Informationsethik
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Set of flashcards Details
Flashcards | 107 |
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Language | Deutsch |
Category | Marketing |
Level | University |
Created / Updated | 27.10.2021 / 28.10.2021 |
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Begriff Digital Transformation
Die Digitale Transformation konzentriert sich auf zwei zentrale Fragestellungen, die bereits in der Wortfolge angedeutet werden.
‚Digital‘ bezeichnet in diesem Zusammenhang die fortschreitende Technologisierung vermehrter Lebensräume. Als einfaches Schlagwort bezeichnet ‚Digitalität‘ die Technologisierung realer Lebenswelten und Alltagserfahrungen. Der Begriff erfasst eine Entwicklung, die sich selbstverständlich nicht auf kommerzielles oder unternehmerisches Handeln beschränkt. Stattdessen verändern sich als Folgewirkung der Digitalität die allgemeinen und umfassenden Lebensverhältnisse radikal und rasant.
Der Ursprung des Worts Transformation findet sich im Lateinischen. Im Wort Transformation findet sich die Idee von Formation mitbezeichnet.
Formation bedeutet in der lateinischen Wortwurzel sinngemäß etwas zu bilden, zu gestalten, zu formen. Transformation meint dann die Umwandlung des davor Bestehenden, die Verwandlung, die Veränderung des bereits Geformten. Jede Transformation symbolisiert konsequenterweise den Wandel des Seienden.
Transformation meint im Wortsinn also nicht die Schaffung von Neuem, sondern die Veränderung von Vorhandenen.
Drei Begriffsdefinitionen lassen sich unterscheiden:
- Digitalisierung meint schlicht den Vorgang, Informationen in Bits und Bytes abzulegen, damit sie von Computern gelesen werden.
- Digitalität meint die Technologisierung unserer Lebenswelt.
- Digitale Transformation bezeichnet die unternehmerischen, organisatorischen und gesellschaftlichen Folgewirkungen, die durch diese breitenwirksamen Phänomene veranlasst werden.
Rekapitulation: Der Begriff Ethik (Teil 1)
Den ersten Versuch, ein konzises Verständnis von Ethik zu systematisieren, unternimmt der griechische Philosoph Aristoteles. Seine wichtigste Studie zum Thema markiert das Werk Nikomachische Ethik. Aristoteles widmet den bedeutsamen Text seinem Sohn Nikomachos - daher der ungewöhnliche Name. Die Darstellung lässt sich als Handreichung des Vaters an den Sohn betrachten, wie gut zu wirken sei.
Was erachtet Aristoteles als richtiges Tun? Seiner Meinung nach findet es sich immer dort, wo Tugend anzutreffen sei. Tugend repräsentiert, so seine Analyse, immer den Ausgleich zweier Laster. Sie steht mittig zwischen Übermaß und Mangel. Tugend findet sich beispielsweise zwischen den Extremen Verschwendung und Geiz. Sie sitzt dort, wo wir auf Freigiebigkeit treffen. Sie bildet das Zentrum zwischen Schmeichelei und Streitsucht, wird dort entdeckt, wo Freundlichkeit herrscht. Ethisches Handeln besteht nach Auffassung von Aristoteles im Ausgleich zweier Gegenpole, in der Mäßigung, in der Unterlassung des absolut Machbaren.
Um ethisch zu handeln, verlangt es nach den Grundsätzen von Aristoteles, also Vernunft und Erkenntnis. Nur durch reflektiertes Begreifen lässt sich das eigene Verhalten gestalten und zur balancierenden Mitte hin orientieren. Bei all dem lässt Aristoteles über eine Einschätzung keinen Zweifel: Ethik bildet seiner Meinung nach den einzigen Weg, ein guter Mensch zu werden, um ein glückliches Leben zu führen. Seit der griechischen Antike gilt nun auch das Verständnis, dass Ethik eine bewusste Entscheidung vo-raussetzt und sich von unethischen Handlungen abgrenzen lässt.
Rekapitulation: Der Begriff Ethik (Teil 2)
Das Mittelalter befördert anschließend ein anderes Konzept im Verständnis der Ethik. Es gilt in dieser Epoche, das Leben auf die Gefälligkeit Gottes hin auszurichten. Ethisch handelt, wer durch sich selbst die Werke Gottes vollbringt. Ethisch agiert, wer sich selbst zum Werkzeug eines göttlichen Prinzips macht, als Instrument einer höheren Instanz arbeitet, finale Rechenschaft ablegen wird.
Auch dieser Zugang zur Ethik basiert auf der Überzeugung, dass der Mensch eigene Entscheidungen trifft, doch agiert er nicht im Namen seiner selbst, sondern hinsichtlich göttlicher Wirkung.
Von dieser Ausgangsposition kommt schließlich die Aufklärung ab. Sie erkennt im Menschen ein autonomes Wesen, das über ein wahrnehmbares Bewusstsein für einen sittlichen Kodex verfügt. Das Motiv, ethisch zu handeln, existiert, weil der Mensch mit Würde ausgestattet ist, weil wir Rechte und Pflichten haben, die uns zu richtigem Verhalten anleiten, weil wir auf Grundlage von Freiheit entscheiden. Wir agieren ethisch, weil auf diese Weise der eigenen und der universellen Würde des/der Anderen entsprochen wird.
Der deutsche Philosoph Immanuel Kant hat uns genau diesen Zusammenhang bewusst gemacht. Er hat als Erster entdeckt und begriffen, dass wir ethisch handeln sollen, um der universellen Würde des Menschen zu entsprechen. Wenn wir ethisch handeln, dann geschieht dies aus freien Stücken, weil wir mit Vernunft ausgestattet sind, die uns richtiges Verhalten erkennen lässt.
Zusammenfassend: Wir können ethisch handeln, weil uns Vernunft leitet, und wir sollten ethisch handeln, um der Würde des Menschen zu entsprechen. Beides lässt sich begreifen, weil wir als Menschen über die Fähigkeit der Erkenntnis verfügen.
Rekapitulation: Der Begriff Ethik (Teil 3)
Wie läss sich ethisches Handeln ergründen? Was gibt den entscheidenden Hinweis darauf?
Für Immanuel Kant lässt sich der moralische Wert einer Handlung ermessen, wenn die Intention bewertet wird, die eine Handlung veranlasst.
Immanuel Kant schreibt in seiner Abhandlung Metapyhsik der Sitten: „Der gute Wille ist nicht durch das, was er bewirkt, oder ausrichtet [...] sondern allein durch das Wollen [...] an sich gut [...].“
Ethisch verhalten sich Menschen dann, wenn die Motive, die eine Handlung veranlassen, lauter wären. Nur die Intentionen, die anstoßen, geben Aufschluss über den moralischen Wert von Taten. Da Entscheidungen in Handlungsmotiven gründen, müssen diese Handlungsmotive allgemeinen Wertvorstellungen entsprechen, um ethisch zu sein. Nur wenn universellen Prinzipen genügt wird, wird richtigen Veranlassungen gefolgt. Immanuel Kant geht in seinem Argument so weit, dass er keine Ausnahme von der Regel akzeptiert.
Sein Rigorismus wird von Kritikern durch ein exemplarisches Beispiel herausgefordert: Angenommen ein Freund verstecke sich im eigenen Haus, weil er vor einem Mörder flieht. Der Mörder klopft an die Tür und fragt, ob man wisse, wo sich der Freund aufhalte. In diesem Fall wäre es doch zweifellos eine ethische Handlung, den Mörder zu belügen und von der Vorgabe, die Unwahrheit zu verpönen, abzuweichen.
Immanuel Kant verneint. Er behauptet, es brauche moralische Bedingungslosigkeit. Kein Ausnahmefall kann es erlauben, von grundsätzlichen Devisen abzuweichen. Wird nur in einem einzigen Fall die Lüge als legitim erachtet, dann verabschieden wir uns von unumstößlichen Standpunkten und wissen in Folge nicht mehr, wann gelogen und wann die Wahrheit gesagt wird. Da die Essenz der Ethik im Grundmotiv des Vorgehens zu eruieren sei, wirken keine Abweichungen von diesem Prinzip zulässig oder begründbar.
Abweichende Haltungen von der Position Immanuel Kants: Einen massiven Widerspruch formuliert der Konsequentialismus. Die Idee besagt: Der moralische Wert einer Handlung bemisst sich nicht nach der Intention, sondern der Konsequenz einer Tat. Die Wirkung und nicht der Ausgangspunkt müssen Entscheidungskriterium sein, um zu ermessen, ob ethisch gehandelt wird. Ethik wird durch ein Duopol bestimmt.
Intentionalismus steht der Überzeugung des Konsequentialismus entgegen.
Ethik: Beispiel 1
Angenommen wir wären ChirurgInnen in der Notaufnahme eines Krankenhauses und es kommt zu einem tragischen Autounfall. Fünf schwer verletzte Personen werden ins Spital gebracht. Eine Person erleidet extrem tragische Verletzungen, sie zu operieren würde den ganzen Tag in Anspruch nehmen und die anderen vier Personen würden, während wir operieren, mit Sicherheit ihr Leben verlieren. Oder aber wir operieren die anderen vier Personen und akzeptieren, dass wir damit die eine Person sterben lassen. Wie würde man entscheiden?
Ethik: Beispiel 2
Jemand arbeitet als Transplantationschirurgin, ein kerngesunder Patient kommt im Nachbarzimmer zum re-gelmäßigen Check-up und schläft dort auf der Bank für ein kurzes Nickerchen ein. Die Transplantationschirurgin sorgt sich in diesem Moment um vier Verletze des Autounfalls, die dringend eine Organspende brauchen, weil ihr Zustand äußerst kritisch ist und sich zusehends verschlechtert. Nun ließe sich, da sich eine Person im Tiefschlaf befindet, Nutzen daraus ziehen. Der Person ließe sich Herz, Lunge, Leber, Niere entwenden, um sie den anderen PatientInnen zu implantieren. Der Tod einer Person wird in Kauf genommen, um das Leben von den anderen vier zu retten.
Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, die eigene Position zu ordnen. Wie würden Sie entscheiden, wenn Sie ihren eigenen ethischen Überzeugungen folgen wollen?
Wie entscheiden sich andere im Vergleich, wenn sie ihren ethischen Über-zeugungen folgen? Erfahrungen zeigen ein eindeutiges, aber kein einstim-miges Bild.
Im ersten Fall tendiert eine Mehrheit befragter Personen dazu, die vier verletzten Personen zu operieren und zu akzeptieren, dass die tragisch schwerverletzte Person sterben würde.
Im zweiten Beispiel hingegen nimmt die Mehrheit der Personen davon Abstand, dem kerngesunden Menschen die Organe zu entwenden, um das Leben der anderen vier zu retten.
Wie lässt sich im analytischen Rahmen dieser Unterschied reflektieren?
Im ersten Beispiel stehen die tatsächlichen Konsequenzen der Entscheidung im Vordergrund. Das eigene Handeln wird durch die Rettung der vier begründet.
Im zweiten Fall leiten andere moralische Prinzipien, die kategorisch gelten und als Begründung vorab Entscheidungen anstoßen. Man müsste bereit sein, den Tod eines anderen Menschen willentlich herbeizuführen, um vier andere zu retten. Vor der Handlung wird zurückgeschreckt, weil sie einen Entschluss voraussetzt, der als unethisch betrachten wird.
Im dem einen Fall motiviert die Konsequenz, in der anderen Situation führt die anfängliche Intention. Intentionalismus und Konsequentialismus bilden also keine unumstößlichen Direktiven, sondern sie begründen Verhalten situationsabhängig und haben beide ihre Berechtigung.
Ethik: Beispiel 3 "Entführte Passagiermaschine"
Das deutsche Innenministerium hat vor einigen Jahren einen Gesetzesentwurf vorbereitet, der vorsieht, dass entführte Passagiermaschinen abgeschossen werden dürfen, wenn davon auszugehen ist, dass ein Flugzeug als terroristische Waffe gegen von Menschen frequentierte Einrichtungen gesteuert wird. Der Bundestag hat das Gesetz verabschiedet, das Bundesverfassungsgericht es jedoch für nichtig erklärt. Aufgrund der Würde des Menschen, die als Grundprinzip im deutschen Grundgesetz verankert ist, kann nicht Menschenleben mit Menschenleben aufgerechnet werden. Das Bundesinnenministerium reflektierte also auf einer konsequentialistischen Basis, indem es mathematisch kalkuliert. Es muss der Tod von Menschen herbeigeführt werden, um andere Menschen zu retten. Das Bundesverfassungsgericht hält eine intentionalistische dagegen, indem es argumentiert, Menschenleben lässt sich nicht gegen Menschenleben subtrahieren. So funktioniert unser Verständnis von Würde nicht.
Die Idee von menschlicher Würde wäre laut Grundgesetz kein mathematisches Modell, sondern Würde wäre immer unteilbar und ihre Bewahrung muss oberstes Prinzip staatlichen Handelns sein.
Ethik: Beispiel "Autonomes Fahren"
Das Massachusetts Institute of Technology führt aktuell eine großangelegte Studie online durch, an der sich jede/r ohne Vorbedingung beteiligen kann. Die Untersuchung möchte querschnittsartig herausfinden, was beispiels-weise von selbstfahrenden Autos erwartet wird, wenn es zu brenzligen Situationen kommt. Wie soll ethisch entschieden werden? Das ganze Model baut auf einem konsequentialistischen Fundament auf. Das Experiment verhandelt ähnliche Fragen, wie die oben gestellte.
Gerade bei der Fragestellung hinsichtlich des gewünschten Verhaltens von autonomen Vehikeln zeigt sich die Komplexität der Fragestellung, wie mit autonomisierten Entscheidungen umzugehen wäre.
Beispiel direkt aus dem Fragebogen des MIT:
Ein selbstfahrendes Auto kann einen Zusammenprall mit tödlichem Ausgang nicht abwenden. Es stehen nun zwei Optionen offen. Entweder rammt das Auto einen Block, der mitten auf der Straße steht und die Insassin verliert das Leben, oder das Auto wechselt intentional die Fahrspur, um dem Block auszuweichen, überfährt jedoch einen Fußgänger, der die Straße auf dem Zebrastreifen überquert.
Die Situation impliziert faktisch mehrere zentrale Herausforderungen.
Neben der vordringlichen Entscheidung, ob die Fahrspur gewechselt wer-den soll oder nicht, stellt sich auch die Frage, wer dies festlegen darf. Sollen Gesellschaften in Form eines gesetzlichen Regelwerks beschließen, wie ein autonomes Fahrzeug in diesem Fall zu reagieren hat? Braucht es also ge-setzliche Bestimmungen? Wenn ja, dann müssen konsequenterweise nati-onale Parlamente darüber befinden und verbindliche Entscheidungen tref-fen. Das könnte bedeuten, dass bei einer knapp vierstündigen Fahrt von Wilna nach Riga auf litauischem Gebiet andere Regelwerke gelten könnten als in Lettland. Also braucht es eher internationale Standards.
Oder wird es den Autoherstellern selbst überlassen, als Unternehmen, ei-genständige Festlegungen über das Verhalten ihres Autos zu treffen und diese dann zu bewerben? Wie würden dann Autokäufer darauf reagieren, dass bei einem Hersteller die Insassen, bei anderen die Fußgänger ge-schützt würden? Wird das plötzlich zum Wesensgehalt der Kaufentschei-dung?
Oder aber wird den KonsumentInnen die Entscheidung autonom anheim-gestellt? Wird heute beim Autokauf beispielsweise darüber befunden, wel-
Seinsbestimmung und Seinsformen des 20. Jahrhundert
Ökologie und die digitale Transformation bilden die zentralen gesell-schaftlichen Seinsbestimmungen und Seinsformen im 21. Jahrhundert.
Permanente Veränderung aufgrund historischer Beschleunigung (Teil 1)
Der Philosoph Immanuel Kant ist überzeugt, dass der menschlichen Natur erfahrbare Konfliktpotenziale im sozialen Zusammenleben eingewoben wären.
- Denn erst störrischer Widerwille am Bestehenden setzt den Gestaltungswillen frei, der jeder Verbesserung vorangeht.
- Es braucht Missmut mit dem Vorhandenen, um die Intention zu kreieren, den Stand der Dinge zu wandeln.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der zeitlich nach Kant wirkte, sah hingegen nicht eine Eigenart der menschlichen Natur am Wirken, die den Gang der Geschichte vorantreibe. Stattdessen vermutete er einen metaphysischen Weltgeist, der in der Geschichte wirksam wäre. Fortschritt erkannte er als unumgänglich, weil die Geschichte als Instrument der Vernunft wirke. Die Vernunft wiederum wird durch die Geschichte selbst zur Wirklichkeit. Alles was damit Wirklichkeit wird, materialisiert den Fortschritt.
Permanente Veränderung aufgrund historischer Beschleunigung (Teil 2)
Karl Marx erkennt die Grundlage der wirksamen Veränderungskräfte stattdessen weder in individuellen Persönlichkeitsmerkmalen noch in einem metaphysischen Konzept wie jenem des Weltgeists.
Der Philosoph dachte vielmehr, dass ein antagonistischer Klassenkampf den Fortschritt von Gesellschaften begründe. Die letzte Stufe vor dem zielführenden Abschluss der historischen Entwicklung machte Karl Marx konsequenterweise im Kapitalismus fest. Denn jede Form von Gesellschaft zeichnet bisher immer eine Dualität zweier gesellschaftlicher Pole aus, die als herrschende und beherrschte Klasse im strukturellen Widerstreit stehen. Der Kapitalismus bildet insofern die vorletzte Stufe dieser Entwicklung, als in seiner Ära Produktivitätskräfte geschaffen werden, die den Menschen von den Gängelungen durch Entbehrungen befreien. Erstmalig in der Geschichte der Menschheit werden produktive Kräfte geschaffen, die es erlauben, Mangel zu überwinden. Durch den Kapitalismus entwickelt sich konsequent ein Wohlstandsniveau, das es ermöglicht, bisherigen Entsagungen abzuschwören.
Nach Auffassung von Karl Marx wird, von diesem Standard ausgehend, eine unumwundene kommunistische Revolution zur Abschaffung der Dialektik aus Herrschenden und Beherrschten führen. Erstmal Überfluss erzielt, verlangt es seiner Auffassung nach keine Trennung mehr zwischen Herrschenden und Beherrschten, denn bei Marx ist gesellschaftliche Macht immer direkt an die Verfügungsgewalt über ökonomischen Wohlstand gekoppelt. Die kommunistische Revolution führt also seiner Auffassung nach nicht zum Austausch der Herrschenden, sondern zur Abschaffung der Herrschaft an sich, weil unter den Bedingungen des Überflusses auch die Modalitäten von konventioneller Herrschaft überflüssig werden.
Permanente Veränderung aufgrund historischer Beschleunigung (Teil 3)
Alle Denker, die im fortschrittsgläubigen 19. Jahrhundert davon ausgingen, dass Fortschritt unumgänglich wäre, strafte das 20. Jahrhundert Lügen. Anstatt eines Fortschritts hin zu einem größeren Humanismus und finaler Freiheit, führte die totalitäre Ideologie des Faschismus in den menschlichen Abgrund und der real existierende Kommunismus entpuppte sich nicht als Reich der Herrschaftslosigkeit sondern als Großgefängnis und Unterdrückungsmechanismus.
Diese gemachten Erfahrungen helfen dabei, die gegenwärtige Situation in einen reflektierten Kontext zu setzen: Auch das 20. Jahrhundert zeigt wesentliche technologische Durchbrüche, die nicht unumwunden und automatisch zu politischen und sozialen Verbesserungen wurden. Fortschritt in einem Bereich begründet nicht zwangsweise Fortschritte in anderen Bereichen. Wie sich technologischer Fortschritt in sozialen, politischen, ökologischen Fortschritt übersetzen lässt, bleibt eine gesondert zu erzielende und bedeutsame Aufgabe.
Veränderung ist dem modernen Zeitalter immanent, denn Wandel wirkt als Konstante.
Permanente Veränderung aufgrund historischer Beschleunigung (Teil 4)
Bereits das Zeitalter vor dem Ersten Weltkrieg lässt sich frappierend mit der Jetztzeit vergleichen. Die Neuerungen in der Telekommunikation durch die Erfindung und Verbreitung des Telefons, die intensive Verflechtung des internationalen Handels, Jahrzehnte der internationalen politischen Stabilität und eine damit einhergehende fatale Unterschätzung von Kriegsrisiken bei zwischenstaatlichen Konflikten, Neuerungen im Transportwesen, das Gefühl der technologischen Veränderung und des sozialen bzw. politischen Stillstands führten zu einem gesellschaftlichen Mix, der schließlich den Nährboden für die Urkatastrophe des Ersten Weltkriegs bildete.
Das Neuartige an der Jetztzeit liegt folglich nicht in der Technologisierung der Lebensumstände, auch weniger in der Digitalisierung der vorhandenen Technologien – der massive Unterschied lässt sich in der Rasanz des Wandels bestimmen und durch die Folgewirkungen dieser Umbrüche ausmachen. Nicht dass Wandel stattfindet, ist also die Besonderheit der Gegenwart, sondern wie schnell er agiert. Tiefgreifende Erneuerungen führen häufig zu nachhaltigen Machtverschiebungen, Hierarchien geraten ins Wanken.
Die I. Industrielle Revolution baute auf der Durchsetzung der Dampfmaschine auf. Diese technische Veränderung führte dazu, dass England zur führenden Weltmacht aufstieg. Auch die kontinentalen Wege verkürzten sich durch die Durchsetzung der Dampfeisenbahn zeitlich. Die Dampfeisenbahn ersetzte mühsame Überlandreisen in Kutschen.
Im ersten Dow Jones Index, der noch vor der II. Industriellen Revolution gemessen wurde, fanden sich aufgrund der Popularität dieser Reisemethode und ihrer wirtschaftlichen Signifikanz fast ausschließlich Dampfeisenbahnen – nur das Telegraphenunternehmen Western Union bildete diesbezüglich eine Ausnahme.
Permanente Veränderung aufgrund historischer Beschleunigung (Teil 4, Dow Jones Index)
Der Dow Jones Index selbst erfasst einen Aktienindex, der über die Kursentwicklung des Aktienmarkts Aufschluss geben soll, indem die Performance der Leitaktien von 30 Unternehmen mit Gewichtung zusammengefasst wird. Diese führenden Unternehmen gelten symptomatisch für die Entwicklung der amerikanischen Gesamtindustrie selbst. Berücksichtigt werden also für den Dow Jones Index vor allem Unternehmen, deren Tätigkeit als maßgeblich und beispielhaft für die Entwicklung der amerikanische Volkswirtschaft erscheinen.
Dass der Dow Jones Index maßgeblich durch Dampfunternehmen bestimmt wurde, war beispielsweise zu Anfang des 20. Jahrhunderts der Fall. In der kurzen Ära zwischen Jahrhundertwende und vor dem Ersten Weltkrieg, der 1914 beginnt, setzte dann eine Dynamik unterschiedlicher Entwicklung ein, die durch verschiedene Innovationen begründet wird. Die Dynamiken führen dazu, dass am Ende des Ersten Weltkriegs im Jahr 1918 nur noch ein Unternehmen im Aktienindex erfasst wird, das bereits zum Jahrhundertbeginn dazu gezählt wurde: Das Telegraphenunternehmen Western Union, auch damals schon bekannt für Geldüberweisungen, die sich mittels des Unternehmens organisieren lassen. Die Dampfunternehmen hingegen waren mittlerweile allesamt aussortiert.
Innovation agiert folglich gnaden- und rücksichtlos. Sie besorgt nicht nur, dass Neues entsteht, sondern auch das Bestehendes obsolet wird und unwiederbringlich vergeht, als sich die Bedürfnisse einer Gesellschaft ändern. Waren im Jahr 1900 also Eisenbahnen noch die bedeutsamsten Unternehmen in den USA, war das knappe zwei Jahrzehnte später bereits nicht mehr der Fall.
Permanente Veränderung aufgrund historischer Beschleunigung (Teil 5, Dow Jones Index)
Wird das 20. Jahrhundert durch den Blickwinkel eines anderen US-amerikanischen Aktienindexes betrachtet, zeigen sich ähnliche Muster und Auffälligkeiten.
Der S & P 500 erfasst als instruktiver und auskunftsstarker Leitindex die 500 größten börsennotierten US-Unternehmen, ausgewählt anhand ihrer Marktkapitalisierung. Dabei wirkt es aussagekräftig, wie lange die durchschnittliche Erwartungshaltung besagte, dass die Aktie eines Unternehmens als Teil des S & P 500 registriert werden konnte.
- Im Jahr 1935 waren es durchschnittlich 90 Jahre, die als Erwartungshaltung galten, wie lange ein Unternehmen im S & P 500 Index gelistet blieb.
- Im Jahr 1955 reduzierte sich dieser Wert bereits auf 45 Jahre.
- Im Jahr 1975 sank er auf 30 Jahre.
- Im Jahr 1995 waren es nunmehr 22 Jahre.
- Im Jahr 2005 sind es dann schließlich noch 15 Jahre, die der Aktie eines Unternehmens als Verweildauer im S & P 500 zugemessen wird.
Der Bedeutungszeitraum der Relevanz eines Unternehmens sinkt kontinuierlich.
Kräfteverhältnisse und Bedeutungsverschiebungen im Online-Bereich erscheinen dabei noch gravierender und rasanter als diese Vergleichswerte nahelegen.
Die untere Abbildung zeigt an, welche 20 Unternehmen in den USA die häufigsten Internetaufrufe über den Verlauf von zwei Jahrzehnten auf sich vereinigen. Es handelt sich dabei selbstverständlich um einen anderen Referenzwert als durch die Marktkapitalisierung erfasst. Doch besitzen unter volkswirtschaftlichen Umständen, die Aufmerksamkeit zu kapitalisieren versteht, diese Referenzwerte entscheidende Bedeutung.
Permanente Veränderung aufgrund historischer Beschleunigung
(Teil 5, Entwicklungsschritte)
Die permanente Beschleunigung, denen der Wandel der Gesellschaften in größeren Zyklen als diesen unterliegt, zeigt sich auch in der Abfolge der industriellen Revolutionen. Die unterschiedlichen Zyklen, die einer konkreten Entwicklungsstufe der industriellen Revolution zugeschrieben werden können, verkürzen sich sukzessive. Oder anders formuliert: Die Abfolge der Entwicklungsschritte beschleunigt sich.
Eine Grafik zeigt exakt die immanente Verkürzung dieser Zyklen an.
Die technischen Grundlagen der I. Industriellen Revolution bildeten über einen konstanten und beachtlichen Zeitraum hinweg die federführenden Standards im Hinblick auf die Praxis industrieller Fertigung.
Die II. Industrielle Revolution repräsentiert demgemäß eine Effizienzsteigerung, verursacht durch den flächendeckenden Einsatz von Fließbändern und der Elektrifizierung von Anlagen. Zwischen den beiden Ansätzen liegt jedoch mehr als ein Jahrhundert.
Es benötigte dann den ungefähren Zeitraum von sieben kurzen Jahrzehnten, bevor sich die die gängigen Produktionsbedingungen der II. Industriellen Revolution durch den Einsatz von EDV erneuerten und die III. Industrielle Revolution anbricht.
Weniger als fünf Jahrzehnte, wenn großzügig bemessen, brauchte es dann schließlich, bevor die Grundlagen der III. Industriellen Revolution sich als gleichermaßen überholt und veraltet beweisen.
Die Zeiträume zwischen den einzelnen industriellen Entwicklungsschritten werden zunehmend kürzer. Es lässt sich antizipieren, dass der Sprung von der IV. Industriellen Revolution zur V. Industriellen Revolution kürzer sein wird, als jener von der III. zur IV. Der wiederum war kürzer als jener von der II. zur III. Der wiederum war merklich schneller als jener von der I. zur II.
Immanente Beschleunigung markiert das verbindliche Wirkprinzip.
Permanente Veränderung aufgrund historischer Beschleunigung
(Teil 6, Entwicklungsschritte)
Worin liegt nun die ethische Komponente der zunehmenden Entwicklungsbeschleunigung? Der Soziologe Hartmut Rosa diagnostiziert der Gesellschaft eine Dichotomie aus Beschleunigung und Entfremdung.
Hartmut Rosa referiert, dass es vor allem der Faktor Zeit sei, der unsere gegenwärtige Gesellschaft prägt. Zeit wird persönlich jedoch nur noch als permanente Beschleunigung erfahren. Hartmut Rosa formuliert entsprechend, dass nicht nur der fortlaufende Wandel die definitive Konstante der Moderne sei. Er erkennt auch, dass sich Zyklen des Wandels permanent verkürzen.
Joseph Schumpeter analysiert, dass die Marktwirtschaft keine Stabilität erwirken kann, als ihr der Modus permanenter Erneuerung eingewoben sei. Innovation wirkt als kontinuierliches Manifest marktwirtschaftlicher Logik.
Hartmut Rosa präzisiert dieses Verständnis, als er nicht nur das Wesen der Erneuerung ergründet, sondern auch die Dimension von Zeitlichkeit mitbedenkt. Nicht nur dass Innovation die stetige Veränderung des Markts bewirkt, sondern die Innovationszyklen verdichten sich. Es lässt sich eine stei-gende Rasanz des Wandels ausmachen, unaufhaltsam. Das bedeutet, die Veränderung agierte noch nie so schnell wie in der Gegenwart, wird aber in Zukunft nie wieder so langsam sein wie heute.
Hartmut Rosa vermerkt hinsichtlich der definitorischen Eigenart der Moderne:
Eine moderne Gesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass sie sich nur dynamisch zu stabilisieren vermag. Was bedeutet, die heutige Gesellschaft ist strukturell auf Wachstum, Beschleunigung und Innovationsverdichtung angewiesen, um sich zu erhalten und zu reproduzieren.
Permanente Veränderung aufgrund historischer Beschleunigung
(Teil 7, Entwicklungsschritte)
Hierin besteht die Paradoxie der gängigen Veränderung:
Eine beschleunigende Dynamik durch Innovation verändert radikal Angebot, Struktur und Produktionserfahrung des Markts.
Es muss sich alles wandeln, um die Erwartung zu erfüllen, dass substanziell alles gleichbleibt.
Das immer schnellere In-Bewegung-Setzen der materiellen, sozialen und geistigen Welt zielt darauf, die bestehenden Verhältnisse durch Wandel zu stabilisieren. Die Paradoxie liegt darin, dass die eigentlichen Verhältnisse erst durch rasante Veränderung überdauern werden. Es mögen zwar vier Abfolgen der industriellen Revolution gezählt werden. Doch sie alle bestärken die Rahmenbedingungen der industriellen Revolution fortlaufend und unverändert. Sie basieren auf marktwirtschaftlichem Handel, Unternehmertum, moderner Staatlichkeit, Kapitalakkumulation, Konsumlogik. Diese Konstanten überdauern in veränderter Form.
Der demokratische Imperativ liegt nun darin, diese immanente Veränderung auf gesellschaftlicher Ebene ausgleichend mitzugestalten. Demokratisch verfasste Gesellschaften verstehen es, die Konsequenzen ertragreicher Investitionen und marktwirtschaftlicher Tätigkeit durch Ansprüche auszugleichen, zu korrigieren, zu verändern und sie als unumgängliche und legitime Interessen des Gemeinwohls darzustellen.
Permanente Veränderung aufgrund historischer Beschleunigung
(Teil 8, Mensch & Maschine)
Im Zusammenhang mit der permanenten Beschleunigung der Jetztzeit stellt sich also die Aufgabe, eine nunmehr unleugbare und denkbare Konkurrenzsituation im Geiste der zivilen Humanität aufzulösen: Es handelt sich dabei um das präsente Verhältnis zwischen Mensch und Maschine.
Wenn Mensch und Maschine gegeneinander in einem direkten Konkurrenzverhältnis stehen, verliert der Mensch, weil er keine ähnlichen Leistungen und Produktivitätssteigerungen erwirken kann, wie es der Maschine gelingt. Ein solches Verhältnis macht aber auch wenig Sinn und denkt die Bezüge falsch. Ein kopfrechnender Kassier im Supermarkt wird gegen den Laserscanner permanent den Kürzeren ziehen. Wenn aber solche Verhältnisse geschaffen werden, die diese abstrusen Konkurrenzsituationen in allerlei Umfeldern determinieren, dann wurde schlicht der Zweck von Maschinen verkannt.
Vielmehr braucht es ein Abhängigkeitsverhältnis, dass die Maschine zum Erfüllungsgehilfen menschlicher Ambitionen degradiert.
Nicht im maschinellen Funktionieren des Menschen, aber auch nicht in der Vermenschlichung der Maschine liegt das humanistische Gebot der Zukunft – vielmehr in der zweckmäßigen und bedarfsgerechten Nutzung von Maschinen durch den Menschen. Dieses Zusammenwirken zeigt gegenwärtig bereits vielversprechende Potenziale im Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Die Produktivität wird gehoben durch das ertragreiche Zusammenwirken von Mensch und Maschine.
Permanente Veränderung aufgrund historischer Beschleunigung
(Teil 8, Mensch & Maschine)
Die gegenwärtige Weltspitze der Schachspieler repräsentiert die erste Generation an Spielern, deren Fähigkeiten seit den Anfängen auch von Computern trainiert wurden. Auf diese Weise wurden Intelligenz und Spielstärke im Vergleich zu den alten Großmeistern markant gesteigert.
Die zentrale Fragestellung besteht also darin, ein kooperatives Verhältnis zwischen Mensch und Maschine zu etablieren, wobei die rechtlichen Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Bedingungen so zu konstituieren sind, dass maschinelle Arbeit zum unzweifelhaften Nutzen der Menschen geschehen sollte. Wie folglich der maschinell oder digital erwirkte Wohlstand sich ansprechend verteilen ließe und welche Redistributionsmecha-nismen dabei sinnvoll wirksam werden könnten, bleibt eine gesellschaftlich zu treffende Entscheidung, Ideen und Vorschläge dazu folgen im Rahmen dieses Skripts noch. Bevor jedoch der Fokus immanent auf Veränderungspotenziale und diesbezügliche Konzepte gelegt wird, soll vorab eine andere Ursache gesellschaftlicher Veränderung skizziert werden und ein Zusammenhang mit der digitalen Transformation mitbedacht werden.
Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie - die Existenzbedingung im 21. Jahrhundert (Teil 1)
Der Treibhauseffekt
Sonnenstrahlung passiert in der Form von Lichtwellen die Atmosphäre. Die Erde absorbiert diese Energie und strahlt sie in Form von Infrarot wieder zurück in die Atmosphäre. Ein Teil der Energie wird jedoch durch die Atmosphäre gespeichert, damit wird die Erdatmosphäre aufgeheizt. Ohne diesen Treibhauseffekt, ohne die Funktion der Atmosphäre würde die mittlere Temperatur auf unserem Planeten bei minus 18 Grad liegen, anstatt bei der globalen und bodennahen Durchschnittstemperatur von 15 Grad.
Beim natürlichen Treibhauseffekt handelt es sich also um eine Wirkung, die für die Entwicklung organischen Lebens auf der Erde unerlässlich zeichnet. Er erlaubt, dass Wasser in flüssiger Form in natürlicher Umgebung vorkommt und auf diese Weise organisches Leben entstehen konnte. Der Treibhauseffekt schafft die Voraussetzungen für jene klimatischen Bedingungen, die unsere Lebenswelt formen.
Ein Gas, das auf natürliche Weise zum Treibhauseffekt beiträgt, ist Kohlendioxid (CO2). Es handelt sich bei diesem farb- und geruchlosen Molekül um eine chemische Verbindung aus den Elementen Kohlenstoff und Sauerstoff. Das Molekül besitzt als solches die Eigenschaft, Wärmestrahlungen zu absorbieren. Genau diese Fähigkeit sorgt dafür, dass CO2 als Treibhausgas wirkt. Es speichert solare Wärmeenergie und strahlt sie ab.
Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie - die Existenzbedingung im 21. Jahrhundert (Teil 2)
CO2 kommt in der Biosphäre vor. Es stabilisiert als solches nicht nur den Temperaturhaushalt der Erde, sondern gestaltet organisches Leben selbst. Beispielsweise wird es vom Menschen als Abfallprodukt des Stoffwechsels ausgeatmet. CO2 stabilisiert aber auch den pH-Wert im Blut, hilft der menschlichen Physis und wird durch die pflanzliche Photosynthese wieder in Sauerstoff umgewandelt. Der Prozess der Evolution hat diesbezüglich ein austariertes und harmonisches System aufgebaut, einen biologischen Kreislauf geschaffen.
In der Atmosphäre machen die Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Ozon (O3), Lachgas (N2O) und Methan (CH4) nur einen Bruchteil der vorhandenen Bestandteile aus. Sie repräsentierten insgesamt nur knapp 0,04 % aller Stoffe.
Den weitaus größten Anteil der Bestandteile der Atmosphäre bilden zusammengenommen Stickstoff und Sauerstoff. Sie bündeln mehr als 99 % aller atmosphärischen Komponenten, haben aber auf das Klima keine weitere Auswirkung. Sie sind weder fähig, Wärme zu speichern noch diese zu absorbieren.
Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie - die Existenzbedingung im 21. Jahrhundert (Teil 3)
Ein äußerst fragiles Gleichgewicht und eine filigrane Zusammensetzung der Atmosphäre zeichnen also für die zyklische Stabilität des Klimas verantwortlich und begründen die bodennahen Temperaturverhältnisse.
Das Klima als solches ist weder dauerhaft stabil noch gleichbleibend, sondern es ändert sich zyklisch.
Die Zyklen jedoch, die dabei beschritten werden, vollziehen sich in planetarischen Intervallen. Diese sind schlicht anders als zivilisatorische oder gar kulturelle Zeithorizonte.
Natürliche Klimaveränderungen bilden sich im Laufe von Jahrtausenden. Das Muster von fallendem und steigendem CO2-Gehalt in der Atmosphäre, dass sich weit zurückliegend nachweisen lässt, vollzieht sich als natürliches Phänomen über den Spielraum von Jahrtausenden.
Weil CO2 wesentlich bei der Speicherung und Verteilung von Hitze wirkt, korrespondiert die Konzentration von CO2 unmittelbar mit der globalen Durchschnittstemperatur. Die genaue Rückdatierung und Rückberechnung veränderlicher Klimaszenarien lässt sich mittels Bestimmung der Auswertung von Sauerstoff-Isotopenstufen im Rahmen von Eiskernbohrungen errechnen, die im antarktischen Eis vorgenommen wurden. Analysen, die auf Grundlage der gehobenen Materie durchgeführt werden, lassen mittlerweile präzise Kalkulationen über die klimatischen Entwicklungen der letzten 800.000 Jahre zu und die ermittelten Temperaturen zeigen den unmittelbaren Zusammenhang mit der nachweisbaren Konzentration an CO2 an.
Für den Zeithorizont der letzten 800.000 Jahre erweisen sich nachfolgende Trendkurven. Es darf bei der Betrachtung der Grafik auf der nächsten Seite mitbedacht werden, dass die ältesten Fossilien, die über die Ursprünge des Homo Sapiens informieren, knapp 300.000 Jahre alt wären.
Es zeigt sich nahezu eine Gleichförmigkeit der Verläufe zwischen CO2, der Durchschnittstemperatur und der Höhe des Meeresspiegels.
Abbildung 4: Entwicklung Durchschnittstemperatur, CO2, Meeresspiegel6
Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie - die Existenzbedingung im 21. Jahrhundert (Teil 4)
Seit Beginn der industriellen Revolution wurde dieser Trend durch den Menschen nun mächtig verschoben. Dafür verantwortlich zeichnet die Verbrennung von fossilen Energieträgern wie Erdöl, Erdgas und Kohle. Diese Vorgangsweise veränderte die chemische Konstitution der Atmosphäre binnen kurzer Jahrhunderte. Denn Erdöl, Erdgas und Kohle enthalten über-proportional viel CO2, das durch Verbrennung freigesetzt wird.
Fast 80 % des globalen Primärenergieverbrauchs wird gegenwärtig durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern gedeckt. Das führt nicht nur zur Freisetzung von CO2, das vorher in den unterirdischen Lagerstätten der Ressourcen gebunden war, sondern auch zur Ablagerung von CO2 in der Atmosphäre.
Jeden Tag verursacht menschliches Handeln, dass 110.000 Millionen Tonnen an hitzeabsorbierender und treibhausaktiver Verschmutzung in die Atmosphäre gepustet werden und dort verbleiben. In Konsequenz führt das zu massiven Folgewirkungen. Heute bereits misst sich eine Dichte und Menge an CO2 in der Atmosphäre, wie sie im Verlauf der letzten 800.000 Jahre nicht festgestellt werden konnte. Die Grafik unten, publiziert von der NASA, die als Organisation eine eindrückliche Forschung zum Sachverhalt des Klimawandels leistet, zeigt einen Zeithorizont von 400.000 Jahren auf:
Abbildung 5: CO2 Konzentration in der Atmosphäre
Die gegenwärtige Konzentration von CO2 in der Atmosphäre zeigt eine Dichte, die für die letzten 400.000 Jahre nicht einmal nachgewiesen wer-den kann. Seit Beginn der menschlichen Spezies lässt sich kein ähnlicher hoher Wert nachprüfen. Hauptursache dieser Tendenz: Die Verbrennung von kohlenstoffhaltigen fossilen Energieträgern durch den Menschen.
Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie - die Existenzbedingung im 21. Jahrhundert (Teil 5)
Bei diesem nachweisbaren Effekt handelt es sich weder um eine Laune der Natur, noch um einen ungewöhnlichen Ausreißer, der chemische Gesetzmäßigkeiten in Frage stellt. Stattdessen lässt sich die Folge davon beobachten, wie die wachsende Verbrennung von fossilen Energieträgern seit Beginn der industriellen Revolution zur zunehmenden Ablagerung von CO2 in der Atmosphäre führte.
Wie wird denn CO2 eigentlich gemessen?
Die Konzentration wird in Referenz gesetzt: wenn eine Million durchschnittlicher Bestandteile aus der Atmosphäre genommen werden, wie viele davon sind CO2 Moleküle? Daher der Ausdruck parts per million (ppm) – Bestandteile pro Million.
Laut Auskunft der NASA bemisst sich der Stand mit Januar 2019 auf 410 ppm. Im Verlauf der Erdgeschichte der letzten 800.000 Jahre und innerhalb der entsprechenden natürlichen Zyklen, die für langfristige Klimaveränderungen verantwortlich zeichnen, wurde nach Erkenntnissen wissenschaftli-cher Forschung nie der Wert von 300 ppm überstiegen. Eine natürliche Veränderung um 100 ppm benötigt normalerweise zwischen 5.000 und 20.000 Jahren. Der aktuelle Anstieg um 100 ppm hat hingegen nur 120 Jahre benötigt. Der Anstieg von 408 auf 409 hat dann nur noch 26 Wochen gebraucht – auf natürliche Weise würde eine solche Veränderung den Zeitrahmen zwischen 50 und 200 Jahren beanspruchen.
Die Brisanz der Entwicklung besteht darin, in welch kurzem Zeitraum ein Teil der Menschheit es erwirkt hat, die zyklische Konstanz klimatischer Trends aus der langfristigen Balance zu stürzen. Seit Beginn der industriellen Revolution intensiviert sich der Energiebedarf, der weitreichend auf der Verbrennung fossiler Energieträger beruht. Die Moderne gründet bisher auf einer direkten Proportionalität: Durch ansteigendes Wirtschaftswachstum wächst der Energiehunger von Volkswirtschaften. Die bedeutsame Aufgabe besteht jetzt darin, diese Tendenzen und Wirkmechanismen voneinander zu entkoppeln. Warum liegt darin ein gesellschaftlicher Auftrag?
Der Anstieg der CO2 Konzentration in der Atmosphäre führt zwangsläufig zu einem Temperaturanstieg mit fatalen Konsequenzen. Steigende Temperaturen verursachen den Anstieg des Meeresspiegels, Küstenlagen drohen unbewohnbar zu werden.
Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie - die Existenzbedingung im 21. Jahrhundert (Teil 6)
Der Meeresspiegel steigt aufgrund unterschiedlicher Faktoren: Zum einen wirkt das thermodynamische Gesetz, dass sich wärmende Gegenstände schlicht ausdehnen. Wird also das Ozeanwasser wärmer, dehnt es sich aus. Zum anderen führen das Abschmelzen von Gletschern und der Arktis durch die Erwärmung zur Verflüssigung von Wassermengen, die bisher als Eis gebunden waren. Je intensiver die Erderwärmung voranschreitet, umso vehementer wird sich diese Folgewirkung zeigen.
Resultate:
- Einige amerikanische Banken weigern sich bereits, Hypothekarkredite für Immobilien in Miami Beach zu gewähren. Das Risiko, dass sich die belehnten Grundstücke innerhalb der Laufzeit der Kredite einfach in Sumpfland verwandeln, wirkt zu wahrscheinlich und unvermeidlich.
- Wetterkapriolen werden extremer,
- Schäden durch Schlechtwetterfronten nehmen signifikant zu.
- Land, das sich zum landwirtschaftlichen Anbau eignet, nimmt ab.
- Wüsten dehnen sich aus.
- Klimatische Extremsituationen belasten die menschliche Physis.
- Viren und Krankheitsträger können in Regionen ausgemacht werden, die bisher nicht davon berührt waren.
Die beschleunigte Veränderung der klimatischen Umstände geschieht in einem Tempo, sodass die Evolution darauf nicht angemessen reagieren kann. Für die Artenvielfalt zeitigt die Wirkung der globalen Erwärmung enorme Konsequenzen. Manche Tierarten verlieren ihr natürliches Habitat, das erlaubt, Futter zu finden und sich fortzupflanzen. Manche können sich retten, indem sie entlang der Verschiebung von Klimazonen weiterwandern. Für Pflanzen und auf dem Land lebende Tiere kann beispielsweise belegt werden, dass sie mittlerweile innerhalb eines Jahrzehnts elf Meter in die Höhe und etwa siebzehn Kilometer Richtung Pole wandern. Sie folgen also den klimatischen Bedingungen und Klimaregionen. Nicht alle schaffen diese Wanderung oder können sie antreten, vorhersehbare Folge wäre ein Artsterben, wie es in den letzten 540 Millionen Jahren der Evolutionsgeschichte erst fünf Mal geschehen ist.
Nur wenige Organismen können sich an unterschiedliche klimatische Bedingungen adaptieren – unter anderem die Ratte, der Mensch, die Kellerassel und der Rabe.
Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie - die Existenzbedingung im 21. Jahrhundert (Teil 7)
Über die nächsten acht Jahrzehnte könnte die Hälfte aller existierenden Spezies aussterben, die heute den Planeten bewohnen. Evolutionsgeschichtlich gilt es als erforscht, dass über den Verlauf der großen Erdzeitalter mittlerweile 99,5 % aller Spezies ausgestorben sind.
Das Ende von Lebensarten ist also nicht nur vorstellbare, es ist evolutionsgeschichtliche Erfahrung. ForscherInnen sprechen mittlerweile vom sechsten großen Massenaussterben, das in diesem Jahrhundert erlebt wird. Das letzte Artensterben einer vergleichbaren Größenordnung fand vor 66 Millionen Jahren statt, als die Kreidezeit zu Ende ging. Damals schlug ein zehn bis fünfzehn Kilometer großer Asteroid auf der Halbinsel Yukatan ein. Dieser Vorfall zerstörte eine ganze ökologische Welt, als unmittelbare Folge davon gilt beispielsweise das Aussterben der Saurier. Von einer ähnlichen Wirkung für die Ökologie sprechen aktuell WissenschaftlerInnen, wenn das Ausmaß des durch den Menschen verursachten Klimawandels auf die Biosphäre begriffen werden soll.
Besonders betroffen von den klimatischen Verheerungen zeigen sich dabei die Ozeane. Sie sind es, die den Großteil der zusätzlichen Energie, die durch den menschverursachten Klimawandel auf der Erde gehalten wurde, aufgenommen haben.
Das sind nur einige Folgewirkungen, die im Rahmen der globalen Erwärmung bereits vorfallen. Das einflussreiche Think Tank World Economic Forum analysiert vor der Jahrestagung in Davos sowohl im Jahr 2017 als auch im Jahr 2018, dass das größte Risiko für die Weltwirtschaft und die Menschheit von Wetterkapriolen ausgehen würde, die der Klimawandel verantwortet. Dieses Phänomen wirkt in seiner Gesamtheit bedrohlicher als zwischenstaatliche Konflikte oder Cyberangriffe.
Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie - die Existenzbedingung im 21. Jahrhundert (Teil 8)
Das sind nur einige Aspekte, die durch den Klimawandel hervorgerufen wurden. Die voraussehbaren Verheerungen sind umfassender, komplexer, universeller und gleichermaßen radikaler. Der Klimawandel bildet ein Universalphänomen, der vielfältige gesellschaftliche und biologische Bereiche berührt, verändert, herausfordert.
Wie also handeln und weiterdenken im Angesicht dieses Szenarios? Ein ungebremster CO2 Ausstoß, die schonungslose Verbrennung fossiler Energien, beschleunigt durch das rasante Wachstum der Weltwirtschaft, das vor allem durch den Aufstieg der Entwicklungsländer verstärkt wird, könnte bis zum Ende des 21. Jahrhunderts einen Temperaturanstieg um 5 Grad Celsius verursache. Der Unterschied zwischen dem heutigen Klima und der letzten natürlichen Eiszeit, die ungefähr vor 115.000 Jahren begann und vor 15.000 Jahren endete, beträgt durchschnittlich 6 Grad. Darin beweist sich mittlerweile der Extremismus der Normalität.
Das 1,5 Grad Ziel im Pariser Klimaabkommen besagt, dass die durchschnittliche Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter eingedämmt werden soll. Das wäre Idealziel. Falls das nicht erreicht wird, dann müssen als letzte Obergrenze 2 Grad gelten.
Der Weltklimarat, dessen nobelpreisgekrönte Arbeit darin besteht, für politische Entscheidungsträger auf internationaler Ebene den Stand der wissenschaftlichen Forschung zum Klimawandel zusammenzufassen, errechnet, dass noch ein Zeitfenster bis ins Jahr 2030 offen wäre, um die extremen Folgeschäden präventiv zu verhindern und das 1,5 Grad Ziel zu erreichen. Dafür braucht es jedoch eine grundlegende Umkehr.
Seit Beginn der industriellen Revolution wurde also der Anteil an CO2 in der Atmosphäre durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern markant gesteigert, vor allem seit Ende des Zweiten Weltkriegs hat der globale Aus-stoß an von Menschen verursachten CO2 radikal zugenommen.
Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie - die Existenzbedingung im 21. Jahrhundert (Teil 9)
Seit Beginn der industriellen Revolution wurde also der Anteil an CO2 in der Atmosphäre durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern markant gesteigert, vor allem seit Ende des Zweiten Weltkriegs hat der globale Ausstoß an von Menschen verursachten CO2 radikal zugenommen.
Dabei sollte immer reflektiert werden, dass nur ein Bruchteil des freigesetzten CO2 vom Menschen verursacht wird. Den weitaus größten Teil setzt die Natur selbst frei.
Die Menge, die aber durch natürliche Prozesse freigesetzt wird, versteht die Natur wieder zu absorbieren und aufzubereiten. Es hat sich hier ein Gleichgewicht etabliert, das nun durch die menschliche Aktivität aus der Balance gebracht wird. Der zusätzliche CO2 Ausstoß, der vom Menschen zu verantworten ist, lässt sich nicht durch den etablierten Kohlenstoffkreislauf verarbeiten, ein Großteil davon verbleibt also in der Atmosphäre, da die Kapazitäten der natürlichen Absorption überfordert werden. Den natürlichen CO2 Ausstoß kompensiert die Natur durch pflanzliche Photosynthese und Absorption in den Ozeanen. Faktisch absorbiert sich auf natürliche Weise sogar mehr CO2 als auf natürliche Weise emittiert wird. Was aber vom natürlichen Kohlenstoffkreislauf nicht mehr vollkommen verarbeitet werden kann, ist die schlichte Menge an anthropogenen, also menschverursachten Treibhausgasen. Folglich: Die Atmosphäre wird vom Menschen zur Müllhalde für CO2 Ablagerungen degradiert, die sein eigenes Handeln verantwortet.
Auf eine größere CO2 Konzentrationen folgt ein Temperaturanstieg. Das geschieht unvermeidbar, doch für das menschliche Zeitverständnis mit Verzögerung, denn Unmittelbarkeit bezeichnet in diesem Fall planetarische Zyklen. Wie die Abbildung 4 oben anzeigt, folgt der Trendentwicklung von CO2 die Tendenz der Durchschnittstemperatur. Das ökologische System agiert jedoch mit verlängerten Reaktionszeiten. Das bedeutet, die konsequenten und unausweichlichen Folgewirkungen des bereits jetzt vorhandenen CO2 werden noch in Jahrhunderten und Jahrtausenden eine verschärfte Erderwärmung zu verantworten haben. Diese Reaktionszeit sorgt auch dafür, dass nicht die unmittelbaren Verursacher von den massivsten Verheerungen betroffen sind, sondern die nachfolgenden Generationen den Schaden tragen werden. Diese Zeitverzögerung erhöht die Komplexität des Problems um ein weiteres ethisches Dilemma.
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Um die bedrohliche Entwicklung zu verlangsamen und ihr schließlich Einhalt zu gebieten, einigte sich die Weltgemeinschaft beim Klimagipfel in Paris im Jahr 2015 darauf, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad gegenüber dem Beginn des Industriezeitalters zu begrenzen.
Wenn die 1,5 Grad nicht erreicht werden, dann wird als zweites Ziel eine Grenze von 2 Grad Erwärmung alternativ angeführt. Eine Erwärmung um 2 Grad würde laut Einschätzung zu Verheerungen und Umbrüchen im merklichen, doch überschaubaren Ausmaß führen. Jede weitere Erwärmung wäre mit sich exponentielle Risiken für die Weltgemeinschaft, die internationale Entwicklung und die Natur behaftet. Dabei gilt es auch zu verstehen, dass eine globale Erwärmung um 1,5 Grad nicht statisch bedeutet, dass sie in allen Weltregionen gleichermaßen erwartet werden kann, dass es schlicht 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter wärmer würde. Eine Erwärmung um 1 Grad im Bereich des Äquators bedeutet faktisch eine Erwärmung um 3 Grad in der Arktis, denn das globale Klima konstituiert sich durch unterschiedliche Zusammenhänge und komplexe Abhängigkeiten. Eine Schwierigkeit in der Berechnung und Vorhersage der weiteren Folgen zeigt sich genau darin, dass es eine wesentliche Herausforderung symbolisiert, wie die existierende klimatische Systematik durch Trendveränderungen sich wandeln wird. Gerade Big Data und die Anwendung Künstlicher Intelligenz tragen zum besseren Verständnis bei, liefern immer akkuratere Berechnungen und Prognosen.
Wenn also der immanente Zusammenhang zwischen Digitalisierung und dem Klimawandel bedacht wird, zeigt sich hier bereits eine wesentliche Verknüpfung. Das beweist Wirksamkeit nicht nur für Vorhersagen über perspektivische Entwicklungen, sondern es hilft beispielsweise im Verständnis von drohenden Wetterkapriolen.
- Wie genau wird der Kurs eines Hurrikans sein?
- Welche Regenmengen sind in einer Region zu erwarten?
Das alles lässt sich aufgrund der verfügbaren Datenverarbeitung mit viel exakterer Präzision vorherbestimmen als dies lange der Fall war.
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Ein anderer Zusammenhang, der sich zwischen moderner Technologie und dem Klimawandel ausmachen lässt, besteht in einer sehr grundlegenden Reflexion über das Thema: Der Klimawandel repräsentiert eine nicht intendierte, doch unmittelbare und konsequente Folgewirkung der Industriegesellschaft.
Der massenhafte Ausstoß von CO2 reflektiert die Art und Weise, wie die Industriegesellschaft produziert, sich fortbewegt, Energie konsumiert, Waren verbraucht, Produktionsprozesse organisiert, sich ernährt, sozial interagiert. All diese Faktoren begründen das Phänomen.
Wenn also die Industriegesellschaft die Ursache für den ungebremsten Klimawandel bildet, dann könnte ein progressiver Weg vorwärts in der Überholung der Industriegesellschaft selbst liegen. Der Ausweg mag in einer radikalen Ver-änderung hin zu einer innovationsgetriebenen Wissensgesellschaft liegen.
Technologischer Fortschritt geht im Regelfall mit weniger Energieverschwendung, besserer Nutzung von vorhandenen Wertschöpfungspotenzialen und intelligenteren Technologien zusammen. Im Rahmen der digitalen Transformation ökonomischer Prozesse und sozialer Interaktion stellt sich genau diese Frage, wie die Neuerungen zur ökologischen Trendumkehr effektiv beitragen können – alles würde selbstverständlich auf der Voraussetzung basieren, dass Gesellschaften den willentlichen und demokrati-schen Entschluss fassen, Veränderung zu gestalten, um Nachhaltigkeit zu erwirken. Die technologischen Entwicklungen und die freigesetzten Innovationspotenziale gerade bei der alternativen Energiegewinnung verantworten verstärkt, dass auf fossile Energieträger kontinuierlich verzichtet werden kann. Die Produktionskosten von alternativen Energien sinken rapide, die Kostenstruktur von fossilen Energieträgern erscheint dabei nicht mehr kompetitiv.
Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie - die Existenzbedingung im 21. Jahrhundert (Teil 12)
Im Jahr 2018 analysiert das deutsche Finanzunternehmen Wermuth Asset Management, dass eine Kilowattstunde Solarenergie mittlerweile in Dubai 2 Cent kostet, in der Bundesrepublik kostet sie 6 Cent.
Bei diesem Preisniveau wäre Erdöl faktisch nur bei einer Kostenstruktur von 4 Dollar/Barrel kompetitiv. Auf für den Energiemarkt gilt, was bereits für den Bereich der Produktion und des Handels festgestellt werden durfte: Der intelligente Einsatz moderner Technologien führt zu tiefgreifenden Umbrüchen. Tradierte Verfahrensmuster und Produktionsmechanismen, die ein Marktsegment bisher strukturierten, werden erneuert. Die technischen und wissensbasierten Grundlagen, um folglich von den fossilen Energien abzukehren, sind vorhanden. Diese grundlegende Transformation des Energiesektors wirkt weder simpel noch geradlinig, aber sie erscheint möglich und vor allem geboten. Der Wandel lässt sich auch nicht isoliert betrachten. Er repräsentiert einen Bestandteil der umfassenderen Transformation, die sich gesamtgesellschaftlich vollzieht. Nur wenn der Umbau in den größeren Zusammenhang selbstdenkender Systeme, interagierender Netze und automatisierter Kommunikation eingebettet wird, erschließt sich die Relevanz und eigentliche Größenordnung der absehbaren Veränderung.
Es sind mittlerweile entscheidende Kräfte im Markt, die den Prozess zur nachhaltigen Trendumkehr voranbringen und auf die wahrnehmbaren Entwicklungen reagieren. Die gegenwärtige Epoche kann als kybernetisches Zeitalter bezeichnet werden. Durch die Verarbeitung und Übermittlung von Information werden Soll-Zustände herbeigeführt. Bewusste Kommunikation veranlasst gewünschtes soziales Handeln. Der Markt agiert dabei als Instanz, der Information verarbeitet und Reaktionen gemäß eigener Erkenntnis initiiert. Er veranlasst Reaktionen und Handlungsweisen entsprechend vorhandener Kenntnisse. Wie Friedrich August von Hayek analysiert hat, agieren Märkte als Aggregate, um Information prozessual zu verarbeiten. Aus holistischer Perspektive werden isolierte Entscheidungen Einzelner durch strukturelle und komplexe Verflechtungen zu einem konsequenten Gesamtprozess zusammengeführt, der als Ganzes den Markt konstituiert.
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Angesichts dieser Verständnisperspektive lässt sich das Klimaabkommen von Paris auf Grundlage des folgenden Interpretationsansatzes verstehen: Es handelt sich um eine bewusst gesetzte Botschaft, formuliert von der internationalen Staatengemeinschaft, adressiert an die Finanzmärkte, dass die Erdöl- und Erdgasindustrie sukzessive abgewickelt werde. Die kodifizierten Ziele, die in diesem internationalen Vertrag klar definiert werden, lassen sich quantifizieren und rückrechnen. Wenn folglich der Verpflichtung entsprochen werden soll, dass bis zum Ende des Jahrhunderts die maximale Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter begrenzt wird, dann wird die Menge an Treibhausgasen, die der Mensch noch ausstoßen darf, signifikant limitiert. Auch eine Begrenzung der Erwärmung um 2 Grad würde dem möglichen Treibhausgasausstoß enge Grenzen setzen.
Ein Großteil der heute bekannten Reserven an fossilen Energieträgern muss deshalb ungenutzt bleiben. Wird also die Vorgabe von 1,5 Grad eingehalten, dann dürfen beispielsweise nur noch 2 % der vorhandenen Reserven faktisch verbrannt werden. Sollen die weit kritischeren 2 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts erreicht werden, dann dürfen insgesamt nur rund 20 % der gegenwärtig vorhandenen fossilen Energieträger zur treibhausgasemittierenden Energiegewinnung herangezogen werden.
- Beim 1,5 Grad Ziel erscheinen also 98 % aller fossilen Energiereserven als gegenstandslos.
- Beim 2 Grad Ziel kalkulieren sich 80 % aller fossilen Energiereserven als wertlos.
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Die momentane Kapitalisierung in diesen Märkten basiert auf Annahmen und Berechnungen, die nicht realisierbar sind. Warum? Die Marktkapitalisierung von Erdöl- und Erdgaskonzernen hängt im Wesentlichen mit der Menge an Ressourcen und Reserven zusammen, die durch vertragliche Ansprüche als Eigentum der jeweiligen Unternehmen gelten. Nur ein Bruchteil dieser Reserven lässt sich jedoch in Zukunft tatsächlich fördern und verbrennen, wenn der internationalen Klimavereinbarung von Paris entsprochen werden soll.
Im Zuge der letzten Finanzkrise, die ihren Ausgang damit nahm, dass unhaltbare Immobilienpreise im US-Häusermarkt abgeschrieben werden mussten, kam es zu einer Wertberichtigung von 4 Billionen US-Dollar.
Die Überbewertung des Erdöl- und Erdgasmarktes, basierend auf den Kalkulationen rund um das Pariser Klimaabkommen, werden beispielsweise von der Nachrichtenseite ThinkProgress im Jahr 2012 auf 22 Billionen Dollar beziffert.Das wäre die zu erwartende Größenordnung der anstehenden Wertberichtigung. Die Summe berechnet sich anhand der verfügbaren Menge eines Carbonbudgets, dass in die Atmosphäre geblasen werden kann, um die definierten Klimaziele zu erreichen. Dieser Wert lässt sich dezidiert auf die Größenordnung umrechnen, wieviel Erdöl und Erdgas folglich noch verbrannt werden dürfen. Im Jahr 2012 zeigt sich folgendes Bild:
Der Unterschied zwischen Reserven und Ressourcen besteht darin, dass Reserven alle Mengen an fossilen Energieträgern sind, die sich gegenwärtig kostendeckend fördern lassen. Ressourcen hingegen bemessen die Größe aller vorhandenen und bekannten Vorkommen, die ein Erdöl- und Erdgaskonzern in den natürlichen Lagerstätten vermutet. Es werden also auch jene Mengen in diese Kennzahlen miteingeschlossen, die sich nicht kostendeckend fördern lassen.
Abbildung 6: Größenordnung des Carbonbudgets
Der Großteil dieser vorhandenen Ressourcen zeigt sich nun substanzlos. Aufgrund eng begrenzter Nutzmöglichkeiten sind sie faktisch wertlos und damit erheblich überbewertet. Eine massive Wertberichtigung darf erwartet und existierende Vermögenswerte müssen entsprechend vernichtet werden.
Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie - die Existenzbedingung im 21. Jahrhundert (Teil 15)
Der damalige Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, erklärte bereits im Jahr 2014 im Rahmen eines Seminars bei der Weltbank, dass „die große Mehrheit der fossilen Energieträger nicht verbrannt werden kann.“
Er formuliert eine ausdrückliche Botschaft, die von relevanten Marktteilnehmern leicht angemessen interpretiert werden kann. Die Stadt New York City, ein entscheidendes globales Finanzzentrum, hat mittlerweile den Entschluss gefasst, öffentliche Pensionsgelder nicht mehr in fossilen Energiewerten zu binden und die Investments sukzessive zu reduzieren. Die Stadtregierung von London hat einen ähnlichen Beschluss gefasst. Beide Städte fordern auch offen alle anderen Städte auf, die gleiche Entscheidung zu treffen. Die beiden maßgeblichen Bankenzentren der Welt verständigen sich also darauf, ihre öffentlichen Investments in fossile Energieträger abzuziehen und neu zu veranlagen. Das geschieht nicht nur aus moralischen Motiven und ethischen Impulsen, sondern auch aus nachvollzieh-barem, finanziellem Kalkül und einem sorgsamen Umgang mit öffentlichen Geldern.
Das Finanzunternehmen Citigroup kalkuliert, dass Werte in der Höhe von 100 Billionen Dollar als Stranded Assets zu qualifizieren wären, wenn die Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens eingehalten werden. In diese Berechnung fließen nicht nur die überhöhten Wertannahmen für die unbrauchbaren Ressourcen ein, sondern auch die überflüssige Infrastruktur, die damit verbunden ist, wertlose Patente und nutzlose Förderanlagen werden miteinkalkuliert.1
Die Wirtschaftswissenschaft spricht mittlerweile von Stranded Assets, wenn die Überbewertungen im fossilen Energiemarkt schlagend werden. Stranded Assets sind Vermögenswerte, die unerwartete oder vorzeitige Abschreibungen, Abwertungen oder Umwandlungen in Verbindlichkeiten erfahren, weil umweltbezogene Risiken zur Wertberichtigung führen.
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Die Citibank rechnet folglich mit der umfangreichsten Wertberichtigung der modernen Geschichte, die erwartet werden muss. Es handelt sich eben um Stranded Assets, also um Vermögenswerte, die sich durch unvorhergesehene oder vorzeitige Abschreibungen, Abwertungen oder Umwandlungen in Verbindlichkeiten nicht amortisieren und einen beschleunigten Wertverlust aufgrund von Umweltrisiken erleiden. Ursache dieser Entwicklung kann maßgeblich die Wirkweise der schöpferischen Zerstörung sein, wie sie Joseph Schumpeter beschrieben hat.
Das würde nun für den Energiemarkt ansehnlich zutreffen. Durch innovative Lösungen werden bestehende Verfahren obsolet. Innovation erwirkt Erneuerung und Bestehendes wird wirkungslos, die damit verbundenen vorhandenen Werte werden gegenstandslos. Bei der Abwicklung der Erdölindustrie stellt sich also die Frage, wie effektiv und rapide die Kräfte des Markts als Verfahren nachhaltiger Veränderung wirksam werden. Weil es sich hier um eine Auseinandersetzung handelt, an deren Ende entweder die Abwicklung der mächtigen Petrochemie steht oder die Fortsetzung einer industriellen Produktionsweise, die zum unvermeidbaren ökologischen Kollaps führt, wird die Auseinandersetzung so intensiv zwischen den involvierten Parteien geführt.
De technologische Fortschritt wird dafür benötigt, ausgediente Formen der Energiegewinnung radikal zu überholen. Nur technologisch ausgefeilte Verfahren, werden die Menschheit instand setzen, die schlimmsten und düstersten Auswirkungen dieses bedrohlichen Phänomens zu schmälern, teils sogar zu verhindern. Die Verfahren müssen neben der Energiegewinnung auch neue Formen der Mobilität und innovative Produktionsverfahren einschließen, die in hochindustriellen Ländern gleichermaßen angewandt werden, wie sie sich in Entwicklungsländern flächendeckend durchsetzen,
Die Transformation wirkt maßgeblich und hat laut aktueller Berechnung rasant zu geschehen.
Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie - die Existenzbedingung im 21. Jahrhundert (Teil 17)
Ein letzter Aspekt findet sich im gesellschaftlichen Überbau verankert, der sich in der anstehenden Transformation abzeichnet. Die Möglichkeiten der IV. Industriellen Revolution kündigen die Wahrscheinlichkeit eines Wandels an, der seine eigentliche und substanzielle Ausgestaltung in Form der Wis-sensgesellschaft finden wird. Wertschöpfung basiert größtenteils auf wis-sensbasierter Arbeit. Selbst die Mehrheit der Tätigkeiten im industriellen Umfeld wandeln sich von klassischer, körperbetonter Industriearbeit hin zu Bürotätigkeiten. Produktionsverfahren wandeln sich radikal, die Arbeits-welt verändert sich, eine graduelle Entkopplung zwischen Erwerbstätigkeit und Einkommen lässt sich denken. Die Prinzipien, auf denen die Industrie-gesellschaft gründet, überholen sich also und werden durch andere Grund-lagen ersetzt. Das Versprechen wirkt gerade für Staaten, die bisher vom Import fossiler Energieträger abhängig waren, verlockend. Sie möchten die Trendumkehr schaffen. Speziell bei mächtigen Volkswirtschaften, wie jene des europäischen Binnenmarkts oder Japans, trägt der Energieimport merklich zum negativen Ergebnis der Leistungsbilanz bei. Es besteht also ein politisches Interesse, diese Verhältnisse umzukehren.15
Sowohl die Realität des Klimawandels als auch die Fortschritte in der Tech-nologie manifestieren radikale Agenten des Wandels, sie erneuern die Grundstruktur der Gesellschaft fundamental. Aufgrund des technologi-schen Fortschritts steht die menschliche Zivilisation vor dem historischen Bruch, dass Gegenstände, die im Alltag genutzt werden, in konkreter und funktionaler Hinsicht schlauer agieren, als es Menschen können. Das Verhältnis zwischen Mensch und Gegenstand ändert sich radikal. Durch den Klimawandel wird nun die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt neu ausverhandelt. Die Idee des Anthropozän wird stetig plausibler.
Das Anthropozän meint die erdgeschichtliche Epoche, die sich gegenwärtig im Anbruch befindet, in der das menschliche Handeln einen entscheidenden Einflussfaktor auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse manifestiert.
(zu altgriechisch ἄνθρωπος ánthropos, deutsch ‚Mensch‘ und καινός ‚neu‘)
Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie - die Existenzbedingung im 21. Jahrhundert (Teil 18)
Aus ethischer Perspektive erwächst den Menschen die Verantwortung, sich dieser Konsequenz des eigenen Handelns bewusst zu werden. Ethik wächst innerhalb des ökologischen Bedeutungsrahmens zu einem Verständnis, der einen erweiterten Verständniszusammenhang referieren wird. Diese Erweiterung gilt es, im menschlichen Bewusstsein zu erwirken, um die Folgewirkungen des eigenen Tuns zu begreifen.
Eine weitere expansive Tendenz der Ethik liegt exakt darin, dass nun Maschinen Handlungen verantworten, die eine moralische Auswahl verantworten können. Ethik braucht sowohl Eigenständigkeit für Entscheidungen als auch autonomes Handeln in kritischen Situationen auf Grundlage kritischer Reflexion. Bei einem autonom fahrenden Auto treffen diese Voraussetzung zu, weil auf Basis sensorisch erfasster Daten und Rückschlüssen, durch einen wirksamen Algorithmus eine bewusste Auswahl an unterschiedlichen Möglichkeiten getroffen werden kann. Diese Entscheidung verlangt nun nach einem moralischen Fundament und bewirkt die Fragestellung, wer für die Festlegung dieser moralischen Standards verantwortlich zeichnen soll.
Mit dieser Transformation, die durch moderne technologische Entwicklung verantwortet wird, verbindet sich auch ein sozialer Umbruch, der sich ge-genwärtig gesellschaftlich statistisch ausmachen lässt.
Seit Beginn der industriellen Revolution bis zum Jahr 2015 hat die Weltgemeinschaft eine solches Ausmaß an fossilen Brennstoffen verbrannt, das vom ökologischen System nicht abgebaut werden konnte, sodass sich 365 Milliarden Tonnen an zusätzlichen Kohlen-stoffen in der Atmosphäre abgelagert haben. Hinzu kommen noch 180 Mil-liarden Tonnen, die durch die Entwaldung verursacht werden. Für das Bezugsjahr 2015 gilt, dass allein in diesem Jahr 9 Milliarden Tonnen an menschverursachten Kohlenstoffen in der Atmosphäre abgelagert werden, die jährliche Steigerungsrate liegt bei bis zu 6 Prozent.
Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie - die Existenzbedingung im 21. Jahrhundert (Teil 19)
Wird der Trend ungebremst fortgesetzt, wird bis zur Mitte des Jahrhunderts der Anteil von CO2 in der Atmosphäre auf 500 ppm anwachsen. Dieser Wert ergäbe eine Verdoppelung gegenüber der vorindustriellen Epoche.
Folgewirkungen: Ein rasanter Anstieg der Temperaturen führt zu Verschärfung natürlicher Kippeffekte, Gletscher und das arktische Eisschild schmelzen, der Meeresspiegel steigt, Wetterextreme nehmen zu.
Zudem gäbe es einen Kausaleffekt dieser Tendenzen auf die Ozeane.
Das Meer nimmt Gase aus der Atmosphäre auf und gibt dann im Wasser gelöste Gase auch wieder ab. Sofern das in Balance geschieht, wird die gleiche Menge aufgenommen wie ausgestoßen. Wenn sich nun die chemi-sche Zusammensetzung der Atmosphäre verändert, weil der Bestand an Kohlendioxid in der Atmosphäre steigt, dann gerät dieses Gleichgewicht in Schieflage. Die Ozeane nehmen in Folge mehr Kohlenstoffe auf, als sie abstoßen können. Damit verändert sich die Konsistenz des ozeanischen Wassers, der Säure-Basen-Haushalt gerät in Schieflage.
Durch diese zusätzliche Kohlendioxidzufuhr ist der durchschnittliche pH-Wert des Oberflächenwassers der Meere bereits von 8,2 auf 8,1 gefallen. Da die pH-Skala logarithmisch ist, steht selbst eine so geringe Differenz des Zahlenwertes für eine erhebliche Veränderung in der realen Welt. Eine Abnahme um 0,1 bedeutet, dass die Meere nun dreißig Prozent saurer sind als im Jahr 1800. Nach einem „Weiter-wie-bisher“ -Emissionsszenario […] werden die Meere [bis zur Jahrhundertmitte, Anm.] um hundertfünfzig Prozent saurer sein als zu Beginn der industriellen Revolution.
Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie - die Existenzbedingung im 21. Jahrhundert (Teil 20)
Dieser Bruch hätte zur Folge, dass die Ozeane sich als Habitat des organischen Lebens massiv verändern und die neuen Bedingungen ein Umfeld bilden, an das sich wenige Arten in der Rasanz werden anpassen können. Das hat natürlich auch kritische Folgewirkungen für Volkswirtschaften, deren Einkommen essenziell von den Ozeanen abhängt. Diesen düsteren Konsequenzen ließe sich mittels grundlegender Transformation der Energiegewinnung und einer anders operierenden Ökonomie entgegenwirken.
Wie tiefgreifend sich der Wandel des Energiesektors realisieren muss, zeigt die Grafik, die den globalen Energieverbrauch auf die Energiequellen zurückführt. Die Angaben auf den Skalen entsprechen Terawatt-Stunden.