M10

Allgemeine und spezielle Krankheitslehre psychischer Erkrankungen

Allgemeine und spezielle Krankheitslehre psychischer Erkrankungen


Kartei Details

Karten 50
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 15.03.2022 / 03.08.2024
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Kennzeichen psychischer Störungen

Besonderheiten in Bereich von..

- Emotionen (z.B. ängstlich, verzweifelt, bedrückt etc.)

- Denken (z.B. unlogische Gedankenketten – formal; wahnhaft, unrealistisch negativ) 

- Verhalten (aggressiv, verlangsamt, wiederholtes Händewaschen)

- Körperliche Funktionen und Empfindungen (müde, kurzatmig, Herzrasen)

Kennzeichen psychischer Störungen

Besonderheiten definiert durch...

  •  Devianz (abweichend von stafsfscher oder gesellschaglicher Norm, d.h. anders, extrem, ungewöhnlich, bizarr)
  •  Leidensdruck (belastend und unangenehm)
  •  Beeinträchtigung (störend bis hin zur Unfähigkeit, alltägliche Handlungen konstruktiv zu verrichten) 
  •  Gefährdung (sich selbst oder andere)

Psychische Störungen (APA, 2000)

„... ein klinisch bedeutsames Verhaltens- oder psychisches Syndrom oder Muster, das mit momentanem Leiden (z.B. einem schmerzhaften Symptom) oder einer Beeinträchtigung (z.B. Einschränkung in einem oder mehreren Funktionsbereichen) oder einem erhöhtem Risiko zu sterben einhergeht. Unabhängig von dem ursprünglichen Auslöser sollte eine verhaltensmäßige psychische oder biologische Funktionsstörung bei der Person zu beobachten sein.“

Symptom

Merkmal einer Störung, kleinste beschreibbare Untersuchungseinheit in der Klinischen Psychologie bzw. Medizin

 

Spezifische / obligate (= Kern- oder Leitsymptome)

Unspezifische / fakultative (= akzessorische Symptome)

Spezifische/ obligate (= Kern- oder Leitsymptome)

  •  Stimmenhören: kommentierende oder dialogische Stimmen
  •  Intrusionen: unwillkürliche, belastende Erinnerungen
  •  Kontrollverlust beim Essen/Trinken

Unspezifische/ fakultative (= akzessorische Symptome)

  •  Grübeln: bei Depressionen, Angststörungen, Persönl.-störungen
  •  Sozialer Rückzug: bei vielen psych. Störungen
  •  Schlafprobleme: bei fast allen psych. Störungen

Im Rahmen der Diagnostik sollen folgende Faktoren erfasst werden

  • Prädisponierende Faktoren 
  • Auslösende Faktoren
  • Aufrechterhaltende Faktoren

Prädisponierende Faktoren

Faktoren, die eine erhöhte Vulnerabilität für eine psychische Erkrankung bedingen.

  1. Genetische Disposition
  2.  Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen
  3.  Frühentwicklungsstörungen
  4. Traumatische Ereignisse
  5.  Alkohol- oder Drogenkonsum

Auslösende Faktoren

Faktoren, die bei einer erhöhten Vulnerabilität die psychische Erkrankung auslösen.

Bei hoher Vulnerabilität häufig normale Lebensereignisse, sonst z.B. akute Lebensbelastung, Tod eines Angehörigen, Mobbing durch Kollegen etc.

Aufrechterhaltende Faktoren

Faktoren, die nach Auslösung der Erkrankung zu deren Aufrechterhaltung beitragen.

Fortgesetzter Alkohol- oder Drogenkonsum, medikamentöse Non-Adhärenz, Gesamtbehandlungsabbruch

Vulnerabilitäts- Stress- Modelle 

Unspezifische Belastungen führen in Abhängigkeit von spezifischen Vulnerabilitäten (i.S.v. Anfälligkeit o. Disposition, unter Belastung psychopathologische Symptome zu entwickeln) bei verschiedenen Personen zu verschiedenen psychischen Störungen.

Risiko- und Schutzfaktoren

Elterliches Erziehungs- und Bindungsverhalten: Negative Bindungserfahrungen gelten als Risiko-, stabile Beziehungen als Schutzfaktor

Einfluss von Gleichaltrigen: Nachhaltiger Einfluss auf gesundheitsrelevante Einstellungen u. Verhaltensweisen

Risiko- und Schutzfaktoren

Alter/ Geschlecht/ Familienstand: 

Soziodemographische Faktoren spielen bei verschiedenen Störungen eine unterschiedliche Rolle

Risiko- und Schutzfaktoren

Temperament/ Persönlichkeit:

„Experiental avoidance“ (Tendenz aversive innere Erfahrungen zu vermeiden, auch wenn dadurch langfristig Nachteile entstehen) als wichtiger Risikofaktor für die Entstehung psychischer Störungen

Risiko- und Schutzfaktoren

Komorbidität und vorangegangene Störungen:

- Psychische Störung als Risikofaktor für Ausbildung weiterer psychischer Störungen 

- Aber: erfolgreich bewältigte Störung kann auch als Schutzfaktor fungieren, wenn Bewältigung zu Kompetenzerwerb und erhöhter Bewältigungszuversicht geführt hat

Risiko- und Schutzfaktoren

Sozioökonomischer Status

Geringer SÖS als wichtiger Risikofaktor für Entwicklung psychischer Störungen

• Erklärungsversuche: Stress-and-Strain Hypothese, Social-Drift-Hypothese

 

Auslöser

Kritische Lebensereignisse

  1.  Daily Hassles
  2.  Interpersonale Verletzungen, Verluste und Konflikte
  3.  Inkongruenz

Aufrechterhaltende Bedingungen

  1. Positive Rückkopplungsprozesse innerhalb der Störung („Teufelskreis“)
  2. Operante Faktoren
  3. Belastende Folgen der Störungen
  4. Verfügbarkeit therapeutischer Angebote

Moderatoren

  1. Coping
  2. Problemlösekompetenz
  3. Soziale Kompetenzen und soziale Unterstützung
  4. Motivationale Kompetenzen
  5. Emotionale Kompetenz

Def

Prävalenz 

Anzahl Krankheitsfälle in einer definierten Population

Def Punktprävalenz

Prävalenz zu einem bestimmten Zeitpunkt

Def 12-Monats-Prävalenz

 Anteil der Personen, die zu einem beliebigen Zeitpunkt in einem 12-monatigem Zeitraum die Krankheitskriterien erfüllten

Def Lebenszeitprävalenz

Anteil an einem Stichtag lebender Personen, die in ihrem Leben zu einem beliebigen Zeitraum die Krankheitskriterien erfüllten

Def Erkrankungs-Risiko

Wahrscheinlichkeit, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, eine Krankheit jemals gehabt zu haben

Def Inzidenz

Zahl der Neuerkrankungen in einem bestimmten Zeitraum und einer bestimmten Population (Anm.: Krankheit muss am Ende der Untersuchung nicht mehr vorliegen; kann wie Prävalenz in absoluten und relativen Zahlen angegeben werden)

Def Kumulative Inzidenz(-rate)

Inzidenzwahrscheinlichkeit eines 15-jährigen bestimmt sich als die Summe der Inzidenzwahrscheinlichkeit von 1-, 2-, etc. – jährigen.

Def Komorbidität

= Gleichzeitiges Vorliegen verschiedener Erkrankungen.

5 Affektive Störungen

  1. Depressive Episode (F32) 
  2. Rezidivierende depressive Störung (F33) 
  3. Bipolare affektive Störung (F31) 
  4. Zyklothyme Störung (F34.0)
  5. Dysthyme Störung (F34.1)

Kernsymptome der Depression nach ICD-10 (F32 und F33)

  1. Gedrückte oder traurige Stimmung
  2. Interessenverlust oder Freudlosigkeit (Anhedonie)
  3. Verminderter Antrieb oder gesteigerte Ermüdbarkeit

Zusatzsymptome der Depression nach ICD-10 (F32 und F33)

  1. Verlust des Selbstvertrauens bzw. des Selbstwertgefühls
  2. Vermindertes Denk- oder Konzentrationsvermögen
  3. Selbstvorwürfe oder unangemessene Schuldgefühle
  4. Psychomotorische Hemmung oder Unruhe
  5. Schlafstörungen
  6. Verminderter (selten auch gesteigerter) Appetit mit Gewichtsänderung
  7. Suizidgedanken oder Suizidhandlungen

Anzahl der Kern- und Zusatzsymptome

Leichtgradige D

Mittelgradige D

Schwergradige D

2 - 2

2 - 3

3 - 4

 

länger als zwei Wochen 

Epidemiologie Depression

  • Depressionen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen mit weltweit höchsten gesellschaftlichen Kosten
  • Lebenszeit-Prävalenzraten von 20%
  • Frauen: doppelt so oft betroffen wie Männer (LZ-Prävalenzen: 25% vs. 12%)
  • 50% der Erkrankten haben komorbide Störung
  • Häufig z.B. Angststörungen und erhöhtes Suizidrisiko (Rate bei 10-15% im Vgl. zu ca. 0.01% i.d. Allgemeinbevölkerung; 20-60% der Erkrankten unternehmen Suizidversuch)
  • Behandlungsquote: 50% (Wittchen & Hoyer, 2011)

Verlauf Depression

  • Onset: zwischen 25 u. 35 Jahren
  • Durchschnittliche Dauer einer Episode: 4 – 6 Monate -> Abklingen auch ohne Behandlung (Spontanremission)
  • Chronischer Verlauf ohne oder mit nur teilweisen Remissionen bei 20 - 30% der Patienten

Verlauf Depression

Akute depressive Episode

Ansprechen /Response: Symptombesserung nach Therapie, Abnahme der Symptomatik um 50%

Remession = : Klinische Gesundung, 'Symptome weg, (fast weg)', Funktionalität muss nicht wieder hergestellt sein (MADRS-Score von ≤ 10 oder HAM-D17- Score von ≤ 7)

Rückfall = Wiederauftreten der Symptome innerhalb von 4- 6 Monaten nach dem Ansprechen

Rezidiv = neue Episode nach einer Remission von 4-6 Monaten

Verlaufsmerkmale

Prognose

  • Wahrscheinlichkeit erneuter Episoden: bei 50-60% nach 1. Episode eine 2. Episode; bei 70% nach 2. eine 3. Episode; bei 90% nach 3. eine 4. Episode
  • bei 5-10% nach 1. Episode eine manische Episode innerhalb von 6-10 Jahren
  • bei stationärer Behandlung der 1. Episode 50% volle Remission innerhalb eines Jahres; jedoch nach Klinikentlassung bei 25% Rückfall innerhalb von 6 Monaten, bei 30-40% innerhalb von 2 Jahren, bei 50- 75% innerhalb von 5 Jahren

Diagnostik
 

Differentialdiagnostische Abgrenzung depressiver Störungen von:

  • Bipolaren u. schizoaffektiven Störungen
  • Normalen u. komplizierten Trauerreaktionen 
  • Depressiven Syndromen (als indirekte Folge körperlicher Erkrankungen oder Einnahme psychotroper Substanzen)

Beachte: Klassifikatorisch zentrale Symptome müssen für Betroffene nicht notwendigerweise vordergründig sein

->Zentral können u.a. auch Schlafstörungen oder körperliche Beschwerden sein

Ätiologie der Depression

Schutzfaktoren (Salutogene Faktoren): 

  • Intaktes soziales Netz
  • Erleben von positiven Beziehungen 
  • Guter Gesundheitszustand
  • Mobilität, Unabhängigkeit, Autonomie
  • Keine finanziellen Probleme
  • Guter körperlicher Zustand
  • Höherer Bildungsgrad
  • Erfahrung von Zuwendung in der Kindheit 

Faktoren des Lebensstils (z. B. Bewegung, Ernährung, Stressbewältigung)

Psychologische Faktoren (z. B. Eigenverantwortung, Motivation)

Zugang zu gesundheitsrelevanten Leistungen (z. B. Krankenversorgung, Bildungs- und Sozialeinrichtungen)  

Ätiologie der Depression

 

Risikofaktoren (pathogene Faktoren)

  • Weiblich 
  • Familienstand (ledig, geschieden, verwitwet)
  • niedriger sozioökonomischer Status (geringes Einkommen, Armut, Arbeitslosigkeit, soziale Isolation)
  • Belastende Lebensereignisse/ Stress
  • niedrige Bildung
  • Stadt > Land
  • Körperliche Erkrankungen (Diabetes, Myokardinfarkt, Krebs, Schlaganfall u.a. Risiko von 20-25% für Depression während Krankheitsverlauf)

Ätiologie der Depression 

  1. Genetisch
  2. Biologisch
  3. Psychosozial
  4. Psychologische Konstrukte

  1. z.B. Zwillingsstudien; Konkordanz bei MZ etwa 50%, bei DZ 10-25%
  2. Dysregulation von Neurotransmittern (Noradrenalin, Serotonin, Dopamin); neuroendokrine Veränderungen; abnorme Schlafmuster; Störungen des circadianen Rhythmus
  3. kritische Lebensereignisse und Stressfaktoren; bedeutsame Ereignisse vor allem bei den ersten Episoden und weniger bei späteren Episoden; Verlust eines Elternteils vor dem 11. Lj/ broken home; Verlust des Ehepartners
  4. Verstärkerverlust; erlernte Hilflosigkeit, dysfunktionale Kognitionen

Behandlung: Biologisch orientierte Ansätze

Psychopharmakotherapie: am häufigsten zum Einsatz kommende Behandlung

SSRIs mittlerweile am häufigsten verschrieben -> Lösten trizyklische Antidepressiva aufgrund des günstigeren Nebenwirkungsprofils ab

Nachteile:

  1. Compliance-Probleme bzgl. der Medikamenteneinnahme
  2. Nach Absetzen der Medikamente nur eingeschränkter Schutz vor Rückfällen