Völkerrecht
Allg.
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Set of flashcards Details
Flashcards | 64 |
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Language | Deutsch |
Category | Physics |
Level | Other |
Created / Updated | 31.05.2021 / 10.01.2022 |
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Was sind Verpflichtungen der Staaten erga omnes?
Verpflichtungen der Staaten erga omnes:
Barchelona traction: Fall, wo IGH gesagt hat, dass es best. Regeln gibt, deren Verletzung nicht nur Rechtsfolgen gegenüber dem unmittelbaren Staat auslöst, sondern allen Staatenmitglieder gegenüber.
Schutz des Weltfriedens, grundlegende Menschenrechte, etc. als erga omnes Verpflichtungen. Ist ziemlich identisch mit dem ius cogens.
Bsp: Staat A greift Staat B an und verletzt damit erga omnes Pflichten, alle Mitgliedstaaten können Ansprüche gegen Staat A geltend machen. Staat B hat volle Schadenersatzansprüche, die anderen Staaten können nicht unmittelbar denselben Schadenersatz verlangen, sondern nur verlangen, dass das Rechtswidrige Verhalten des Staats A aufhört (symbolischen Charakter).
Was versteht man unter dem Estoppel-Prinzip?
Demnach darf ein Staat von seiner bisherigen Praxis nicht zum Nachteil eines anderen Staates abweichen, der berechtigt auf die frühere Erklärung oder Staatenpraxis des anderen vertraut hat.
Verträge: Wie werden völkerrechtliche Verträge eingeteilt?
Es gibt bilaterale oder multilaterale Verträge.
nach der Möglichkeit des Zugangs:
- allgemein offene (z.B. Art. 25 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979)
- beschränkt offene (z.B. Art. 49 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) 2007
- geschlossene (z.B. Art. 1 Abs. 1 des Benelux-Vertrages von 1958
nach der tatsächlichen Geltung:
- multilaterale
- regionale (EU-Vertrag)
- universale (UN-Charta, EMRK)
III. Rechtssubjekte: Wer ist Völkerrechtssubjekt? Definition und Übersicht
Völkerrechtssubjekt ist, wer Träger völkerrechtlicher Rechte und/oder Pflichten ist und wessen Verhalten unmittelbar durch das Völkerrecht geregelt wird (Völkerrechtsunmittelbarkeit).
1. Die Staaten
2. Internationalen Organisationen
3. Einzelne Menschen (Individuen)
4. Völker als Träger des Selbstbestimmungsrechts; Minderheiten (nationale, ethnische, religiöse)
5. Weitere Völkerrechtssubjekte (z.B. Heiliger Stuhl, Internationales Komitee vom Roten Kreuz)
Völkerrechtssubjekte: Wer gehört zu den primären und wer zu den sekundären Völkerrechten? Warum?
„primären“ (= ursprünglichen) Völkerrechtssubjekten: Die Staaten
„sekundären“ ( = abgeleiteten, derivativen) Völkerrechtssubjekten: Die internationalen Organisationen + einzelne Mensch
Die Staaten waren vor dem Völkerrecht hier. Das moderne Völkerrecht hat seinen Ursprung im 15. Jh. in Italien. Die Staaten waren zuerst da, haben diplomatische Beziehungen zueinander aufgenommen, daraus ist das Völkerrecht entstanden. Damit soll Sonderstellung der Staaten zum Ausdruck gebracht werden.
Die sekundäre Völkerrechtssubjekte sind erst Völkerrechtssubjekte geworden, dank der Staaten, diese zu solchen zu machen.
Ist der Mensch wirklich nur dank der Gnade der Staaten? Oder müsste man nicht sagen, dass eig. der Mensch das primäre Völkerrechtssubjekt ist, der einen Staat baut und daraus sich schliesslich ein Völkerrecht ergibt? Man sieht hier eine Unstimmigkeit, nichtsdestotrotz gilt diese Theorie im Völkerrecht.
Völkerrechtssubjektivität: Unterscheidung nach Art und Umfang der völkerrechtlichen Rechte und Pflichten?
unbeschränkte Völkerrechtssubjektivität: Die Staaten
Die Staaten sind in ihrer Vertragstätigkeit nur allenfalls durch ius cogens eingeschränkt. Ansonsten können sie über jeden beliebigen Gegenstand Verträge schliessen. z.B. Vertrag über Nutzung des Mondes, von den Staaten von sich in Anspruch gegnommen, weil sie in der Lage sind, die Nutzung des Mondes zu regulieren.
beschränkte (partielle) Völkerrechtssubjektivität: internationale Organisationen
Dies gilt in erster Linie für intern. Organisationen, sind beschränkt durch ihre Gründungsverträge. Der Weltpostverein kann keinen Vertrag über die Nutzung des Mondes schliessen. Die WHO soll nicht Fragen über die Nutzung der Weltmeere regeln. Die EU ist begrenzt auf ihre Gründungsverträge, diese sind sehr weit gezogen, geht in die Nähe der unbeschränkten Staaten, weil die EU fast alle regeln kann. Hier besteht ein grosser Unterschied zu den anderen intern. Organisationen.
Der Mensch (Individum) ist unklar wie einzuordnen. Wahrscheinlich als beschränktes Völkerrechtssubjekt!
Völkerrechtssubjektivität: Was versteht man unter der völkerrechtlichen Rechts- und Handlungsfähigkeit?
Rechtsfähigkeit = Fähigkeit, Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten zu sein
Handlungsfähigkeit = Fähigkeit, völkerrechtl. Handlungen vorzunehmen. Setzt Existenz handlungsfähiger Orage voraus.
Im Völkerrecht fallen Rechts- und Handlungsfähigkeit zusammen! Sie können ausnahmsweise auseinander fallen:
Beispiel: Fortbestehen des Deutschen Reiches nach 1945 trotz fehlender Handlungsfähigkeit:
Das Deutsche Reich existiert fort, besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe selbst nicht handlungsfähig.“
Primäre Völkerrechtssubjekte: Definition eines Staates i.S. des Völkerrechts?
Definition des Staates nach der „Drei-Elemente-Lehre“ von Georg Jellinek:
- Staatsgebiet
- Staatsvolk
- Staatsgewalt
Definition nach der Montevideo Convention 1933:
a) a permanent population;
b) a defined territory;
c) government; and
d) capacity to enter into relations with other states.
3 Elementen-Lehre: Was versteht man als Staat im Sinne des Völkerrechtes? Volk, Gebiet und Staatsgewalt.
Voraussetzung sei auch, dass der Staat in Beziehung mit anderen Staaten treten können, wenn man eine funktionstüchtige Regierung hat, dann ist diese in der Lage mit anderen Staaten zu kommunizieren. Das muss man nicht extra erwähnen. Gemeint war damit, ob Kantone oder Bundesländer Staaten sind? Diese wollte man damit ausschliessen.
Völkerrechtssubjekte: Was versteht man unter Verbandssouveränität und Organsouveränität?
Verbandssouveräntität:
Hier geht es nicht um ein einzelnes Organ, sondern um die Souveränität des Staates als Körpferschaft.
Ist die Schweiz, Deutschland, Liechtenstein souverän? Ja.
Organsouveräntität:
Wer ist in einem Staat der Souverän? Das höchste Organ hat die letzte Entscheidungsbefugnis. Ob der Fürst von Liechtenstein souverän ist, ist bspw. eine Frage der Organsouveränität.
Wer hat in der Schweiz die höchste Gewalt? nicht der Bundesrat, sondern das Schweizer Volk ist der Souverän. Wobei dies auch seine Schwierigkeiten hat. Es ist auf staatliche Institutionen angewiesen, um agieren zu können. Das Volk kann mit Referenden nur zu bestimmten Mass Einfluss nehmen. Der Föderalismus in der Schweiz verkompliziert die Situation zusätzlich. Auf all dies ist diese Doktrin nicht zugeschnitten, sondern auf Frankreich als Zentralstaat im monarchischen Zeitalter.
Welches sind staatsähnliche Völkerrechtssubjekte?
Staatenverbindung:
Es gibt neben den Staaten auch staatsähnliche Völkerrechtssubjekte. Man spricht von Staatenbund (Serbien-Montenegro) / Staatenverbund (EU).
Auch die Schweiz war von 1815-1848 ein Staatenbund. Zurzeit gibt es keinen Staatenbund mehr. Der letzte Staatenbund war Serbien-Montenegro bis 2006. Der Staatenbund ist sehr fragil, er hat Tendenz zu einer stärkeren Integration zu führen (Bundestaat wie Schweiz) oder zu zerfallen (Serbien-Montenegro). Es handelt sich meist um eine Epoche der Unentschiedenheit.
Was die EU ist, ist umstritten. Lässt sich kaum in ein begriffliches Schema einordnen, weil es sie nur einmal gibt. Der Richter des Maastricht-Urteil hat die EU als Staatenverbund bezeichnet. Die EU ist auf jeden Fall kein Bundesstaat, weil die einzelnen Mitgliedstaaten halten an ihrer Souveränität fest.
Territorien mit völkerrechtlichem Sonderstatus (insbes.: fehlender Souveränität)
Sonderstatus ist immer ein Verlegenheitsausdruck!
Diese Territorien waren nie souveräne Staaten, sondern Lösungen mit denen man politische und rechtliche Probleme lösen wollte.
z.B. Französisch-Marokko: Es war nicht mehr möglich Marokko als Kolonie zu behandeln. Der Entwicklungsstand war gross, Frankreich konnte die Herrschaft nicht mehr aufrechterhalten. Deswegen hat man eine Schutzherrschaft (Protektorat) geschaffen. Marokko konnte sich im Innenverhältnis selbst verwalten ohne Einfluss Frankreichs, jedoch lagen die Aussenbeziehung nach wie vor bei Frankreich.
Danzig gehörte zu Deutschland. Polen beanspruchte Danzig um einen Ostseehafen zu beanspruchen. Es war nicht möglich Danzig Polen einfach so zu zuweisen. Es wurde ein Kompromiss gefunden. Danzig wurde zu einer freien Staat (eigenes Territorium unter Herrschaft des Völkerbundes). Man hat versucht ein umstrittenes Territorium nicht einem Staat zuzuweisen, sondern einer internationalen Organisation.
Das gleiche wollte man mit Jerusalem machen. Weder den Palästinenser noch den Israeli zusprechen. Es hat sich nicht verwirklichen lassen, weil die Beteiligten nicht bereit gewesen waren und die UN dies nicht erzwingen konnten.
Entstehung und Untergang von Staaten?
- ursprüngliche Entstehung“
- Sezession (Abspaltung) (z.B. Unabhängigkeit der USA, 1776)
- Dismembration (Teilung mit Untergang des Vorgängerstaates) (z.B. Tschechoslowakei, 1992)
- Annexion (Einverleibung eines Staates gegen seinen Willen, heute völkerrechtswidrig)
- Inkorporation (Eingliederung eines Staates in einen anderen) (z.B. Beitritt der DDR zur BR Deutschland,1990)
- Vereinigung (mit Untergang der Vorgängerstaaten) (z.B. Nord- und Süd-Jemen, 1990)
Was versteht man unter der Neutralität von Staaten? Unterschiedliche Formen?
Nichtbeteiligung eines Staates an einem bewaffneten Konflikt zwischen anderen Staaten unter Beachtung des völkerrechtlichen Neutralitätsrechts (insbes. Pflicht zur Unparteilichkeit).
Unterschiedliche Formen
- selbstbestimmt oder (vertraglich) auferlegt
- dauernd (zeitlich unbegrenzt) oder für eine bestimmte Zeit
- bewaffnet oder unbewaffnet
- international garantiert oder nicht garantiert
Wie ist die Neutralität der Schweiz ausgestaltet?
Schweizerische Neutralität geht zurück auf den Westfälischen Frieden (1648). Die Schweiz hat zu diesem Zeitpunkt erklärt, dass sie sich aus Kriegen anderer europäischen Staaten raushalten möchte.
Die Neutralität wurde 1815 zur Zeit des Wiener Kongresses erneuert und als dauerhaft erklärt.
Sie ist selbstgewählt und bewaffnet. D.h. die Schweiz kann ihre Neutralität im Falle eines Krieges militärisch verteidigen. Die Neutralität wird in Art. 185 BV erwähnt.
Was ist das Problem der Neutralität eines Staates und der UN-Mitgliedschaft?
Dieses Problem ist auch relevant für die Schweiz!
Die Schweiz bemüht sich um eine Kandidatur um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Wie verhält sich das aus der Sicht der UN-Charta? Die Charta spricht die Neutralität nicht an. Es herrscht grundsätzlich Kriegsverbot. In diesem System passt die klassische Neutralität nicht rein, weil diese setzt voraus, dass Kriege zw. Staaten geführt werden und sich der neutrale Staat raushält.
Die Schweiz ist erst 2002 Mitglied der UN geworden, weil der Bundesrat vorher die Position vertreten hat, dass das Verständnis von Neutralität von der UN mit dessen der Schweiz nicht überreinstimmt. 2002 hat man für den Beitritt diese Auffassung aufgeben.
Völkerrechtssubjekte: Wie ist die völkerrechtssubjektivität des einzelnen Menschen ausgestaltet?
Im Völkerrecht des 19. und frühen 20. Jh.: galt der Einzelne nur als Objekt völkerrechtlicher Regelungen.
Der 2. Weltkrieg hat diese Perspektive geändert!
Internationale Menschenrechte als Rechte des Individuums auch gegen den eigenen Staat (Abwehrrechte).
Das Individuum ist Völkerrechtssubjekt, allerdings nur soweit es völkerrechtlich berechtigt oder verpflichtet wird.
Aktive Völkerrechtssubjektivität: Das ist die völkerrechtliche Berechtigungen des Einzelnen. Ergeben sich aus gewohnheitsrechltichen & völkervertraglichen Menschenrechte!
Passive Völkerrechtssubjektivität: Das sind die völkerrechtliche Verpflichtungen des Einzelnen.
Verbot und Strafbarkeit
- des Völkermords
- der Verbrechen gegen die Menschlichkeit (u.a. Ausrottung, Versklavung, Vertreibung, Folter)
- der Kriegsverbrechen (schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts)
- der Aggression (Führung eines Angriffskriegs)
Art. 5 IStGH-Statut
Grundlagen: Welches sind die zentralen Grunddaten der modernen Völkerrechtsgeschichte? (1)
Das Völkerrecht entwicklete sich seit der Neuzeit, um das 16. Jhd. Als Vater des Völkerrechts gilt der Niederländer Hugo Grotius.
1648 Westfälischer Friede
Der Westfälische Friede von 1648 symbolisiert die Entwicklung der mittelalterlichen Personalverbände zu modernen Territorialstaaten. So entstand das Völkerrecht als System voneinander unabhängiger, souveräner Nationalstaaten. Themen des Völkerrechts zu dieser Zeit waren die Begrenzung des Staatsgebiets, der Gebietserwerb, das Gesandtschaftswesen und die Nutzung der Meere.
1815 Wiener Kongress
Der Wiener Kongress 1815 ordnete nach der Niederlage Napoleons Europa neu. Zu dieser Zeit wurde das freie Kriegsführungsrecht ("ius ad bellum") als Ausdruck der Staatensouveränität vertreten. Krieg galt als ein völkerrechtlich vorgesehenes und geregeltes Verfahren („ultima ratio“) zur Durchsetzung rechtlich geschützter Ansprüche und Interessen.
Es wurde auch ein Recht der "humanitären Intervention" v.a. zum Schutz der Christen in muslimischen Gebieten in Anspruch genommen.
Andererseits nahm das Vertragswesen im 19. Jhd. einen grossen Aufschwung. Es wurden internationale Organisationen gegründet (z.B. Flusskommissionen zur Regelung der Schifffahrt auf Rhein/Donau und der Weltpostverein 1874. Die internationalen Organisationen stellten neue Völkerrechtssubjekte dar.
Grundlagen: Welches sind die zentralen Grunddaten der modernen Völkerrechtsgeschichte? (2)
1919 Pariser Vorortverträge sowie Gründung des Völkerbundes
Nach Beendigung des WW I wurde 1919 der Völkerbund gegründet. Die Völkerbundsatzung war Teil des Versailler Vertrags. Der Völkerbund sollte nach dem WW I den Frieden sichern. Auch die Völkerbundsatzung von 1919 erhielt kein allgemeines Kriegsverbot. Sie stipuliere lediglich, dass "jeder Krieg den ganzen Bund angeht und dass dieser alle Massregeln zur Erhaltung des Völkerfriedens treffen muss" (Art. 11). Eine grosse Schwäche war, dass diese Massregeln keine kollektiven Sanktionen umfassten. Der Völkerbund war aus verschiedenen Gründen schwach. Zum einen, weil die USA nicht Mitglied waren und weil der Völkerbund keine Zwangsmassnahmen ergreifen konnte.
Im Jahr 1922 nahm der StIGH (=Ständiger Internationaler Gerichtshof, Den Haag) seine Arbeit auf.
Es gab noch kein Gewaltverbot! Jedoch wurde ein erfolgreicher Anfang der Eindämmung des "ius ad bellum" (freien Kriegsführungsrecht) mit dem Briand-Kellogg-Pakt von 1928 gemacht. Dieser Pakt wurde erst durch UN-Charta abgelöst.
1945 Gründung der Vereinten Nationen
Nach Beendigung des WW II wurden im Jahr 1945 die Vereinigten Nationen (UN) gegründet. Es wurde erstmals ein umfassendes Verbot der Anwendung und Drohung von militärischer zwischenstaatlicher Gewalt aufgestellt (Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta).
Es ist kombiniert mit einer Regelung der Selbstverteidigung (Art. 51 UN-Charta) und einem kollketiven Sanktionsmechanismus. Als Reaktion der Gräuel des WW II wurde die Idee der Menschenrechte das Leitbild dieser Ära.
Ab 1945 bildete das Selbstbestimmungsrecht der Völker die Anspruchsgrundlage für die Dekolonisierung (Gründung neuer souveräner Staaten Afrika & Asien).
Grundlagen: Welches sind die zentralen Grunddaten der modernen Völkerrechtsgeschichte? (3)
1989/90 Ende des „Kalten Krieges“
Kalter Krieg wird der Konflikt zwischen den Westmächten unter Führung der USA und dem sogenannten Ostblock unter Führung der Sowjetunion genannt, den diese von 1947 bis 1989 mit nahezu allen Mitteln austrugen. Das Jahr 1989 steht für das Ende der Ost-West-Spaltung. Es enstanden neue freiheitliche Demokratien in Osteuropa. Die USA erwarb dadurch Sonderstellung als Weltmacht.
Seit der Überwindung der Ost-West-Spaltung geschah eine Verrechtlichung der Weltpolitik, also ein explosionsartiges Anwachsen von Völkerrechtsnormen.
Grundlagen: Was versteht man unter den "Weltordnungsverträge"?
Grundlegende Verträge, welche die institutionelle und materielle Ordnung der Völkerrechtsgemeinschaft bestimmen.
Insbesondere:
- Charta der Vereinten Nationen (1945) (auch als „Verfassung der internationalen Gemeinschaft“ qualifiziert)
- Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (1948)
- die beiden UN-Menschenrechtspakte (1966)
- Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (1998)
Grundlagen: Welches sind die Grundprinzipien des Völkerrechts im Zeitalter der Vereinten Nationen?
- Präambel der UN-Charta
- Souveränität und Gleichheit der Staaten
- Das völkerrechtliche Gewaltverbot
- Das Selbstbestimmungsrecht der Völker
Was sind die Grundprinzipien und Werte der UN-Charta?
- Souveräne Gleichheit aller Staaten
- Friedliche Beilegung internationaler Streitigkeiten
- Verbot der Androhung oder Anwendung von Gewalt
- Institutionalisierte Friedenssicherung (UN-Sicherheitsrat, Internationaler Gerichtshof)
- Schutz der Menschenrechte
- Selbstbestimmung der Völker
- Internationale Zusammenarbeit in politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen
Grundprinzipien: Was versteht man unter Souveränität der Staaten? (heute)
Die Souveränität ist eine Eigenschaft der Staatsgewalt.
Es wird zwischen der Souveränität "nach innen" und "nach aussen" unterschieden.
Die innere Souveränität:
Ist die einzige und höchste Gewalt im Staat (Gewaltmonopol). Sie ist unabhängig von anderen Staaten. Der Staat ist ausschliesslich dazu befugt, in einem begrenzten Gebiet Rechtsakte zu erlassen und durchzusetzen.
Die äussere Souveränität:
Souveränität bedeutet, dass jeder Staat nur dem Völkerrecht unterworfen ist, nicht aber anderen Staaten (Völkerrechtsunmittelbarkeit und Unabhängigkeit von anderen Staaten).
Heute sind die "innere" und "äussere" Souveränität keine strikt getrennten Sphären mehr, sondern aufgrund des Ineinandergreifens von Völkerrecht und innerstaatlichem Recht miteinander verwoben.
Der souveräne Staat steht nicht über dem Völkerrecht. Er unterliegt völkerrechtlichen Bedingungen. Aus dem Prinzip der äusseren Souveränität ergibt sich:
- die souveräne Gleichheit der Staaten (Art. 2 Ziff. 1 UN-Charta)
- das Interventionsverbot
- der Anspruch auf Achtung der territorialen Integrität
- das Gewaltverbot ( Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta)
Grundprinzipien: Was verstand Jean Bodin unter dem Begriff der Souveränität? (16. Jhd.)
Bodin definiert Souveränität als höchste Befehlsgewalt über alle Bürger, die nicht durch Rechtsregeln begrenzt sei.
Der souveräne Herrscher kann Gesetze erlassen und aufheben. Das ist das Kennzeichen der Souveränität. Alle anderen Souveränitätsrechte sind darunter subsumierbar: die Entscheidung über Krieg und Frieden, das Besteuerungsrecht, das Begnadigungsrecht, etc.
Er ist dabei keiner anderen irdischen Instanz gegenüber verantwortlich (braucht von niemanden Zustimmung). Allerdings sei der Herrscher an das göttliche Recht oder Naturrecht gebunden.
Nach Bodin ist es absolut notwendig, dass der Fürst souverän ist, weil er sonst seine Amtsgewalt nicht optimal ausüben könne.
Grundprinzipien: Was bedeutet die Souveränität für einen Staat nach ihrem heutigen Inhalt? (4)
- umfassende völkerrechtliche Rechts- und Handlungsfähigkeit
- Recht auf Achtung der politischen Unabhängigkeit und territorialen Integrität
- grundsätzliche Gleichberechtigung in Staatenkonferenzen und internationalen Organisationen
- Selbstbestimmungsrecht:
Das Staatsvolk wird zum Träger des Selbstbestimmungsrecht gemacht. Wenn eine Gruppe von Menschen Ansprüche erhebt gegen eine Staatsgewalt, dem diese Gruppe angehört wie bspw. Schottland oder Katalonien wird dieser Begriff zum Problem.
Grundprinzipien: Das völkerrechtliche umfassende Gewaltverbot: Erläutern Sie die geschichtliche Entwicklung?
Im 19. und frühen 20. Jh. galt das sog. freie Kriegsführungsrecht (liberum ius ad bellum). Krieg galt als ein völkerrechtlich vorgesehenes und geregeltes Verfahren („ultima ratio“) zur Durchsetzung rechtlich geschützter Ansprüche und Interessen.
Die Satzung des Völkerbundes wurde im April 1919 von der Vollversammlung der Friedenskonferenz von Versailles angenommen. Der Völkerbund sollte nach dem WW I den Frieden sichern. Auch die Völkerbundsatzung von 1919 erhielt kein allgemeines Kriegsverbot. Sie stipuliere lediglich, dass "jeder Krieg den ganzen Bund angeht und dass dieser alle Massregeln zur Erhaltung des Völkerfriedens treffen muss" (Art. 11). Eine grosse Schwäche war, dass diese Massregeln keine kollektiven Sanktionen umfassten.
Der entscheidende Fortschritt lag im Vertrag über die Ächtung des Kriges 1928, der nach dem damaligen franz. Aussenminister A. Briand und dem US Staatssekretär Frank B. Kellogg "Briand-Kellogg-Pakt" benannt ist. Dieser erklärt in Art. 1: "im Namen der Völker, dass sie den Krieg als Mittel für die Lösung internationaler Streitfälle verurteilen". Diesem Pakt traten bis 1939 63 Staaten bei (beinahe die Gesamtheit der damaligen Staatengemeinschaft!).
Ein umfassendes Gewaltverbot wurde erst mit Gründung der UN 1945 eingeführt. Es ist nicht nur ein Kriegsverbot, sondern auch ein Gewaltverbot (Drohung und Anwendung). Es ist kombiniert mit einer Regelung der Selbstverteidigung (Art. 51 UN-Charta) und einem kollketiven Sanktionsmechanismus. Voraussetzung für Berufung auf das Selbstverteidungsrecht ist ein bewaffneter Angriff. Der Umfang der Selbstverteidigung in Art. 51 bleibt offen.
Sind die Anwendung von Nuklearwaffen zur Selbstverteidigung zulässig? Gemäss IGH zulässig als letzte Möglichkeit (Verhältnismässigkeitsprinzip).
Umfassendes Gewaltverbot: heutige Inhalt?
Der Inhalt muss durch Auslegung von Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta ermittelt werden. Auslegungshilfen sind der 1. Grundsatz der Friendly-Relations-Deklaration & die Resolution der UN-Generalversammlung zur Definition der Aggression 1974. Beide Texte sind Soft Law.
Die Aggressionsdefinition bezieht sich speziell auf den Begriff der "Angriffshandlung" i.S.v. Art. 39 UN-Charta. Nach h.L. gilt das Gewaltverbot als Ius cogens. Ausnahmen wie das Selbstverteidigungsrecht (Art. 51 UN-Charta) widersprechen dem zwigenden Charakter nicht.
Nur militärische Massnahmen (Androhung & Anwendung) stellen Gewalt i.S.v. Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta dar. Jeder Militärangriff auch ohne förmliche Kriegserklärung. Politischer oder wirtschaftlicher Zwang verletzt das Gewalverbot nicht (hier wäre das Interventionsverbot zu prüfen).
Cyberangriffe können u.U. eine verbotene millitärische Gewaltanwendung i.S.v. Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta darstellen, wenn der Angriff physische Auswirkungen hat und aussserdem weitere Kriterien (Schwere, Unmittelbarkeit, militärischer Charakter) erfüllt sind. Bei Cyberattacke, die digitale Auswirkung hat, wäre das Interventionsverbot zu prüfen.
Das Selbstverteidigungsrecht: Was sind die Voraussetzungen für das Selbstverteidigungsrecht?
Gemäss Art. 51 UN-Charta muss ein bewaffneter Angriff vorliegen. Dieser setzt die Anwendung von Waffengewalt voraus. Selbstverteidigung gegen eine Verletzung bloss wirtschaftlicher oder politishcher Rechte ist nicht zulässig. Weiter muss eine gew. Intensitätsschwelle erreicht sein und ein Angriff muss unmittelbar bevorstehen.
Ein bewaffneter Angriff kann nur aktiv, nicht durch Unterlassung begangen werden.
Das Selbstverteidigungsrecht: Merkmale und Probleme?
Es gibt individuelle und kollektive Selbstverteidigung.
Neben Art. 51 UN-Charta besteht ein paralleles „naturgegebenes“ Völkergewohnheitsrecht zur Selbstverteidigung.
Die Art und Weise der Reaktion unterliegt völkerrechtlichen Grenzen. Die Verteidigungshandlung muss verhältnismässig sein. Diese Anforderung setzt örtliche & sachliche Grenzen. Bspw. müssen Waffen als auch die Wahl des Kampfgebiets möglichst weitgehende Schonung erlauben. Pflicht zu einer umweltschonenden Reaktion.
Vorbeugende (präventive) Selbstverteidigung? Kein Völkergewohnheitsrecht mangels Übung und Rechtsüberzeugung. Die Missbrauchsgefahr wäre zu gross. Der bewaffnete Angriff muss unmittelbar bevorstehend sein.
Das Recht zur Selbstverteidigung hat vorläufigen Charakter bis der UN-Sicherheitsrat die erforderlichen Massnahmen getroffen hat.
Was versteht man unter dem Interventionsverbot? Was sind die Voraussetzungen einer Verletzung?
Das Interventionsverbot gilt kraft Völkergewohnheitsrecht als notwendiges Korrelat zu Art. 2 Ziff. 1 UN-Charta (souveräne Gleichheit).
Eine Verletzung des Interventionsverbot liegt vor, wenn 2 TBM erfüllt sind:
- Einmischung in innere Angelegenheiten und
- (militärischer) Zwang
Der Schutzumfang ist identisch mit demjenigen des Gewaltverbots. Eine militärische Einmischung verletzt gleichzeitig das Gewalt- und Interventionsverbot. Politischer, wirtschaftlicher oder sonstiger Zwang kann auch Zwang im Sinne des Interventionsverobt darstellen. Hier muss jedoch abgegrenzt werden zw. erlaubter Einwirkung und verbotenem Zwang (z.B. Propaganda oder Unterstützung von Revolutionären/Oppositionellen).
Keine verbotenen Interventionen sind i.d.R. Embargos (=staatliches Verbot, mit einem bestimmten Staat Handel zu treiben), die Verweigerung von Entwicklungszusammenarbeit oder sonstige einseitige wirtschafltiche Massnahmen.
Eine Intervention kann nach Völkergewohnheitsrecht gerechtfertigt sein. Falls ein völkergewohnheitsrechtliches Rechtfertigungsinstitut durchgreift, rechtfertigt dieses auch den meist daneben vorliegenden Verstoss gegen das Gewaltverbot.
Grundprinzip: Was versteht man unter dem Selbstbestimmungsrecht der Völker?
Es besagt, dass ein Volk das Recht hat, frei über seinen politischen Status, seine Staats- und Regierungsform und seine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu entscheiden. Dies schließt seine Freiheit von Fremdherrschaft ein.
Dieses Selbstbestimmungsrecht ermöglicht es einem Volk, eine Nation bzw. einen eigenen nationalen Staat zu bilden oder sich in freier Willensentscheidung einem anderen Staat anzuschließen.
Das Selbstbestimmungsrecht der Völker allgemein als Norm des Völkergewohnheitsrecht anerkannt. Sein Rechtscharakter wird ausserdem durch:
- Art. 1 Ziff. 2 der UN-Charta
- Art. 1 Abs. 1 der beiden UN-Menschenrechtspakte 1966
- “Friendly Relations Declaration“ der UN-Generalversammlung (1970)
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