang und dem adäquaten Kausalzusammenhang

natürlicher Kausalzusammenhang: Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände, ohne deren Vorliegen der Erfolg nicht oder nicht in der gleichen Weise oder nicht zur gleichen Zeit eingetreten wäre. (Ursache kann nicht weggedacht werden)

Bsp.: Infolge einer Unachtsamkeit kollidiert ein PW-Lenker mit einem korrekt entgegenkommenden Motorradfahrer, welcher sich beim Sturz eine  leichte Handverletzung zuzieht. Auf dem Weg zum Arzt wird der verunfallte Motorradfahrer von einem Tram erfasst und getötet.

adäquater Kausalzusammenhang: ein Ereignis erweist sich dann als eine adäquate und damit rechtserhebliche Schadenursache, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung generell geeignet war, einen solchen Schaden herbeizuführen, weshalb der Eintritt des Erfolgs durch das Ereignis allgemein als begünstigt erscheint.

Bsp.: ein angeketteter Hund schiesst aus einer Scheune heraus und zerreisst den Mantel eines Spaziergängers. Dessen Begleiter springt auf eine Leiter an einem im Bau befindlichen Silo, verfehlt die Sprossen und stürtzt in die Baugrube. Die Verletzungen seien die adäquate Folge des Angriffs durch den Hund.

Unterbrechung des Kausalzusammenhangs

Welche Unterbrechungsgründe gibt es?

Die Unterbrechung des adäquaten Kausalzusammenhangs ergibt sich aus dem Hinzutreten einer anderen adäquaten Ursache, welche eine derart hohe Intensität aufweist, dass die an sich adäquate (Erst-)Ursache nach wertender Betrachtungsweise als rechtlich nicht mehr beachtlich erscheint.

Unterbrechungsgründe, welche vom mutmasslichen Haftpflichten zu beweisen sind: höhere Gewalt (d.h. ein unvorhergesehenes, unvorhersehbares, aussergewöhnliches Ereignis, das mit unabwendbarer Gewalt von aussen hereinbricht), grobes Selbst- und grobes Drittverschulden.

Adäquater Kausalzusammenhang

Welche spezielle Konstellationen gibt es? Zähle sie auf und erkläre sie!

Konkurrenz von Teilursachen: Keine der Teilursachen hätte für sich alleine den eingetretenen Schaden bewirkt.

Konstitutionelle Prädisposition: Insoweit als der Schaden nicht unfallbedingt ist, wird er dem Haftpflichtigen nicht zugerechnet (gesundheitsbedingte Schadensanfälligkeit respektive Veranlagung des menschlichen Organismus)

Alternative Kausalität: von mehreren möglichen Ursachen hat nur eine Ursache (aber welche?) zum Schaden geführt. Bsp. zwei Jäger schiessen unabhängig voneinander auf ein Reh, wobei ein Wanderer getroffen wird. Es ist nicht eruierbar, wer den fatalen Schuss abgegeben hat. Somit kann - bei streng juristischer Auslegung keiner der Beiden haftpflichtrechtlich belangt werden.

Kumulative Kausalität: Jede Ursache hätte für sich allein bereits für den gleichen Schaden ausgereicht. Bsp. Gleichzeitige Verursachung eines Fischsterbens in einem Fluss durch die Abwässer von zwei Fabriken. Die Gifte jeder beteiligten Fabrik für sich allein hätten genügt, die Fische zu töten.

Hypothetische Kausalität: Der Schaden wäre aufgrund anderer Ursache ohnehin eingetreten (Vorzustand) Bsp. Der von einem Motorfahrzeug angefahrener Fussgänger erleidet einen Körperschaden und wird invalid. Seine konstitutionelle Prädisposition (vorbestehendes Rückenleiden) hat bereits im Zeitpunkt der Kollision zu wirken angefangen (gelegentliche Rückenbeschwerden) und hätte später ebenfalls zur Invalidität geführt.

Überholende Kausalität: Eine Schadenursache wird, bevor sie sich auswirkt, von einer anderen Ursache überholt, die dann den Schaden herbeiführt. Bsp. ein Schiffspassagier verunfallt durch das Verschulden eines Matrosen und zieht sich so schwere Verletzungen zu, die mit Sicherheit zum Tod führen. Kurz darauf sinkt das Schiff in einem Orkan, bevor der noch lebende Verunfallte mit einem Helikopter evakuiert werden kann.

Haftungsgrund

Nenne die möglichen Haftungsarten und die Haftungsbegründenden Kriterien

Verschuldenshaftung: Menschliches Verhalten, d.h. Verschulden in der Form von Absicht oder Fahrlässigkeit.

Vertragliche Haftung: i.d.R. das Verschulden (eigenes oder dasjenige von Hilfspersonen)

Milde Kausalhaftung: Ordnungswidrigkeit oder Unregelmässigkeit je nach anwendbarer Rechtsnorm.

Scharfe Kausalhaftung (Gefährdungshaftung): Anknüpfung an Fahrzeuge, Anlagen oder Tätigkeiten mit besonderer Gefahren.

Staats- und Beamtenhaftung (meist Kausalhaftung): Funktioneller Zusammenhang zwischen dem Verhalten und einer amtlichen Tätigkeit.

Beweislast zu den einzelnen Haftungsvoraussetzungen

Schaden: der Geschädigte hat den geltend gemachten Schaden zu beweisen. Der betraglich nicht nachweisbare Schaden nach Ermessen des Richters.

Widerrechtlichkeit bzw. Vertragsverletzung: Die Beweislast liegt beim Geschädigten. Rechtfertigungsgründe sind hingegen vom mutmasslichen Haftpflichtigen zu beweisen.

Natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang: Die Beweislast liegt beim Geschädigten. Einwände (z.Bsp. Unterbrechungsgründe) sind vom mutmasslichen Haftpflichtigen zu beweisen.

Haftungsgrund: Die Beweislastverteilung ist abhängig von der anwendbaren Haftpflichtnorm.