Strafrecht erste Prüfung (1. bis 6. Teil)
Strafrecht erste Prüfung (1. bis 6. Teil)
Strafrecht erste Prüfung (1. bis 6. Teil)
Kartei Details
Karten | 163 |
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Sprache | Deutsch |
Kategorie | Recht |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 28.02.2021 / 14.03.2021 |
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Zustands-und Dauerdelikte
Relevanz der Unterscheidung zwischen Zustands-und Dauerdelikten insbesondere hinsichtlich
Täterschaft und Teilnahme:
Die Teilnahme am Delikt ist bis zu dessen Beendigung möglich.
Rechtfertigungsgründe/Entschuldigungsgründe:
Die Notwehr ist bspw. bis zur Beendigung des Delikts möglich.
Verjährung
Die Verjährungsfrist beginnt ab Beendigung des Delikts zu laufen
Gemeine Delikte:
Gemeine Delikte:
Normalfall
richten sich an jede natürliche Person, juristische Personen: Art. 102 StGB
Tatbestände, die von jedermann begangen werden können
Keine Einschränkung des Täterkreises
Sonderdelikte:
Sonderdelikte:
Bestimmte Tätereigenschaften:
̶begründen die Strafbarkeit (echte Sonderdelikte)
̶erhöhen die Strafbarkeit (unechte Sonderdelikte)
Teilnahme am Sonderdelikt: Art. 26 StGB
Juristische Personen: Art 29 StGB / Art. 102 StGB
Echte Sonderdelikte:
die persönliche Täterqualifikation begründet die Strafbarkeit:
"Wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Behörde"...
Unechte Sonderdelikte:
Unechte Sonderdelikte:
Der Tatbestand kann grds. von jedermann erfüllt werden.
Die persönliche Täterqualifikation wirkt sich im Vergleich zur Allgemeinheit jedoch unterschiedlich auf die Strafverfolgung oder den Strafrahmen aus:
̶Strafverfolgung: bspw. Antragsdelikt statt Offizialdelikt, sofern der Täter ein Angehöriger oder Familiengenosse ist oder auch hinsichtlich Teilnahme am Sonderdelikt (Art. 26 StGB)
̶Strafrahmen: strafschärfend/strafmildernd
Art. 138 StGB Veruntreuung
1. Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wer ihm anvertraute Vermögenswerte unrechtmässig in seinem oder eines anderen Nutzen verwendet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Die Veruntreuung zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
2. Wer die Tat als Mitglied einer Behörde, als Beamter, Vormund, Beistand, berufsmässiger Vermögensverwalter oder bei Ausübung eines Berufes, Gewerbes oder Handelsgeschäftes, zu der er durch eine Behörde ermächtigt ist, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Handlungs-und Unterlassungsdelikte
Begehungsdelikt: Verbot zu Handeln –Unterlassungsgebot
(Regelfall)
Unterlassungsdelikt: Verbot des Nichtstuns -Handlungsgebot
Handeln (aktives Tun) = Begehung
Nichtstun = Unterlassen
Unterlassungsdelikte
in echte oder unechte Unterlassungsdelikte:
Echte Unterlassungsdelikte: Unterlassung ist ausdrücklich Gegenstand des Tatbestands und wird von Gesetzesnorm erwähnt
bspw. Unterlassung der Nothilfe (Art. 128 StGB), Vernachlässigung von Unterhaltspflichten (Art. 217 StGB)
Unechtes Unterlassungsdelikt: Der Tatbestand wird als aktive Handlung um-
schrieben, wird aber durch ein Unterlassen erfüllt
Art. 11 StGB
Rechtsprechung zum Unterlassungsdelikt:
BGE 113 IV 68 E. 5a
Relevanz Unterscheidung:
Bei Begehungsdelikten kann grds. jeder Täter sein
Bei Unterlassungsdelikten nur, wer Garantenstellunghat (Art. 11 Abs. 2 lit. a-d StGB)
Deliktsaufbau
Täterwille
Gewollte Verletzung = Vorsatz
Ungewollte Verletzung = Fahrlässigkeit
Keine Strafbarkeit wenn die fahrlässige Begehung nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist
Vorsatzdelikte unterstehen i.d.R. einer erheblich höheren Strafandrohung als Fahrlässigkeitsdelikte
Vorsatzdelikte verlangen, dass der Täter und die Tat wissentlich und willentlich ausführt.
Vorsatz-und Fahrlässigkeitsdelikte
Vorsatz gem. Art. 12 Abs. 2 StGB verlangt:
1.Wissen:
Der Täter muss um die wesentlichen Umstände wissen und das tatbestandsmässige Ergebnis zumindest für möglich halten.
2.Wollen:
Gerichte müssen sich zur Beurteilung der Willensseite mangels Alternativen auf äusserlichfeststellbare Indizien und Erfahrungsregeln stützen, welche den Rückschluss auf die innere Einstellung des Täters erlauben (vom Wissen auf den Willen schliessen).
Der Vorsatz muss sich auf die objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen aber auch auf die subj. Elemente, falls diese über den objektiven Tatbestand hinaus gehen (bspw. Bereicherungsabsicht)
Der Täter muss keine exakte rechtliche Würdigung vornehmen. Parallellwertungin der Laiensphäre reicht aus.
Vorsatzvarianten:
Vorsatz 1. Grades: Der Täter hält die Tatbestandsverwirklichung für gewiss (Wissensseite) und strebt den strafrechtlich verpönten Erfolg an (Willensseite)
Bspw.: Der Täter platziert bspw. im Auto eines Politikers eine Bombe und zündet diese. Er weiss, dass die Bombe für den Politiker tödlich sein kann, und er will den Tod des Politikers auch.
Vorsatz 2. Grades: Der Täter hält die Tatbestandsverwirklichung für gewiss (Wissensseite) und erachtet die tatbestandsmässige Verwirklichung als eine notwendige Durchgangsstufe auf dem Weg zum eigentlichen Handlungsziel. Er findet sich damit ab, selbst wenn die Verwirklichung unerwünscht ist. (Willensseite)
Bspw.: Wenn der Täter davon ausgeht, dass die im Auto eines Politikers platzierte Bombe zwangsläufig auch den Chauffeur oder Bodyguard des Wagens mit in den Tod reissen wird, will er diese auch Person töten.
Der Dieb, der einen Laptop aus einem Auto stehlen will, begeht mit direktem Vorsatz 2. Grades eine Sachbeschädigung, indem er die Fensterscheibe des Wagens zerschlägt (sog. Durchgangsdelikt).
Eventualvorsatz
Der Täter handelt auch vorsätzlich gem. Art. 12 Abs. 2 Satz 2 StGB wenn er die Verwirklichung der Tat für möglich hält (Wissensseite) und sie in Kauf nimmt (Wollensseite)
Abgrenzung des Eventualvorsatzes von der bewussten Fahrlässigkeit:
BGer6B_1159/2014 vom 01.06.2015, E. 3.2, zur Abgrenzung Eventualvorsatz und bewusste Fahrlässigkeit:
«Sowohl der eventualvorsätzlich als auch der bewusst fahrlässig handelnde Täter weiss um die Möglichkeit des Erfolgseintritts bzw. um das Risiko der Tatbestandsverwirklichung. Hinsichtlich der Wissensseite stimmen somit beide Erscheinungsformen des subjektiven Tatbestands überein. Unterschiede bestehen beim Willensmoment. Der bewusst fahrlässig handelnde Täter vertraut (aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit) darauf, dass der von ihm als möglich vorausgesehene Erfolg nicht eintreten, das Risiko der Tatbestandserfüllung sich mithin nicht verwirklichen werde. Demgegenüber nimmt der eventualvorsätzlich handelnde Täter den Eintritt des als möglich erkannten Erfolgs ernst, rechnet mit ihm und findet sich mit ihm ab. Wer den Erfolg dergestalt in Kauf nimmt, „will“ ihn im Sinne von Art. 12 Abs. 2 StGB. Nicht erforderlich ist, dass der Täter den Erfolg „billigt“.»
Absicht:
Absicht = auf ein bestimmtes Ziel gerichteter Wille
Wenn die Bereicherung nicht beabsichtigt, sondern lediglich unerwünschte Nebenfolge ist, liegt keine Bereicherungsabsicht vor (BGE 101 IV 207).
Nach einem Teil der Lehre soll eventuelle Absicht genügen.
Dies widerspricht grds. der ratio legis und dem Legalitätsprinzip, jedoch lässt auch die Praxisdieeventuelle Absicht regelmässig genügen.
Fahrlässigkeitsdelikte gem. Art. 12 Abs. 3 StGB:
Pflichtwidrige Unvorsichtigkeit:
Der Täter beachtet die Vorsicht nicht, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist.
Das Verhalten des Täters muss alleinige Ursache des strafrechtlich verpönten Erfolgs sein.
3 Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist.
Abgrenzung des Eventualvorsatzes von der bewussten Fahrlässigkeit:
Wissensseite:
Eventualvorsatz und bewusste Fahrlässigkeit stimmen auf der Wissensseite überein.
Der Täter ist sich in beiden Konstellationen der Tatbestandsverwirklichung bewusst.
Differenz auf Willensseite:
Eventualvorsatz:
̶Der Täter entscheidet sich für die Tatbestandsverwirklichung, er nimmt sie in Kauf.
̶Liegt umso näher, je wahrscheinlicher es dem Täter erscheint, dass die Tatbestandsverwirklichung eintreten könnte und je weniger er sie innerlich ablehnt.
Bewusste Fahrlässigkeit:
Auch wer die Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt, kann sich –selbst leichtfertig –über sie hinwegsetzen, d.h. darauf vertrauen, dass schon nichts passieren werde, zumal er den Eintritt des Erfolges innerlich ablehnt.
Begehungsform
Direkter Vorsatz
Wissen:
Der Täter hält Verwirklichung für sicher oder mind. für möglich
Wollen:
Der Täter will den Erfolg . Die Verwirklichung ist das Ziel, Bedingung oder Folge/ Nebenfolge eines anderen Zieles (sog. Vorsatz 1. und 2. Grades)
Eventualvorsatz
Wissen:
Wie bei direktem Vorsatz, Der Täter hält Verwirklichung mind. für möglich
Wollen:
Der Täter nimmt den Eintritt des Erfolges in Kauf
Fahrlässigkeit
Wissen:
Der Täter verkennt sorgfaltswidrig die Möglichkeit des Erfolgseintritts
Wollen:
Der Täter will den Erfolg nicht
Drei Stufen des Deliktsaufbaus (Verbrechensaufbau):
Tatbestandsmässigkeit
Verwirklichung sämtlicher objektiven und subjektiven Merkmale des Straftatbestands durch das fragliche Verhalten
Rechtswidrigkeit
Fehlen von Rechtfertigungsgründen –das fragliche Verhalten muss im Widerspruch zur Rechtsordnung stehen
Schuld
Individuelle Vorwerfbarkeit –der Verstoss gegen die Rechtsordnung muss schuldhaft begangen worden sein, d.h. der Person zugerechnet werden können. (Schuldprinzip: "Keine Strafe ohne Schuld")
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Täterkreis
Tathandlung
Taterfolg (bei Erfolgsdelikten)
Kausalität
natürliche Kausalität
adäquate Kausalität
objektive Zurechnung
evtl. Prüfung objektiver Strafbarkeitsbedingungen (wie bspw. beimRaufhandel, Art. 133 StGB)
Subjektiver Tatbestand
vorsätzliches Handeln(Wissen und Willen)
Vorsatz: Der Täter weiss um die objektiven Tatbestandsmerkmale und strebt den Taterfolg direkt an oder hält ihn für unumgänglich.
Eventualvorsatz: Der Täter hält den Erfolgseintritt ernsthaft für möglich und nimmt ihn in Kauf.
besondere subjektive Unrechtsmerkmale (z.B. Bereicherungsabsicht)
kein Tatbestands-bzw. Sachverhaltsirrtum gemäss Art. 13 StGB
Rechtswidrigkeit
Rechtfertigungsgründe
Unrechtsaufhebung durch das Vorliegen eines allfälligen Rechtfertigungsgrundes (mit objektiven und subjektiven Elementen), bspw.
gesetzliche Rechtfertigungsgründe
rechtfertigende Notwehr (Art. 15 StGB
rechtfertigender Notstand (Art. 17 StGB)
gesetzlich erlaubtes Handeln (Art. 14 StGB)
aussergesetzliche Rechtfertigungsgründe
(mutmassliche) Einwilligung
Wahrung berechtigter Interessen
rechtfertigende Pflichtenkollision
Schuld
Schuldfähigkeit
Unrechtsbewusstsein (kein Verbotsirrtum, Art. 21 StGB)
Schuldausschliessungsgründe, namentlich
entschuldbarer Notstand (Art. 18 StGB)
entschuldbare Notwehr (Art. 16 StGB)
Überschreitung der Notwehr in entschuldbarem Affekt
unzumutbare Pflichtenkollision
Das vorsätzliche Begehungsdelikt bildet den Grundtypus der Straftat
Abweichung vom Deliktsaufbau bei den Unterlassungsdelikten, bei den Fahrlässigkeitsdelikten und bei den lediglich versuchten Delikten
Tatbestand Grundlagen
Tatbestand
Umschreibefunktiondes verbotenen Verhaltens unter Einbezug sämtlicher Umstände bzw. materiellen Voraussetzungen
Auslesefunktion als erste Wertungsstufe im Deliktsaufbau: tatbestandslose Handlungen sind als strafrechtsirrelevant auszuweisen
Unterscheidung:
objektiver Tatbestand →Beschreibung der äusseren Merkmale des verbotenen Verhaltens
subjektiver Tatbestand →Beschreibung der Innenseite der Handlung bzw. Vorstellung des Täters
Ist ein Verhalten tatbestandsmässig, so bedeutet dies vorläufig nur, dass es einem strafrechtlich sanktionierten Verbot/Gebot widerspricht≠ rechtswidrig/schuldhaft
Objektiver Tatbestand
Der objektive Tatbestand umfasst:
1. Tathandlung
Das fragliche Verhalten muss sämtliche objektiven Tatbestandsmerkmale erfüllen: bspw. „Sache“, „beweglich“, „fremd“beim Diebstahl gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB
2. Bei Erfolgsdelikt
Eintritt eines von der Tathandlung zeitlich und räumlich trennbaren Taterfolgs
Verursachung des Erfolgseintritts durch das tatbestandsmässige Verhalten
= Kausalzusammenhang zwischen Tathandlung und Taterfolg
Objektive Zurechnung des Erfolgseintritts → Schutzzweck der Norm
Täterqualifikation/Tatobjekt
Täterqualifikation
In der Regel richten sich die strafrechtlich sanktionierten Verbote und Gebote des StGB an jedermann (gemeine Delikte).
Liegt ein Sonderdelikt vor, so kommt als Täter nur in Frage, wer bestimmte, im Tatbestand genannte Eigenschaften besitzt → in einem ersten Schritt prüfen, ob die Person vom Täterkreis erfasst ist.
Tatobjekt
Bspw. „fremde, bewegliche Sache“ beim Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 StGB) oder „einen Menschen“ bei Tötungsdelikten (Art. 111 StGB).
Das Tatobjekt ist vom Rechtsgut zu unterscheiden!
Tatobjekt = das körperliche Angriffsobjekt der Tat
Rechtsgut = ideelles Interesse, welches geschützt werden soll
Tathandlung
Zu prüfen, ob der Täter mit seinem Verhalten die im Straftatbestand genannten Handlungen bzw. Unterlassungen verwirklicht hat
Bei reinem Tätigkeitsdelikt:
Das Verhalten als solches erfüllt bereits den Tatbestand
(bspw. die „Wegnahme“beim Diebstahl)
Bei Erfolgsdelikten:
Zum Tatbestand gehört nebst der Handlung ein bestimmter, vom Verhalten des Täters räumlich und zeitlich abgrenzbarer Erfolg
Taterfolg
Als tatbestandsmässiger Erfolg kann die Einwirkung auf das Tatobjekt bezeichnet werden: die Beschädigung oder Zerstörung einer fremden, beweglichen Sache bei der Sachbeschädigung oder der Tod eines Menschen bei der vorsätzlichen Tötung
üble Nachrede (Art. 173 StGB): Deliktsart? Tatobjekt? Taterfolg?
Erfolg kann auch bei Straftaten ohne Tatobjekt eintreten:
Der Begriff des Erfolgs ist auf jede vom Tatbestand erfasste Wirkung der verbotenen Handlung, die über deren Vollzug als solche hinausgeht, auszudehnen
Bei der üblen Nachrede ist der Erfolg somit erst gegeben, wenn die herabsetzende Äusserung (Tathandlung) von einem Dritten zur Kenntnis genommen wurde (Taterfolg)
Kausalität (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal)
Der Erfolg muss auf ein menschliches Verhalten bzw. auf eine Tathandlung zurückgehen (aktive Herbeiführung oder passives Nichtabwenden)
Die Kausalität als Bindeglied zwischen Tathandlung und Taterfolg
→ nur bei Erfolgsdelikten zu prüfen
Dreistufige Prüfung des Zusammenhangs von Handlung und Erfolg:
1. natürliche Kausalität
2. adäquate Kausalität
3. objektive Zurechnung
Natürliche Kausalität bzw. „Äquivalenztheorie“
Danach gilt als Ursache für den eingetretenen Erfolg jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass auch der konkrete Erfolg entfiele („conditiosine qua non“).
Feststellung scheitert:
wenn die naturgesetzlichen Zusammenhänge nicht erwiesen sind (bspw. das Zusammenwirken mehrerer Medikamente);
wenn der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt werden kann (bspw. welcher von mehreren Fahrzeuglenkern den nachts auf der Strasse liegenden Betrunkenen überfahren und damit getötet hat).
Spezialfall: kumulative Kausalität
Spezialfall: kumulative Kausalität
Mehrere Täter setzen unabhängig voneinander eine Bedingung.
Die einzelne Bedingung reicht für sich nicht aus, um den Erfolg herbeizuführen, sondern nur das Zusammenwirken der Bedingungen führt zum Erfolgseintritt.
Bsp.: Zwei Täter verabreichen einer Person je eine Dosis Gift, wobei die beiden Einzeldosen für sich alleine zu schwach wären und erst zusammen zum Tod der Person führen.
Keine der Bedingungen kann hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg entfiele, weshalb die beiden Täter für sich alleine nicht kausal gehandelt hätten.
Bedingungstheorie: Jede notwendige Bedingung gilt als ursächlich, wenn sie allein oder zusammen mit anderen Bedingungen zum Erfolg geführt hat.
Spezialfall: alternative oder doppelte Kausalität
Mehrere Täter setzen unabhängig voneinander Bedingung
Jede dieser Bedingungen hätte für sich alleine den Erfolg herbeigeführt.
Bsp.: Zwei Täter verabreichen einer Person, ohne voneinander zu wissen, je eine Dosis Gift, wobei die beiden Einzeldosen für sich alleine ausreichend waren, und unabhängig voneinander zum Tod der Person führen.
Jeder der Täter hat damit keine notwendige, aber eine hinreichende Bedingung für den Tod des Opfers gesetzt.
Äquivalenztheorie versagt ebenfalls –der tatbestandsmässige Erfolg tritt auch dann ein, wenn die Handlung eines Einzelnen weggedacht wird.
Hilfsformel: Liegen mehrere Bedingungen vor, die alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele, so ist jede für den Erfolg ursächlich.
Spezialfall: überholende Kausalität
Spezialfall: überholende Kausalität
Eine Ursache wird, bevor sie sich ausgewirkt hat, von einer anderen Ursache überholt wird, welche dann zum Erfolg führt.
Bsp.: Zwei Täter verabreichen einer Person gleichzeitig je eine Dosis Gift, wobei das Gift vom Täter 1 schneller wirkt, so dass die Person bereits tot ist, bevor das Gift vom Täter 2 wirken kann.
Die von Täter 2 gesetzte Bedingung wurde in diesem Fall überholt und ist für den Erfolg in seiner konkreten Gestalt nicht ursächlich.
Täter 2 hat sich deshalb höchstens wegen eines Versuchs strafbar gemacht.
Spezialfall: Hypothetische Kausalität/ Ersatzursache
Spezialfall: Hypothetische Kausalität
Nur bei Unterlassungsdelikten
wird unter Teil 3 Röm. V (Deliktsaufbau bei Unterlassungsdelikten) behandelt
Spezialfall: Ersatzursache
Die vom Täter gesetzte Bedingung tritt an die Stelle einer Ersatzursache, welche den Erfolg später ebenfalls herbeigeführt hätte.
Bsp.: Wenn eine Person auf dem Weg zum Flughafen erschossen wird, sie aber kurz darauf „ohnehin“ beim Absturz des Flugzeuges ums Leben gekommen wäre.
Hier kommt es allein darauf an, welche Ursache den Erfolg tatsächlich herbeigeführt hat → BGE 135 IV 56 E. 3.1.2
natürliche Kausalität –Schwachpunkte
Schwachpunkte der natürlichen Kausalität:
Mittelbare, ungewöhnliche oder für den Täter absolut nicht vorhersehbare Geschehensabläufe sowie sehr lange Kausalketten werden erfasst
Bspw. setzen die Eltern eines Mörders demnach eine kausale Bedingung für den Tod eines späteren Opfers
Einengung der Kausalität durch die Adäquanztheorie
Adäquate Kausalität
Nur Ursache solche „natürlichen Ursachen“ sind adäquat kausal, die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet waren, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen.
Keine rechtserhebliche Kausalität wenn „ganz aussergewöhnliche Umstände (...) als Mitursache hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolgs erscheinen und so alle anderen mitverursachenden Faktoren –namentlich das Verhalten des Ange-schuldigten –in den Hintergrund drängen“ (BGE 121 IV 286 E. 3) .
BGE 103 IV 12: Ist es für denjenigen, welcher eine nicht vollständig entladene Dienstpistole weglegt, adäquat kausal, dass eine andere Person die Waffe benutzt und damit jemanden verletzt?
Objektive Zurechnung
Objektive Zurechnung
Weitere Einschränkung der adäquat-kausalen Ursachen auf solche, die für den Erfolg unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm relevant sind.
Die objektive Zurechnung gliedert sich in Gefahrschaffung und Gefahrrealisierung
Folgende Fallgruppen sind zu unterscheiden:
Erlaubtes Risiko
Risikoverringerung
Schutzzweck der Norm
Objektive Zurechnung – erlaubtes Risiko
Erlaubtes Risiko
Rechtsgutsgefährdendes Verhalten, das wegen seines überwiegenden Nutzens von der Gesellschaft allgemein akzeptiert wird und als erlaubt gilt.
Beispiele:
A überredet den B, der ein guter Skifahrer ist, zu einer Skitour in der Hoffnung auf einen tödlichen Unfall. Tatsächlich verunglückt B an einer vereisten Stelle am Waldrand tödlich.
Der Neffe N überredet seinen Onkel O zu einer Flugreise in der Hoffnung, der O werde so ums Leben kommen. Dies geschieht tatsächlich bei einem Flugzeugabsturz.
Der Täter schafft zwar ein Risiko, dieses Risiko ist aber rechtlich nicht relevant, weil es ein sozial normales Minimalrisiko ist (2. Beispiel) oder aber ein zwar nicht ganz unbeträchtliches, aber sozial allgemein akzeptiertes Risiko (1. Beispiel)
Voraussetzung, Einhaltung der Sicherheitsstandards → Ford Pinto-Fall
Objektive Zurechnung – Risikoverringerung
Riskoverringerung
Die objektive Zurechnung entfällt sodann, wenn der Täter gar kein Risiko für einen anderen geschaffen oder erhöht hat, sondern ein bestehendes Risiko vielmehr verringerte.
Beispiel:
A gelingt es, den O, Sekunden bevor dieser von seinem Feind T überfahren wird, auf die Seite zu stossen, so dass sich O nur am Knie verletzt
Objektive Zurechnung – Schutzzweck der Norm
Schutzzweck der Norm
Keine objektive Erfolgszurechnung, wenn sich nicht jene Gefahr verwirklichte, der das überschrittene Sorgfaltsgebot vorbeugen wollte.
Beispiele:
Ein Täter fährt zu schnell auf der Autobahn und überfährt dann an seinem Ziel bei normaler Geschwindigkeit ein Kind, welches plötzlich auf die Strasse tritt. Hätte er die vorgeschriebene Geschwindigkeit auf der Autobahn eingehalten, wäre er erst eingetroffen, nachdem das Kind die Strasse überquert hatte. Geschwindigkeitslimiten haben jedoch nicht zum Zweck, Ankunftszeiten zu verändern (BGE 94 IV 23 E.2).
Zwei Velofahrer fahren im Dunkeln unbeleuchtet hintereinander. Der vordere kollidiert mangels Beleuchtung mit einer entgegenkommenden Person. Dem hinteren Velofahrer ist die Verletzung der entgegenkommenden Person nicht zuzurechnen, obwohl bei Beleuchtung des hinteren Velos der vorausfahrende Velofahrer auch ohne eigene Beleuchtung den Unfall hätte vermeiden können.
Subjektiver Tatbestand – Allgemeines
Auf die Feststellung des objektiven Tatbestands folgt die Frage, ob sich der Täter auf die objektiven Tatbestandselemente subjektiv bezogen hat
Der subjektive Tatbestand umfasst:
1. Vorsatz
2.Zusätzliche subjektive Tatbestandsmerkmale
In einzelnen Tatbeständen ausdrücklich genannt
Haben im objektiven Tatbestand kein „Gegenüber“ und schiessen insofern über diesen hinaus
Subjektiver Tatbestand – Vorsatz
Zur Erinnerung (vgl. ausführlich 2. Teil):
Vorsatz
1.Wissen:
Der Täter muss um die wesentlichen Umstände wissen und das tatbestandsmässige Ergebnis zumindest für möglich halten.
2.Wollen:
Aufgrund äusserlich feststellbarer Indizien und Erfahrungsregeln
Vorsatzvarianten:
Vorsatz 1. Grades: Der Täter hält die Tatbestandsverwirklichung für gewiss (Wissensseite) und strebt den strafrechtlich verpönten Erfolg an (Willensseite)
Bsp.: Der Täter platziert bspw. im Auto eines Politikers eine Bombe und zündet diese. Er weiss, dass die Bombe für den Politiker tödlich sein kann, und er will den Tod des Politikers auch.
Vorsatz 2. Grades: Der Täter hält die Tatbestandsverwirklichung für gewiss (Wissensseite) und erachtet die tatbestandsmässige Verwirklichung als eine notwendige Durchgangsstufe auf dem Weg zum eigentlichen Handlungsziel. Er findet sich damit ab, selbst wenn die Verwirklichung unerwünscht ist. (Willensseite)
Bsp.: Wenn der Täter davon ausgeht, dass die im Auto eines Politikers platzierte Bombe zwangsläufig auch den Chauffeur oder Bodyguard des Wagens mit in den Tod reissen wird, will er diese auch Person töten.
Der Dieb, der einen Laptop aus einem Auto stehlen will, begeht mit direktem Vorsatz 2. Grades eine Sachbeschädigung, indem er die Fensterscheibe des Wagens zerschlägt (sog. Durchgangsdelikt).
Eventualvorsatz
Der Täter handelt auch vorsätzlich gem. Art. 12 Abs. 2 Satz 2 StGB wenn er die Verwirklichung der Tat für möglich hält (Wissensseite) und sie in Kauf nimmt (Wollensseite)
Vorsatz bei Fahrlässigkeit (sofern strafbar)
Entscheidend, ob der Täter die Möglichkeit des Erfolgseintritts sorgfaltswidrig verkannt hat.
Subjektive Tatbestands-Elemente
Zusätzliche subjektive Tatbestandsmerkmale
In einzelnen Tatbeständen ausdrücklich genannt
Haben im objektiven Tatbestand kein „Gegenüber“ und schiessen insofern über diesen hinaus (vgl. Darstellung auf nächster Folie)
Verschiedentlich stellt das Gesetz auch auf den Beweggrund bzw. den hinter dem Verhalten des Täters liegenden Antrieb ab
Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 StGB)
objektiver Tatbestand
Sache
Beweglich
Fremd
Wegnahme
subjektiver Tatbestand
Vorsatz
Vorsatz
Vorsatz
Vorsatz
Aneignungs-absicht
Bereicherungs-absicht
Bsp.: Der Tatbestand des Mordes nennt den besonders verwerflichen Beweggrund (Art. 112 StGB), bei der Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord werden selbstsüchtige Beweggründe vorausgesetzt (Art. 115 StGB) und bei der Tötung auf Verlangen achtenswerte Beweggründe (Art. 114 StGB).
Systematik
Die Erfüllung des objektiven und subjektiven Tatbestandes indiziert in der Regel die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens. In einem nächsten Schritt (zweite Wertungsstufe im Deliktsaufbau) ist zu prüfen, ob im konkreten Fall eine Ausnahme-Konstellation vorliegt, welche die vermutete Rechtswidrigkeit entfallen lässt.
Das geltende Recht kennt verschiedene Rechtfertigungsgründe, eine durchgehende gesetzliche Systematik gibt es hingegen nicht.
Man unterscheidet zwischen: gesetzlichen Rechtfertigungsgründen, nachfolgend Ziff. 2 ausser- oder übergesetzlichen Rechtfertigungsgründen (Konkretisierung durch Lehre und Rechtsprechung), nachfolgend Ziff. 3 für einzelne Tatbestände finden sich sodann im StGB BT weitere Rechtfertigungsgründe, bspw. bei der üblen Nachrede (Art. 173 Abs. 2 StGB) oder bei der Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320 Ziff. 2 StGB)
Gesetzliche Rechtfertigungsgründe – Gesetzmässiges Handeln
Gesetzlich erlaubtes Handeln: Gemäss Art. 14 StGB verhält sich rechtmässig, wer handelt, wie es ihm das Gesetz gebietet oder erlaubt, auch wenn die Tat nach diesem oder einem anderen Gesetz mit Strafe bedroht ist Rein deklaratorische Bedeutung → Grundsatz, dass die Rechtsordnung in sich nicht widersprüchlich sein darf Also bspw. Amts- und Berufspflichten (bspw. PolG) Notwehr (Art. 15 StGB) Notstand (Art. 17 StGB)
Gesetzliche Rechtfertigungsgründe – a. Amts- und Berufsplicht
Amts- und Berufspflicht Amtliches Verhalten, das einen Straftatbestand erfüllt, kann nur in dem Umfang gerechtfertigt werden, wie das öffentliche Recht es gebietet oder erlaubt → gesetzliche Grundlage In der Praxis werden teilweise blosse Dienstanweisungen oder Verwaltungsvorschriften zur Rechtfertigung herangezogen → rechtsstaatlich bedenklich! Voraussetzungen für Grundrechtseingriffe: Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismässigkeit i.e.S. Gilt auch für den Schusswaffengebrauch durch die Polizei: Grundlagen berechtigen immer nur zu verhältnismässigem Gebrauch, selbst wenn die gesetzliche Grundlage die Anwendungskriterien nicht explizit aufführt.