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Langue Deutsch
Catégorie Psychologie
Niveau Université
Crée / Actualisé 10.06.2025 / 12.06.2025
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Ausgewählte Werte der Berufskodizes: Selbstbestimmung

Zentral ist hier: Würde der Person / Rechte der Person

Werte, die dazu in verschiedenen Berufskodices genannt werden:

  • Recht auf Selbstbestimmung bzw. auf Autonomie
  • Freiwilligkeit / (informierte Einwilligung)
  • Diskriminierungsverbot
  • Privatsphäre
  • Datenschutz, Recht auf eigene Daten etc.

Ausgewählte Werte der Berufskodizes: Schadensminderung

Wiederum geht es um Person, die bei psychologischen Arbeiten in Zentrum steht.

Werte, die dazu in verschiedenen Berufskodices genannt werden:

  • Wohlbefinden / Schutz und Förderung (FSP)
  • Kompetenz
  • Verantwortung
  • Schweigepflicht
  • Kein Machtmissbrauch (etwa durch unangemessene Beziehung)

Ausgewählte Werte der Berufskodizes: Integrität

Hier geht es vor allem um die Berufsperson (Psycholog:in)

Werte, die dazu in verschiedenen Berufskodices genannt werden:

  • Kompetenz
  • Verantwortung – gegenüber Klient:in und gegenüber Gesellschaft
  • Wissenschaftliche Redlichkeit und Gütekriterien der Forschung (FSP)
  • Integre Haltung
  • Kollegialität

Vertiefung Selbstbestimmung

  • Zentralwert der Berufskodices, und zwar Zielperspektive und Leitprinzip
  • Selbstbestimmung bzw. Autonomie eher moderner Werte
  • In der Antike kein entscheidendes Thema. Zentralwert war Gerechtigkeit und nicht Selbstbestimmung
  • Selbstbestimmung: Kernwert in den Frühformen der Menschenrechte → Liberté
  • Bei Kant taucht der Begriff der Selbstbestimmung und der Autonomie im Zusammenhang mit der Würde auf. Würde ist durch Selbstbestimmung definiert - zentral auch für Menschenrechte

Verschiedenen Vorstellungen von Freiheit und Selbstbestimmung
Freiheit von … / Freiheit zu …

Selbstbestimmung, Individualität und Würde

  • Moderne Vorstellung von Selbstbestimmung hängt mit Vorstellung von Individualität zusammen
  • Selbstbestimmung in pluraler und individueller Gesellschaft als Selbstverwirklichung – auch Last
  • Dabei ist Selbstbestimmung immer nur in einem gesellschaftlichen Kontext zu verstehen
  • Selbstbestimmung des einen darf die Selbstbestimmung des anderen nicht einschränken
  • Selbstbestimmung bzw. die Möglichkeit sich selber zu bestimmen, ist heute Zeichen des eigentlichen Menschseins bzw. der menschlichen Würde – daher Würde in verschiedenen Kontexten der Berufsethik der Psychologie
  • BV, Art. 7: Menschenwürde: Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen.

Würde

Würde eine Umschreibung

  • „Würde ist nicht eine einzige Sache, sondern viele. Es kommt darauf an, wie diese vielen Sachen im Leben eines Menschen zusammenhängen. Wenn einer zu sagen versucht, was er da zu verstehen glaubt, so wird er, ohne es beabsichtigt zu haben, zu einem der eine weitläufige Landkarate der menschlichen Existenz zeichnet“ (Pedro Vasco de Almeida Prado, Lissabon 1901).
  • Würde nicht alleine durch die freie Wahl gesichert, denn Wahl ist nicht immer frei und Wahl ist nicht immer würdevoll
  • Würde ist auch durch Gesellschaft bestimmt und nicht nur durch freiwillige Entscheidung → gesellschaftliche Vorstellung der Grenzen Würde: Rahmenbedingungen

Würde und Unterstützung

  • Bei Menschen, die auf Unterstützung der Umsetzung von freien Entscheidungen angewiesen sind, kann das zu schwierigen Fragen führen.
  • In der professionellen Arbeit kommt es damit immer wieder zu einer paradoxen und ethisch schwierigen Situation: Fremdbestimmung dient als Mittel der Realisierung der individuellen Selbstbestimmung
  • Sehr deutlich bei psychisch kranken Menschen oder bei Menschen mit einer Beeinträchtigung
  • Abwägen von Selbst- und Fremdbestimmung notwendig – schwierige Grenzsetzungen hängen auch mit Auftrag der professionellen Tätigkeit zusammen
  • Augenmass in der professionellen Arbeit: Achtsamkeit, Stellvertretung und Anwaltschaftlichkeit

Würde und Paternalismus

  • Paternalismus ist grundsätzlich verknüpft mit der Vorstellung, dass es gerechtfertigt sein kann, zum Wohl des/der Anderen («zu ihrem/seinem eigenen Besten») in deren/dessen Leben einzugreifen
  • Paternalistisches Handeln:
    - entmündigendes Handeln
    - bevormundendes Handeln
  • Es kann zwischem schwachem oder starkem Paternalismus unterschieden werden
  • Unterschiedliche Entscheidungssituationen (KlientIn, Setting, Auftrag, Institution, …) führen zu unterschiedlichen Antworten

Form des Paternalismus von Klient:in abhängig

  • Unterschiedlichen Typen von Klienten führen zu verschiedenen Grenzen beim Paternalismus:
    - urteils- und entscheidungsfähige Klient*in
    - vorübergehend nicht urteils- und entscheidungsfähig
    - dauerhaft nicht urteils- und entscheidungsfähig
  • Bei den letzten beiden Klienten-Gruppen bzw. Situationen kommen Überlegungen zum mutmasslicher Wille und zum Interesse (best-interest-Standard) der Klientin bzw. des Klienten zum Tragen
  • hier ist dann allenfalls paternalistisches Handeln angezeigt, um die Würde von Klient:in zu wahren
  • Wiederum: Psychiatrie als Feld, in dem sich solche Fragen immer wieder stellen

Paternalismus und Nudging

  • Subtile Form der paternalistischen Fremdbestimmung: Nudging
  • Psychologische Methode der Beeinflussung von Entscheidungen
  • Nudging zielt darauf, jemanden einen kleinen Schubs (nudge) zu geben, damit er eine «richtige» Entscheidung trifft
  • Hintergrund: Rationalitätsanomalie des Menschen bzw. Einsicht, dass Menschen nicht immer das tun, was vernünftig oder «gut» für sie ist
  • Daher wird «Entscheidungsarchitektur» so angelegt, dass Menschen die richtige Wahl treffen
  • Entscheidend ist dabei, dass es nicht um Verbot oder Gebot geht, sondern um einen Anstoss
  • Libertärer Paternalismus – Verhaltenssteuerung ohne Zwang – schwacher Paternalismus
  • «richtiger» Entscheid durch geeigneten Stubs
  • Beispiele:
    - Anordnung der Waren in Supermarkt oder des Essens in einer Mensa
    - Preisgestaltung bei Essen
    Bilder auf Zigarettenpackung
  • Ziel: erwünschtes bzw. «normales» Verhalten

Ein kurzer Stellungsbezug: Steuerungen von Entscheiden bedarf der Rechtfertigung

  • Steuerung von Entscheiden über Nudging oder anderen Mechanismen von Steuerung (Sanktion, Anreiz …) greift grundsätzlich in freie Wahl und damit in Selbstbestimmung des Menschen ein
  • Damit verändert sich die Möglichkeit der freien Entscheidung grundlegend (Fähigkeiten der Entscheidung – Bsp: Navi und Kartenlesen)
  • Selbstbestimmung und Wahlfreiheit sind hohes Gut: Eingriff bedarf der Rechtfertigung – Verantwortung für Gestaltung der Entscheidungssituation
  • Relevante Frage, die für Rechtfertigung beantwortet werden muss: Wer steuert wen, warum, wie und mit welcher Legitimation?

Ein kurzer Stellungsbezug: Relevante Aspekte der Rechtfertigung

  • Aus dieser Frage ergeben sich vielfältige ethische Probleme und Hinsichten
  • Wer: Staat, Private, Psycholog*innen in ihrer beruflichen Rolle …
  • Wen: Bürger*in, Klient*in, Kund*in …
  • Wie: Nudge, Apelle oder rechtliche Regelungen (Bsp. Tempolimiten), Anreize und Sanktionen
  • Warum: klare gesetzliche Aufträge, gesellschaftliche Werte (Bsp. Gesundheit, Sicherheit etc.), Profit, zur Erreichung persönlicher oder politischer Ziele …

Funktion der Berufsethik

  • Ethisches Selbstverständnis eines Berufsverbandes – Verpflichtungs- und Orientierungsrahmen – Schaffung einer Berufsidentität
  • Werte und Normen eines spezifischen Berufsstandes benennen – Prinzipien der verantwortungsvollen Berufsausübung – gewissermassen Berufsmoral
  • Sanktionsregeln und damit Qualitätssicherung – Entzug Bewilligung und Ausschluss aus Berufsverband

Berufsethik muss sich in Praxis bewähren: Handlung, Haltung und Reflexion

Funktion der Berufsethik und des Berufskodex

Die Berufsethik erfüllt ihre Funktion in verschiedener Hinsicht und auf verschiedenen Ebenen

Auf der Ebene des Berufsverbandes

  • Ethikkommission
  • Sanktionen

Auf der Ebene des einzelnen Professionellen

  • Selbstreflexion → Ziel: Klärung der Verantwortung bei der Berufsausübung auf individueller Ebene
  • Kollegiale Beratung → Intervision, Supervision, Erfahrungsgruppen …

Ethikkommissionen und Sanktionen

  • Die Berufsethiken und Berufskodizes definieren die Sanktionsmöglichkeiten und die Kontrollorgane
  • Dienen der Sicherung der ethisch richtigen Berufsausübung (Qualitätssicherung)
  • Ethikkommissionen von Berufsverbänden überprüfen Legitimität von Berufsausübung – bei ethisch nicht korrekter Berufsausübung: Sanktion im Rahmen des Vorgegebenen wobei die legalen Rahmenbedingungen eingehalten werden müssen
  • Ethikkommissionen in Forschung haben auch Entscheidungsfunktion – zum Beispiel Ethikkommissionen an Universitäten, Kantonale Ethikgremien etc. (dazu später mehr)

Sanktionen und Bewilligung

  • Titelschutz in PsyG
  • Jedoch grundsätzlich keine Bewilligungspflicht für die Ausübung des Berufes
  • Ausnahmen: Tätigkeiten der Psychologie im Gesundheitswesen (Psychotherapie, klinische Psychologie – vgl. Art. 8, PsyG)
  • Bewilligungspflicht kantonal (Verordnungen)
  • Sanktionen bei berufsethischen Übertretungen:
    - bei bewilligungspflichtigen Tätigkeiten durch Bewilligungsinstanz (Art. 30, PsyG): Verwarnung, Busse, Entzug Bewilligung …
    - sonst durch Berufsverband: Verweis, Ausschluss, verordnete Supervision

Berufsethik – legal oder legitim?

Definitionen:

  • Legalität bezeichnet eine formelle Gültigkeit von Gesetzen und Normen
  • Legitimität bezeichnet die Anerkennungswürdigkeit der Gesetze und Normen durch Grundsätze und Wertvorstellungen
  • Die meisten illegitimen Handlungen sind auch illegal – zum Beispiel in Hinblick auf Integrität einer Klientin
  • Und doch: Berufskodex = Grundlage zur Beurteilung der Legitimität des Handelns von professionellen Berufsleuten bei Entscheidungen und im Konfliktfall → berufsethisch legitime Handlung
  • Wichtig im Falle eines Entscheidungsspielraumes

Ethische Urteils- oder Entscheidungsfindung

  • In der Praxis stellen sich immer wieder normative Fragen, die nicht einfach zu beantworten sind
  • Berufskodizes geben hier keine klare Anweisung
  • Es kann zu Wertkonflikten und unterschiedlichen Verständnissen etc. führen
  • Nötig: Verfahren der Urteilsfindung

Wo ethische Fragestellungen auftreten

  • Fragen, die sich aus Interessenkonflikten ergeben: Unterschiedliche Ansprüche bei gleichem Sachverhalt aufgrund unterschiedlicher Rollen, Einschätzungen etc.
  • Fragen, die aus Orientierungsproblemen entstehen: klassische Wertefragen bzw. unterschiedliche Vorstellungen von Hierarchien von Werten
  • Fragen, die sich aus neuen Handlungspielräume ergeben: zum Beispiel technische Möglichkeiten, die zu neuen Fragen führen (konkretes Beispiel: künstliche Intelligenz)
  • Gewissenskonflikte: Werkkonflikte bzw. Wertekollissionen
  • Politische Fragestellung auf der Ebene der Werte: zum Beispiel gerechte Verfahren, gerechte Verteilung etc.

Moralische und aussermoralische Fragen

  • Moralische Fragen, die ethisch beurteilt werden können, zielen auf das richtige Handeln, das in einer Situation moralisch geboten ist – was in einer spezifischen Situation die moralisch richtige Handlung?
  • Davon sich aussermoralische Fragen abzugrenzen. Sie spielen in der Ethik keine zentrale Rolle.
  • Kennzeichen: technische Fragen, Fragen der Motivation etc.

Beispiele:

  • «Was ist das Klügste oder das Zweckmässigste?»
  • «Was ist rechtlich erlaubt?»
  • «Was gehört sich in so einer Situation?»
  • «Wozu hätte ich am meisten Lust?»

Ethische Entscheidungsfindung bei moralischen Fragen

Unterschiedlich Fragestellungen in Praxis, die ethisch schwierig zu beantworten sind:

  • Allgemeine ethische Fragestellungen (Bsp.: Legitimation gewisser psychologischer Methoden, Umgang mit Big Data)
  • Konkrete ethische Fälle in der Arbeit (Bsp.: Kündigung älterer MA)
  • Vielfach werden solche Fragestellungen kontrovers diskutiert – in der Öffentlichkeit, in der Berufswelt, im Team …
  • Beim Entscheiden von konkreten Fällen können ethische Entscheidungsverfahren unterstützend wirken
  • So etwa in Situationen, in denen verschiedenen Beteiligte unterschiedliche Meinungen, Einstellungen und Haltungen haben

Ethische Entscheidungsfindung

  • Bei heiklen oder kontroversen Entscheidungssituationen bewähren sich verfahrensethische Modelle
  • Viele der Modelle und Beratungsverfahren basieren auf der Diskursethik
  • Ethik die auf ethische Prinzipien des Diskurses und damit auf die ethische Argumentation und das gemeinsame Aushandeln setzt
  • Bedingungen des Diskurses: Einhaltung bestimmter Regeln des Diskurses, wechselseitige Anerkennung als gleichberechtigte, aufrichtige, wahrheits- und zurechnungsfähige Subjekte, Offenlegung der Interessen
  • Ziel: Entscheid, dem alle zustimmen können

Ethik der Argumentation

Argumentation unterliegt gewissen ethischen Regeln, sonst ist sie manipulativ, nicht angemessen und nicht moralisch

Sechs Prinzipien nach Holm Tetens*:

  • Gebot der Verständlichkeit
  • Gebot der Wahrhaftigkeit
  • Gebot der Offenheit und Freiheit
  • Gebot der fairen Prüfung aller Überzeugungen
  • Gebot der Überwindung kontingenter Beschränkungen einer Diskussion
  • Gebot der Orientierung an den Ergebnissen einer ernsthaften Diskussion

Ethik und plurale Argumentation

  • In der angewandten Ethik kommen verschiedene Argumentationsmuster zur Anwendung: so etwa pflichtenethische oder folgenethische Argumente.
  • Neben Argumentationsmuster finden sich auch Begründungstechniken:

Beispiele:

  • Dammbruchargumente
  • Naturalistische Argumente (Vorsicht vor naturalistischem Fehlschluss)
  • Einzelfallargumente
  • Tabuisierungen

Grundlage eines Modells der Entscheidungsfindung

Bei ethischen Fragestellungen, die unklar sind, eignen sich Verfahrensmodelle
Verschiedene Modelle der ethischen Urteilsbildung bzw. der Sicherung eines eigenen Standpunktes - üblich sind folgende vier Schritte*:

  1. Situationsbeschreibung – Beschreibungs- und Erklärungswissen zur Situation, die fraglich ist –> Stichworte: Sachlage, Interessen, Konfliktfelder, Kontext …
  2. Analyse der strittigen moralischen Frage(n) – Formulierung dessen, was in moralischer Hinsicht zur Frage steht –> Stichworte: diskutierte Handlungsoptionen, ethische Prinzipien und Werte, Identifizierung unterschiedlicher Positionen, nichtmoralische Fragen ausscheiden (etwa technische Fragestellungen etc.)
  3. Analyse der moralischen Argumente –> Stichworte: Argumente für vertretbare Positionen (pro und kontra), klären der eigenen Werte, Argumente mit ethischen Prinzipien bzw. ethischer „Hintergrundtheorie“ abgleichen
  4. Abwägen der Argumente und Einnehmen eines Standpunktes –> Stichworte: Argumente beurteilen und gewichten, Güterabwägung (Rangordnung von Gütern und Werten), begründeter Stellungsbezug

* Die meisten Modelle lassen sich zurückführen auf Heinz Eduard Tödt (1977)

–> Diese Schritte helfen dabei ein ethisches Urteil zu fällen und liefern auch gleich die Argumente, um dieses Urteil, dann auch zu begründen

Verfahrensethik: Ein Modell für die gemeinsame Diskussion

Modell ethischer Urteilsfindung (1)

1. Phase: Problemstellung und Informationsbeschaffung
Klärung des Problems auf der Sachebene:

  • Worum geht es?
  • Was wissen wir über das Problem, über den Hintergrund des Problems?
  • Welches berufliche Wissen haben wir über die Problemstellung?
  • Wie hat sich das Problem entwickelt, wie lässt sich das Problem verstehen (kulturell, historisch etc.)?
  • Wann tritt das Problem auf, wen betrifft es, welche Dimension hat das Problem in Team, in der Organisation?

Klären, wer das Problem definiert und wer von der Problematik betroffen ist.

  • Achten Sie bei der Klärung auf die verschiedenen Wahrnehmungen der involvierten Personen. Nehmen Sie dabei auch die Emotionen der beteiligten Personen ernst. Klären Sie, wieso die Situation unterschiedlich wahrgenommen und bewertet wird.
  • Versuchen Sie am Ende dieser Phase das Problem sprachlich klar zu umreissen.

2. Phase: Wert- und Normanalyse
Wertanalyse:

  • Klärung der Werthaltungen der betroffenen Personen und Institutionen in Hinblick auf Problem: Werte der Personen, die Problem definieren und derjenigen, die von Problem „nur“ betroffen sind.
  • Welche Werte werden vertreten – vgl. Berufskodex
  • Wo liegen die Wertkonflikte und welche Werte widersprechen sich? (Mikro-, Meso- und Makroebene beachten)

Analyse auf der Ebene der Normen:

  • Welche Handlungsnormen und Vorschriften (interne und externe) geraten in Konflikt?
  • Fehlen allenfalls Normen und Vorschriften?

Modell ethischer Urteilsfindung (2)

3. Lösungen skizzieren und bewerten
Lösungen erarbeiten

  • Eine überschaubare, ungerade Anzahl von Lösungsvor-schlägen formulieren (mindestens drei). Achten Sie darauf, dass der Lösungen nicht schon bewertet werden.

Abwägen der Lösungen = Bewerten der Lösungsvorschläge

  • Welche Auswirkungen haben die Lösungen in rechtlicher Hinsicht, in Hinsicht auf die Organisation, für die geltende Praxis etc.?
  • Welche Werte werden in den einzelnen Lösungsvorschlägen wie bewertet? 
  • Welche Werte werden wieso vorgezogen? Bezug auf Werte in Berufsethik
  • Welche Lösung führt in der Umsetzung zu welchen Resultaten? (Güterabwägung)

4. Lösung auswählen und umsetzen; Kontrolle
Konsensfindung

  • Aufgrund der Abwägungen eine Lösung auswählen und darauf achten, dass ein Konsens möglich wird. Also die Lösung wählen, der alle zustimmen können.
  • Achten Sie bei der Wahl einer Lösungsmöglichkeit darauf, welches moralische Klima sie anstreben.

Umsetzung

  • Erste Schritte der Umsetzung planen.

Kontrolle, ob die Lösung dem Problem angemessen ist und ob die Lösung das Problem löst

Übung Modell ethischer Urteilsfindung – Der Fall: Täuschungen im Personalauswahlverfahren (Lösung)

Forschungs- und Wissenschaftsethik der Psychologie

Forschungsethik vs. Wissenschaftsethik

  • Forschungsethik: umfasst ethische Grundsätze, an denen sich Forschende bei ihrer Forschungstätigkeit orientieren sollen.
  • Wissenschaftsethik: umfasst ethische Grundsätze und Regeln guter wissenschaftlicher Praxis, an denen sich Forschende bei ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit orientieren sollen. 

Forschungsethik heute stark in Gesetzen und Kodizes niedergeschrieben
Wissenschaftsethik darüber hinaus auch in methodischen Überlegungen des wissenschaftlichen Tuns

Etappen der psychologischen Forschung

Ein Beispiel für eine heikle Forschung in der Psychologie: Milgram-Experiment

Drei Ebenen der Forschungsethik

Regeln und Prinzipien der Forschungsethik finden sich auf verschiedenen Ebenen:

  • Kodex und Gesetz
  • Institutionen (Hochschulen, Berufsverbände und Ethikkommissionen)
  • forschende Individuen

Bis 2010 war Forschungsethik in der Schweiz nicht explizit «gesetzlich» geregelt, sondern Gegenstand von Kodex der Forschungsgemeinschaft

  • 2010: Verfassungsartikel 118b
  • 2014: Humanforschungsgesetz

Dabei regelt Gesetz etliches, was auch in den Berufskodizes zu finden ist

Rollenkonflikte des forschenden Individuums

  • Im Gesetz finden sich diese verschiedenen Rollenkonflikte wieder
  • Aber nicht alle

Gesetzlicher Rahmen der Forschungsethik

  • Art. 118b BV, Abs. 1. Der Bund erlässt Vorschriften über die Forschung am Menschen, soweit der Schutz seiner Würde und seiner Persönlichkeit es erfordert. Er wahrt dabei die Forschungsfreiheit und trägt der Bedeutung der Forschung für Gesundheit und Gesellschaft Rechnung.
  • Umgesetzt mit Bundesgesetz über Forschung am Menschen (HFG)
  • Geltungsbereich: Gesetz gilt für die Forschung zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers
  • Forschung zu Krankheiten: Forschung über Ursachen, Prävention, Diagnose, Therapie und Epidemiologie von physischen und psychischen Beeinträchtigungen der Gesundheit des Menschen

Was ist gesetzlich geregelt?

Zentraler Aspekt: Schutz der Würde und der Gesundheit von Person im Rahmen der Forschung am Menschen

Stichworte zu den gesetzlichen Regelungen: Einwilligung, Subsidiarität, Risikominimierung, Transparenz, Vertraulichkeit, Datenschutz, Kommerzialisierungverbot, Sicherheit und Schutz, Ethikkommissionen

Informierte Zustimmung – Informed consent

(«sie» gilt hier für die Beforschten)

Zusätzlich:

  • Aufnahmebedingungen, Ein- und Ausschlusskriterien
  • Rücktrittsrecht ohne Nachteil
  • Verwendung der Daten
  • Aufbewahrung der Daten und Löschung der Daten
  • Angemessene, sorgfältige und adressatengerechte Sprache
  • Kontaktmöglichkeiten

Täuschung aufgrund von Forschungsdesign

Gewisse Forschung ist nur zielführend, wenn Probanden nicht vollständig aufgeklärt bzw. getäuscht werden.

Täuschung über verschiedene Aspekte möglich:

  • Zweck der Studie
  • Ausstattung
  • Durchführung der Untersuchung
  • Rolle der Mitglieder in Forschungsteam
  • ….

Hier gilt es folgendes zu beachten:

  • Zweck der Studie muss Täuschung rechtfertigen
  • Keine andere, methodische Möglichkeit der Datenerhebung
  • Schadensminimierung
  • Verzicht, wenn Persönlichkeitsrechte zu stark tangiert sind (vgl. Art. 4 – Vorrang der Interessen und der Würde des Menschen)
  • Nachbesprechung und nachträgliche Korrektur der Täuschung
  • Nachträgliche Einwilligung ist einzuholen, damit Daten verwendet werden können
  • Ernstnehmen von durch Täuschung entstandenen schlechten Gefühlen, Gedanken und Einstellungen – Debriefing mit Möglichkeit des Feedbacks

Informierte Zustimmung bei verletzlichen Gruppen

  • Hier ist besondere Sorgfalt und Vorsicht geboten – Nutzen der Forschung ist hier zentral
  • Das Gesetz nennt hier Kinder, Jugendliche und urteilsunfähige Erwachsene – Art. 21 ff.
  • Würde achten (Art. 4), gesundheitliche Risiken minimieren

Kriterien:

  • Hinreichend aufklären
  • Einwilligung (bei Jugendlichen schriftlich)
  • Keine erkennbare Ablehnung
  • Schriftliche Einwilligung gesetzliche Vertretung

Umgang mit Daten

  • Anonymisierung
  • Sicherung der Daten: Aufbewahrung und Austausch
  • Vernichtung der Daten
  • Keine Kommerzialisierung
  • Keine Verwendung, der nicht zugestimmt worden ist

Kritik an gesetzlicher Regelung von Forschungsethik

Forschungsfreiheit als „heilige Kuh“ – Befürchtung, dass stärkere gesellschaftliche Regulierung, gewisse Forschungen verunmöglichen könnte. Daher auch massive Kritik an Versuchen, Forschungsfreiheit einzuschränken (vgl. etwa Debatten im Vorfeld der Einführung von Art. 118b BV)

Zweifel an Ethikkommissionen:

  • Fachfremde EthikerInnen als Behinderung: Ethik-Industrie
  • Bürokratisierung
  • Verunmöglichung von innovativer Forschung durch Standardisierung und Normierung (Tabuisierung von gewisser Forschung)
  • Verteuerung der Forschung

Jedoch: starke präventive Wirkung der Kommissionen