FS25


Kartei Details

Karten 151
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 10.06.2025 / 12.06.2025
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Wichtig für die Etablierung einer Forschungsethik

  • Gesetzlicher Rahmen (HFG)
  • Raum und Zeit für gemeinsamen ethischen Diskurs in den Forschungsinstitutionen
  • Sensibilisierung der Forschenden in Aus- und Weiterbildung
  • Ethikcodex (institutionell und für gesamte Community)
  • Ethikkommissionen: 7 schweizerische Ethikkommissionen (swissethics.ch) und etliche Kommissionen auf Ebene Hochschulen
  • Bewilligungsverfahren und konsequente Sanktionen

Wissenschaftsethik

Zu diesen ethischen Grundsätzen und Regeln guter wissenschaftlicher Praxis gehören:

  • Gütekriterien der wissenschaftlichen Tätigkeit: methodische Prinzipien und Konzepte – z.B.: Objektivität, Reliabilität, Validität, Repräsentativität 
  • Methodenreflexion und Methodentransparenz
  • Peer-to-peer Prozesse
  • Redlichkeit der/des Forschenden

Wissenschaftsethik und Regeln guter wissenschaftlicher Praxis

Gütekriterien der wissenschaftlichen Tätigkeit:

  • Abhängig von spezifischer Methode: Qualitative vs. quantitative Methode

Methodenreflexion und Methodentransparenz

  • Grenzen der Methode
  • Aussagekraft der Resultate
  • Selbstkritische Dimension beachten

Reflexion auf eigenen Anteil der Forschenden auf Forschung

  • Subjektive Dimension des Forschungsinteresses (Selbstkritik) – Relevanzfragen beachten
  • Einfluss durch Methodenwahl und ideologische Positionen
  • Einfluss durch subjektive Faktoren bei Datengewinnung und -auswertung

Eine klassische Position zur Rolle der Forschenden

«Der Verhaltensforscher kann die Interaktion zwischen Objekt und Beobachter nicht in der Hoffnung ignorieren, sie werde sich schon allmählich verflüchtigen, wenn er nur lange genug so täte, als existiere sie nicht. Wenn man sich weigert, diese Schwierigkeiten schöpferisch auszuwerten, so kann man es nur zu einer Sammlung von immer bedeutungsloseren, zunehmend segmentären, peripheren und sogar trivialen Daten bringen ... Der Wissenschaftler sollte deshalb aufhören, ausschliesslich seine Manipulationen, am Objekt zu betonen, und stattdessen gleichzeitig – bisweilen ausschließlich – sich selbst qua Beobachter zu verstehen suchen» Devereux, Georges (1973)

Wissenschaftsethik und Wissenschaft

Selbstkritische Überlegungen auch in Hinblick auf Machtaspekte in Wissenschaftsbetrieb, die auf einen selbst als Forschenden einwirken

Beachten der eigenen Positionsmacht - wer forscht mit welcher Überzeugung

  • hinsichtlich der Objektivität
  • hinsichtlich der Vorstellung von Gesellschaft,
  • Hinsichtlich der Vorstellung von Menschsein, Individualität

Wissenschaftshistorische und Wissenschaftssoziologische Dimensionen (selbst-)kritisch im Auge behalten:

  • Wie funktioniert Wissenschaft?
  • Welche Macht hat Wissenschaft in Gesellschaft (Medialisierung)?

Obwohl klar ist, dass es im Zusammenhang mit Wissenschaft klare ethische Prinzipien zu beachten gilt, kommt es immer wieder zu Handlungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, welche als ethisch heikel oder gar als unmoralisch zu bezeichnen sind. (Einige Fälle in der Präsentation)

Wissenschaftsethik – drei Problemfelder

Es lassen sich drei grosse Problemfelder finden, in die unethische Praktiken in der Wissenschaft eingeteilt werden können:

  • Betrug, Schwindel – Gründe: Ehrgeiz, Druck, publish or parish
  • Verdeckte Interessenlage – Finanzierung, politische Dimension, ideologische Forschung bzw. geschlossene Scientific Communitys
  • Persönlichkeitsrechtliche Probleme – Kein Schaden, Achten der Privatsphäre, Informationspflicht etc. – Gesetzlicher Rahmen vgl. Artikel 118b BV (gehört eher in Forschungsethik)

Wissenschaftsbetrug

Hauptsächliche Ursachen für Schwindel und Betrug bzw. für Freiräume, in denen unethische Forschung entstehen kann:

  • Publish or Perish: Wer nicht genügend schnell und häufig publiziert, hat schlechtere Karrieremöglichkeiten
  • Transparenz bezüglich Daten und Resultaten leidet unter Zeitdruck und Konkurrenzdruck (Konflikte über Autorenschaft, Urheberschaft, Matthäus-Effekt …)

Formen von Schwindel:

  • Falsche Daten, Auswahl oder Unterschlagung von Daten
  • Gewählte Ausschnitte von Graphiken zur Darstellung „falscher“ Eindeutigkeiten
  • Herstellung von geeigneten Daten, um eine Hypothese zu stützen
  • Einseitige Interpretation von Daten, um Hypothese zu stützen → Medialisierung der Forschung als Gefahr: einseitige Hervorhebung von medial verwertbaren Resultaten

Im Feld von theoretischen Arbeiten vor allem Plagiate:

  • Ghostwriting, Vollplagiat und Übersetzungsplagiat
  • Übernahme urheberrechtlich geschützter Texte ohne Quellenangabe
  • Aneignung geistiger Leistung anderer ohne Quellenangabe
  • Eigenplagiat, Selbstplagiat

Mittel gegen Wissenschaftsbetrug

Konkrete Massnahmen auf Ebene Wissenschaftspraxis:

  • Peer-to-peer Praxen ausweiten und verbessern (Problem: auch peer-review ist anfällig für Missbrauch)
  • Überprüfungsforschung intensivieren – Überprüfen der Replizierbarkeit
  • Überprüfungssoftware für Plagiate
  • Meldemöglichkeiten institutionell und öffentlich
  • Sanktionen

Umfassender auf Ebene der Wissenschaftskultur:

  • Mehr Zeit für Forschung
  • Weniger Publikationsdruck (zum Beispiel in Hinblick auf Karriere)
  • Sensibilisierung in Ausbildung

Ethik und psychologische Tests

  • Psychologische Testverfahren haben einen forschungsrelevanten Anteil und unterliegen damit auch forschungs- und wissenschaftsethischen Überlegungen
  • Psychologische Tests: Diagnostisches Verfahren bei den Verhaltensweisen bzw. Persönlichkeitsmerkmale von Personen unter standardisierten Bedingungen erfasst werden

Es geht

  • einerseits um ethisch korrekte Weise der Testanwendung
  • anderseits um die ethisch relevante Einsicht, dass Tests bzw. Testkonzepte Teile der Konstruktion einer (psychologischen) Wirklichkeit sind. Insofern sind Tests Teil der Diskurse über Normalität und, mit Foucault gesprochen, Teil von Machtdispositionen

Tests sind Teil von Diskursen

  • Tests konstruieren Normalität (statistisch) und haben damit normierende Kraft
  • Tests sind damit Teil der Diskurse über Normalität
  • Diskurse sind für Michel Foucault Machtphänomene, die entscheidend Einfluss auf Möglichkeiten des Handelns haben. Sie konstituieren und restringieren das Handeln, indem in ihnen Regeln für das Handeln erzeugt werden. Diskursives Wissen schafft soziale Wirklichkeit (Normalität, Gesetze) und hat Zusammenhänge zur Folge, die das Handeln von Menschen ermöglichen oder verhindern können.
  • Mit Testungen werden somit Normalitäten stabilisiert

Dies gilt es in kritischer und ethischer Hinsicht immer mitzubedenken

Ethik in der Arbeits- und Wirtschaftswelt

Grosses Thema: Arbeitswelt und Arbeitsgesellschaft – hier ergeben sich vielfältige ethische Fragen

  • Ebene der Organisation(en) – Organisationsethik und Ethik in der Entwicklung von Organisationen (Unternehmensethik)
  • Ethik am Arbeitsplatz – Verhaltenskodex am Arbeitsplatz
  • Ebene der Unternehmungsführung – Führungsethik
  • Ebene der Arbeitsgesellschaft – gesamtgesellschaftlicher Gesichtspunkte

Arbeits- und Wirtschaftswelt aus sozialphilosophischer Sicht

  • Arbeit ist eine wichtige Form der Vergesellschaftung, insofern der Mensch mit seiner Arbeit sich in die Gesellschaft einbringt -> Individuelle und gesellschaftliche Aspekte
  • Hegel beschreibt mit dem „System der Bedürfnisse“ eine Gesellschaft, in der Menschen durch wirtschaftliche Tätigkeit aufeinander angewiesen sind – und in der soziale Anerkennung auch über ökonomische Rollen erfolgt: als Arbeitende (Produzent*in) und als Konsumierende. Dabei ist Anerkennung nicht nur moralisch, sondern auch institutionell über Märkte und Tauschverhältnisse vermittelt.
  • Wechselseite Befriedigung der Bedürfnisse
  • Arbeit erzeugt gesellschaftliche Anerkennung - über gesellschaftliche Achtung der Tätigkeit und über Bezahlung der Tätigkeit bzw. über Konsum der produzierten Güter
  • Politische Ökonomie stark an Arbeit und Arbeitsgesellschaft ausgerichtet (Marx, Smith etc.)

Sozialphilosophische Bestimmungen:

  • Die Arbeit als Form der Vergesellschaftung in der arbeitsteiligen Gesellschaft hat einen integrierenden Aspekt.
  • Die Arbeit integriert den Arbeiter in das gesellschaftliche Gefüge und lässt sie/ihn zu einem Teil des Ganzen werden
  • Aspekt der Selbstverwirklichung – in Fremd- oder Eigen-Arbeit
  • Wichtig aber auch der Konsumaspekt, insofern die produzierten Güter auch konsumiert werden wollen.
  • Andere Abhängigkeiten bei Konsum, da weniger Abhängig von Produktionsgütern, aber Abhängigkeit von Geld und Lohn

Einige Hinweise zur ethischen und philosophischen Dimension von Arbeit

Anthropologische Bestimmungen:

  • Arbeit ist eine Last; die Last der Daseinsvorsorge
  • Arbeit ist ein Gut, denn ohne Arbeit können wir nicht eigentliche Menschen werden (Recht auf Arbeit als Menschenrecht bzw. Bürgerrecht)
  • Arbeit schafft Sinn; sie gibt unserem Leben einen Sinn

Psychologische Momente:

  • Arbeit und Lohn bestimmen (meistens) Sozialprestige
  • Arbeitsort schafft Beziehungsnetz
  • Arbeit gibt Zeitstruktur

Ethische Aspekte

  • Arbeit hat in Arbeitsgesellschaft wichtige integrierende Funktion: Teilhabe, Anerkennung und Inklusion über Arbeit
  • Klassisch: Friedrich Engels (1876). Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen → «Arbeit schafft Menschen» (zentrale Bedeutung der Hand und des Handwerks)
  • Arbeit ist als zentral für Stellung des Menschen in einer Gesellschaft, die sich über weiter Strecken über Arbeit definiert (Arbeitsgesellschaft) → Die symbolische Ordnung der Arbeitsgesellschaft definiert hierarchische Ordnung der Klassen, Professionen und Geschlechter und damit indirekt der Menschen, die zu diesen Ordnungen gehören

Daraus resultieren erhebliche ethische Fragestellung zum Verhältnis von Mensch und Arbeit – menschengerechte Arbeit

Ethische Aspekte – unterschiedliche Themen im Feld der Arbeitswelt

  • Rahmung: Grundlegende Fragen zu Arbeits- und Wirtschaftswelt in Hinsicht auf Fertigkeiten und Bedürfnissen von Menschen: SDG der UNESCO
  • Unternehmensebene: Kultur, Werte, Leitbilder
  • Ethik in der Organisation und am Arbeitsplatz
  • Führungsethik
  • Menschengerechte Arbeitswelt
  • Zukunft der Arbeit: normative Aspekte

Ethische Dimension des Arbeits- und Wirtschaftslebens auf Ebene SDG

Verweisen auf Menschenrechte als Minimalstandards von Freiheit, Gleichbehandlung, Gerechtigkeit etc.- vgl. auch Ausführungen der ILO

Decent Work und Soziale Gerechtigkeit

Prinzipielle Aspekte der ILO:

  • Sicherheit (Arbeitsplatz, Einkommen, soziale Sicherheit, rechtliche Sicherheit, Nichtdiskriminierung)
  • Gleichbehandlung
  • Teilhabe (Beteiligung an Entscheidung, Meinungsäusserung)
  • Gesundheit und Qualifizierung

Ethische Dimension Bedürfnis und Bedarf

  • Bedarf schwieriger Begriff – Unterschied von Bedürfnis und Bedarf
  • Bedarf verweist auf legitimiertes Bedürfnis – politischer Diskurs der (Bedarfs-) Gerechtigkeit – vgl. Capability Ansatz von Nussbaum und Sen
  • Grundbedarfe als Grundlage für gerechte Gesellschaft – also auch für menschengerechte Arbeits- und Wirtschaftswelt

Ethische Fragen auf Unternehmensebene

  • Arbeits-Kultur von Organisationen ist heute zentral: Wertversprechen mit verschiedenen Adressaten
  • Instrument: Leitbilder und normative Positionierungen
  • Wichtig für Rekrutierung, Motivation und langfristige Bindung von Arbeitnehmer*innen
  • «Employer Branding» als Kulturauftrag
  • «Branding» auch wichtig für Kaufentscheide

Ethik auf oberste Ebene eines Managementkonzept

Normatives Management als übergeordnete Steuerebene

Normatives und teilweise auch strategisches Management brauchen Wertorientierung – Grundlagen einer Unternehmensethik

Leitbilder und normatives Management

Wertorientierung zumeist über Leitbild und Vision gesichert

Ethische Dimension von Leitbilder

  • Die Vision als Basisaussage repräsentiert den Willen eine Aufgabe und damit auch Verantwortung zu übernehmen
    –> Beispiel Siemens: „Wir verwirklichen, worauf es ankommt, und setzen Massstäbe, wie wir die Welt, in der wir leben, elektrifizieren, automatisieren und digitalisieren. Ingenieurskunst treibt uns an, und was wir schaffen, schaffen wir für Sie. Gemeinsam sind wir erfolgreich.“
  • Das Leitbild hat auf der Ebene der Ziele bereits die Aufgaben die generellen Ziele bzw. die Vision der Unternehmung in Hinblick auf die Werte zu definieren
  • Ein Leitbild ist aber immer noch recht abstrakt und ziellastig
  • Es zielt auf ein Verhalten der Unternehmung und der Mitarbeitenden gegenüber Mitarbeitenden, Kunden, Öffentlichkeit, politische Institutionen …

Leitbilder

Durch ein Leitbild sollen:

  • die Mitarbeiter sensibilisiert und motiviert werden
  • die notwendige Sicherheit im täglichen Tun gestiftet werden
  • die Identität der Unternehmung gestärkt werden – und zwar gegen innen und aussen
  • die Kontinuität gesichert werden
  • das Verantwortungsgefühl der Institution, aber auch des einzelnen Mitarbeiters gestärkt werden
  • Kontrolle ermöglicht werden

Ein Leitbild bzw. dessen Grundsätze sollten:

  • realistisch sein & in sich stimmig sein
  • nach innen und aussen begründbar sein
  • einen Konsens hinsichtlich der Verbindlichkeit haben
  • verpflichtend sein – Kontrollmechanismen schon benennen
  • die hierarchischen Probleme der Werte sollten im Leitbild schon benannt werden – mögliche Zielkonflikte schon vorweg lösen (wenn möglich)
  • Leitbild bedarf der Operationalisierung (vgl. Zielpyramide)
  • Unternehmenskultur und normative Praxis zu verstehen als operationalisiertes Leitbild
  • Unternehmenskultur schwerer zu ändern als Leitbild, da Kultur recht stabil ist – zu beachten bei Arbeit an Kultur
  • Leitbild regelmässig in Hinblick auf gelebte Kultur überprüfen – Hilfsmittel zur Implementierung von Leitbild
  • Zuwiderhandlungen zum Leitbild müssen aufgedeckt und geahndet werden können – sonst kann sich Kultur nicht entwickeln (Ombudsstelle, Meldeforen, Sanktionsmöglichkeiten …)

Fehlverhalten am Arbeitsplatz – ein Kulturproblem

Studie der KPMG (auf Moodle) macht deutlich, wie wichtig die ethische Kultur für ethisches Verhalten am Arbeitsplatz ist

Einige Resultate:

  • Unethisches Verhalten nimmt zu, wenn unethisches Verhalten bei KollegInnen oder – noch schlimmer – bei Vorgesetzten beobachtet wird
  • Kultur einer Organisation ist zentral für eigenes ethisches Verhalten
  • Klarheit durch Verhaltenskodex, der eingehalten und sanktioniert wird, ist zentral
  • Vorgesetzte als Vorbilder
  • Es finden sich kleine, aber auch grosse Delikte
  • Wichtiger Aspekt, um Fehlverhalten zu verhindern, ist die Zufriedenheit der MA
  • Verweist auf psychologischen Vertrag - Vertrauen und Fairness wechselseitig
  • Führungsverhalten zentral

Gelegenheit und Rechtfertigung

  • Betrugsdreieck gilt auch für ethisches Verhalten
  • In einer Organisation, in der unethisches Verhalten mit Bezug auf andere rechtfertigt werden kann, gibt es mehr unethische Verhalten
  • Kulturaspekt
  • Zentral ist es daher, die Compliance zu erhöhen: weniger Motivation, schwieriger zu rechtfertigen
  • Weiche Faktoren beachten

Weiche Faktoren stärken

  • Grundsätzlich gilt es, das ethische Wollen der Mitarbeitenden (Loyalität, psychologischer Vertrag …) institutionell zu unterstützen, damit das Gesollte (das ethisch Richtige) von den Mitarbeitenden auch gewollt und gekonnt wird.
  • Transparenz
  • Kritikfähigkeit
  • Angstfreies Klima
  • Wertschätzung

Förderung von Ethik als Kulturarbeit

  • Sich Gedanken zu Ethik bzw. zu normativem Management zu machen, ist zentral für Kulturentwicklung einer Organisation
  • Ethische Prozesse im Sinne von entwickelnden Verfahren erfüllen einige grundlegende Prinzipien der Organisationsentwicklung:
  1. Aktive Beteiligung der Betroffenen («Menschen sind nicht grundsätzlich gegen Veränderungen. Sie sind aber dagegen, verändert zu werden, also lediglich Objekte der Veränderung zu sein.»*)
  2. Ausrichtung an Menschen und Organisationen – Respekt vor der Einmaligkeit jeder Organisation
  3. Ressourcen- und Lösungsorientierung
  4. Lernen statt Revolution
  5. Kontinuierlicher Prozess auf Ebene Arbeitsalltag

Ethik als Kulturarbeit

  • Diese fünf Punkte sind zentrale Prinzipien für eine erfolgreiche Entwicklung von Organisationen
  • Ethisches Verfahren, das diese Prinzipien berücksichtigt, erweist sich als ein geeignetes Verfahren, die ethische Kultur einer Organisation zu entwickeln
  • Entwicklung verstanden als wachsende Entwicklung und nicht als Zwang von aussen oder durch Fachexperten verordnete Entwicklung – Ethik als Prozess der lernenden Organisation
  • Prozess: Haltung – Reflexion – Handlung – Haltung

Probleme der ethischen Kulturarbeit

    • Dabei stösst die ethische Reflexion wie alle Verfahren, die Kultur in einer Organisation kritisch befragen und weiterentwickeln wollen, auf Schwierigkeiten.
    • Verschiedene Ebenen der Kultur in einer Organisation
    • Unterschiedliche Möglichkeiten der Reflexion und der Veränderung
    • Unreflektierte Mindsets

    Einige prinzipielle Schwierigkeiten:

    • Kultur ist tief verankert und oft unbewusst – diese Kultur ist nur schwer veränderbar und verhandelbar
    • Orientierungsmuster werden nur ungern verändert
    • Kulturwandel kann lieb gewonnene Machtpositionen in Frage stellen – Kampf um Stellung in der Kultur
    • Die Kultur ist meist nicht eindeutig, sondern es gibt verschiedene Subkulturen

    Daneben gibt es aber auch ganz konkrete Probleme in einer Institution, die einen Kulturwandel erschweren können:

    • Billigung unmoralischer Praktiken (v.a. von Führungskräften)
    • Gruppenloyalität, welche das Aufdecken von unmoralischen Praktiken verhindert
    • Starke Orientierung an quantitativ-ökonomischen Werten – Frage der Werthierarchie

    Keine Bewegung ohne Verantwortung

    • Führungspersonen spielen bei der Umsetzung von Werten in Organisationen eine zentrale Rolle
    • Führungspersonen spielen auch als Vorbilder für ethisch korrektes Verhalten eine grosse Rolle
    • Führungspersonen gestalten Organisation entscheidend mit
    • Führungspersonen müssen Verantwortung für die Umsetzung der Werte einer Organisation übernehmen können
    • Sie sind wichtige Akteure, um die Organisation zu bewegen und die Werte zu leben

    Führung und Führungsethik

    • Führungsethik ist nicht Unternehmensethik (Legitimität der gesellschaftlichen Rolle der Unternehmung) und auch nicht Managementethik (Geschäftsethik, Ethik in Beziehungen zu Ansprechpartner etc.).
    • Führungsethik fragt nach einer „zumutbaren Führungsform“
    • Führungsethik kann verstanden werden als kritisch-normatives Reflexionsvorhaben über menschenwürdige und faire Beziehungsgestaltung
      - Legitimation (Berechtigung)
      - Begrenzung und verantwortungsvolle Ausübung (Verfügungsmacht)
    • Zentraler Begriff eine Führungsethik: Verantwortung

    Zum Begriff der Verantwortung

    Verantwortung bezeichnet eine dreistellige Beziehung:

    • Zuständigkeit von Personen
    • für übernommene Aufgaben bzw. für das eigene Tun und Lassen, auch für Charaktereigenschaften
    • vor einer Instanz, die Rechenschaft fordert (Bsp: Mitmenschen, Organisation, Gericht, eigenes Gewissen oder auch Gott).

    Verantwortung kann nur von Personen übernommen werden.

    Rollenverantwortung vs. Handlungsverantwortung

    • Verantwortung an Menschen gebunden
    • Verantwortung verbunden mit Vorstellung von Freiheit bzw. mit Vorstellung, dass man auch hätte anders handeln können
    • Primär ist dabei die Handlungsverantwortung – verantwortlich für eigene Tun, sofern man Urheber einer Tat ist
    • Verantwortlich kann man auch für das sein, was man nicht selbst verschuldet hat → Verantwortung übernehmen
    • Führungsperson muss Verantwortung übernehmen, auch wenn sie nicht unmittelbarer Verursacher war → Rollenverantwortung

    Drei Ebenen der Verantwortung von Führungspersonen

    1. Verantwortung gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - Gestaltung der Arbeit bzw. des Arbeitsfeldes (Sinn, Wohlbefinden etc.) Entwicklung ihres Potentials (Förderung, Entfaltungsmöglichkeiten)
    2. Verantwortung gegenüber Kund*innen und Klient*innen – Sicherung von professioneller Arbeit, Transparenz und Qualitätssicherung
    3. Verantwortung gegenüber der Institution und der Gesellschaft – Einbettung der Tätigkeit in Werte und Normen der Gesellschaft

    Verantwortung gegenüber Mitarbeiter*innen

    • Primär: Reflexion auf ethisch legitime Führung und auf Grenzen der Führung bzw. des Machtgebrauchs
    • Rahmenbedingungen für gute Arbeitsbedingungen

    Umgang mit Mitarbeitenden:

    • Respekt vor dem humanen Eigenwert der Mitarbeitenden als Person
    • Unantastbare personaler Würde
    • Berechtigte Ansprüche der Geführten anerkennen
    • geeignete Verfahren praktizieren, um diese Ansprüche zu berücksichtigen
    • Befähigung der Mitarbeitenden

    Grösstmögliche Chance zur Persönlichkeitsentfaltung der Mitarbeitenden eröffnen:

    • persönlichkeitsfördernde Arbeitsgestaltung
    • Sinnhafte Gestaltung der Arbeitswelt
    • Partizipation an Entscheidungsfindung
    • dialog- und konsensorientierte Kultur

    Aspekte, die zur Motivation führen: Wertschätzung, Aufrichtigkeit, konstruktive Konfliktbearbeitung, psychologische Sicherheit und Angstfreiheit

    Verantwortung gegenüber Kund*innen und Klient*innen

    • Die Verantwortung gegenüber den Kunden und Klienten hängt vom Auftrag der Institution ab
    • Sicherung der Qualität der Dienstleistung
    • Befähigung der Klientinnen und Klienten bei Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten: Information, transparente Kommunikation, Partizipation
    • Reflexion auf allfällige Wertekonflikte und auf Wertebasis und transparente Kommunikation von Wertentscheidungen
    • Professionelles Handeln ist an Werten orientiertes und verantwortungsvolles Handeln → Ethische Reflexion als Instrument der Qualitätssicherung

    Verantwortung gegenüber der Institution und der Gesellschaft

    • Führungspersonen haben Verantwortung für die Weiterentwicklung der Organisation und der Sicherung bzw. Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen
    • Verantwortung gegenüber den geltenden Normen und Werten der Gesellschaft
    • Voraussetzung: Klima der Kritik im Team und in der Institution
    • Einsatz für ein solches offenes und diskursives Klima gehört zum Verantwortungsbereich der Führungspersonen

    Verantwortungssteigerung

    Führungspersonen können Verantwortung nur in einer Organisation wahrnehmen, die die Rahmenbedingungen dafür optimal setzt

    Institutionsethische Komponenten:

    • Struktur so gestalten, dass Verantwortung von Führungspersonen und Mitarbeitenden ausgeübt und übernommen werden kann
    • Verfahren für Diskurse über Werte einrichten → Professionalität und Qualität
    • Ressourcen für solche Verfahren zur Verfügung stellen
    • Offenes Klima schaffen
    • Ethische Weiterbildung von Führungspersonen

    Fazit zur Verantwortung

    Verantwortung ist ein zentraler Wert für die Führung

    Führungspersonen können Verantwortung gegenüber ihrer Rolle, ihrer Mitarbeiter, der Institution und den Kund*innen und Klient*innen nur wahrnehmen, wenn sie:

    • ihrer Rolle bewusst sind,
    • den Willen haben, verantwortungsvoll zu führen (Vorbild) und
    • die Ressourcen haben, Verantwortung wahrzunehmen.

    Menschengerechte Arbeits- und Wirtschaftswelt

    • Ethische Fragen spielen bei der Gestaltung der arbeitsteiligen Gesellschaft schon immer eine Rolle
    • Wie muss die Arbeitswelt gestaltet werden, damit wir von menschengerechter oder von persönlichkeitsförderlichen Arbeitsgestaltung sprechen können?
    • Wie muss die Wirtschaft gestaltet werden, damit wir von bedarfsgerechten und nachhaltigen Märkten und Produkten sprechen können?