Strafrecht erste Prüfung (1. bis 6. Teil)
Strafrecht erste Prüfung (1. bis 6. Teil)
Strafrecht erste Prüfung (1. bis 6. Teil)
Set of flashcards Details
Flashcards | 163 |
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Language | Deutsch |
Category | Law |
Level | University |
Created / Updated | 28.02.2021 / 14.03.2021 |
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Mittäterschaft – gemeinsame Tatausführung
Zeichnet sich typischerweise durch arbeitsteiliges Vorgehen aus Es genügen Beiträge, welche objektiv bloss der Planung und Vorbereitung der Tat dienen, sofern die Tatausführung vom gemeinsamen Entschluss beherrscht wird Faustregel: Ein Weniger bei der Tatausführung muss durch ein Mehr bei der Planung ausgeglichen werden Die funktionale Tatherrschaft des einzelnen Mittäters ist zu bejahen, wenn mit ihm die Tat steht oder fällt (BGE 130 IV 58 E. 9.2.1) Tatbeiträge im Vorstadium des Delikts, d.h. reine Vorbereitungshandlungen, erfüllen diese Voraussetzung nur, wenn sie im Ausführungsstadium eine unerlässliche Voraussetzung für die Verwirklichung des angestrebten Erfolges bilden Abgrenzung zur Gehilfenschaft: Untergeordneter Tatbeitrag im Vergleich zum Tatbeitrag des Mittäters
Mittäterschaft – Rechtsfolgen
Dem Mittäter werden grundsätzlich die Tathandlungen aller Beteiligten angelastet, sofern sie von ihm ausdrücklich oder konkludent gewollt oder zumindest eventualvorsätzlich gebilligt wurden Strafzumessungsrelevante Abstufungen können sich gestützt auf Art. 27 StGB ergeben sowie selbstverständlich auch auf der Ebene der Schuld Jeder Mittäter ist nach seiner individuellen Schuld zu bemessen (Art. 47 StGB)
Mittelbare Täterschaft
Liegt vor, wenn der Täter die Tat begeht, indem er die Tat von einem nicht freiverantwortlichen Tatmittler („Werkzeug“) unmittelbar ausführen lässt Die Tatherrschaft kommt dem mittelbaren Täter wegen seiner Wissensund/oder Willensherrschaft über sein „Werkzeug“ zu Abgrenzung zur Anstiftung: Die unmittelbar handelnde Person hat bei der mittelbaren Täterschaft aufgrund eines sog. Defekts keine Tatherrschaft Vorausgesetzt sind: 1. Das Delikt wird von einem unmittelbar handelnden Tatmittler verwirklicht 2. Der Tatmittler handelt dabei nicht eigenverantwortlich (Defizit des Tatmittlers)
Mittelbare Täterschaft – Defekte
Der Tatmittler handelt ohne Vorsatz: Dies wäre der Fall, wenn er vom mittelbaren Täter zur Tatbegehung veranlasst wurde, aber den wahren Sachverhalt gar nicht kennt. So bspw., wenn A den Passanten B bittet, ihm beim Einladen eines Koffers in ein Auto zu helfen, wobei A weiss, dass der Koffer in Wahrheit C gehört, B davon aber keine Kenntnis hat
Das Verhalten des Tatmittlers ist durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt: Denkbar wäre etwa, dass der mittelbare Täter den Tatmittler absichtlich in eine Notwehrsituation bringt
Der Tatmittler handelt schuldlos: Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn der Tatmittler eine psychisch kranke Person wäre, welcher die zur Schuldfähigkeit gehörende Bestimmungsfähigkeit fehlt, oder wenn der mittelbare Täter strafunmündige Kinder (Tatmittler) auf eine Diebestour schickt
Tatmittler als Opfer: Der mittelbare Täter bringt den Tatmittler dazu, sich selbstschädigend zu verhalten X überredet beispielsweise den Y, eine morsche Hängebrücke zu überqueren, indem er ihm vorspiegelt, sie sei sicher. Die Brücke stürzt unter Y ein und Y fällt zu Tode
Umstritten ist, ob mittelbare Täterschaft auch bei einem voll verantwortlich handelnden Tatmittler in Frage kommt, wenn dieser in einem organisatorischen Machtapparat austauschbar ist Beispiel: Das im Auftrag des Paten G handelnde Mafiamitglied M ist unmittelbarer und vollverantwortlicher Täter des Mordes an X. Ist der Pate G nur als Anstifter nach Art. 24 StGB zu bestrafen oder muss er kraft seines organisatorischen Machtapparates als mittelbarer Täter gelten?
Mittelbare Täterschaft – Rechtsfolgen
Der mittelbare Täter wird grundsätzlich so bestraft, wie wenn er die Tat selber ausgeführt hätte Uneinig sind sich Lehre und Rechtsprechung dagegen über die Strafandrohung des Tatmittlers: Das Bundesgericht geht davon aus, dass eine mittelbare Täterschaft nur vorliegen kann, wenn der Tatmittler das Delikt in „strafloser“ Weise verübt Die h.L. bejaht eine mittelbare Täterschaft auch in Fällen, bei denen der Tatmittler fahrlässig und damit ebenfalls strafbar handelt
Nebentäterschaft
Keine eigenstände Beteiligungsform, sondern lediglich eine Bezeichnung für den Fall, dass ein Delikt von mehreren unabhängig voneinander handelnden Alleintätern verwirklicht wird Im Unterschied zur Mittäterschaft wird der Nebentäter mangels eines gemeinsamen Entschlusses als Alleintäter qualifiziert Dem Nebentäter werden ausschliesslich die eigenen Tathandlungen angelastet Im Ergebnis stellt die Nebentäterschaft somit grundsätzlich nichts anderes als eine mehrfache Alleintäterschaft dar
Formen der Teilnahme - Anstiftung und die Gehilfenschaft
Die Anstiftung und die Gehilfenschaft grenzen sich gegenüber den Formen der Täterschaft dadurch ab, dass der Teilnehmer das Delikt nicht selbst begeht, mithin nicht Täter ist Art. 24 und 25 StGB stellen deshalb eine Erweiterung der Strafbarkeit auf Verhaltensweisen dar, welche sonst straflos blieben Der Grund für die Bestrafung von Anstiftern und Gehilfen liegt im Unrechtsgehalt der Tat, zu welcher sie beitragen → Art. 24 und 25 StGB verbieten, einen anderen zu einer Rechtsverletzung zu veranlassen oder ihn dabei zu unterstützen Sog. akzessorische Strafbarkeit
Die Schuld des Haupttäters wird nicht verlangt → limitierte Akzessorietät Weiss der Tatbeteiligte, dass der andere die Tat schuldlos begeht, so liegt allenfalls mittelbare Täterschaft vor Die Haupttat muss zumindest das Stadium des Versuchs erreichen, sofern der Versuch unter Strafe steht Aber: Art. 24 Abs. 2 StGB – eine versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen ist strafbar Die versuchte Gehilfenschaft bleibt in jedem Fall straflos die Haupttat darf im Zeitpunkt der Teilnahme noch nicht beendet sein nach Beendigung allenfalls Hehlerei (Art. 160 StGB); Begünstigung (Art. 305 StGB); Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) Die Haupttat ist immer vor einer allfälligen Teilnahme zu prüfen
Anstiftung
Anstiftung liegt vor, wenn eine Person eine andere durch Hervorrufen eines Tatentschlusses vorsätzlich zur Begehung einer Straftat bestimmt In Ergänzung zu Art. 24 ist gem. Art. 104 StGB auch die Anstiftung zu einer Übertretung strafbar Limitierte Akzessorietät: Tatbestandsmässige und rechtswidrige Haupttat Eine schuldhafte Begehung ist nicht erforderlich
Anstiftung – Strafbarkeitsvoraussetzungen
Objektiv Die Haupttat muss ein Verbrechen oder Vergehen sein Die Haupttat muss tatbestandsmässig und rechtswidrig sein Die Haupttat muss mindestens das Versuchsstadium erreicht haben Der Anstifter muss den Täter zur Haupttat bewegt haben Verhalten des Anstifters muss kausal gewesen sein für die Begehung der Haupttat nicht möglich, wenn der Täter das konkrete Delikt ohnehin begehen will (sog. omnimodo facturus) eine Anstiftung ist aber möglich, wenn der Täter bloss tatgeneigt ist Subjektiv Doppelter Anstiftervorsatz: Vorsatz hinsichtlich der Anstiftung und Vorsatz hinsichtlich der Haupttat Ein Exzess des Angestifteten ist dem Anstifter nicht zuzurechne
Anstiftung – Versuchsproblematik
Versucht der Anstifter vergeblich, jemanden zur Begehung eines Verbrechens zu bestimmen, so kommt die versuchte Anstiftung nach Art. 24 Abs. 2 StGB in Betracht Hat der Anstifter den Haupttäter erfolgreich angestiftet, kommt dieser aber nicht über das Versuchsstadium hinaus, so macht sich der Anstifter der Anstiftung zum versuchten Delikt strafbar Bestrafung gemäss Art. 24 Abs. 1 StGB Erreicht der Haupttäter nicht einmal das Versuchsstadium, so kommt wiederum die versuchte Anstiftung in Betracht, falls zu einem Verbrechen angestiftet wurde
Anstiftung – Umstimmung des Haupttäters
Abstiftung Beispiel: Der Haupttäter X ist zu einem Raub (Art. 140 StGB) entschlossen, wird aber vom Anstifter Y zu einem blossen Diebstahl (Art. 139 StGB) umgestimmt Keine Anstiftung zum Raub, da der Täter diesen ohnehin begehen wollte Keine zurechenbare Anstiftung zum Diebstahl, aufgrund der Risikoverringerung
Aufstiftung Beispiel: Der Haupttäter X ist zu einem Diebstahl entschlossen, wird aber vom Anstifter Y zu einem Raub umgestimmt Keine Anstiftung zum Diebstahl, da der Täter diesen ohnehin begehen wollte Anstiftung zu Raub oder bloss Nötigung (Art. 181 StGB)?
Anstiftung – Rechtsfolgen/Abgrenzung
Der Anstifter unterliegt grundsätzlich derselben Strafandrohung wie der Haupttäter (Art. 24 Abs. 1 StGB) selbst dann, wenn die Tat etwa im Versuch stecken bleibt die fakultative Strafmilderung nach Art. 22 Abs. 1 StGB kommt dem Anstifter in diesem Fall ebenso zugute Die versuchte Anstiftung ist nach Art. 24 Abs. 2 StGB nur strafbar, wenn es sich bei der Haupttat um ein Verbrechen handelt Abgrenzung zur Mittäterschaft Der Anstifter leistet im Gegensatz zum Mittäter keinen Beitrag an die Haupttat → weckt ausschliesslich den Tatentschluss Als wesentliches Unterscheidungskriterium ist stets zu prüfen, ob ein gemeinsamer Tatentschluss vorliegt
Gehilfenschaft
Einer anderen Person vorsätzlich bei der Begehung eines vorsätzlichen Verbrechens oder Vergehens Hilfe leisten Gem. Art. 105 Abs. 2 StGB ist auch die Gehilfenschaft zu einer Übertretung strafbar, sofern das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht Der Beitrag des Gehilfen spielt im Gegensatz zu demjenigen des Mittäters eine untergeordnete Rolle Limitierte Akzessorietät: Tatbestandsmässige und rechtswidrige Haupttat Eine schuldhafte Begehung ist nicht erforderlich
Gehilfenschaft – Strafbarkeitsvoraussetzungen
Objektiv Die Haupttat muss ein Verbrechen oder Vergehen sein Die Haupttat muss tatbestandsmässig und rechtswidrig sein Die Haupttat muss mindestens das Versuchsstadium erreicht haben Haupttat muss vorsätzlich begangen werden, sonst allenfalls mittelbare Täterschaft Hilfe zugunsten der Haupttat kann sowohl physischer als auch psychischer (sog. Psychische Gehilfenschaft) Natur sein Hilfe muss die Haupttat kausal fördern (BGE 120 IV 265) Subjektiv Doppelter Gehilfenvorsatz: Vorsatz hinsichtlich der Unterstützung der Tat und Vorsatz hinsichtlich der Haupttat Ein Exzess des Täters ist dem Gehilfen nicht zuzurechnen
Reine Alltagshandlungen (wie bspw. das Verkaufen eines scharfen Messers an einen Mörder) stellen eine Gehilfenschaft dar, wenn diese ein über das zulässige Mass hinausgehendes unerlaubtes Risiko schaffen oder wenn sie unter den gegebenen Umständen nur den Sinn haben können, dass sie zur Begehung eines Delikts beitragen
Gehilfenschaft – Rechtsfolgen
Die Strafe des Gehilfen richtet sich grundsätzlich nach der für den Täter geltenden Strafdrohung Das Gericht muss die Strafe des Gehilfen gemäss Art. 48a StGB mildern Begeht der Täter bloss einen Versuch, so kann die Strafe überdies nach Art. 22 Abs. 1 StGB gemildert werden Die versuchte Gehilfenschaft bleibt in jedem Fall straflos Ein blosser Versuch liegt vor, wenn die Haupttat entweder gar nicht verübt wurde, der Beitrag des Gehilfen für die Förderung der vollendeten Tat nicht kausal war, oder der Haupttäter ein anderes Delikt verübte, als der Gehilfe ursprünglich anstrebte.
Teilnahme am Sonderdelikt
Dem Anstifter oder Gehilfen, den keine Sonderpflicht trifft (Extraneus), ist die Sonderstellung des Täters (Intraneus) zuzurechnen Er unterliegt der Strafdrohung des Sonderdelikts Dem Umstand, dass ihm diese Sonderpflicht grundsätzlich nicht zukommen würde, ist mit einer Strafmilderung gemäss Art. 48a StGB Rechnung zu tragen Keine Anwendung auf Mittäter. Wer sich allerdings wie ein Mittäter an einem Sonderdelikt beteiligt, kann unter Umständen als Gehilfe strafbar sein
(Wird die Strafbarkeit durch eine besondere Pflicht des Täters begründet oder erhöht, so wird der Teilnehmer, dem diese Pflicht nicht obliegt, milder bestraft.)
Persönliche Verhältnisse
Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen.
Abwandlungen des normalen Strafrahmens sollen nur denjenigen Beteiligten belasten oder entlasten, dessen eigenes Verschulden dies verdient Bspe.: Schuldunfähigkeit; Verbotsirrtum; Rücktritt; Täterkomponente (Strafzumessung) Unrechtsmerkmale, die der Haupttäter aufweist, sind dem Beteiligten ohne weiteres zuzurechnen, sofern sie von dessen Vorsatz umfasst sind Bsp.: Lebensgefahr als Qualifikation des Raubes (Art. 140 Ziff. 4 StGB). Weiss und will der Gehilfe, dass der Haupttäter das Opfer in Lebensgefahr bringt, so ist er wegen Gehilfenschaft zu qualifiziertem Raub zu bestrafen. Weiss er hingegen nichts davon, so ist er wegen Gehilfenschaft zum Raub gemäss Art. 140 Ziff. 1 StGB zu bestrafen Bei besonderen subjektiven Unrechtsmerkmalen nicht anwendbar Bsp.: Bereicherungsabsicht beim Betrug (Art. 146 StGB)
Gesetzliche Bestimmung Sachverhaltsirrtum
1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
2 Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist.
Gemäss Art. 13 Abs. 1 StGB beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat Bedingung gemäss Gesetzestext ist, dass der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt handelte Die irrige Vorstellung über den Sachverhalt tritt in zwei Haupterscheinungsformen auf: Tatbestandsirrtum (mit verschiedenen Unterarten) Erlaubnistatbestandsirrtum (irrige Annahme einer rechtfertigenden Sachlage)
Tatbestandsirrtum (Teil des Sachverhaltsirrtums)
Täter unterliegt in Bezug auf den objektiven Tatbestand einem Irrtum Der objektive Tatbestand ist zwar vollständig erfüllt, der Täter verkennt aber im Moment des Handelns das Vorliegen der objektiven Tatbestandsmerkmale Konsequenz: der Vorsatz entfällt Der Tatbestandsirrtum kann sich auf jegliche Elemente der Wissensseite beziehen, d.h. sowohl auf tatsächliche (wie bspw. das Tatobjekt oder die Tatumstände) als auch auf rechtliche Elemente des Tatbestandes Beispiel: Wer irrtümlicherweise annimmt, der Armani-Mantel, den er an der Garderobe behändigt, sei sein eigener, hat keinen Vorsatz bezüglich des Tatbestandselementes „fremd“
Gilt auch in Bezug auf Vorstellungen, die eine Strafbarkeit zwar nicht begründen, wohl aber erhöhen Beispiel: Geht der Täter irrig davon aus, die entwendete Sache sei von sehr geringem Wert, so findet nur der dem Vorsatz entsprechende leichtere Tatbestand nach Art. 172 ter StGB Anwendung Zwischenfazit: Entspricht die Vorstellung des Täters keiner Straftat, ist er freizusprechen Entspricht sie einem mit geringerer Strafe bedrohten Tatbestand, ist der Täter nach diesem Tatbestand zu bestrafen
Tatbestandsirrtum = Vorsatzmangel
Art. 13 Abs. 2 StGB: bei pflichtgemässer Vorsicht Irrtum vermeidbar?
nein:
Beurteilung nach vorgestelltem Sachverhalt (straflos oder strafbar nach vorgestelltem Sachverhalt), Art. 13 Abs. 1 StGB
ja:
Als Fahrlässigkeitsdelikt strafbar, wenn Gesetz die fahrlässige Begehung des Delikts vorsieht Strafbarkeit der Fahrlässigkeit vorsieht Art. 13 Abs. 2 StGB
Umgekehrter Tatbestandsirrtum
Der Täter irrt über unrechtsbegründende oder -erhöhende Umstände Die objektiven Tatbestandsmerkmale werden nicht erfüllt Der Täter glaubt aber, dass sein Verhalten strafbar sei, d.h. einen Straftatbestand erfüllt Beispiel: Der Täter geht irrig davon aus, dass der Konsum von Kamillentee zu einem Schwangerschaftsabbruch führt. Er serviert in diesem Glauben seiner schwangeren Freundin einen heissen Kamillentee. Die Tat ist diesfalls gem. Art. 13 Abs. 1 StGB nur zu Gunsten (und nicht zu Lasten) des Täters nach dem Sachverhalt zu beurteilen, den sich der Täter vorgestellt hat (Art. 13 Abs. 1 StGB) Regeln des Versuchs (Art. 22 StGB) gelangen zur Anwendung: Die irrige Annahme, eine in Wahrheit straflose Handlung sei verboten, begründet keinen Versuch i.S.v. Art. 22 Abs. 1 StGB Sie stellt einen (evtl. straflosen) untauglichen Versuch gemäss Art. 22 Abs. 2 StGB dar
Irrtum über den Kausalverlauf
Zum objektiven Tatbestand von Erfolgsdelikten gehört auch die Kausalbeziehung zwischen Handlung und Erfolg Der Vorsatz muss daher auch die Kausalität erfassen Die Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf kann über die objektive Zurechnung gelöst werden: Ist die Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf wesentlich?
Error in persona vel objecto
Irrtum über die Identität des Tatobjekts Der Erfolg tritt zwar am Objekt ein, an welchem er beabsichtigt war, der Täter hat das Objekt jedoch verwechselt Soweit die Objekte gleichwertig sind (bspw. beides Menschen), ist der Identitätsirrtum unerheblich (Motivirrtum) → vollendetes Vorsatzdelikt Bei Ungleichwertigkeit des tatsächlich getroffenen und des vorgestellten Objekts: Versuch in Bezug auf das vorgestellte Objekt Fahrlässigkeit in Bezug auf das tatsächlich getroffene Objekt
Error in persona vel objecto
Aberratio ictus
Kein Irrtumsfall! Der Täter hat sich nicht geirrt, sondern er hat einfach nicht «sauber» gearbeitet… Der Erfolg tritt nicht bei dem Objekt ein, auf das sich der Vorsatz des Täters bezieht, sondern bei einem anderen Hinsichtlich des avisierten Objekts → Versuch Hinsichtlich des tatsächlich getroffenen Objekts → Fahrlässigkeit, sofern strafbar Gleichwertigkeit der Rechtsgüter somit (im Gegensatz zum error in persona vel objecto) irrelevant
Aberratio ictus
Erlaubnistatbestandsirrtum
Der Täter verhält sich tatbestandsmässig, glaubt jedoch, sein Verhalten sei gerechtfertigt, weil er eine falsche Sachlage annimmt, welche, wenn sie tatsächlich bestünde, einen Rechtfertigungsgrund darstellte Der Irrtum bezieht sich auf die faktischen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds Auch Erlaubnistatbestandsirrtum oder Putativrechtfertigung genannt Beispiele: Die Ehefrau sticht dem zu später Stunde heimkehrenden Ehemann im Dunkeln mit einem Küchenmesser in den Bauch, weil sie glaubt, es handle sich um einen Einbrecher (Irrtum über Notwehrlage, sog. Putativnotwehr) Eine Frau meint fälschlicherweise, nicht ihr Kind, sondern ein anderes Kind verletze sich gleich an einer heissen Herdplatte, und sie verhindert es nicht (Irrtum über Garantenstellung) Liegt der Irrtum vor, so betrifft er nicht die Rechtswidrigkeit, sondern den Vorsatz → Tatbestandsirrtum gem. Art. 13 StGB, wenn vermeidbar, evtl. fahrlässige Deliktsbegehung.
Verbotsirrtum - Allgemeines
Bis Ende des 19. Jahrhunderts galt der Grundsatz „ignorantia iuris nocet“ («Unkenntnis schützt vor Strafe nicht») → Irrtum über die Rechts-widrigkeit eines Verhaltens war stets unbeachtlich Heute: zunehmende Überschreitung kultureller und nationaler Grenzen sowie insbesondere im (Neben-)Strafrecht stetig zunehmende Verbote und Gebote → kann nicht mehr von allen erwartet werden, das gesamte Recht zu kennen
Art. 21 StGB statuiert, dass nicht schuldhaft handelt, wer nicht weiss oder nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält Der Täter irrt beim Verbotsirrtum über die Widerrechtlichkeit seiner Tat. Der Täter weiss somit um die Erfüllung sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale, er handelt mithin vorsätzlich. Aber er verkennt die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens; er meint, es sei erlaubt, was er tut Irrt der Täter über das Vorliegen von Tatbestandsmerkmalen, liegt ein Sachverhaltsirrtum nach Art. 13 StGB vor Strafbar ist nur der vermeidbare Verbotsirrtum, da es ansonsten am potentiellen Unrechtsbewusstsein fehlt. Unkenntnis schützt also vor Strafe, sofern die Unkenntnis nicht vorwerfbar bzw. vermeidbar ist zwei Haupterscheinungsformen: Direkter und indirekter Verbotsirrtum (vgl. nachfolgende Folien)
Art. 21 Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe.
Direkter Verbotsirrtum
Der Täter kommt nicht auf den Gedanken, dass sein Verhalten rechtswidrig sein könnte, oder hält es allgemein für erlaubt → beschränkt sich hauptsächlich auf den Fall, dass sich ein Täter aufgrund seiner Herkunft an einem fremden Kulturkreis orientiert, in welchem sein Verhalten nicht unter Strafe steht (bspw. BGE 104 IV 217) Spezialfall, welcher nicht unter Art. 21 StGB zu subsumieren ist: sog. umgekehrter (direkter) Verbotsirrtum. Dieser liegt vor, wenn der Täter irrig davon ausgeht, eine in Wahrheit nicht existierende Norm verbiete sein Verhalten. Es handelt sich um ein strafloses Wahndelikt. Der direkte Verbotsirrtum kann sich beziehen auf: Existenz einer Verbotsnorm: X weiss nicht, dass eine Bestimmung existiert, die das Pflücken von Edelweiss verbietet. Reichweite einer Verbotsnorm: X weiss zwar, dass eine Sachbeschädigung strafbar ist, er weiss aber nicht, dass die Strafnorm auch bei Tieren Anwendung findet
Indirekter Verbotsirrtum
Der Täter weiss um den Widerspruch seines Verhaltens zur Rechtsordnung, geht jedoch irrigerweise davon aus, dass er durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt sei, den es in Wirklichkeit gar nicht oder zumindest nicht in dem von ihm angenommenen Umfang gibt kommt häufiger vor als der direkte Verbotsirrtum Bsp. Eine Mutter nimmt an, das elterliche Züchtigungsrecht gestatte es ihr, ihr Kind zu misshandeln Bsp. Ein Polizist geht davon aus, er dürfe zur Verhinderung der Flucht eines Verdächtigen diesem mit schussbereiter Waffe drohen, obwohl der Verdächtige noch gar keine Anstalten zur Flucht gemacht hat Spezialfall, welcher nicht unter Art. 21 StGB zu subsumieren ist: sog. umgekehrter indirekter Verbotsirrtum. Dieser liegt vor, wenn ein Täter irrig davon ausgeht, sein Verhalten sei nicht von einem (in Tat und Wahrheit aber anwendbaren) Rechtfertigungsgrund gedeckt → strafloses Wahndelikt. X meint, er dürfe sich gegen jemanden, der ihn mit dem Messer angreift, nur mit Fäusten wehren; X wehrt sich dann aber mit einem Messer und verletzt den Angreifer
Rechtsfolgen
1. Aktuelles Unrechtsbewusstsein vorhanden? Ja = strafbar (Schuldvorwurf bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen) Nein = Verbotsirrtum prüfen 2. Verbotsirrtum vermeidbar? Ja, weil potenzielles Unrechtsbewusstsein vorhanden = strafbar Nein, weil kein potenzielles Unrechtsbewusstsein vorhanden = straflos (aber evtl. schuldunabhängige Massnahme möglich) Fazit: Im direkten Vergleich ist der Tatbestandsirrtum verzeihlicher als der Verbotsirrtum. Denn beim Verbotsirrtum hat der Täter stets alle zumutbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Rechtmässigkeit seines Handelns zu prüfen.
Überblick über die Irrtümer
Tatbestandsirrtum
Direkter: Unkenntnis tatbestandlich relevanter Umstände Art. 13 StGB
Indirekter: Irrige Annahme einer rechtfertigenden Sachlage (Erlaubnistatbestandsirrtum) Art. 13 StGB
Umgekehrter: Irrige Annahme tatbestandlich relevanter Umständen untauglicher Versuch
Verbotsirrtum
Direkter: Unkenntnis des Vorliegens oder der Reichweite einer Verbotsnorm Art. 21 StGB
Indirekter: Irrige Annahme über die Existenz oder Tragweite eines Rechtfertigungsgrundes Art. 21 StGB
Umgekehrter: Irrige Annahme des Vorliegens oder der Reichweite einer Verbotsnorm strafloses Wahndelikt
Allgemeines Vorbereitung und Versuch
Beispielhafter Ablauf einer vorsätzlichen Straftat: 1. Rechtsfeindliche Gesinnung / Gedanken des Täters 2. Entwicklung eines Tatplans 3. Verdichtung zum Tatentschluss oder zur Inkaufnahme 4. Übergang in (allenfalls, sofern im Gesetz vorgesehen, strafbare) Vorbereitungshandlungen (falls solche überhaupt möglich und notwendig sind) 5. (weitere) Handlungen oder Unterlassungen → Überschreitung der Schwelle zum Versuch 6. Vom Versuch weiter zur endgültigen Realisierung, bis das Delikt vollendet und schliesslich beendet ist Für den Gedanken und den Entschluss, eine Straftat zu verwirklichen, sowie die innere Planung kann niemand zur Rechenschaft gezogen werden, falls sich diese nicht in konkreten Schritten manifestieren (Ziff. 1-3) Problematischer jedoch ab den Vorbereitungshandlungen (Ziff. 4 ff.)
Vorbereitungshandlungen für bestimmte Delikte stehen unter Strafe: Bspw. Art. 260 bis StGB, der Vorbereitungshandlungen kriminalisiert, wenn eine Person bspw. planmässig konkrete technische oder organisatorische Vorkehrungen für Delikte wie Mord, Geiselnahme, Raub oder Brandstiftung trifft. Auch Art. 226 ter StGB pönalisiert solche Handlungen im Bereich der Kernenergie oder ionisierenden Strahlen Ist das Stadium des Versuchs erreicht, endet die Straflosigkeit oder die bloss punktuelle Strafbarkeit (in Form von Vorbereitungshandlungen) Art. 22 StGB stellt den Versuch von Vergehen oder Verbrechen (und auch von strafbaren Vorbereitungshandlungen) grundsätzlich unter Strafe Gemäss Art. 105 Abs. 2 StGB ist der Versuch auch für Übertretungen strafbar, aber nur dann, wenn das Gesetz dies ausdrücklich festlegt Vollendet ist eine Straftat, wenn deren objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind. Diesfalls ist der Versuch nicht mehr möglich Möglichkeit, während oder nach der Tatbegehung auf seinen Tatentschluss und die Realisierung der Tat zurückzukommen: Rücktritt oder tätiger Reue (Art. 23 StGB)
Strafbarkeit des Versuchs – Aufbau des Versuchs
Vorprüfung
Keine Vollendung der Tat Strafbarkeit des Versuchs (immer bei Verbrechen und Vergehen, ausnahmsweise bei Übertretungen
Subjektiver Tatbestand
Tatentschluss Vorsatz in Bezug auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale subjektive Unrechtsmerkmale
Objektiver Tatbestand
objektiver Tatbestand nicht erfüllt Beginn der Ausführungshandlungen bzw. der Unterlassung; Abgrenzung zur (i.d.R.) straflosen Vorbereitungshandlung (Schwellentheorie, point of no return) Tauglichkeit des Versuchs (bei Untauglichkeit: Art. 22 Abs. 2 StGB) objektive Strafbarkeitsbedingungen
Rechtswidrigkeit
Vorliegen eines allfälligen Rechtsfertigungsgrundes (objektive und subjektive Elemente), bspw.: (mutmassliche) Einwilligung rechtfertigender Notstand (Art. 17 StGB) rechtfertigende Notwehr (Art. 15 StGB)
Schuld
Schuldfähigkeit (Art. 19 StGB) Unrechtsbewusstsein (kein Verbotsirrtum, Art. 21 StGB) Vorliegen von Schuldausschliessungsgründe, bspw.: entschuldbarer Notstand (Art. 18 StGB) entschuldbare Notwehr (Art. 16 StGB)
Rücktritt
Täter hat noch nicht alle nach seinem Tatplan nötigen Handlungen ausgeführt Erfolg bleibt aus, wobei der Täter aber überzeugt sein muss, dass er die Tat vollenden könnte Endgültigkeit der Aufgabe des Tatentschlusses Freiwilligkeit
Tätige Reue
Der Täter hat alle nach seinem Tatplan erforderlichen Handlungen ausgeführt Abwendung des Erfolgs Freiwilligkeit
Strafbarkeit des Versuchs – Definition
Der Versuch ist durch eine nicht vollständige Erfüllung des objektiven und einer vollständigen Erfüllung des subjektiven Tatbestandes (inkl. Absichten und Beweggründe) gekennzeichnet Die Versuchsstrafbarkeit setzt eine Betätigung des Tatentschlusses durch Handlungen voraus, welche unmittelbar zur Verwirklichung eines Tatbestandes ansetzen Der Täter muss mit der Ausführung der Tat mindestens begonnen haben
(Eventual-) Vorsatz und Realisierungswille müssen auf einen Sachverhalt, welcher die Tatbestandsmerkmale erfüllt, ausgerichtet sein. Ein fahrlässiger Versuch ist nicht möglich / vorstellbar! Der blosse Tatentschluss und die rein gedankliche Planung eines Delikts (ohne Manifestation durch Beginn der Tatausführung) ist straflos Kein Tatentschluss liegt ohnehin vor bei: blosser Tatgeneigtheit oder bei einem sog. bedingten Handlungswille der Täter behält sich dabei die Fassung des Entschlusses zur Begehung des Delikts vor bzw. macht sie vom Eintritt einer Bedingung abhängig („wenn das Wetter heute schön wird, dann…“)
Strafbarkeit des Versuchs – konkretes Vorgehen
Zu prüfen sind: 1. Tatentschluss (subjektive Tatbestandsmässigkeit) Die subjektive Tatbestandsmässigkeit (Tatentschluss) ist vor den objektiven Elementen zu prüfen 2. Beginn der Ausführungshandlung (objektive Elemente) Der Beginn der Ausführungshandlung dient der Abgrenzung zur nur ausnahmsweise strafbaren Vorbereitungshandlung, vgl. nachfolgende Folie (point of no return, Schwellentheorie)
Strafbarkeit des Versuchs – Point of no return
Unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung der Tat Schwellentheorie des Bundesgerichts (ständige Praxis):
«Nach der Rechtsprechung gehört zur "Ausführung" der Tat […] jede Tätigkeit, die nach dem Plan, den sich der Täter gemacht hat, auf dem Weg zur Tatbestandsverwirklichung den letzten entscheidenden Schritt darstellt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände, die eine Weiterverfolgung der Absicht erschweren oder verunmöglichen.» BGE 131 IV 104
Der Täter sagt sich: «Hier und jetzt vollbring ich‘s!» → «point of no return» Die Berücksichtigung subjektiver Momente, d.h. der Vorstellung des Täters von der Tat, sind genauso unabdingbar wie die Berücksichtigung objektiver Kriterien für die Entscheidung der Frage, mit welcher Tätigkeit der Täter nach seinem Tatplan bereits zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzte Die Schwelle, ab welcher ein Versuch anzunehmen ist und nicht mehr blosse (i.d.R. straflose) Vorbereitungshandlungen vorliegen, darf der eigentlichen Tatbegehung zeitlich allerdings nicht zu weit vorausgehen Gegebenenfalls muss neben der zeitlichen auch auf eine gewisse räumliche oder funktionale Nähe zur Tatbestandsverwirklichung abgestellt werden
Führt der Täter die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, können folgende Rechtsfolgen des Versuchs eintreten: Strafmilderung nach Art. 48a StGB, wobei das Gericht weder an die angedrohte Mindeststrafe noch an die Strafart gebunden ist (Art. 22 Abs. 1 StGB als KannVorschrift) Straflosigkeit bei untauglichem Versuch (Art. 22 Abs. 2 StGB, vgl. dazu später) Milderung oder Absehen von Strafe bei Rücktritt und tätiger Reue (Art. 23 StGB)
Strafbarkeit des Versuchs – qualifiziertes Delikt
entscheidend, ob sich der Vorsatz auf objektiv erkennbare Qualifikationsmerkmale bezog Bsp. Ist eine versuchte schwere (und nicht nur einfache) Körperverletzung möglich, wenn der Täter mit einer Axt auf das Opfer einschlagen will, das Opfer dem Schlag jedoch noch knapp ausweichen kann Noch kein Versuch des qualifizierten Delikts liegt jedoch vor, wenn erst die Verwirklichung des Grundtatbestands versucht wurde Der Versuch der Begehung einer qualifizierten Tat beginnt erst dann, wenn der Täter zu deren Verwirklichung unmittelbar ansetzt Bsp.: Im Fall des Raubes gemäss Art. 140 Ziff. 4 StGB ist der Versuch erst gegeben, wenn sich der Täter anschickt, das Opfer in unmittelbare Lebensgefahr zu bringen Der Versuch der Begehung eines qualifizierten Delikts liegt erst dann vor, wenn der Täter zur Verwirklichung des qualifizierten Tatbestandes objektiv erkennbar ansetzt, sodass die Schwelle überschritten wird, die das einfache vom qualifizierten Delikt trennt
Untauglicher Versuch
Untauglich ist ein Versuch, wenn die Erfüllung des objektiven Tatbestandes anhand des konkreten Tatplans nicht möglich ist Bsp. X zielt in der Annahme, er halte eine echte Pistole auf Y und drückt ab. In Wahrheit handelte es sich aber um eine Schreckschusspistole Der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg «kann nicht eintreten» (Art. 22 Abs. 1 Variante 3 StGB) Der untaugliche Versuch ist grundsätzlich strafbar. Ausnahme: grober Unverstand gemäss Art. 22 Abs. 2 StGB
Untauglicher Versuch
Grober Unverstand ist anzunehmen, wenn jeder vernünftige Mensch ohne weiteres die Untauglichkeit hätte erkennen können (BGE 70 IV 49 E. 1)
Strafloser Versuch des untauglichen Tatsubjekts Bsp.: C meint, er gelte als Beamter, weil er in den Gebäuden der Polizei als Reinigungskraft arbeitet, und könne sich daher der Amtsgeheimnisverletzung (Art. 320 StGB) strafbar machen, wenn er einem Freund von der Festnahme einer Person erzählt
Strafloser Versuch des untauglichen Tatobjekts Bsp.: versuchte Vergewaltigung einer Schimpansin; Schuss auf ein Skelett, um es zu töten
Strafloser Versuch des untauglichen Tatmittels Bsp.: Kamillentee, der schwangerschaftsabbrechend wirken soll
Strafloses Wahndelikt, bei dem sich der Tatentschluss auf ein objektiv nicht strafbares Verhalten bezieht Bsp.: Z vollzieht sexuelle Handlungen mit einer 17-Jährigen, im Glauben, dies sei strafbar
Beendeter und unbeendeter Versuch
Unbeendet ist ein Versuch, wenn der Täter seiner Vorstellung nach noch nicht alles Notwendige getan hat, um die Verwirklichung des Tatbestandes herbeizuführen
Beendet ist der Versuch, wenn der Täter meint, alles getan zu haben, was gemäss seiner Vorstellung zur Erfüllung des Tatbestands erforderlich war – ohne allerdings den Tatbestand zu erfüllen, ansonsten es kein Versuch mehr wäre
Unterscheidung wichtig, weil der Rücktritt beim beendeten Versuch ein Tätigsein im Sinne einer tätigen Reue verlangt, während der Rücktritt beim unbeendeten Versuch nur die Aufgabe weiterer Tathandlungen erfordert
Rücktritt und tätige Reue Überblick
Art. 23 StGB regelt Konstellationen, bei denen das Delikt nicht aus Zufall oder Unvermögen des Täters nicht vollendet wird, sondern bei denen der Täter dazu beiträgt, dass sich das Unrecht nicht vollends verwirklicht Nur möglich, solange sich das Geschehen noch im Versuchsstadium befindet Die Rücktrittsleistung muss freiwillig sein Aus welchen Gründen spielt nach dem Wortlaut von Art. 23 StGB keine Rolle, kann aber bei der Strafzumessung berücksichtigt werden Der Versuch darf aus Sicht des Täters nicht fehlgeschlagen sein