Staatorganisation Block 2
Verwaltungsrecht
Verwaltungsrecht
Set of flashcards Details
Flashcards | 19 |
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Language | Deutsch |
Category | German |
Level | Primary School |
Created / Updated | 27.02.2021 / 27.02.2021 |
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Übung 1: Die Verwaltungstätigkeit 1. Aufgabe a) Nennen Sie drei Rechtsquellen für das Verwaltungsrecht.
Völkerrecht (Staatsverträge wie EMRK, LugÜ) Bundesverfassung (und Kantonsverfassungen) Gesetze Verordnungen Konkordate (Verträge zwischen den Kantonen) Allgemeine Rechtsgrundsätze Gewohnheitsrecht
b) Beschreiben Sie den Begriff der Verordnung.
Die Verordnung ist eine generell-abstrakte nicht im formellen Gesetzgebungsverfahren erlassene Rechtsregel, welche für eine unbestimmte Vielzahl von Sachverhalten gilt und sich an einen unbestimmten Kreis von Personen richtet. Sie enthält Details zu den gesetzlichen Regelungen.
c) Beschreiben Sie den Begriff der Verfügung.
Eine Verfügung ist ein individueller, an den Einzelnen gerichteter Hoheitsakt, durch den eine konkrete verwaltungsrechtliche Rechtsbeziehung rechtsgestaltend oder feststellend in verbindlicher oder erzwingbarer Weise geregelt wird.
d) Beschreiben Sie die beiden Begriffe „formelle Rechtskraft“ und „materielle Rechtskraft“.
Formelle Rechtskraft: Die Verfügung kann von den Betroffenen nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angefochten werden (Frist für Anfechtung abgelaufen). Materielle Rechtskraft: Die Verfügung ist unabänderbar. Sie kann auch von der Verwaltungsbehörde nicht mehr widerrufen werden.
e) Beschreiben Sie, wie eine (fehlerhafte) Verfügung angefochten werden kann.
Eine Verfügung ist anfechtbar entweder innerhalb der staatlichen Verwaltung oder dann bei Gericht.
Verwaltungsintern:
Beschwerde oder Rekurs, Revisionsgesuch, Aufsichtsbeschwerde/Anzeige, Einsprache, Wiedererwägungsgesuch, Begehren um Erläuterung und Berichtigung von Redaktionsund Rechnungsfehlern
Gericht:
Verwaltungsgerichtsbeschwerde , Revisionsgesuch , Begehren um Erläuterung und Berichtigung von Redaktions- und Rechnungsfehlern
Aufgabe Liegt in den folgenden Fällen eine Verfügung im Sinne des Verwaltungsrechts vor? Begründen Sie Ihre Antwort.
Patientenverfügung:Nein / privatrechtliches einseitiges Rechtsgeschäft
Letztwillige Verfügung : (Testament) Nein / privatrechtliches einseitiges Rechtsgeschäft
Parkbusse Ja
Aufforderung des Gemeindeschreibers an einen Einwohner der Gemeinde, das Gemeindehaus wegen ungebührlichen Verhaltens zu verlassen : Ja
3. Aufgabe Liegt bei folgendem Schreiben eine Verfügung vor? Absender ist ein Betreibungsamt, der Empfänger ist der Betriebene (die Anschriften, die Pfändungsdetails und die Rechtsmittelbelehrung sind unwichtig). Begründen Sie Ihre Antwort.
Anzeige an den Schuldner betreffend Erwerbspfändung (nur Einkommen Schuldner) Von Ihrem monatlichen Nettoeinkommen (Bruttoverdienst abzüglich Gewinnungskosten und Sozialabgaben) werden zugunsten der erwähnten Pfändung gestützt auf Art. 93 SchKG mit sofortiger Wirkung bzw. im Anschluss an die vorgehenden Einkommenspfändungen gepfändet: Ihre das monatliche Existenzminimum von Fr. 1'111.11 übersteigenden Einkünfte, bis zur Deckung der betriebenen Forderungen nebst Zins und Kosten, längstens bis am 23.Oktober 2020. Wir fordern Sie auf, jeden Monat (jeweils bis zum 5. Tag) beim Betreibungsamt zu erscheinen, um über Ihre Einkommensverhältnisse Auskunft zu geben. Belege über Einkünfte und Auslagen sind mitzubringen. Die jeweils durch unser Amt berechnete Pfändungsquote ist uns bis spätestens am 10. Tag jeden Monates abzuliefern. Änderungen in Ihren Einkommensverhältnissen, insbesondere der Antritt einer neuen unselbstständigen und/oder die Aufnahme einer neuen selbstständigen Tätigkeit, sind uns unverzüglich zu melden. Nichtbefolgung dieser Aufforderung wird gemäss Art. 169 StGB (widerrechtliche Verfügung über mit Beschlag belegte Vermögenswerte) und Art. 292 (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen) bestraft. Ausserdem hätten Sie mit der polizeilichen Vorführung zu rechnen. Auszug aus dem Schweizerischen Strafgesetzbuch (SIGB)
Antwort:
Es ist ein individueller, also an den Einzelnen (hier den Schuldner in einer Betreibung) gerichteter Hoheitsakt (gestützt auf SchKG 93), durch den eine konkrete verwaltungsrechtliche Rechtsbeziehung rechtsgestaltend in verbindlicher oder erzwingbarer Weise geregelt wird (Schuldner muss Geld abliefern). Somit liegt eine Verfügung vor.
Übung 2: Grundsätze des Verwaltungsrechts Aufgabe Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen. a) Nennen Sie die Grundsätze des Verwaltungsrechts.
Legalitätsprinzip Grundsatz der Rechtsgleichheit Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen Staatliche Organe beachten das Prinzip der Verhältnismässigkeit Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben
b) Nennen Sie die Rechtsgrundlagen für die Grundsätze des Verwaltungsrechts.
BV 5, 8 und 9.
c) Beschreiben Sie das Legalitätsprinzip.
Staatliches Handeln muss immer eine gesetzliche Grundlage haben. Das ist entweder ein Gesetz oder eine Verordnung (bei weniger schweren Eingriffen in das Leben der Bürger).
c) Beschreiben Sie den Grundsatz der Rechtsgleichheit.
Gleiches ist nach Massgabe seiner Gleichheit gleich, Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln.
d) Beschreiben Sie den Grundsatz von Treu und Glauben im öffentlichen Recht.
Die staatlichen Stellen müssen Rücksicht auf die Bürger nehmen und ihnen gegenüber fair auftreten. Das Vertrauen, das die Bürger in den Staat haben, darf nicht missbraucht werden.
Übung 3: Grundsätze des Verwaltungsverfahrens 1. Aufgabe Hauseigentümer H hat schlechte Erfahrungen mit der Zahlungsbereitschaft seiner bisherigen Mieter gemacht. Er erkundigt sich daher persönlich beim zuständigen Betreibungsamt, ob gegen den Studenten S, welcher bei ihm eine Mansarde mieten möchte, Betreibungen bestehen. Der Betreibungsbeamte beschönigt gegenüber H die Situation, weil er ein guter Freund von S ist. H verlangt über S einen Auszug aus dem Betreibungsregister, was ihm der Betreibungsbeamte verweigert. Hauseigentümer H erhebt gegen die Verweigerung des Einsichtsrechts bei der Aufsichtsbehörde schriftlich Beschwerde gemäss SchKG 17 ff. Leider schildert er darin nur, was am Schalter im Betreibungsamt passiert war. Er schreibt keine Begründung und keinen Antrag. Die Aufsichtsbehörde tritt auf die Beschwerde deshalb einfach nicht ein.
Frage: Welches staatsrechtliche Prinzip ist hier verletzt? Nennen Sie es mit dem Fachbegriff. Beschreiben Sie weiter in 2-3 Sätzen, worin die Verletzung liegt. Geben Sie auch die Rechtsquelle an.
Der Betreibungsbeamte hat eine Rechtsverweigerung begangen. Zu prüfen ist weiter eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Aufsichtsbehörde. BV 29 Abs. 2 Zwar muss eine Beschwerde einen Antrag und eine Begründung enthalten, die gemäss Sachverhalt fehlen. Der Beschwerdeführer hat aber geschildert, was geschehen war. Somit kann man die Beschwerde nicht einfach unbehandelt lassen. Die Aufsichtsbehörde hätte ihm Gelegenheit zur Vervollständigung der Beschwerde geben müssen. Dies ist nicht geschehen und stellt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar.
2. Aufgabe Ein Pfändungsbeamter hat bei einem Schuldner einen Grundbetrag von Fr. 800 eingesetzt. Er war der Ansicht, dass dieser Schuldner faul sei und nicht arbeiten wolle. Des Weiteren sei der Schuldner immer sehr unkooperativ, müsse mehrmals vorgeladen werden, bis ihn sodann meistens die Polizei zuführe. Der Schuldner lebt alleine und hätte normalerweise einen Grundbetrag von Fr. 1‘200 zu Gute. Beurteilen Sie das Vorgehen des Pfändungsbeamten und geben Sie die zutreffende Rechtsquelle an.
Es liegt Willkür und damit ein Verstoss gegen das Legalitätsprinzip vor (Art. 9 BV): Der Entscheid ist offensichtlich unhaltbar. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Die Grundbeträge sind kantonal vorgegeben und müssen in jedem Fall eingehalten werden. Die Gründe des Pfändungsbeamten, welche einen Grundbetrag von Fr. 800 rechtfertigen, sind unhaltbar. Es ist geradezu stossend, den Grundbetrag zu reduzieren. Es liegt eine unzulässige Ungleichbehandlung bzw. Diskriminierung wegen Lebensgestaltung bzw. sozialer Stellung vor (Art. 8 Abs. 2 BV).
3. Aufgabe Die Polizei holt einen Schuldner am Samstagmorgen um 4 Uhr aus der Wohnung, führt ihn auf das Polizeirevier, stellt ihm die Zahlungsbefehle dort zu und behält ihn dort bis um 6.45 Uhr. Nachher bringt die Polizei den Schuldner auf das Betreibungsamt zur Einvernahme. Betrachten sie das Vorgehen der Polizei aus dem Blickwinkel der Grundrechte und der Verhältnismässigkeit. Welche(s) ist/sind betroffen und durfte so vorgegangen werden?
Gemäss Art. 5 Abs. 2 BV hat jedes staatliche Handeln verhältnismässig zu sein. Gemäss Lehre und Rechtsprechung beinhaltet Verhältnismässigkeit drei Elemente, die kumulativ beachtet werden müssen. Staatliches Handeln muss geeignet, erforderlich und zumutbar sein.
Eignung: Staatliche Massnahme muss geeignet sein, das im öffentlichen Interesse liegende Ziel tatsächlich zu erreichen.
Erforderlichkeit: Der Eingriff darf in sachlicher, räumlicher und personeller Hinsicht nicht über das Notwendige hinausgehen. Eine Massnahme hat zu unterbleiben, falls ein geeigneter, milderer Eingriff möglich wäre. Zumutbarkeit (Verhältnismässigkeit im engeren Sinne): Hierbei wird die Verhältnismässigkeit von Eingriffszweck und Eingriffswirkung geprüft. Die öffentlichen Interessen müssen die betroffenen privaten Interessen überwiegen. Dieser Grundsatz ist insbesondere bei der Einschränkung der Freiheitsrechte zu beachten (Art. 36 Abs. 3 BV). Betroffen ist die persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV), weil der Schuldner ja zwangsweise auf den Polizeiposten geholt wurde und er dort zu verbleiben hatte, bis das BA öffnete. Mithin musste der Schuldner mehr als zwei Stunden auf dem Polizeiposten warten und wurde in dem Sinne auch festgehalten. Einschränkungen eines Grundrechts sind in Art. 36 BV geregelt: „Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr. Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein. Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein. Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.“ Verhältnismässigkeit bedeutet, dass eine Massnahme erforderlich sein musste, geeignet sein musste, um den Zweck der Sicherung von Vermögenswerten zu erreichen und verhältnismässig im Verhältnis Nutzen/Zweck (Verhältnismässigkeit im engeren Sinne).
Übung 4: Das Beamtenrecht und die Staatshaftung Aufgabe 1 Ein Betreibungsbeamter hat während seiner Amtstätigkeit eine Straftat begangen (Veruntreuung) und einem Schuldner Schaden zugefügt. a) Kann er dafür strafrechtlich belangt werden?
Ja.
b) Kann er dafür vermögensrechtlich belangt werden? Falls ja, nennen Sie die Voraussetzungen.
Nein, der Kanton/Gemeinde haften primär (Kausalhaftung). Er kann anschliessend Regress auf den Betreibungsbeamten nehmen.
Voraussetzungen für den Regress sind:
1. Schaden
2. Vollstreckungsorgan hat den Schaden im Rahmen seiner Amtstätigkeit angerichtet
3. Widerrechtlichkeit
4. Kausalzusammenhang
5. Absicht oder Fahrlässigkeit
Aufgabe 2 Der Betreibungsbeamte Manuel hat beim Schuldner Sämi ein Auto gepfändet. Das Auto ist fahrtüchtig und in gutem Zustand. Manuel will das Auto in die eigens dafür gemietete Garagenbox beim Betreibungsamt überführen. Dabei streift er die Mauer der Garage. Die Schuld liegt allein bei Manuel. Am Auto von Sämi entsteht ein Schaden von Fr. 7‘800.-. a) Was kann Schuldner Sämi wegen des angerichteten Schadens gegen wen unternehmen? Beschreiben Sie im Detail die Möglichkeit bzw. die Voraussetzungen dazu und notieren Sie, ob diese erfüllt sind und weshalb bzw. weshalb nicht. Geben Sie auch die Rechtsquelle an.
Es geht um einen Fall von Staatshaftung. Geregelt ist die Staatshaftung in SchKG 5 ff. Allgemeine Voraussetzungen: Der Staat haftet, wenn eine widerrechtliche Amtshandlung eines Staatsangestellten beim Geschädigten zu einem adäquat kausalen Vermögensschaden führt.
Angewendet auf unseren Fall heisst dies: Als Staat tritt hier der Kanton auf. Es ist ein Vermögensschaden eingetreten, weil das Auto beschädigt wurde (Reparaturkosten Fr. 7‘800.-). Der Betreibungsbeamte ist ein Staatsangestellter. Es handelt sich um eine Handlung im Rahmen seiner amtlichen Tätigkeiten, da sie in seiner Funktion als Betreibungsbeamter vorgenommen wurde. Die Schadenszufügung ist widerrechtlich, da fremde Sachen nicht beschädigt werden dürfen. Der Vermögensschaden ist adäquat kausal.
b) Welche Frist hat er dabei einzuhalten? Geben Sie auch die Rechtsquelle an.
Gemäss SchKG 6 Abs. 1 beträgt die relative Verjährungsfrist 3 Jahre. Die absolute Verjährungsfrist beträgt 10 Jahre, steht hier aber nicht im Vordergrund.