Sozi
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Kartei Details
Karten | 63 |
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Sprache | Deutsch |
Kategorie | Soziales |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 26.07.2025 / 26.07.2025 |
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Ankerheuristik (Anchoring Heuristic)
Definition: Menschen orientieren sich bei der Schätzung numerischer Werte stark an einem willkürlichen Ausgangswert („Anker“), selbst wenn dieser offensichtlich irrelevant ist.
Studie: Tversky & Kahneman (1974) – Anchoring and Adjustment
Versuchsaufbau: Teilnehmer sollten zunächst zufällig generierte Zahlen (durch ein Glücksrad) sehen und dann schätzen, wie hoch der Prozentsatz afrikanischer Länder in der UNO ist.
- UV: Höhe des Ankers (niedrige Zahl z. B. 10 vs. hohe Zahl z. B. 65 vom Glücksrad)
- AV: Geschätzter Prozentsatz afrikanischer Länder in der UNO
Beobachtung: Teilnehmer, die eine niedrige Zahl gesehen hatten, schätzten deutlich geringere Prozentsätze als jene, die eine hohe Zahl sahen.
Interpretation:Selbst zufällige, irrelevante Zahlen beeinflussen Urteile. Die Teilnehmer passten ihre Schätzungen unbewusst in Richtung des Ankers an, was die starke Wirkung von Ankerwerten auf die Urteilsbildung verdeutlicht.
Korrespondenzverzerrung / fundamentaler Attributionsfehler
Menschen neigen dazu, Verhalten übermäßig auf Persönlichkeit zurückzuführen, selbst wenn die Situation offensichtlich eine Rolle spielt.
Moderatorvariablen:
• Kultureller Kontext: Individualistische Kulturen zeigen stärkere Verzerrung
• Kognitive Belastung: Unter Zeitdruck oder Stress ist Fehler wahrscheinlicher
• Motivation zur Korrektur: Bei genauer Reflexion oder hoher Verantwortung: weniger Verzerrung
Experiment: Jones & Harris (1967) – „Castro-Essay“-Studie
Die Korrespondenzverzerrung beschreibt die Tendenz, das Verhalten anderer Personen eher auf deren Disposition (z. B. Meinungen, Einstellungen) zurückzuführen – selbst dann, wenn es situationale Zwänge gibt, die das Verhalten erklären würden.
Versuchsaufbau: Teilnehmer lasen Essays, die entweder pro- oder anti-Castro argumentierten. In zwei Bedingungen wurde variiert, ob der Autor den Standpunkt frei wählen konnte oder ob er zugewiesen bekam, welche Position er vertreten sollte.
- Die Teilnehmer sollten anschließend einschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass der Essay-Autor tatsächlich pro- oder anti-Castro eingestellt ist.
Unabhängige Variable (UV):
- Position des Essays: pro-Castro vs. anti-Castro
- Wahlfreiheit: freie Wahl vs. keine Wahl (Zuweisung durch Versuchsleiter)
Abhängige Variable (AV):
- Einschätzung der tatsächlichen Einstellung des Autors zu Fidel Castro (auf einer Skala von „sehr anti“ bis „sehr pro“)
Beobachtung:
- Teilnehmer glaubten selbst in der „keine Wahl“-Bedingung, dass ein pro-Castro-Essay auf eine pro-Castro-Haltung des Autors hindeutet.
- Obwohl sie wussten, dass die Position vorgegeben war, schrieben sie dem Autor dispositionale Merkmale (z. B. politische Einstellung) zu.
Interpretation:
- Die Ergebnisse zeigen klar die Korrespondenzverzerrung: Menschen ignorieren oder unterschätzen situative Zwänge und neigen dazu, Verhalten auf stabile Eigenschaften oder Einstellungen der Person zurückzuführen.
- Selbst bei offensichtlicher Situationsabhängigkeit (z. B. Pflicht zur Meinungsäußerung) wird Verhalten als Ausdruck innerer Überzeugung interpretiert.
Stereotype Content Model – Inhalte & Folgen
Inhalte: Kombination von wahrgenommener Wärme und Kompetenz
Folgen:
• Emotionale Reaktionen (z. B. Neid, Mitleid, Verachtung)
• Verhaltenstendenzen (z. B. helfen, ignorieren, bekämpfen)
Implikation: Stereotype können sowohl positive als auch negative Emotionen & Diskriminierung fördern
Negativity bias
Menschen gewichten negative Informationen stärker als gleichwertige positive.
→ z. B. 1 negative Rückmeldung wiegt stärker als 5 positive
Evolutionär sinnvoll: Schutz vor Gefahren
➡️Führt zu verzerrter Informationsverarbeitung, z. B. bei Meinungsbildung oder Beziehungseinschätzung
Hindsight Bias („Ich hab’s doch gewusst“-Effekt) und stufir
Nach dem Eintreten eines Ereignisses wird dessen Vorhersehbarkeit überschätzt.
Studie: Fischhoff (1975)
Aufgabe: Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten historischer Ereignisse – nach Auflösung gaben Teilnehmer zu hohe Schätzungen an.
Interpretation: Wissen über den Ausgang verändert Erinnerung an ursprüngliche Einschätzung
Einflussfaktoren:
• Erklärbarkeit: Je „logischer“ das Ergebnis erscheint, desto stärker der Bias
• Selbstwertschutz: Man will sich als kompetent erleben
Confirmation bias und Studie
Menschen suchen, interpretieren und erinnern Informationen so, dass sie bestehende Überzeugungen bestätigen.
Westen et al. (2006) – fMRI-Studie zur Politik
Teilnehmer sahen widersprüchliche Infos über eigene & gegnerische Politiker.
Bei Widerspruch zum eigenen Kandidaten wurde präfrontaler Kortex gehemmt, stattdessen emotionale Zentren (insula) aktiviert
➡️Ergebnis: Motivierte Verarbeitung verzerrt Objektivität
Automatische vs. kontrollierte Prozesse – 4 Merkmale
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Beschreiben Sie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen, Einstellungen, Ideologien und Werten.
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Ambivalente Einstellungen
Ambivalente Einstellungen
• Eine ambivalente Einstellung liegt vor, wenn man gegenüber einem Objekt gleichzeitig positive und negative Bewertungen hat.
• Beispiel: Man liebt Schokolade (positiv), aber hat Angst vor Gewichtszunahme (negativ).
• Folge: Unsicherheit, schwächerer Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten.
M
Vier Einstellungsfunktionen (nach Katz, 1960)
1. Wissensfunktion
→ Strukturierung der Umwelt, Orientierung
Beispiel: „Ich lehne Atomkraft ab, weil ich glaube, dass sie gefährlich ist.“
2. Ich-Verteidigungsfunktion
→ Schutz des Selbstwerts
Beispiel: Vorurteile gegenüber anderen Gruppen zur Aufwertung der eigenen
3. Utilitaristische Funktion (instrumentell)
→ Belohnung maximieren, Bestrafung vermeiden
Beispiel: Positive Einstellung zu einem Produkt, weil Werbung Belohnung verspricht
4. Wertausdrucksfunktion
→ Ausdruck zentraler Werte
Beispiel: Vegetarismus aus Überzeugung für Tierwohl
Drei Mechanismen des sozialen Lernens (Bandura, 1977)
1. Beobachtungslernen (Modelllernen)
→ Einstellungen werden übernommen, wenn ein Modell (z. B. Eltern) positiv verstärkt wird
2. Konditionierung
• Klassisch: Produkt mit angenehmer Musik → positive Einstellung
• Operant: Zustimmung durch Umfeld → Einstellung wird verstärkt
3. Soziale Normen & Gruppendruck
→ Übernahme von Einstellungen, um dazuzugehören oder abgelehnt zu vermeiden
Mere exposur
Kognitive Dissonanztheorie (Festinger, 1957)
• Menschen streben nach konsistenten Kognitionen.
• Inkonsistenzen (Dissonanzen) erzeugen psychologisches Unbehagen, das reduziert werden soll.
Dissonanzreduktion durch:
• Einstellungsänderung
• Verhaltensänderung
• Rechtfertigung („self-justification“)
Kognitive Dissonanztheorie Experiment: Festinger & Carlsmith (1959) und Harmon Jones (2000)
• Aufgabe: Teilnehmer führen langweilige Aufgabe aus. Danach sollen sie anderen sagen, die Aufgabe sei spannend.
• UV: Bezahlung 1$ vs. 20$
• AV: Einschätzung der Aufgabe
• Ergebnis: 1$-Gruppe bewertete Aufgabe als interessanter → Dissonanz: „Ich habe gelogen, aber kaum Geld bekommen“ → Änderung der Einstellung
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Experiment: Harmon-Jones (2000)
• Framing eines schwierigen Entscheids (z. B. Jobwahl), dann Messung von Gehirnaktivität (EEG)
• Ergebnis: Hohe Dissonanz korreliert mit erhöhter Aktivität im anterioren cingulären Cortex → neurophysiologischer Beleg für Dissonanz
Aussage: „Kognitive Resonanzreduktion findet ausschließlich bei Menschen statt“
Falsch
• Studien zeigen, dass auch Tiere (z. B. Affen, Vögel) nach Wahlkonflikten Präferenzänderungen zeigen → Hinweis auf Dissonanzprozesse
• Beispiel: Brehm’s choice-induced preference change auch bei Tieren beobachtbar
Aussage: „Es gibt keine Belege dafür, dass Einstellungen von genetischen Faktoren beeinflusst werden.“
Falsch
• Zwillingsstudien (z. B. Eaves et al., 1999) zeigen: Einstellungen z. B. zu Politik, Religion, Autorität zeigen erbliche Komponente
• Genetik beeinflusst v. a. Persönlichkeitsmerkmale, die wiederum Einstellungen beeinflussen (z. B. Offenheit → Toleranz)
Heidersche Balance-Theorie
• Menschen streben nach kognitiver Konsistenz in sozialen Beziehungen
• Dreiecksstruktur: Person (P), Andere (O), Objekt (X)
Beispiel:
• P mag O, P mag X → erwartet, dass O auch X mag
• Unausgewogene Triade erzeugt Spannung → wird durch Einstellungsänderung aufgelöst
Unterschied indirekt vs direkt gemessenen Einstellungen
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Theory of Planned Behavior (Ajzen, 1991)
Erklärung von Verhalten durch drei Prädiktoren:
1. Einstellung zum Verhalten
2. Subjektive Normen (Was denken andere?)
3. Wahrgenommene Verhaltenskontrolle (Selbstwirksamkeit)
➡️Diese führen zur Verhaltensintention, die das tatsächliche Verhalten beeinflusst.
Embodiment / Embodied Social Cognition
• Kognition ist verkörpert – körperliche Zustände beeinflussen Einstellungen, Emotionen & Entscheidungen
• Beispiel: Lächeln (mit Stift im Mund) macht Cartoons witziger (Strack et al., 1988, aber repliziert kontrovers)
• Haltung, Mimik, Temperatur, Bewegung beeinflussen soziale Urteile
Feelings-as-information perspective und Experiment
Emotionen dienen als Informationsquelle bei Urteilsprozessen
• Menschen fragen sich unbewusst: „Wie fühle ich mich gerade?“ → und übertragen das auf z. B. Produkt oder Leben
Studie von Schwarz & Clore (1983): „Wetterstudie“
• Teilnehmer bewerteten Lebenszufriedenheit an sonnigen vs. regnerischen Tagen
• Ergebnis: Sonnige Tage = höhere Zufriedenheit
• Effekt verschwand, wenn Teilnehmer aufs Wetter hingewiesen wurden → zeigt, dass Gefühl als Information genutzt wird, wenn Quelle nicht erkannt wird
Moral Foundations Theory (Haidt & Graham, 2007)
Menschen beurteilen moralisch auf Basis von fünf (später sechs) evolutionär entstandenen Grundlagen:
1. Care/Harm (Fürsorge, Mitgefühl)
2. Fairness/Cheating (Gerechtigkeit, Betrug)
3. Loyalty/Betrayal (Gruppentreue)
4. Authority/Subversion (Respekt vor Autorität)
5. Sanctity/Degradation (Reinheit, Ekel)
(6. später: Liberty/Oppression)
Politische Ausrichtung beeinflusst Gewichtung:z. B. Liberale gewichten Care & Fairness stärker, Konservative alle 5 relativ gleich