VL 3: Klinische Psychologie des Kindes- und Jugendalter II
Selbstverletzende Verhaltensweisen & Persönlichkeitsakzentuierung
Selbstverletzende Verhaltensweisen & Persönlichkeitsakzentuierung
Kartei Details
Karten | 20 |
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Sprache | Deutsch |
Kategorie | Psychologie |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 07.06.2022 / 06.10.2022 |
Weblink |
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Klinisches Bild: Forschungsdiagnose im DSM-V
Nicht-suizidales Selbstverletzendes Verhalten (NSSV)
Klinisches Bild: Definition von NSSV
Direkte Zerstörung oder Veränderung des Körpergewebes ohne suizidale Absicht. die nicht sozial akzeotiert, direkt und repetativ ist.
Klinisches Bild: Repetatives NSSV - Definition
An 5 oder mehr Tagen pro Jahr absichtlich verletzt
Klinisches Bild: Methoden von NSSV
- Verbrennen
- schneiden
- kratzen
- beissen
- schlagen
- Manipulation einer Wunde
--> Meist mehrere Methoden
Klinisches Bild: Schweregradeinteilung von NSSV
- Gewebebeschädigung
- Chronizität und Frequenz -> Suizidalität/Symptomen
Klinisches Bild: Unterscheidung zur suizidalen Verhaltensweise
- Suizidale Verhaltensweisen
- Nicht-suizidale selbstverletzende Verhaltensweisen (NSSV)
- Borderline-Persönlichkeitssötung (BPS)
- 80% der Personen mit BPS zeigen NSSV, früher Beginn von NSSV und Persistenz → erhöhtes Risiko für BPS
- NSSV als Risikofaktor für spätere suizidale Verhaltensweisen
→ alles kann getrennt vorkommen aber Vorsicht was es wirklich ist!
Klassifikation
A. Person führt selbstverletzendes Verhalten mit mind. 1 der folgenden Erwartungenaus:
- Entlastung negativer Gefühle oder negativem kognitiven Zustand
- Lösung zwischenmenschlicher Probleme
- Um einen positiven Gefühlszustand herbeizuführen
B. Absichtliche Selbstschädigung wird von mind. 1 Merkmal begleitet:
- Zwischenmenschliche Probleme oder negative Gefühle/Gedanken davor
- Vorher: Gedankliches Verhaftet sein, schwer kontrollierbar
- Häufige Gedanken an Selbstverletzungen
C. Verhalten ist nicht sozial sanktioniert und nichtbeschränkt auf Aufkratzen von Schorf oder Beissen von Nägeln
D. Mit Leiden oder psychosozialen Beeinträchtigungen verbunden.
E. Nicht ausschliesslich während Psychose, Delir, Substanzintoxikation/-entzug, repetitiven Stereotypien, nicht besser durch medizinischen Krankheitsfaktor oder andere psychische Störung erklärbar.
Diagnostik
− Standardmässig in Anamnese integrieren, getrennte Exploration von Eltern
− Neutrale Haltung, Vertrauensbasis → ruhig und neutral bleiben, aber Vertrauen zentral
− Akute Wundversorgung → medizinische Erstversorgung, körperliche Untersuchung
− Ausmass, Schweregrad der Verletzungen
− Methode, Lokalisation, Gegenstände, Ort der Durchführung
− Körperliche Komplikationen, Schmerz(Analgesie)
− Alter bei Beginn
− Verlauf
− Soziale/familiäre Einflussfaktoren, Besuch Internetforen
− Suizidalität! → immer berücksichtigen und abfragen
− Klinisches Interview:
„Self-Injurious Thoughts and Behaviors“ Interview (SITBI-G)
- Kinder-DIPS für DSM-V, Sektion NSSV
− Fragebögen:
- Functional Assessment of Self-Mutilation
Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter diagnostizieren
− ICD-10: ab 16.-17. Lebensjahr
− Im DSM-V und ICD-11 ist die Diagnosestellung bei Kindern und Jugendlichen explizit möglich, wenn die «unangepassten Persönlichkeitszüge tiefergreifend und andauernd (mind. 1 Jahr) und wahrscheinlich nicht auf eine bestimmte Entwicklungsphase oder andere psychische Störung begrenzt» sind. → schwierig zu erkennen
− Früherkennung: Erstmanifestation zwischen 14-17 Jahren, Prävalenz 3-18%
− Hybridmodell der PS → nicht ja/nein, sondern Persönlichkeitsprofil erheben, gerade Jugendliche können sehr auffälliges Profil haben
Epidemiologie
− 4-6% der Jugendlichen/Allgemeinbevölkerung, einmaliges NSSV: 20%
− Stationäres Setting: 21% (DSM-5)
− Höhere Prävalenzraten für Frauen (3:1)
− Komorbiditäten: Depression, soziale Phobien, PTSD, Borderline-Persönlichkeitsstörung, Essstörungen, Substanzkonsum
Verlauf
− Gipfel im Jugendalter, reduziert sich in der Adoleszenz und im Erwachsenen-alter (15.-30. Lebensjahr)
− Alle Risikoverhaltensweisen der Jugendlichen nehmen mit zunehmendem Alter ab, nur bei der hoch-risiko Gruppe bleibt der Substanzgebrauch im Erwachsenenalter ebenfalls hoch --> Wer ein Risikoverhalten aufzeigt, zeigt oftmals weitere solcher Verhaltensweisen auf → die in höchster Risikogruppe also auch viel Suizidgedanken und Substanzmissbrauch
Erklärungsansätze: soziale Faktoren
- Lernen am Modell/Imitationseffekte -> aus dem Internet -> Es triggert!
- Negative Kindheitserlebnisse, familiäre Feindseligkeit und Kritik -> Druck von der Familie
- Sozioökonomischer Status (inkonsistente Evidenz)
Erklärungsansätze: Neurobiologisch
- Dysregulation im serotonergen System und in der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse bei Jugendlichen → nicht ausgewogen (Inbalance)
- Höhere physiologische Erregbarkeit
- Stärkere Aktivierung des limbischen Systems bei emotionalen Reizen
- Schmerzschwellenänderung: habituell erhöht → brauchen stärkere Schmerzreize zur Wahrnehmung
Interventionsansätze Allgemein
− Klare Absprachen zum Vorgehen bei Suizidalität und NSSV
− Aufbau einer Behandlungsmotivation («respektvolle Neugierde»)
− Psychoedukation
− Identifikation von Faktoren, die NSSV auslösen oder aufrechterhalten
− Vermitteln von alternativen Handlungs- oder Konfliktlösestrategien zu NSSV
− Beachtung und leitliniengerechte Mitbehandlung psychischer Störungen
Interventionsansätze: Kognitive Verhaltenstherapie (z.B. Cutting Down Programm)
Therapiemotivation, Motive erkennen, Verhaltensalternativen erproben, verfestigen alternativer Verhaltensweisen)
Interventionsansätze: Kognitiv-analytische Therapie (cognitive-analytic therapy; CAT)
Fokus: Gemeinsames Verständnis, Veränderung problematischer Identitäts- und Beziehungsmuster
Interventionsansätze: Mentalisierungsbasierte Therapie für Adoleszente (MBT-A)
Fähigkeit, eigenes Verhalten und der anderer Personen durch Zuschreibung mentaler Zustände zu interpretieren
Interventionsansätze: Dialektisch-behaviorale Therapie für Adoleszente (DBT-A) -> Zwischenmenschliche Verhaltensweisen
- Einzeltherapie: Reduktion von suizidalen V. und NSSV, Alltagstransfer
- Gruppentherapie(→Fertigkeiten) mit Beteiligung 1 Bezugsperson
- Fertigkeiten: Achtsamkeit, Emotionsregulation, zwischenmenschliche Fertigkeiten, Stresstoleranz, «Walking the middle path»
- Telefonberatung im Krisenfall
- Supervisionsgruppe für TherapeutIn → notwendige Unterstützung durch Kollegen
- Prinzip der Dialektik und Validierung
- Dialektik: Verhalten akzeptieren aber auch verändern, eine Art Balance
- Validierung: Gefühle und Empfindungen akzeptieren und aber auch Alternativen aufzeigen → kann man so sehen, aber auch auf andere Weise