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Langue Deutsch
Catégorie Politique
Niveau Université
Crée / Actualisé 02.07.2022 / 10.07.2024
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Was ist die radikale Erkenntniskritik?

  • verfolgt Wissenschaftskritik an traditioneller Theorie
  • in Horkheimers Theorie wurde die Gesellschaft nicht ausreichend reflektiert
  • Erkenntniskritik soll als Gesellschaftstheorie konzipiert werden
    • Erkenntnistheorie soll Bezug auf Gesellschaft nehmen

Inwiefern knüpft Habermas an Marx an?

  • Marx = Hauptprotagonist der Vernunft-/Erkenntniskritik
  • will materialistische Dialektik modernisieren und an aktuelle Gegebenheiten anpassen

Was ist mit der Selbstreflexion als Medium der Aufklärung gemeint?

  • Freiheit der Gesellschaft ist nicht trennbar vom aufklärenden Denken
    • Aufklärungsdenken setzt Selbstreflexion voraus
    • Reflektieren: Welche Funktion hat das Denken für die Gesellschaft
  • Aufklärung muss also sich selbst und ihre gesellschaftliche Stellung reflektieren
  • Selbstreflexion, natur- und geisteswissenschaftliches Denken formen "Medien einer kritischen Theorie"
  • reflektieren von Forschungsprozessen

Was kritisiert Habermas am Szientismus?

  • Wissenschaftstheorie
    • überträgt naturwissenschaftlichen Methoden exakt auf die Geistes- und Sozialwissenschaften
  • Depotenzierung der Vernunft
    • durch Marx und Hegel verliert die Vernunftkritik stark an Wert (muss neu angesetzt werden)
  • Lösung: Rekonstruktion des Positivismus

Welche drei Wissensarten unterscheidet Habermas?

  1. instrumentelles Wissen (Kontrolle der Umwelt)
  2. praktisches Wissen (Verstehen/Bedeutung)
  3. kritisches Wissen (Emanzipation des Menschen)

Was ist das instrumentelle Wissen?

  • Disziplin: empirisch-analytische Wissenschaften
    • naturwissenschaftlich arbeitende Disziplinen
  • nicht in gesellschaftlichen und politischen Kontext eingebettet
  • nicht reflexiv verfahrend
  • will "instrumentell" die Umwelt voranbringen

Was ist das praktisches Wissen?

  • Disziplin: Hermeneutik
  • wechselseitiges Verstehen und Verstehen von Texten
  • dient der Lösung konkreter Handlungsprobleme

Was ist das kritische Wissen?

  • Disziplin: kritische Theorie
  • Wissenstypus, der zu begründen ist
  • zentrales Kriterium: Idee der Mündigkeit

Was kritisiert Habermas am Positivismus?

  • naives Wirklichkeitsverständnis an Wissenschaften
    • ignorieren, dass es gesellschaftlich-geschichtliche Mächte gibt, die Blick der Wissenschaftlerinnen auf die Welt beeinflussen (objektivistischer Schein)

Was kritisiert Habermas an der Hermeneutik?

  • "Dimension des sinnverstehenden Zugangs zum symbolisch vrstrukturierten Gegenstandsbereich"
    • Annahme: Marx Paradima war instrumentalistisch/positivistisch
    • Warum Kapitalismus zum Scheitern verurteilt gewesen sei wurde mit naturwissenschaftlicher Theorie gleichgesetzt
    • Habermas kritisiert deterministische Annahmen des Marxismus
  • Jede Interpretation ist gefärbt und muss eine Reflexion durchlaufen

Wie kann die kritische Theorie refomuliert werden?

  • Bruch mit Positivismus und Realismus durch die kritische Theorie
  • Kriterien kritischer Theorie:
    1. Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis zusammendenken
    2. Theorie systematisch in gesellschaftliche Zusammenhänge einweben
    3. jede Kommunikation = verzerrt (Welt wird nie objektiv wahrgenommen/kommuniziert)
  • durch systematische Reflexion auf kommunikationserschwerende Verhältnisse kann aufgeklärte, mündige Gesellschaft entstehen
  • Kommunikation als Hort von Vernunft und Mündigkeit

Was ist Habermas Konvergenzthese?

  • Kommunikative Rationalität: Kommunikation selbst wohnt eine Typologie von Rationalität inne
    • Rationalität = breit gefasst 
    • Annahme in verschiedenen Disziplinen zu finden
    • verschiedene Formen von Argumentationen und Möglichkeiten, um kommunikatives Handeln mit reflexiven Mitteln fortzusetzen

Auf welche drei Weltbezüge beziehen wir uns beim Sprechen/Hören?

  1. objektive Welt
  2. soziale Welt
  3. subjektive Welt (Gefühlswelt)

jeder kommunikative Akt = Prüfung, ob Bezüge richtiger-/fälschlicherweise erhoben werden
Kommunikationsteilnehmende versuchen Einigkeit in Bezügen zu erreichen

Welche Sprechhandlungen und Geltungsansprüche hat der objektive Weltbezug?

  • Sprechhandlung: konstativ
    • Äußerungen beziehen sich auf objektive Welt der Tatsachen/Faktizität der Welt
    • Aussagen über Gegebenheiten müssen sich messen lassen 
      = in Bezug auf Wahrheit geprüft werden
  • Geltungsanspruch: Wahrheit
    • Aussage scheitert, wenn Gesprächspartnerinnen Fakt verneint

Welche Sprechhandlungen und Geltungsansprüche hat der soziale Weltbezug?

  • Sprechhandlung: regulativ
  • Geltungsanspruch: Richtigkeit (Aussagen entsprechen Regeln und Normen der sozialen Welt)
    • normative Richtigkeit/Gültigkeit sozialer Beziehungen
    • Situation kann von verschiedenen Gesprächsteilnehmenden unterschiedlich normativ bewertet werden
    • Frage: wird zugrundeliegende Norm von anderen als legitim angesehen?

Welche Sprechhandlungen und Geltungsansprüche hat der subjektive Weltbezug?

  • Sprechhandlung: expressiv
  • Geltungsanspruch: Wahrhaftigkeit
    • Aussagen entsprechen Gefühlen und Emotionen der subjektiven Welt
    • Wahrhaftigkeit im Sinne von Authentizität (Selbstrepräsentation)

Was sind dann kommunikative Sprechhandlungen?

  • Weltbezug: reflexiver Bezug auf alle "drei Welten"
  • Geltungsanspruch: Verständlichkeit als allgemeine Voraussetzung
  • mit Sprache über Gegenheiten in der Welt, unsere inneren Gefühle und Behauptungen über moralische Richtigkeit der Welt und in bestimmten Situationen austauschen

Welche beiden Handlungstypen gibt es?

  1. rationales Handeln
    1. instrumentelles Handeln
      • folgt klassischer rational-choice Logik: für Erreichung bestimmter Ziele wählt Akteur passende Mittel aus
    2. strategisches Handeln
      • Bezug auf Materielles und andere Subjekte
      • Orientierung an Rational-Choice
      • Interaktionspartner benutzen sich wechselseitig als "Mittel" zur Erreichung ihrer Zwecke
  2. kommunikatives Handeln
    • Interaktion ≥ sprach- und handlungsfähigen Subjekten, die eine interpersonale Beziehung eingegen

Was ist kommunikatives Handeln?

  • Aushandeln konsensfähiger Situationsdefinition 
    • Sprache = primärer Stellenwert
  • Akteure suchen Verständigung über Handlungssituation, um Hanldungspläne einvernehmlich zu koordinieren
    • verständnisorientiertes Handeln
  • nicht teleologisch (nicht auf bestimmte Ziele hingerichtet), sondern ehrliche Auseinandersetzung mit Mitmenschen
    • somit unterschiedlich zu dramaturgischem und normativen Handeln
  • Grundlage: Gesprächsteilnehmende öffnen sich einander (sind offen für Ergebnis des Gesprächs)
  • Sprache = Medium für Akteure, um durch Kommunikation einen Konsens zu finden

Was ist also die zentrale Idee Habermas - die kommunikative Rationalität?

  • zentrale Erfahrung der zwanglos einigenden konsensstiftenden Kraft argumentativer Rede, in der verschiedene Teilnehmende nur subjektive Auffassungen überwinden
  • dank der Gemeinsamkeit vernünftig motivierter Überzeugungen können sie eine Einheit der objektiven Welt und Intersubjektivität ihres Lebenszusammenhangs erstellen

Kritik: Kommunikationsbegriff ist überladen!

Wie ist die Biografie von Bourdieu?

  • 1930-2002 in Pyrenäen
  • einberufen in Armee für Algerienkrieg, blieb dort länger für ethnologische Forschung
    • erkennt Schuld der Franzosen durch Kolonialismus an
  • 1979: "Die feinen Unterschiede": jahrelange emprisiche Untersuchungen in Frankreich über soziale Gebrauchsweisen symbolischer Praktiken
  • empfindet seinen Erfolg als höchst unwahrscheinlich aufgrund seines sozialen Hintergrunds
    • fühlt sich akademischen Bereich fremd
  • unterstützt viele soziale Bewegungen und Arbeiterbewegungen
    • will "Wortlosen" zu Wort kommen lassen
  • Aufklärungsprogramm
    • möchte verhindern, dass nur die herrschende Klasse die soziale Welt definiert und ihre Sicht der Wirklichkeit ungehindert verbreitet

Worin unterscheidet er praktische und theoretische Logik?

  • Praxis benötigt andere Logik als die Theorie (Logik der Logik)
  • Praxeologische Erkenntnisweise:
    • im Alltagshandeln der Akteure soll es eine spezifische Logik geben
    • Perspektive der Alltagsakteure mit einem allgemein generativen Modell des Handelns verbinden
    • ergibt sich aus Einwänden an subjektivistischer (phämenologisch) und objektivistischer (strukturalistisch) Erkenntnisweise
  • Theorie ist eine Verzerrung der Praxis

Was ist Bourdieus Kritik an der phänomenologischen Erkenntnisweise?

  • Phänomenologische Erkenntnisweise expliziert Wahrheit der primären Erfahrung mit der sozialen Welt 
    • Vertrautheitsverhältnis zur vertrauten Umgebung
  • Soziale Welt = natürliche und selbstverständlich vorgegebene Welt (reflektiert sich nicht)
  • Welt ist ausschließlich aus der Sicht der beteiligten Akteure beschrieben
    • schaut nicht auf die objektiven und die das individuelle Handeln beeinflussende Strukturen
    • Frage nach Selbstverhältnis zur beobachteten gesellschaftlichen Lage wird ausgeschlossen

Was ist Bourdieus Kritik an der strukturalistischen Erkenntnisweise?

  • objektivistische Erkenntnisweise fokussiert generative Regeln, aus welchen sich das Handeln von Akteuren ableiten lässt
  • fokussiert allgemeine, abstrakte, kulturelle Codes
    • unmittelbare Erfahrung der Alltagsaktuere wird vergessen
    • Frage nicht beantwortbar, aufgrund welcher Mechanismen eine Erkenntnis der Wirklichkeit der Alltagsakteure möglich wird

Beschreibe ein Beispiel der Praxeologie

  • Schema der Zeit - Theorie
    • zeitlos, entzeitlich, neutralisiert Funktion von Zeit
    • Wissenschaftliche Betrachtung von Zeit verzerrt und entstellt die praktische Relevanz von Zeit
  • Schema der Zeit - Praxis
    • lineare Reihe, unumkehrbar
    • zentral für praktisches Leben
  • kognitive Schemata (Zeit, Raum, Körper) erhalten dadurch, dass sie in sozialen Situationen unmittelbar erfahren werden eine spezifische Bedeutung
  • Bedeutung ≠ Schema, das die Wissenschaft hat

Was sind objektivistische Gesellschaftstheorien und was wird an ihnen kritisiert?

  • Durkheim, Foucault, ...
  • Annahme: invariante, universale Strukturen (bei veränderten Bedingungen bleiben sie unverändert)
  • Heuristik: Sozialwelt = Schauspiel
  • Kritik:
    • Annahme, dass es invariante Regeln gibt, die vom Subjekt unbeeinflussbar sind
    • Handeln der Akteure wird nicht ausreichend nachvollzogen

Was sind subjektivistische Gesellschaftstheorien und was wird an ihnen kritisiert?

  • Ethnomethodologie, Rational-Choice 
  • Heuristik: Kontingenz der Sozialwelt (es könnte alles so, oder völlig anders sein)
  • Kritik
    • fehlende Erklärung für Fortbestehen sozialer Strukturen (v.a. Ungleichheitsstrukturen)
    • durch Voraussetzung (univeral präkonstituiertes Interesse bei allen Menschen) stellt sich keine Frage nach sozialer Genese verschiedener Interessensformen

Was ist das Habitus-Konzept?

  • vermittelt zwischen Objektivismus und Subjektivismus
  • Habitus = strukturierende (Praxis und Wahrnehmung) und strukturierte Struktur
    • Habitus = opus operantum + modus operandi 
    • opus operantum: Struktur des Habitus prägt Handeln von Akteuren
    • Modus Operandi: Handeln von Akteuren prägt die Struktur des Habitus
    • Strukturen und Handeln in Wechselwirkung (= Dialektik des Habitus)
  • Prinzip der Teilung in logische Klassen um die soziale Welt wahrzunehmen ist das Produkt der Verinnerlichung der Teilung sozialer Klassen
  • Habitus = einverleibte Struktur des Denk- und Wahrnehmungsschemata
    • Habitus durch die soziale Klasse, aus der wir stammen, bestimmt
    • prägt unsere Schemata und Dispositionen (Neigungn, Präferenzen)

Welche Aspekte des Habitus gibt es?

  1. kognitive Aspekte
    • Systeme dauerhafter und Übertragbarer Dispositionen: bestimmen, wie wir Welt wahrnehmen etc.
    • System von Erzeugungsschemata
  2. Sozialisatorischer Bezug: Primärsozialisation
    • Weiterwirken der Erstkonditionierung 
    • Weitertragen des Habitus von Generation zu Generation
  3. Historischer Bezug: Speicher kollektiver Erfahrungen
    • Habitus wächst über Generationen hinweg durch Erfahrungen der gesamten Klasse
  4. Korporealer Bezug
    • Leib und Sprache = Speichermedien kollektiver Erfahrungen
    • kognitive Schemata in Körper einverleibt
    • fungieren un-/vorbewusst
    • dadurch ist Habitus schwer umzuwandeln
    • == Trägheit des Habitus (Hysteresis)

Was ist das Feld?

  • Netz/Konfiguration von objektiven Relationen zwischen Positionen
  • verschiedene Bereiche der Gesellschaft
    • inkl. verschiedener Perspektiven auf die Welt
    • Bereiche = Felder (z.B. Wirtschaft, akademischer Bereich etc.)
  • in verschiedenen Feldern = verschiedene Kapitalsorten von Bedeutung
  • alle Felder sind im "Raum"
  • innerhalb der Felder kämpfen Akteure um gewinnbringende Positionen
    • Rolle im Feld durch Umfang des Kapitals bestimmt
    • durch Position eröffnen sich Handlungsmöglichkeiten

Was ist mit der Angepasstheit von Habitus und Feld gemeint?

  • Habitus und Feld fügen sich zusammen, da jeder die Felder aufsucht, in denen man qua Habitus schon angepasst/sozialisiert wurde

Was ist Kapital?

  • akkumulierte Arbeit in Form von Material oder inkorportierter Form
  • Vis Insita: Kraft, die objektiven/subjektiven Strukturen innewohnt
  • Lex Insita: grundlegendes Prinzip der inneren Regelmäßigkeiten der sozialen Welt
  • Kapital als Waffen im Kampf um Positionen im sozialen Feld

Welche Kapitalsorten gibt es?

  1. ökonomisches Kapital (unmittelbar in Geld konvertierbar)
  2. kulturelles Kapital
    1. inkorporiertes Kulturkapital: erworbene kulturelle Bildung; Bestandteil einer Person
    2. Objektiviertes Kulturkapital: kulturelle Güter
    3. institutionalisiertes Kulturkapital: legitime Titel und Stellen
  3. soziales Kapital
    • Beziehungen und Netzwerk
    • bietet Zugang zu Ressourcen des sozialen und gesellschaftlichen Lebens, Unterstützung, Anerkennung und Wissen

Welche Felddynamiken gibt es, die das Feld aufrecherhalten?

  1. Spezifisches Kapital
    • Kapital nur in Feld einen Wert
  2. Illusio: Interesse
    • ähnlich Doxa
    • Art wie Akteure, die an Feldspielregeln glauben
  3. Doxa: Lehre
    • Ordnung/Weltvorstellung, die in sozialen Feld dominiert
    • alles, was als selbstverständlich hingenommen wird
  4. Nomos: Gesetz
    • innere Gesetzmäßigkeiten, nach denen Handlungen in sozialen Feld strukturiert/organisiert sind
    • in jedem Feld eigene Dynamiken und Gesetzmäßigkeiten
  5. Enjeu: Investition
    • sozialer Raum = Objekt der Wahrnehmung und Einsatz von Kämpfen zwischen Akteuren, um ihre Konstruktion der sozialen Welt durchzusetzen
    • herrschende Sicht ist der Einsatz des Kampfes zwischen Akteuren
    • Akteure sind je nach Ressourcen/Kapital unterschiedlich ausgestattet
  6. Dominant vs. dominé (Orthodoxie vs. Häresie)
    • die mit mehr Macht: verfolgen Erhaltungsstrategien (Orthodoxie)
    • die mit weniger Macht: Umsturzstrategien (Häresie)
    • nur Häresie + mit Krise auftretender Bruch mit Doxa bringt Herrschende dazu, Orthodoxie zu verteidigen, indem sie neues Äquivalent der Doxa schaffen