VL9 Klin. Psych für K + J

Systemische Therapie und aufsuchende Familientherapie Teil I

Systemische Therapie und aufsuchende Familientherapie Teil I


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Langue Deutsch
Catégorie Psychologie
Niveau Université
Crée / Actualisé 11.06.2022 / 13.06.2022
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Rationale der Familientherapie 

  • Annahme: Interpersonelle Beziehungen in Dyaden, Triaden und in der Gesamtfamilie sind an der Entstehtung und Aufrechterhaltung von Symptomen und psychischen Störungen beteiligt und verantwortlich
  • Abhängigkeit des Kindes zw. individueller und familiärer Entwicklung
  • Ziel der Familientherapie: Interaktion zw. Familienmitliedern verbessern -> Dynamik der Familie, Subsysteme und Individuen sollen verbessert werden
  • Setting = definierendes Merkmal - keine Therapieschule, v.a. systemische Familientherapie

Indikation der Familientherapie

  • Bei Kindern und Jugendlichen: Familiendiagnostik, Beratung und Psychoedukation und basale Abstimmung fast immer indiziert 
  • Bei externalisierenden Störungen: Eltern-/Familienkomponente meist im Vordergrund 
  • Bei einigen internalisierenden Störungen (z.B. Schulverweigerung, Trennungsangst) wesentlich; bei anderen nur Zusatz 
  • Problem eng mit Paar-/Familienbeziehung verknüpft 
  • Familiäre Ko- und Multimorbidität: mehrere Mitglieder benötigen im selben Zeitraum Psychotherapie − Familien, die „Opfer“ der Einzeltherapie ihrer Familienmitglieder sind 
  • Familien, die „Opfer“ der psychischen Probleme eines ihrer Mitglieder wurden 
  • Familienmitglieder als hilfreiche „Ko-Therapeuten“ 

Kontra-Indikation der Familientherapie

- Kein Konsens über Familientherapie

- offenes Gespräch physisch gefährlich

- Intimität des Themas unangemessen (J. wollen nicht alles den Eltern erzählen)

- Wenn Patienten hohen Bedrüfnis nach Autonomie haben

Was sind Familien?

 

  1. Intime (emotional, geistig, physisch), auf längerfristige Ziele angelegte, intergenerationale Bezugssysteme, 
  2. die mindestens aus einem Elternteil und 
  3. einem Kind bestehen 

Familienformen

 

  • Klassische Kernfamilie 
  • Einelternfamilie: Mutter-/Vaterfamilien 
  • Fortsetzungsfamilien: nach Scheidung oder Verwitwung 
  • Weitere differenzierende Merkmale: „Regenbogenfamilien“, „Living-Apart-Together-Familien“ 

 

Horizontale Perspektive der Familie

- Aktuelles Zusammenleben

- Strukturelle Eigenschaften der Familie

- Funktion der Familie

- Familienmodell

- Formen der Aufgabenstellung an Familie

Horizontale Perspektive der Familie:

Strukturelle Eigenschaften der Familie

 

  • Wiederkehrende Interaktionsabläufe verfestigen sich zu Familienstrukturen, (implizite) Regeln (z.B. Gefühle, Ordnung, Konflikte) 
  • Subsysteme mit gewissem Grad an Autonomie (z.B. Eltern, Paar, Kind, intergenerational) 
  • Grenzen zur Demarkation von Subsystemen (z.B. Generation, Geschlecht, Familie-Umwelt-Grenze) 
  • Hierarchien zwischen den Subsystemen 
  • Familiäre Beziehungsmuster: dyadische oder triadische Beziehungskonstellationen 

Horizontale Perspektive der Familie:

Funktionen der Familie

- Alltagsbewältigung

- Entwicklung des Einzelnen (Sicherheit und Autonomie) bei Aufrechterhaltung der Kohäsion 

- privates Zusammenleben der Familienmitglieder 

  •  

Horizontale Perspektive der Familie:

Familienmodell

-  Stärken und Schwächen einer Familie 

- Funktionalität 

 

Horizontale Perspektive der Familie:

Formen der Aufgabenstellung an Familie

 

  1. Basale, existentielle Aufgabenstellungen 
  2. Entwicklungsaufgabenentsprechend den lebenszyklischen Phasen 

  3. Bewältigungsaufgaben in Krisensituationen: bisherige Bewältigungsmuster überprüfen und verändern

→ Rollendifferenzierung und Bereitschaft zur Übernahme durch effektive Kommunikation 

→ Familie soll bestimmte Funktionen aufrechterhalten und andere flexibel anpassen

Vertikale Perspektive der Familie

 

− Funktionalität: Lebenszyklische Familienphasen

− Lebenszyklus als spiralförmig entwickelnder Prozess mit Wechsel zwischen Phasen der Morphogenese (=Weiterentwicklung) und Morphostasis (=Stabilisation)

− Phasen der familiären Kohäsion und Ablösung 

Störungen der Familie: Was sind gestörte Familien?

 

  • Bezüglich Funktionsfähigkeit bedeutsam und über längeren Zeitraum beeinträchtigt und einzelne Familienmitglieder weisen Leidensdruck auf 
  • Betrifft einzelne Subsysteme oder gesamte Familie 
  • Eltern-Kind-Beziehungen: wenn Eltern Rolle als fürsorgliche Erzieher nicht wahrzunehmen vermögen oder so niedrige Beziehungsqualität → Leidensdruck 
  • Destruktiv und/oder überfürsorglich 

Störungen der Familie

  • Niedrige Kohäsion: (innerer emotionaler und sozialer Zusammenhalt zwischen den Familienmitgliedern) → chaotisch-losgelöst 
  • Niedrige Adaptabilität (Fähigkeit des Systems, sich situativ/strukturell anzupassen) → rigid-verstrickt 
  • Grenzen zwischen Subsystemen müssen klar und weder zu durchlässig (diffus) noch zu starr (rigide) sein (Salvador Minuchin: Strukturelle Familientherapie) 
  • Hierarchie und Grenzen zwischen Subsystemen müssen klar und weder zu durchlässig (diffus) noch zu starr (rigide) sein

Salvador Minuchin: Strukturelle Familientherapie (Grenzen)

Verstrickung: Auhebung/Verwischung der Grenzen

→ überstarke Bindung und Einengung der Autonomie 

→ Familie reagiert zu sensibel und zu schnell auf Normverletzungen 

 

 

Hierarchie und Grenzen zwischen Subsystemen müssen klar und weder zu durchlässig (diffus) noch zu starr (rigide) sein (Salvador Minuchin: Strukturelle Familientherapie) → Triangulierung 

  1.  

 

 Loslösung der Subsysteme durch übermässig starre Grenzen

→ Familie reagiert zu schwach und zu spät auf Normverletzungen

Kollusion in der Paarbeziehung nach Jürg Willi

Eigene verdrängte Wünsche und Bedürfnisse werden an PartnerIn delegiert, unbewusste Komplizenschaft in einem Beziehungsspiel

  • oft aktiv/progressiv und passiv/regressiv 
  • z.B. Versorgungs-Autarkie-Konflikt 

Bezogene Individuation nach Helmut Stierlin

 

  • d.h. Entfaltung einer individuellen Identität und die Ausbildung von psychischen Grenzen der Familienmitglieder 
  • verlangt und ermöglicht ein höheres Niveau an Bezogenheit auf andere 
  • Gleichgewichtzwischen Autonomietendenzen und Eingebundensein 
  • Bindungvs. Ausstossung → Fusion vs. Isolation 
  • „Trennungsschuld“ 
  •  
  •  

Kongruente Kommunikation nach Virginia Satir (Erlebnisorientierte Familientherapie)

 

Im Mittelpunkt: Selbstwert einer Person → greift auf Bewältigungsmuster und Überlebensstrategien zurück, die zu Kommunikationsmustern werden

  • Beschwichtigende Haltung (Selbst wird vernachlässigt)
  • Anklägerische Haltung (Andere werden vernachlässigt)
  • Rationalisierende Haltung (Selbst + Andere werden vernachlässigt)
  • Ablenkende Haltung (Selbst, Kontext + Andere werden vernachlässigt)

Intrafamiliäre Mechanismen

 

  • Hemmen Adaptation/Lernen wegen der Vieldeutigkeit der Reize oder inkonsistente Verstärkerbedingungen (einmal viel Zeit mit dem Kind verbringen - andermal gar keine Zeit)
  • Konditionieren Fehlverhalten/evaluatives Konditionieren (die Ängst der Eltern könnten übertragen werden auf die Kinder)
  • Hemmen Aufbau von Verhalten durch Mangel an Verstärkern 
  • Fehlverhalten durch dysfunktionale Kontingenzen erlernt (Feedback z.b. viel später geben, als in den Situationen)
  • Oft aversive Kontrolle/Verhaltensnötigung − Fehlende oder mangelhafte Modelle  (z.B. fertig essen, obwohl kein Hungergefühl mehr)