Völkerrecht
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Cartes-fiches | 64 |
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Langue | Deutsch |
Catégorie | Physique |
Niveau | Autres |
Crée / Actualisé | 31.05.2021 / 10.01.2022 |
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Grundlagen: Welches sind die zentralen Grunddaten der modernen Völkerrechtsgeschichte? (1)
Das Völkerrecht entwicklete sich seit der Neuzeit, um das 16. Jhd. Als Vater des Völkerrechts gilt der Niederländer Hugo Grotius.
1648 Westfälischer Friede
Der Westfälische Friede von 1648 symbolisiert die Entwicklung der mittelalterlichen Personalverbände zu modernen Territorialstaaten. So entstand das Völkerrecht als System voneinander unabhängiger, souveräner Nationalstaaten. Themen des Völkerrechts zu dieser Zeit waren die Begrenzung des Staatsgebiets, der Gebietserwerb, das Gesandtschaftswesen und die Nutzung der Meere.
1815 Wiener Kongress
Der Wiener Kongress 1815 ordnete nach der Niederlage Napoleons Europa neu. Zu dieser Zeit wurde das freie Kriegsführungsrecht ("ius ad bellum") als Ausdruck der Staatensouveränität vertreten. Krieg galt als ein völkerrechtlich vorgesehenes und geregeltes Verfahren („ultima ratio“) zur Durchsetzung rechtlich geschützter Ansprüche und Interessen.
Es wurde auch ein Recht der "humanitären Intervention" v.a. zum Schutz der Christen in muslimischen Gebieten in Anspruch genommen.
Andererseits nahm das Vertragswesen im 19. Jhd. einen grossen Aufschwung. Es wurden internationale Organisationen gegründet (z.B. Flusskommissionen zur Regelung der Schifffahrt auf Rhein/Donau und der Weltpostverein 1874. Die internationalen Organisationen stellten neue Völkerrechtssubjekte dar.
Grundlagen: Welches sind die zentralen Grunddaten der modernen Völkerrechtsgeschichte? (2)
1919 Pariser Vorortverträge sowie Gründung des Völkerbundes
Nach Beendigung des WW I wurde 1919 der Völkerbund gegründet. Die Völkerbundsatzung war Teil des Versailler Vertrags. Der Völkerbund sollte nach dem WW I den Frieden sichern. Auch die Völkerbundsatzung von 1919 erhielt kein allgemeines Kriegsverbot. Sie stipuliere lediglich, dass "jeder Krieg den ganzen Bund angeht und dass dieser alle Massregeln zur Erhaltung des Völkerfriedens treffen muss" (Art. 11). Eine grosse Schwäche war, dass diese Massregeln keine kollektiven Sanktionen umfassten. Der Völkerbund war aus verschiedenen Gründen schwach. Zum einen, weil die USA nicht Mitglied waren und weil der Völkerbund keine Zwangsmassnahmen ergreifen konnte.
Im Jahr 1922 nahm der StIGH (=Ständiger Internationaler Gerichtshof, Den Haag) seine Arbeit auf.
Es gab noch kein Gewaltverbot! Jedoch wurde ein erfolgreicher Anfang der Eindämmung des "ius ad bellum" (freien Kriegsführungsrecht) mit dem Briand-Kellogg-Pakt von 1928 gemacht. Dieser Pakt wurde erst durch UN-Charta abgelöst.
1945 Gründung der Vereinten Nationen
Nach Beendigung des WW II wurden im Jahr 1945 die Vereinigten Nationen (UN) gegründet. Es wurde erstmals ein umfassendes Verbot der Anwendung und Drohung von militärischer zwischenstaatlicher Gewalt aufgestellt (Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta).
Es ist kombiniert mit einer Regelung der Selbstverteidigung (Art. 51 UN-Charta) und einem kollketiven Sanktionsmechanismus. Als Reaktion der Gräuel des WW II wurde die Idee der Menschenrechte das Leitbild dieser Ära.
Ab 1945 bildete das Selbstbestimmungsrecht der Völker die Anspruchsgrundlage für die Dekolonisierung (Gründung neuer souveräner Staaten Afrika & Asien).
Grundlagen: Welches sind die zentralen Grunddaten der modernen Völkerrechtsgeschichte? (3)
1989/90 Ende des „Kalten Krieges“
Kalter Krieg wird der Konflikt zwischen den Westmächten unter Führung der USA und dem sogenannten Ostblock unter Führung der Sowjetunion genannt, den diese von 1947 bis 1989 mit nahezu allen Mitteln austrugen. Das Jahr 1989 steht für das Ende der Ost-West-Spaltung. Es enstanden neue freiheitliche Demokratien in Osteuropa. Die USA erwarb dadurch Sonderstellung als Weltmacht.
Seit der Überwindung der Ost-West-Spaltung geschah eine Verrechtlichung der Weltpolitik, also ein explosionsartiges Anwachsen von Völkerrechtsnormen.
Grundlagen: Was versteht man unter den "Weltordnungsverträge"?
Grundlegende Verträge, welche die institutionelle und materielle Ordnung der Völkerrechtsgemeinschaft bestimmen.
Insbesondere:
- Charta der Vereinten Nationen (1945) (auch als „Verfassung der internationalen Gemeinschaft“ qualifiziert)
- Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (1948)
- die beiden UN-Menschenrechtspakte (1966)
- Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (1998)
Grundlagen: Welches sind die Grundprinzipien des Völkerrechts im Zeitalter der Vereinten Nationen?
- Präambel der UN-Charta
- Souveränität und Gleichheit der Staaten
- Das völkerrechtliche Gewaltverbot
- Das Selbstbestimmungsrecht der Völker
Was sind die Grundprinzipien und Werte der UN-Charta?
- Souveräne Gleichheit aller Staaten
- Friedliche Beilegung internationaler Streitigkeiten
- Verbot der Androhung oder Anwendung von Gewalt
- Institutionalisierte Friedenssicherung (UN-Sicherheitsrat, Internationaler Gerichtshof)
- Schutz der Menschenrechte
- Selbstbestimmung der Völker
- Internationale Zusammenarbeit in politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen
Grundprinzipien: Was versteht man unter Souveränität der Staaten? (heute)
Die Souveränität ist eine Eigenschaft der Staatsgewalt.
Es wird zwischen der Souveränität "nach innen" und "nach aussen" unterschieden.
Die innere Souveränität:
Ist die einzige und höchste Gewalt im Staat (Gewaltmonopol). Sie ist unabhängig von anderen Staaten. Der Staat ist ausschliesslich dazu befugt, in einem begrenzten Gebiet Rechtsakte zu erlassen und durchzusetzen.
Die äussere Souveränität:
Souveränität bedeutet, dass jeder Staat nur dem Völkerrecht unterworfen ist, nicht aber anderen Staaten (Völkerrechtsunmittelbarkeit und Unabhängigkeit von anderen Staaten).
Heute sind die "innere" und "äussere" Souveränität keine strikt getrennten Sphären mehr, sondern aufgrund des Ineinandergreifens von Völkerrecht und innerstaatlichem Recht miteinander verwoben.
Der souveräne Staat steht nicht über dem Völkerrecht. Er unterliegt völkerrechtlichen Bedingungen. Aus dem Prinzip der äusseren Souveränität ergibt sich:
- die souveräne Gleichheit der Staaten (Art. 2 Ziff. 1 UN-Charta)
- das Interventionsverbot
- der Anspruch auf Achtung der territorialen Integrität
- das Gewaltverbot ( Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta)
Grundprinzipien: Was verstand Jean Bodin unter dem Begriff der Souveränität? (16. Jhd.)
Bodin definiert Souveränität als höchste Befehlsgewalt über alle Bürger, die nicht durch Rechtsregeln begrenzt sei.
Der souveräne Herrscher kann Gesetze erlassen und aufheben. Das ist das Kennzeichen der Souveränität. Alle anderen Souveränitätsrechte sind darunter subsumierbar: die Entscheidung über Krieg und Frieden, das Besteuerungsrecht, das Begnadigungsrecht, etc.
Er ist dabei keiner anderen irdischen Instanz gegenüber verantwortlich (braucht von niemanden Zustimmung). Allerdings sei der Herrscher an das göttliche Recht oder Naturrecht gebunden.
Nach Bodin ist es absolut notwendig, dass der Fürst souverän ist, weil er sonst seine Amtsgewalt nicht optimal ausüben könne.
Grundprinzipien: Was bedeutet die Souveränität für einen Staat nach ihrem heutigen Inhalt? (4)
- umfassende völkerrechtliche Rechts- und Handlungsfähigkeit
- Recht auf Achtung der politischen Unabhängigkeit und territorialen Integrität
- grundsätzliche Gleichberechtigung in Staatenkonferenzen und internationalen Organisationen
- Selbstbestimmungsrecht:
Das Staatsvolk wird zum Träger des Selbstbestimmungsrecht gemacht. Wenn eine Gruppe von Menschen Ansprüche erhebt gegen eine Staatsgewalt, dem diese Gruppe angehört wie bspw. Schottland oder Katalonien wird dieser Begriff zum Problem.
Grundprinzipien: Das völkerrechtliche umfassende Gewaltverbot: Erläutern Sie die geschichtliche Entwicklung?
Im 19. und frühen 20. Jh. galt das sog. freie Kriegsführungsrecht (liberum ius ad bellum). Krieg galt als ein völkerrechtlich vorgesehenes und geregeltes Verfahren („ultima ratio“) zur Durchsetzung rechtlich geschützter Ansprüche und Interessen.
Die Satzung des Völkerbundes wurde im April 1919 von der Vollversammlung der Friedenskonferenz von Versailles angenommen. Der Völkerbund sollte nach dem WW I den Frieden sichern. Auch die Völkerbundsatzung von 1919 erhielt kein allgemeines Kriegsverbot. Sie stipuliere lediglich, dass "jeder Krieg den ganzen Bund angeht und dass dieser alle Massregeln zur Erhaltung des Völkerfriedens treffen muss" (Art. 11). Eine grosse Schwäche war, dass diese Massregeln keine kollektiven Sanktionen umfassten.
Der entscheidende Fortschritt lag im Vertrag über die Ächtung des Kriges 1928, der nach dem damaligen franz. Aussenminister A. Briand und dem US Staatssekretär Frank B. Kellogg "Briand-Kellogg-Pakt" benannt ist. Dieser erklärt in Art. 1: "im Namen der Völker, dass sie den Krieg als Mittel für die Lösung internationaler Streitfälle verurteilen". Diesem Pakt traten bis 1939 63 Staaten bei (beinahe die Gesamtheit der damaligen Staatengemeinschaft!).
Ein umfassendes Gewaltverbot wurde erst mit Gründung der UN 1945 eingeführt. Es ist nicht nur ein Kriegsverbot, sondern auch ein Gewaltverbot (Drohung und Anwendung). Es ist kombiniert mit einer Regelung der Selbstverteidigung (Art. 51 UN-Charta) und einem kollketiven Sanktionsmechanismus. Voraussetzung für Berufung auf das Selbstverteidungsrecht ist ein bewaffneter Angriff. Der Umfang der Selbstverteidigung in Art. 51 bleibt offen.
Sind die Anwendung von Nuklearwaffen zur Selbstverteidigung zulässig? Gemäss IGH zulässig als letzte Möglichkeit (Verhältnismässigkeitsprinzip).
Umfassendes Gewaltverbot: heutige Inhalt?
Der Inhalt muss durch Auslegung von Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta ermittelt werden. Auslegungshilfen sind der 1. Grundsatz der Friendly-Relations-Deklaration & die Resolution der UN-Generalversammlung zur Definition der Aggression 1974. Beide Texte sind Soft Law.
Die Aggressionsdefinition bezieht sich speziell auf den Begriff der "Angriffshandlung" i.S.v. Art. 39 UN-Charta. Nach h.L. gilt das Gewaltverbot als Ius cogens. Ausnahmen wie das Selbstverteidigungsrecht (Art. 51 UN-Charta) widersprechen dem zwigenden Charakter nicht.
Nur militärische Massnahmen (Androhung & Anwendung) stellen Gewalt i.S.v. Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta dar. Jeder Militärangriff auch ohne förmliche Kriegserklärung. Politischer oder wirtschaftlicher Zwang verletzt das Gewalverbot nicht (hier wäre das Interventionsverbot zu prüfen).
Cyberangriffe können u.U. eine verbotene millitärische Gewaltanwendung i.S.v. Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta darstellen, wenn der Angriff physische Auswirkungen hat und aussserdem weitere Kriterien (Schwere, Unmittelbarkeit, militärischer Charakter) erfüllt sind. Bei Cyberattacke, die digitale Auswirkung hat, wäre das Interventionsverbot zu prüfen.
Das Selbstverteidigungsrecht: Was sind die Voraussetzungen für das Selbstverteidigungsrecht?
Gemäss Art. 51 UN-Charta muss ein bewaffneter Angriff vorliegen. Dieser setzt die Anwendung von Waffengewalt voraus. Selbstverteidigung gegen eine Verletzung bloss wirtschaftlicher oder politishcher Rechte ist nicht zulässig. Weiter muss eine gew. Intensitätsschwelle erreicht sein und ein Angriff muss unmittelbar bevorstehen.
Ein bewaffneter Angriff kann nur aktiv, nicht durch Unterlassung begangen werden.
Das Selbstverteidigungsrecht: Merkmale und Probleme?
Es gibt individuelle und kollektive Selbstverteidigung.
Neben Art. 51 UN-Charta besteht ein paralleles „naturgegebenes“ Völkergewohnheitsrecht zur Selbstverteidigung.
Die Art und Weise der Reaktion unterliegt völkerrechtlichen Grenzen. Die Verteidigungshandlung muss verhältnismässig sein. Diese Anforderung setzt örtliche & sachliche Grenzen. Bspw. müssen Waffen als auch die Wahl des Kampfgebiets möglichst weitgehende Schonung erlauben. Pflicht zu einer umweltschonenden Reaktion.
Vorbeugende (präventive) Selbstverteidigung? Kein Völkergewohnheitsrecht mangels Übung und Rechtsüberzeugung. Die Missbrauchsgefahr wäre zu gross. Der bewaffnete Angriff muss unmittelbar bevorstehend sein.
Das Recht zur Selbstverteidigung hat vorläufigen Charakter bis der UN-Sicherheitsrat die erforderlichen Massnahmen getroffen hat.
Was versteht man unter dem Interventionsverbot? Was sind die Voraussetzungen einer Verletzung?
Das Interventionsverbot gilt kraft Völkergewohnheitsrecht als notwendiges Korrelat zu Art. 2 Ziff. 1 UN-Charta (souveräne Gleichheit).
Eine Verletzung des Interventionsverbot liegt vor, wenn 2 TBM erfüllt sind:
- Einmischung in innere Angelegenheiten und
- (militärischer) Zwang
Der Schutzumfang ist identisch mit demjenigen des Gewaltverbots. Eine militärische Einmischung verletzt gleichzeitig das Gewalt- und Interventionsverbot. Politischer, wirtschaftlicher oder sonstiger Zwang kann auch Zwang im Sinne des Interventionsverobt darstellen. Hier muss jedoch abgegrenzt werden zw. erlaubter Einwirkung und verbotenem Zwang (z.B. Propaganda oder Unterstützung von Revolutionären/Oppositionellen).
Keine verbotenen Interventionen sind i.d.R. Embargos (=staatliches Verbot, mit einem bestimmten Staat Handel zu treiben), die Verweigerung von Entwicklungszusammenarbeit oder sonstige einseitige wirtschafltiche Massnahmen.
Eine Intervention kann nach Völkergewohnheitsrecht gerechtfertigt sein. Falls ein völkergewohnheitsrechtliches Rechtfertigungsinstitut durchgreift, rechtfertigt dieses auch den meist daneben vorliegenden Verstoss gegen das Gewaltverbot.
Grundprinzip: Was versteht man unter dem Selbstbestimmungsrecht der Völker?
Es besagt, dass ein Volk das Recht hat, frei über seinen politischen Status, seine Staats- und Regierungsform und seine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu entscheiden. Dies schließt seine Freiheit von Fremdherrschaft ein.
Dieses Selbstbestimmungsrecht ermöglicht es einem Volk, eine Nation bzw. einen eigenen nationalen Staat zu bilden oder sich in freier Willensentscheidung einem anderen Staat anzuschließen.
Das Selbstbestimmungsrecht der Völker allgemein als Norm des Völkergewohnheitsrecht anerkannt. Sein Rechtscharakter wird ausserdem durch:
- Art. 1 Ziff. 2 der UN-Charta
- Art. 1 Abs. 1 der beiden UN-Menschenrechtspakte 1966
- “Friendly Relations Declaration“ der UN-Generalversammlung (1970)
Grundprinzip: Was ist das grösste Problem des Selbstbestimmungsrechts?
Das Sezessionsrecht
In einer Welt, wo praktisch alles Gebiet verteilt ist, kann ein neuer unabhängiger Staat nur zustandekommen, indem er sich von einem Staat abspaltet z.B. Katalonien, Schottland.
Bedeutet Selbstbestimmungsrecht auch Sezessionrecht?
Grundsatz: kein Recht auf Sezession aus dem Selbstbestimmungsrecht ausserhalb des Kontext der Dekolonisierung.
I.d.R. wollen die Staaten solche Gebiete nicht gehen lassen. Diese Erklärung haben die existierenden Staaten geschrieben, deswegen ist es nicht verwunderlich, dass die Staaten ihre Integrität stark schützen.
Die Staaten sind der Meinung, dass Gebiete sich nicht ohne ihren Willen lösen können. Das Sezessionsrecht wird durch die Friendly Relations Declaration abgelehnt.
Eine Ausnahme besteht, wenn die Regierung nicht alle Rassen im Land respektiert. In diesem Fall könnte aus dem Selbstbestimmungsrecht ein Sezssionsrecht entstehen:
- sog. «remedial secession»: systematischer Ausschluss einer Bevölkerungsgruppe von politischer Mitwirkung (Fehlen eines „government representing the whole people belonging to the territory without distinction as
to race, creed or colour“, Friendly-Relations-Declaration 1970) - massive Menschenrechtsverletzungen / Völkermord oder völkermordähnliches Geschehen
Grundlagen: Welche 2 Theorien gibt es für die Bestimmung des Verhältnis zw. Völkerrecht und (inner-) staatlichem Recht?
Dualismus
strikte Trennung der beiden Rechtsordnungen nach Rechtssubjekten, -quellen und Regelungsgegenständen. Das Völkerrecht muss zuerst transformiert werden, damit es Teil des nationalen Rechts wird.
Erfinder: Heinrich Triepel & Dionisio Anzilotti
Monismus
Völkerrecht u. nationale Rechtsordnungen als Teile einer einheitlichen Gesamtrechtsordnung.
Vertreter: Hans Kelsen
Unter welchen Umständen kann eine völkterrechtliche Norm einen höheren Rang beanspruchen als eine Norm des innerstaatlichen Rechts?
Eine Ius cogens Norm hat im Verhältnis zu einer übrigen Norm des Schweizer Rechts hat einen höheren Rang. Dasselbe gilt auch für Menschenrechte (EMRK). Begründung: Durch Annahme der EMRK wollte man die Rechtstellung der CH-Bürger sichern, diese kann der Schweizer Gesetzgeber nicht durchlaufen.
Vorrang des Völkerrechts vor kantonalem Recht: Wenn ein kantonales Recht im Widerspruch steht, dann ist es aufzulösen zu Gunsten des Völkerrechts.
Vorrang des Völkerrechts vor Bundesrecht unterhalb der Stufe von Bundesgesetzen (d.h. insbes. Verordnungen des Bundesrats)
Vorrang des Völkerrechts vor früheren (ältern) Bundesgesetzen und Bundesbeschlüssen. Gemäss BGEr grundsätzlich Vorrang des Völkerrechts auch vor einem späteren (neueren) Bundesgesetz (PKK-Urteil von 1999). Es sei denn, der Gesetzgeber habe bewusst von einer völkerrechtlichen Verpflichtung abweichen wollen und eine Verletzung des Völkerrechts in Kauf genommen (Schubert-Urteil von 1973, in Frage gestellt in BGE 142 II 35 vom 26.11.2015 ‒ Freizügigkeitsabkommen)
Kein Vorrang „einfachen“ Völkerrechts vor dem Bundesverfassungsrecht (Problem völkerrechtswidriger Volksinitiativen).
II. Rechtsquellen: Welches sind die Rechtsquellen des Völkerrechts?
Die Quellentrias nach Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut:
- Verträge (treaties; treaty law)
- bilaterale oder multilaterale Verträge
- Völkergewohnheitsrecht (customary law)
- Allgemeine Rechtsgrundsätze (general principles of law)
Merke: Zuerst im Vertrag oder Gewohnheitsrecht nach einer Regel suchen, wenn keine vorhanden, dann sollte das Gericht auf die Allg. Rundsätze und Prinzipien zurück greifen (Lückenfüllung).
Die Rechtsquellen des Völkerrechts stehen in ihrer Geltung nebeneinander. Es gibt keine Hierarchie!
Verträge: Wer besitzt Vertragsfähigkeit? Wer verfügt über beschränkte Vertragsfähigkeit?
Nach Art. 6 WVK besitzt jeder Staat die Fähigkeit Verträge zu schliessen!
Über sachlich beschränkte Vertragsfähigkeit verfügen die internationalen Organisationen. Die Vertragsfähigkeit ist durch ihre Gründungsverträge beschränkt und zwar entsprechend ihren Aufgaben und Zwecken.
Über sachlich beschränkte Vertragsfähigkeit verfügen auch:
- Gliedstaaten eines Bundesstaates (z.B. Kantone, Bundesländer, etc.)
- Regionen dezentralisierter Einheitsstaaten (z.B. Regionen Italiens)
- (Sprach-) Gemeinschaften (z.B. Belgien)
Was besagt die "implied powers-Lehre" ?
Nach der Theorie der implied powers besitzt eine internationale Organisation diejenigen Rechte und Befugnisse, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt.
Verträge: Welche Formen der Zustimmung gibt es?
Nach Art. 11 WVK:
- Unterzeichnung
- Austausch von Urkunden, die einen Vertrag bilden
- Ratifikation
- Annahme
- Genehmigung
- Beitritt
- oder auf eine andere vereinbarte Art ausgedrückt werden
Unterzeichnung = Vertrag wird verbindlich
Ratifikation = Vertrag tritt in Kraft
Merke: Heute wird ein Vertrag durch Unterzeichnung einer befugten Person abgeschlossen. Dann kann der Vertrag bereits in Kraft treten. Bei wichtigen Verträgen tritt der Vertrag erst unter Vorbehalt der Ratifikation in kraft.
Verträge: Wie läuft ein typisches Verfahren eines Vertragsschlusses ab?
1. (diplomatische) Verhandlungen → WVK 7, Bundesrat, BV 184 II
2. Paraphierung des Vertrags (= Unterzeichnung mit Namenskürzel, noch nicht bindend, sondern lediglich vorläufige Annahme des Vertragstextes) → WVK 9
3. Unterzeichnung → WVK 7 I (falls keine Genehmigung notwendig bereits Bindung, vgl. WVK 12)
Genehmigung durch Bundesversammlung → BV 166 II
evtl. Zustimmung des Volkes durch Referendum → BV 141 I d, BV 140 I b
4. Ratifikation durch das Staatsoberhaupt (= Unterzeichnung einer Ratifikationsurkunde) → WVK 14 I + WVK 16, Bundesrat, BV 184 II
5. Austausch (oder Hinterlegung) der Ratifikationsurkunden
6. Inkrafttreten des Vertrags (u.U. auch vorläufig oder rückwirkend) → WVK 24
7. Registrierung und Veröffentlichung des Vertrages nach Art. 80 WVK (durch Bundeskanzlei / UN- Sekretariat)
Völkergewohnheitsrecht: Wo ist das Völkergewohnheitsrecht heute noch wichtig? Beispiele?
Nach wie vor gibt es wichtige Themen des Völkerrechtes, in denen es noch keine Kodifikationen gibt. Dort ist das Völkergewohnheitsrecht sehr wichtig.
Das gleiche auch, wenn sich neue Themengebiete entwickeln, dort wird auch alles über das Völkergewohnheitsrecht geregelt.
Beispiele:
- Staatenimmunität (Ein Staat ist frei von der Rechtsprechung eines anderen Landes)
- Immunität von Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern (z.B. Queen kann von keinem Staat auf der Welt verhaftet werden)
- Staatenverantwortlichkeit (state responsibility) (Beispiel: Nr. 8 in der Textsammlung. Was passiert wenn ein Staat eine Völkerrechtsregelung verletzt? Was für Ansprüche haben die Staaten gegen den schädigenden Staat? Diese Fragen sind sehr umstritten)
Völkergewohnheitsrecht: Was sind die Voraussetzungen für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht?
1. Übung (Praxis) – objektives Element:
Der Idealtypus ist eine langjährige, gefestigte, regelmässige Übung.
Kann sich völkergewohnheitsrecht auch in einer kurzen Zeit ergeben? Ja, es kann sich auch eine Übung im Laufe einer Woche entwicklen, solange diese getragen ist von einer Rechtsüberzeugung (spontanes Völkergewohheitsrecht). Hierbei handelt es sich jedoch um eine Minderheitsmeinung. Die Mehrheit verlangt eine längerwährige Übung.
Es müssen nicht alle Staaten bei einer Übung mitmachen. Wichtig ist, dass die von einer Regelungsmaterie betroffenen Staaten die Übung mittragen.
2. Rechtsüberzeugung (opinio iuris) – subjektives Element:
Die Überzeugung, zu einem bestimmten Verhalten rechtlich verpflichtet zu sein.
Völkergewohnheitsrecht: Was ist das Problem des presistent objector?
Mit persistent objector wird im Völkerrecht ein Völkerrechtssubjekt bezeichnet, dass sich von Anfang an ausdrücklich einer zu Völkergewohnheitsrecht führenden Übung widersetzt (durch Protest).
Wirkung: keine Verpflichtung des „persistent objector“ an das neu entstandene Völkergewohnheitsrecht. Wenn kein Konsens vorhanden ist, dann kann ein Staat nicht dazu gezwungen werden eine neue Regel zu akzeptieren.
Ausnahme:
- Gilt nicht bei ius cogens
- Wenn neues Völkergewohnheitsrecht fast einheitlich von der übrigen Staatenwelt mitgetragen ist. Ein oder zwei Staaten sollen die Entwicklung des Völkerrechts nicht verhindern (Mehrheitsmeinung). Minderheitsmeinung sagt, ein Staat kann eine neue Völkergewohnheitsrechtregel nicht ablehen.
Völkergewohnheitsrecht: Wie können die Regeln des Völkergewohnheitsrecht obsolet (überflüssig) oder geändert werden?
Regeln des Völkergewohnheitsrechts:
- können durch Nichtübung obsolet werden (Wenn Staaten bspw. aufhören eine bestimmte Übung zu verfoglen)
- können durch eine entgegenstehende, auf Rechtsüberzeugung beruhende Übung geändert werden
Völkerrechtliche Verträge können Gewohnheitsrecht (mit-) begründen, bekräftigen, modifizieren oder aufheben.
Allgemeine Rechtsgrundsätze: Wozu dienen die Allgemeinen Rechtsgrundsätze?
Die allg. Rechtsgrundsätze dienen hauptsächlich der Lückenfüllung sowie als Legitimations- und Interpretationshilfe!
Sie sind teilweise vertragsrechtlich kodifiziert worden (z.B. Art. 26 WVK "pacta sunt servanda"; clausula rebus sic stantibus u.a.).
Sie können auch ausserhalb der nationalen Rechtsordnungen auf völkerrechtlicher Ebene entstehen, z.B. durch Resolutionen der UN-Generalversammlung.
Allgemeine Rechtsgrundsätze: Beispiele
- Grundsatz von Treu und Glauben
- Grundsatz der Billigkeit (equity, aequitas)
- Grundsatz der Verhältnismässigkeit
- Grundsatz des rechtlichen Gehörs
- Grundsatz des Notstands
- Einrede der höheren Gewalt (force majeure)
- Verbot des Rechtsmissbrauchs
Billigkeit (Equity) spielt eine grosse Rolle im angloamerikanischen Recht. Damit kann ein Gericht contra lege entscheiden. Es handelt sich um eine Möglichkeit der Korrektur. Wenn man das Recht anwendet und denn Richtern das Ergebnis nicht gefällt, dann können sie mit dem Prinzip der Equity eine Korrektur vornehmen und sagen, dass sie in diesem Fall anders entscheiden. Für den Rechtspositivismus nach Kelsen ist dies inakzeptabel, man muss das Gesetz ändern, um solche Ergebnisse zu vermeiden. Dieses Prinzip enthält ein Willkürelement: "Was ist recht und billig?"
Rechtsquellen: Was sind weitere Rechtsquellen?
- Einseitige (unilaterale) Handlungen der Völkerrechtssubjekte
- Rechtsakte der Vereinten Nationen & anderer internationaler Organisationen („Sekundärrecht“ internationaler Organisationen)
- Erkenntnisquellen (Hilfsmittel): richterliche Entscheidungen & Völkerrechtslehre
Einseitige Handlungen: Unterschied selbständige und unselbständige einseitige Rechtsakte?
unselbständigen einseitigen Rechtsakten im Rahmen des Vertragsabschlussverfahrens (Vorbehalte, Kündigung von völkerrechtlichen Verträgen)
Einseitigen Rechtsakte, die auf die Entstehung von Gewohnheitsrecht einwirken
selbständigen einseitigen Rechtsakten: gehören also solche Akte, die nicht vom Recht der Verträge erfasst werden.
- Protest
- Anerkennung
- Zustimmung
- Verzicht
- teilweise wird auch das Versprechen dazu gezählt.
Einseitige Handlungen: Wirkung und Form einseitiger Rechtsakte?
Grundsätzlich kommt einseitigen Handlungen rechtliche Bindung zu. Der bindende Charakter einseitiger Erklärungen ergibt sich aus Treu und Glauben (Rechtsprechung IGH: Nuclear-Test-Fall) und ist gewohnheitsrechtlich anerkannt.
Einseitige Rechtsakte sind an keine Form gebunden, können mündlich oder schriftlich erfolgen. Sie setzen völkerrechtliche Handlungsbefugnis des erklärenden Organs voraus.
Einseitige Handlungen: Was sind die Voraussetzungen für das Vorliegen verbindlicher einseitiger Handlungen?
1. Eine entsprechende Erklärung (mündlich oder schriftlich)
2. Möglichkeit der Kenntnisnahme, bspw. durch Notifikation oder öffentliche Erklärung
3. dem Staat zurechenbar (vgl. Art. 7 Wiener Vertragsrechtskonvention)
4. Rechtsbindungswille
5. Handlungsbefugnis des erlassenden Organs
Einseitige Handlungen: Was versteht man unter einem Protest?
Ein Protest ist ein formeller Einspruch eines souveränen Staates gegen einen als völkerrechtswidrig empfundenen Akt oder Anspruch eines anderen Staates.
Rechtswirkung kann der Protest nur entfalten, wenn der protestierende Staat Rechte innehat, gegen deren Verletzungen er sich zur Wehr setzt. Zweck des Protest ist es, diese Rechte zu wahren.
Der rechtswirksame Protest hat zur Folge, dass die Rechte, deren Verletzung gerügt wird, dem protestierenden Staat erhalten bleiben. Es kann auch sein, dass der Protest aufgrund ungünstiger Machtverhältnisse erfolglos bleibt.
Auch das Unterlassen eines Protests ist rechtserheblich: Erhebt ein Staat in einer Situation, die ihn zum Protest berechtigt, keinen Protest, so kann er die betreffende Rechtsposition verlieren.
Merke: Die innerstaatliche Willensäusserung muss durch einen Willensakt des mit Völkersubjektivität ausgestatteten Staates auf die völkerrechtliche Ebene gehoben werden.
einseitiger Rechtsakt: Was sind die Voraussetzungen für einen rechtswirksamen Protest?
1. Die Rechtsverletzung, gegen die protestiert wird, liegt tatsächlich vor
2. Staat, an den sich der Protest wendet, ist für diese Rechtsverletzung verantwortlich
Einseitige Handlungen: Was versteht man unter einer Anerkennung?
Das Gegenteil des Protests. Die Anerkennung bringt den Willen des erklärenden Staates zum Ausdruck, die Rechtsmässigkeit einer Situation oder eines Anspruchs nicht oder nicht mehr bestreiten zu wollen. Z.B. Anerkennungen von Regierungen oder einzelnen Rechtspositionen.
Einseitige Handlungen: Was versteht man unter einem Verzicht?
Jedes Völkerrechtssubjekt kann durch einseitige Willenserklärung auf ihm zustehende Rechte, nicht aber auf ihm obliegende Pflichten verzichten. Der Verzicht kann ausdrücklich, stillschweigend oder durch konkludentes Handeln erfolgen. Das Unterlassen eines Protests führt zum Rechtsverlust und hat daher die gleiche Wirkung wie ein Verzicht.
Einseitige Handlungen: Was versteht man unter einemr Zustimmung?
Eigene Kategorie der einseitigen Völkerrechtsakte. Das Hauptbeispiel ist die Unterwerfung unter die obligatorische Gerichtsbarkeit des IGH gemäss Art. 36 Abs. 2 IGH-Statuts. Formen der Zustimmung nach Art. 11 WVK.
Einseitige Handlungen: Gibt es Formvorschriften?
Es gibt keine Formvorschriften für einseitige Rechtsakte!
z.B. schriftliche Deklaration (Erklärung), Notifikation, mündliche Erklärung
Einseitige Handlungen: Was versteht man unter einer Notifizierung?
Wenn einseitige Erklärungen (oder konkludentes Handeln) eines Völkerrechtssubjekts eine völkerrechtliche Wirkung erzeugen soll, so kann dies durch Bekanntgabe an den Adressaten auf diplomatischen Weg erfolgen.
Dieser Vorgang nennt man Notifikation. Eine formalisierte Bekanntgabe einer völkerrechtserheblichen Tatsache.