Strafrecht erste Prüfung (1. bis 6. Teil)
Strafrecht erste Prüfung (1. bis 6. Teil)
Strafrecht erste Prüfung (1. bis 6. Teil)
Kartei Details
Karten | 163 |
---|---|
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Recht |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 28.02.2021 / 14.03.2021 |
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Rechtsfolgen
1. Aktuelles Unrechtsbewusstsein vorhanden? Ja = strafbar (Schuldvorwurf bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen) Nein = Verbotsirrtum prüfen 2. Verbotsirrtum vermeidbar? Ja, weil potenzielles Unrechtsbewusstsein vorhanden = strafbar Nein, weil kein potenzielles Unrechtsbewusstsein vorhanden = straflos (aber evtl. schuldunabhängige Massnahme möglich) Fazit: Im direkten Vergleich ist der Tatbestandsirrtum verzeihlicher als der Verbotsirrtum. Denn beim Verbotsirrtum hat der Täter stets alle zumutbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Rechtmässigkeit seines Handelns zu prüfen.
Überblick über die Irrtümer
Tatbestandsirrtum
Direkter: Unkenntnis tatbestandlich relevanter Umstände Art. 13 StGB
Indirekter: Irrige Annahme einer rechtfertigenden Sachlage (Erlaubnistatbestandsirrtum) Art. 13 StGB
Umgekehrter: Irrige Annahme tatbestandlich relevanter Umständen untauglicher Versuch
Verbotsirrtum
Direkter: Unkenntnis des Vorliegens oder der Reichweite einer Verbotsnorm Art. 21 StGB
Indirekter: Irrige Annahme über die Existenz oder Tragweite eines Rechtfertigungsgrundes Art. 21 StGB
Umgekehrter: Irrige Annahme des Vorliegens oder der Reichweite einer Verbotsnorm strafloses Wahndelikt
Allgemeines Vorbereitung und Versuch
Beispielhafter Ablauf einer vorsätzlichen Straftat: 1. Rechtsfeindliche Gesinnung / Gedanken des Täters 2. Entwicklung eines Tatplans 3. Verdichtung zum Tatentschluss oder zur Inkaufnahme 4. Übergang in (allenfalls, sofern im Gesetz vorgesehen, strafbare) Vorbereitungshandlungen (falls solche überhaupt möglich und notwendig sind) 5. (weitere) Handlungen oder Unterlassungen → Überschreitung der Schwelle zum Versuch 6. Vom Versuch weiter zur endgültigen Realisierung, bis das Delikt vollendet und schliesslich beendet ist Für den Gedanken und den Entschluss, eine Straftat zu verwirklichen, sowie die innere Planung kann niemand zur Rechenschaft gezogen werden, falls sich diese nicht in konkreten Schritten manifestieren (Ziff. 1-3) Problematischer jedoch ab den Vorbereitungshandlungen (Ziff. 4 ff.)
Vorbereitungshandlungen für bestimmte Delikte stehen unter Strafe: Bspw. Art. 260 bis StGB, der Vorbereitungshandlungen kriminalisiert, wenn eine Person bspw. planmässig konkrete technische oder organisatorische Vorkehrungen für Delikte wie Mord, Geiselnahme, Raub oder Brandstiftung trifft. Auch Art. 226 ter StGB pönalisiert solche Handlungen im Bereich der Kernenergie oder ionisierenden Strahlen Ist das Stadium des Versuchs erreicht, endet die Straflosigkeit oder die bloss punktuelle Strafbarkeit (in Form von Vorbereitungshandlungen) Art. 22 StGB stellt den Versuch von Vergehen oder Verbrechen (und auch von strafbaren Vorbereitungshandlungen) grundsätzlich unter Strafe Gemäss Art. 105 Abs. 2 StGB ist der Versuch auch für Übertretungen strafbar, aber nur dann, wenn das Gesetz dies ausdrücklich festlegt Vollendet ist eine Straftat, wenn deren objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind. Diesfalls ist der Versuch nicht mehr möglich Möglichkeit, während oder nach der Tatbegehung auf seinen Tatentschluss und die Realisierung der Tat zurückzukommen: Rücktritt oder tätiger Reue (Art. 23 StGB)
Strafbarkeit des Versuchs – Aufbau des Versuchs
Vorprüfung
Keine Vollendung der Tat Strafbarkeit des Versuchs (immer bei Verbrechen und Vergehen, ausnahmsweise bei Übertretungen
Subjektiver Tatbestand
Tatentschluss Vorsatz in Bezug auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale subjektive Unrechtsmerkmale
Objektiver Tatbestand
objektiver Tatbestand nicht erfüllt Beginn der Ausführungshandlungen bzw. der Unterlassung; Abgrenzung zur (i.d.R.) straflosen Vorbereitungshandlung (Schwellentheorie, point of no return) Tauglichkeit des Versuchs (bei Untauglichkeit: Art. 22 Abs. 2 StGB) objektive Strafbarkeitsbedingungen
Rechtswidrigkeit
Vorliegen eines allfälligen Rechtsfertigungsgrundes (objektive und subjektive Elemente), bspw.: (mutmassliche) Einwilligung rechtfertigender Notstand (Art. 17 StGB) rechtfertigende Notwehr (Art. 15 StGB)
Schuld
Schuldfähigkeit (Art. 19 StGB) Unrechtsbewusstsein (kein Verbotsirrtum, Art. 21 StGB) Vorliegen von Schuldausschliessungsgründe, bspw.: entschuldbarer Notstand (Art. 18 StGB) entschuldbare Notwehr (Art. 16 StGB)
Rücktritt
Täter hat noch nicht alle nach seinem Tatplan nötigen Handlungen ausgeführt Erfolg bleibt aus, wobei der Täter aber überzeugt sein muss, dass er die Tat vollenden könnte Endgültigkeit der Aufgabe des Tatentschlusses Freiwilligkeit
Tätige Reue
Der Täter hat alle nach seinem Tatplan erforderlichen Handlungen ausgeführt Abwendung des Erfolgs Freiwilligkeit
Strafbarkeit des Versuchs – Definition
Der Versuch ist durch eine nicht vollständige Erfüllung des objektiven und einer vollständigen Erfüllung des subjektiven Tatbestandes (inkl. Absichten und Beweggründe) gekennzeichnet Die Versuchsstrafbarkeit setzt eine Betätigung des Tatentschlusses durch Handlungen voraus, welche unmittelbar zur Verwirklichung eines Tatbestandes ansetzen Der Täter muss mit der Ausführung der Tat mindestens begonnen haben
(Eventual-) Vorsatz und Realisierungswille müssen auf einen Sachverhalt, welcher die Tatbestandsmerkmale erfüllt, ausgerichtet sein. Ein fahrlässiger Versuch ist nicht möglich / vorstellbar! Der blosse Tatentschluss und die rein gedankliche Planung eines Delikts (ohne Manifestation durch Beginn der Tatausführung) ist straflos Kein Tatentschluss liegt ohnehin vor bei: blosser Tatgeneigtheit oder bei einem sog. bedingten Handlungswille der Täter behält sich dabei die Fassung des Entschlusses zur Begehung des Delikts vor bzw. macht sie vom Eintritt einer Bedingung abhängig („wenn das Wetter heute schön wird, dann…“)
Strafbarkeit des Versuchs – konkretes Vorgehen
Zu prüfen sind: 1. Tatentschluss (subjektive Tatbestandsmässigkeit) Die subjektive Tatbestandsmässigkeit (Tatentschluss) ist vor den objektiven Elementen zu prüfen 2. Beginn der Ausführungshandlung (objektive Elemente) Der Beginn der Ausführungshandlung dient der Abgrenzung zur nur ausnahmsweise strafbaren Vorbereitungshandlung, vgl. nachfolgende Folie (point of no return, Schwellentheorie)
Strafbarkeit des Versuchs – Point of no return
Unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung der Tat Schwellentheorie des Bundesgerichts (ständige Praxis):
«Nach der Rechtsprechung gehört zur "Ausführung" der Tat […] jede Tätigkeit, die nach dem Plan, den sich der Täter gemacht hat, auf dem Weg zur Tatbestandsverwirklichung den letzten entscheidenden Schritt darstellt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände, die eine Weiterverfolgung der Absicht erschweren oder verunmöglichen.» BGE 131 IV 104
Der Täter sagt sich: «Hier und jetzt vollbring ich‘s!» → «point of no return» Die Berücksichtigung subjektiver Momente, d.h. der Vorstellung des Täters von der Tat, sind genauso unabdingbar wie die Berücksichtigung objektiver Kriterien für die Entscheidung der Frage, mit welcher Tätigkeit der Täter nach seinem Tatplan bereits zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzte Die Schwelle, ab welcher ein Versuch anzunehmen ist und nicht mehr blosse (i.d.R. straflose) Vorbereitungshandlungen vorliegen, darf der eigentlichen Tatbegehung zeitlich allerdings nicht zu weit vorausgehen Gegebenenfalls muss neben der zeitlichen auch auf eine gewisse räumliche oder funktionale Nähe zur Tatbestandsverwirklichung abgestellt werden
Führt der Täter die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, können folgende Rechtsfolgen des Versuchs eintreten: Strafmilderung nach Art. 48a StGB, wobei das Gericht weder an die angedrohte Mindeststrafe noch an die Strafart gebunden ist (Art. 22 Abs. 1 StGB als KannVorschrift) Straflosigkeit bei untauglichem Versuch (Art. 22 Abs. 2 StGB, vgl. dazu später) Milderung oder Absehen von Strafe bei Rücktritt und tätiger Reue (Art. 23 StGB)
Strafbarkeit des Versuchs – qualifiziertes Delikt
entscheidend, ob sich der Vorsatz auf objektiv erkennbare Qualifikationsmerkmale bezog Bsp. Ist eine versuchte schwere (und nicht nur einfache) Körperverletzung möglich, wenn der Täter mit einer Axt auf das Opfer einschlagen will, das Opfer dem Schlag jedoch noch knapp ausweichen kann Noch kein Versuch des qualifizierten Delikts liegt jedoch vor, wenn erst die Verwirklichung des Grundtatbestands versucht wurde Der Versuch der Begehung einer qualifizierten Tat beginnt erst dann, wenn der Täter zu deren Verwirklichung unmittelbar ansetzt Bsp.: Im Fall des Raubes gemäss Art. 140 Ziff. 4 StGB ist der Versuch erst gegeben, wenn sich der Täter anschickt, das Opfer in unmittelbare Lebensgefahr zu bringen Der Versuch der Begehung eines qualifizierten Delikts liegt erst dann vor, wenn der Täter zur Verwirklichung des qualifizierten Tatbestandes objektiv erkennbar ansetzt, sodass die Schwelle überschritten wird, die das einfache vom qualifizierten Delikt trennt
Untauglicher Versuch
Untauglich ist ein Versuch, wenn die Erfüllung des objektiven Tatbestandes anhand des konkreten Tatplans nicht möglich ist Bsp. X zielt in der Annahme, er halte eine echte Pistole auf Y und drückt ab. In Wahrheit handelte es sich aber um eine Schreckschusspistole Der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg «kann nicht eintreten» (Art. 22 Abs. 1 Variante 3 StGB) Der untaugliche Versuch ist grundsätzlich strafbar. Ausnahme: grober Unverstand gemäss Art. 22 Abs. 2 StGB
Untauglicher Versuch
Grober Unverstand ist anzunehmen, wenn jeder vernünftige Mensch ohne weiteres die Untauglichkeit hätte erkennen können (BGE 70 IV 49 E. 1)
Strafloser Versuch des untauglichen Tatsubjekts Bsp.: C meint, er gelte als Beamter, weil er in den Gebäuden der Polizei als Reinigungskraft arbeitet, und könne sich daher der Amtsgeheimnisverletzung (Art. 320 StGB) strafbar machen, wenn er einem Freund von der Festnahme einer Person erzählt
Strafloser Versuch des untauglichen Tatobjekts Bsp.: versuchte Vergewaltigung einer Schimpansin; Schuss auf ein Skelett, um es zu töten
Strafloser Versuch des untauglichen Tatmittels Bsp.: Kamillentee, der schwangerschaftsabbrechend wirken soll
Strafloses Wahndelikt, bei dem sich der Tatentschluss auf ein objektiv nicht strafbares Verhalten bezieht Bsp.: Z vollzieht sexuelle Handlungen mit einer 17-Jährigen, im Glauben, dies sei strafbar
Beendeter und unbeendeter Versuch
Unbeendet ist ein Versuch, wenn der Täter seiner Vorstellung nach noch nicht alles Notwendige getan hat, um die Verwirklichung des Tatbestandes herbeizuführen
Beendet ist der Versuch, wenn der Täter meint, alles getan zu haben, was gemäss seiner Vorstellung zur Erfüllung des Tatbestands erforderlich war – ohne allerdings den Tatbestand zu erfüllen, ansonsten es kein Versuch mehr wäre
Unterscheidung wichtig, weil der Rücktritt beim beendeten Versuch ein Tätigsein im Sinne einer tätigen Reue verlangt, während der Rücktritt beim unbeendeten Versuch nur die Aufgabe weiterer Tathandlungen erfordert
Rücktritt und tätige Reue Überblick
Art. 23 StGB regelt Konstellationen, bei denen das Delikt nicht aus Zufall oder Unvermögen des Täters nicht vollendet wird, sondern bei denen der Täter dazu beiträgt, dass sich das Unrecht nicht vollends verwirklicht Nur möglich, solange sich das Geschehen noch im Versuchsstadium befindet Die Rücktrittsleistung muss freiwillig sein Aus welchen Gründen spielt nach dem Wortlaut von Art. 23 StGB keine Rolle, kann aber bei der Strafzumessung berücksichtigt werden Der Versuch darf aus Sicht des Täters nicht fehlgeschlagen sein
Rücktritt und tätige Reue - Varianten
Art. 23 StGB unterscheidet verschiedene Varianten:
Abs. 1
… führt aus eigenem Antrieb die Tat nicht zu Ende oder trägt aus eigenem Antrieb dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern.
Abs. 2
… trägt aus eigenem Antrieb dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern.
Abs. 3
… hätte die Vollendung der Tat verhindert. Die Tatverwirklichung tritt aber aus anderen Gründen nicht ein.
Abs. 4
… bemüht sich aus eigenem Antrieb ernsthaft, die Vollendung der Tat zu verhindern. Die Tat wird aber ohne seinen Beitrag trotzdem begangen.
Aufgrund des Täters wird die Tat nicht verwirklicht
Aus anderen Gründen verwirklicht sich die Tat nicht.
Die Tat verwirklicht sich durch andere.
Rechtsfolge: Das Gericht kann die Strafe mildern oder von ihr absehen (Absehen von Strafe in der Praxis selten).
Rücktritt
Der Täter kann die deliktische Tätigkeit, welche er sich nach seinem Plan zurechtgelegt hat und mit deren Verwirklichung er schon begonnen hat, abbrechen, bevor er alles umgesetzt hat, was zu deren Verwirklichung nötig ist Der Rücktritt muss aus eigenem Antrieb erfolgen, keine äusseren Umstände dafür verantwortlich! Bsp.: Rücktritt aus Furcht vor Strafe, weil bereits die Sirenen von Polizeiautos zu hören sind Ein Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Täter davon ausgeht, dass eine Vollendung nicht mehr möglich ist Dies gilt unabhängig davon, ob die Möglichkeit der Vollendung objektiv noch besteht oder nicht Der Rücktritt ist selbst bei einer objektiv nicht (mehr) möglichen Vollendung anzurechnen, wenn der Täter im Zeitpunkt des Rücktritts glaubt, eine Vollendung sei weiterhin möglich, und die Rücktrittsleistung die Vollendung verhindert hätte (Art. 23 Abs. 3 StGB)
Tätige Reue
Beim unbeendeten Versuch genügt es, wenn der Täter die strafbare Tätigkeit aus eigenem Antrieb nicht zu ende führt: Rücktritt Beim beendeten Versuch hat der Täter hingegen aktiv zur Verhinderung der Vollendung der Tat beizutragen: Tätige Reue Definitionsmerkmal der tätigen Reue: aktiver Beitrag, um die Vollendung der Tat zu verhindern Die tätige Reue setzt grundsätzlich voraus, dass der tatbestandsmässige Erfolg nicht eingetreten ist
Art. 23 Abs. 4 StGB Strafbefreiung oder Milderung möglich, selbst wenn der tatbestandsmässige Erfolg eingetreten ist der Täter muss sich als einer von mehreren Beteiligten aus eigenem Antrieb ernsthaft darum bemüht haben, die Tat zu verhindern. Art. 23 Abs. 3 StGB Strafbefreiung oder Milderung möglich, wenn der „Rücktritt“ zwar erfolgreich die Vollendung der Tat verhindert hätte, diese aber aus anderen Gründen ausbleibt Entgegen dem Wortlaut des Gesetzes geht es hier nur um tätige Reue
Kriminalistik
Kriminalistik ist die Lehre von den Mitteln und Methoden der Bekämpfung einzelner Straftaten und des Verbrechertums (der Kriminalität) durch vorbeugende (präventive) und strafverfolgende (repressive) Maßnahmen.
Polizeiarbeit
Aufklärung von Straftaten
Kriminaltaktik
Kriminalstrategie
Kriminaltechnik, u.a.:
̶Ballistik
̶Daktyloskopie
̶Forensische Linguistik
̶Forensische Phonetik
̶IT-Forensik
Rechtsmedizin, u.a.:
̶Toxikologie
̶Serologie (Blut-, Spermaspuren-, DNA-Nachweise)
̶Entomologie (Insektenkunde)
Kriminologie
Definition = Lehre vom Verbrechen
Wissenschaft, die Ursachen und Erscheinungsformen des Verbrechens untersucht und sich mit der Bekämpfung des Verbrechens befasst
Lehre von der Kriminalität
Empirische Wissenschaft
Ursachen/Erscheinungsformen von Kriminalität (Phänomenologie)
Bezugswissenschaften Kriminologie: Psychologie Soziologie Medizin Intersubjektivität Strafrecht Kriminalpolitik Kriminalistik
Sinnvolle Reaktionen auf Delinquenz
Kriminalanthropologie
Kriminalstatistik
Kriminalsoziologie
Viktimologie
Kriminologie –grundlegende Gedanken
Ohne Gesetz keine Kriminalität!
Kriminalität ist normal
Wo Normen, da Rechtsverletzungen
Kriminalität stärkt Geltungskraft der Normen
Kriminalität stärkt unser Selbstwertgefühl
Kriminalität ist unvermeidbar
Kriminalität ist der Motor sozialen Wandels
Kriminologie –Theorien des 20 Jahrhunderts
Indeterminismus
Menschen = kompetent, zielgerichtet, eigenverantwortlich
(Wegbereiter: Klassische Schule)
Zweckrationales Handeln gemäss individueller Kosten-Nutzen-Maximierung
Konsequenzen: unnötige und kontraproduktive Normen abschaffen und Dosierung des Strafübels als Kostenfaktor
Theorien:
Ökonomische Kriminalitätstheorie
Kontrolltheorien (kriminalitätsbegünstigende Kontrolldefizite): Bindungstheorien, Re-integrative Beschämung, Kontrollbalance
Symbolischer Interaktionismus (sinnhaftes Verstehen des Handelns, qualitativ)
LabelingApproach
Determinismus
Menschen = von empirisch benennbaren Faktoren abhängig
Wahrscheinlichkeitsbeziehung
Erfahrungswissenschaft
Ätiologisches Erklärungsmodell (Ursachenforschung)
Allgemeine Kriminalitätstheorie
individuenbezogen
Biolog. Determinismus
Psycholog. Determinismus
(Wegbereiter: positive Schule)
Theorien:
Biokriminalität
Psychologische und psychiatrische Persönlichkeitskonzepte
auf soziale Einheiten bezogen
Sozialer Determinismus
(Wegbereiter: Anomietheorie)
Theorien:
Sozialstrukturelle Konzepte
Sozialisation im Nahbereich
Der Determinismus (von lateinisch determinare ‚festlegen‘, ‚Grenzen setzen‘, ‚begrenzen‘) ist die Auffassung, dass alle – insbesondere auch zukünftige – Ereignisse durch Vorbedingungen eindeutig festgelegt sind.[1] Die Gegenthese (Indeterminismus) vertritt, dass es bestimmte Ereignisse gibt, die nicht eindeutig durch Vorbedingungen determiniert, sondern indeterminiert (= unbestimmt) sind.
Kriminologie –ab 1980
Veränderte Verhältnisse
Vor 1980: modernes Industriezeitalter
Stabile Strukturen, Arbeitsleistung, staatl. Regelung zur allgemeinem Wohlfahrt
Lebensverhältnisse traditionsgestützt und stabil
Ab 1980: Spätmoderne
Auflösung stabiler Strukturen (Automatisierung, Billiglohnländer, Geschlechterrollen, Teilzeit/KiTa, 1-Personen-Haushalte)
Verbindungsloses Nebeneinander von Drahtseiltänzern
Verlust an Halt gebender Geborgenheit, Geltungsverlust von Moralvorstellungen, Entsolidarisierung, Ausrichtung an materiellem Lustgewinn
Neoliberalismus: freiwilliger Rechtsgehorsam, persönliche Verantwortlichkeit, schlanker und ökonomischer Staat
Kriminologie –Folgen der Spätmoderne
Neoliberales Verständnis der Kriminologie:
Kriminelles Verhalten = freie Wahl
Kriminelles Verhalten wird als lohnend empfunden
Weil sich der Täter selbst entscheiden kann, ist keine staatliche Unterstützung notwendig.
Folge: Abschreckung durch Erhöhung der Strafe und Verfolgungswahrscheinlichkeit
Eine Wende zeichnet sich ab:
Kriminalität als Risiko (man muss damit rechnen und kann es managen), statt Ausdruck von Defiziten: „Mensteal‘causetheysteal, not ‘causethey‘repoor!“
Situative Prävention: Kontrolle richtet sich gegen alle.
Selbstverantwortung: Täter und Opfer sind beide selber schuld. Täter: freetodeviate. Opfer schützt sich nicht genügend.
Örtl. und zeitl. begrenzte Intervention statt Wurzelbehandlung
Eigenverantwortung statt Grundrecht auf Sicherheit (private Sicherheitsfirmen, Alarmanlagen etc.)
Einfluss der Medien auf die Kriminalitätswahrnehmung:
Obwohl schwere Gewaltdelikte wie Tötung oder Vergewaltigung nur einen Promillebereich der abgeurteilten Straftaten ausmachen, handeln Presse und Fernsehen fast nur von ihnen (politisch-publizistischer Verstärkerkreislauf)
Kriminologie –Kriminalstatistik
Hellfeld
(registriert)
Polizeistatistik
Strafverfolgungsstatistik
Strafurteilsstatistik
Vollzugsstatistik
Dunkelfeld
(nicht registriert)
Befragung durch Bevölkerung, Opfer, Täter
Zuschreibungsebene wird erfasst, nicht Handlungsebene
Doppeltes Dunkelfeld
(Spekulation) Weder registriert, noch wahrgenommen, noch mitgeteilt,
Schwarzes Loch!
"Gesetz der konstanten Verhältnisse?"
Opferbefragungen
Befragte Person
Ereignis
Subj. Wahrnehmung
Kriminell?
Memorisierung
Bewältigung
Mitteilung?
Forschende Person
Befragungsmethode / Themen
Auswahl der BefragerIn
Erreicht? (z.B. telefonisch)
Interpretation
Protokoll
Datenerfassung & -bearbeitung
Als Viktimisierungdokumentiert
Kritik an Kriminalitätsstatistiken
Kontrollstatistik (nicht Kriminalität wird registriert, sondern das Registrierungsverhalten)
Input von Anzeigeverhalten und Registrierungsbereitschaft abhängig
Tätigkeitsausweis der registerführenden Instanzen
Statistiken sind immer subjektiv (strukturiert, perspektivisch)
Verzerrungen (Kriminalitätsuhr, Veränderung der Bevölkerung, des Anzeigeverhaltens, des Gesetzes, der kriminalpolitischen Schwerpunkte, der finanziellen, technischen und personellen Ressourcen der Strafverfolgungsorgane etc.)
Rechtsphilosophie
Zentrale Fragen:
Was ist Recht?
Was ist Gerechtigkeit?
Richtiges Strafrecht?
Bekannte Rechtsphilosophen:
Immanuel Kant
Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Gustav Radbruch
Straf-und Massnahmenvollzugsrecht –Überblick
Vollzugder freiheitsentziehenden Strafsanktionen, die als Reaktion auf eine Straftat von einem Strafgericht angeordnet worden sind.
Nicht erfasst:
Ausschaffungshaft, Vorbereitungshaft, Durchsetzungshaft (AuG)
Fürsorgerische Unterbringung (ZGB)
Untersuchungshaft, Sicherheitshaft (StPO)
Polizeigewahrsam (PolG, StPO)
Ebenfalls nicht erfasst, da nicht freiheitsentziehend:
Geldstrafe, Busse, ambulante Massnahmen
Aber: Die Anordnungs-und Aufhebungsvoraussetzungen sowie die Bemessungsfaktoren betreffend Umfang bzw. Dauer der Strafsanktion gehören zum materiellen Strafrecht und finden sich in den Art. 34 bis 73 StGB.
Formelles Strafrecht
Gerichtsorganisation
Strafprozessrecht
Formelles Strafrecht –Gerichtsorganisation
Kantonal geregelt
Gesetz über die Gerichts-und Behördenorganisation im Zivil-und Strafprozess (GOG) vom 10. Mai 2010
Bundesgesetz über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) vom 19. März 2010
Formelles Strafrecht –Strafprozessordnung
Strafprozessrecht:
Das Strafverfahrensrecht bestimmt die Regeln,
nach denen die Strafbarkeit eines konkreten
Verhaltens ermittelt wird (insbes. kontradikto-
rischesVerfahren).
01.01.2011: Eidgenössische Strafprozessordnung
Das materielle Strafrechtgibt hingegen die Regeln
vor, nach denen entschieden wird, ob und ggf. wie
zu bestrafen ist.
Diverse Prinzipien im Strafprozessrecht, insbes.:
Unschuldsvermutung
Anklagegrundsatz
Unmittelbarkeitsprinzip
Öffentlichkeitsprinzip
Legalitätsprinzip
kontradiktorisch
widersprechend, etw., sich gegenseitig aufhebend
Beispiele:
kontradiktorische Aussagen
Jura: ein kontradiktorisches (= streitiges) Urteil
Eidgenössische Strafprozessordnung vom 01.01.2011 (StPO)
1. Titel: Grundsätze
2. Titel: Strafbehörden
3. Titel: Parteien
4. Titel: Beweismittel
5. Titel: Zwangsmassnahmen
6. Titel: Vorverfahren
7. Titel: Erstinstanzliches Hauptverfahren
8. Titel: Besondere Verfahren
9. Titel: Rechtsmittel
10. Titel: Verfahrenskosten
11. Titel: Rechtskraft/Vollstreckung
12. Titel: Schlussbestimmungen
Inhalt des StGB
Materielles Strafrecht: Allgemeiner Teil, Besonderer Teil
1. Buch: Allgemeine Bestimmungen
1. Teil –Verbrechen und Vergehen
Geltungsbereich
Strafbarkeit
Strafen und Massnahmen
Vollzug von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Massnahmen
Bewährungshilfe, Weisungen und freiwillige soziale Betreuung
Verjährung
Verantwortlichkeit des Unternehmens
2. Teil –Übertretungen (Art. 103-109 StGB)
3. Teil –Begriffe (Art. 110 StGB)
2. Buch: Besondere Bestimmungen
Enthält Straftatbestände, die jeweils für ein durch besondere Merkmale bestimmtes Verhalten Sanktionen androhen.
3. Buch: Einführung und Anwendung des Gesetzes
Materielles Strafrecht =
Recht der mit Strafe bedrohten1Verhaltensweisen und
Gesamtheit jener Regelungen, welche die Voraussetzungen der Strafbarkeit2festlegen und für bestimmte Verhaltensweisen strafrechtliche Sanktionen3vorsehen,
um Rechtsgüter zu schützenund das friedliche menschliche Zusammenleben4zu sichern.
1) mit Strafe bedrohte Verhaltensweisen
Verhalten mit besonderer Sozialschädlichkeit:
̶Vertragsbruch?
̶Diebstahl?
̶Konkurs?
̶Betäubungsmittel?
̶Schwarzfahren?
andere Mittel der Sozialkontrolle zur wirksamen Bekämpfung nicht ausreichend (ultima ratio)
̶Verhältnismässigkeitsprinzip
̶innerhalb der Rechtsordnung: Zivilrecht, Verwaltungsrecht,...
̶innerhalb des Strafrechts: abgestuftes Sanktionensystem (Übertretungen / Vergehen / Verbrechen)
2) Voraussetzungen der Strafbarkeit
Voraussetzungen der Strafbarkeit, Rechtsfolge / Sanktion
3) strafrechtliche Sanktionen
Freiheitsstrafe
Geldstrafe
(gemeinnützige Arbeit -> seit 2018 keine eigenständige Strafe mehr; nur noch Vollzugsform)
Busse (für Übertretungen)
Busse gegen Unternehmen
Massnahmen
4) Rechtsgüterschutz und friedliches menschliches Zusammenleben
Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung des Rechtsfriedens/ Prävention
Rechtsgüter = individuelle oder allgemeine Werte bzw. Interessen, die für das friedliche menschliche Zusammenleben bedeutsam sind.
Vgl. den "Rechtsgüterkatalog" des StGB (Delikte), z.B.:
̶Leib und Leben
̶Vermögen, Eigentum
̶Ehre
̶Freiheit
̶Umwelt
̶Rechtspflege
̶…
Legitimation des Strafrechts
Prävention?
Repression?
Restoration (Wiederherstellung der Gerechtigkeit; Wiedergutmachung gegenüber dem Opfer)?
Ausgangspunkt jeder Strafe ist eine schuldhafte Verletzung der strafrechtlichen Ordnung (sog. Schuldprinzip).
Legitimation des Strafrechts bzw. der Strafe durch Straftheorien
Absolute Straftheorie
̶Vergeltung
̶Gerechter Schuldausgleich
Relative Straftheorie
̶Prävention
̶Schutz der Gesellschaft
(beides: Vereinigungstheorie)
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