Überblick über Erziehung- und Familienberatung (Themen, Klienten, Wirksamkeit)
Seminar Beratung II
Seminar Beratung II
Set of flashcards Details
Flashcards | 21 |
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Language | Deutsch |
Category | Psychology |
Level | University |
Created / Updated | 12.02.2021 / 15.02.2021 |
Weblink |
https://card2brain.ch/box/20210212_ueberblick_ueber_erziehung_und_familienberatung_themen_klienten_wirksamkeit
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Geschichtliche Entwicklung der Erziehungsberatung in Deutschland
- Beginn des 20. Jh.: starke medizinische Ausrichtung
- Weimarer Republik und Nationalsozialismus: Selektionsfunktion
- Später 50er Jahre: Neuausrichtung zu individuellen Lebensentwürfen
- Später 70er Jahre: Flächendeckendes Netz von Erziehungsberatungsstellen
- heute: rechtlicher Anspruch auf Erziehungsberatung zum Wohl der Kinder & Jugendlichen
Erziehungsberatung: allgemeine Informationen
- Steigende Zahlen bei der Inanspruchnahme von Beratungsangeboten der Erziehungsberatung
- Klienten:
- vor allem Familien mit Kindern zwischen 6 und 14 Jahren
- < 14 Jahren: vorwiegend Jungen
- > 14 Jahren: mehr Mädchen
- insgesamt mehr Familien mit Jungen als mit Mädchen
Grundsätze der Erziehungsberatung
- Freiwilligkeit
- Vertraulichkeit
- Kostenfreiheit
- Multidisziplinarität
- Fachliche Unabhängigkeit
Angebote von Erziehungsberatungsstellen
Beratung/Therapie
- Einzel-Setting
- kurzfristig möglich
- oft nur wenige Stunden umfassend
- Ziel: Verbesserung der Erziehung
Information/Prävention
- Einzel- oder Gruppensetting
- z.B. Kurse für Eltern oder Kinder mit bestimmten familiären Verhältnissen
Beratung im Auftrag von äußeren Instanzen
- gerichtsnahe Beratung: im Auftrag des Familiengerichts z.B. bei Sorgerechtsstreitigkeiten
- Beratung bei Anhaltspunkten von Kindeswohlgefährdung
Beispiele für Anliegen in der Erziehungsberatung
- Trennung/Scheidung
- Suizidgedanken
- Mobbing
- Kindeswohlgefährdung
- Umgang mit psychischer Krankheit des Kindes
- Psychische Auffälligkeiten des Kindes
Systemtische Sichtweise
- Systemisch = das gesamte (Familien --)System im Blick
- Fokus auf Beziehungen und Beziehungsproblemen
- Keine linear kausal erklärbare Realität, sondern reziproke Verknüpfung der Ereignisse
- Muster und (Macht --)Hierarchien in den Familien sind wichtiger als individuelle intrapsychische und historische Gründe für Verhalten
Kennzeichen für funktionale Familiensysteme
- Commitment für die Familie
- Wunsch, Zeit miteinander zu verbringen
- effektive Kommunikationsmuster
- Wertschätzung füreinander
- Klare Rollenverteilung
- Flexibler/adaptiver Umgang mit Entwicklungsaufgaben und Krisen
- gegenseitige Unterstützung
- hoher Grad an religiöser/spiritueller Orientierung
- Klare Regeln + gemeinsame Ziele
Dysfunktionale Familiensysteme
- = Defizite in den Beziehungs und Handlungsmustern der einzelnen Mitglieder, die dazu führen das „normale“ Entwicklungsaufgaben und besonders unerwartete Krisen in ungesunder Weise gelöst/behandelt werden
- Kann zu Beeinträchtigung der mentalen Gesundheit einzelner Mitglieder des Systems führen und vice versa --> kann zu internalisierten und externalisierten Familiensymptomen führen
- Vorteil d. Systemische Therapie/Beratung: das ganze System wird miteinbezogen --> das Individuum ist nicht allein verantwortlich für Veränderungen im System
Familienphasen
- Junge, ungebundene Erwachsene
- (junge) Partnerschaft
- Familien mit Kleinkindern
- Familien mit Schulkindern
- Familien mit Jugendlichen
- Familien mit jungen Erwachsenen
- alte Eltern mit erwachsenen Kindern
Entwicklungsaufgaben für junge, ungebundene Erwachsene
- Identitäts- & Autonomieentwicklung
- Trennung vom Elternhaus, Übernahme von Verantwortung für das eigene Leben
Entwicklungsaufgaben für (junge) Partnerschaft
- Anpassen an Partner, Entwickeln einer gemeinsamen (Langzeit-)Beziehung, Rollenfindung
- Entwicklung von Karriereplänen
Entwicklungsaufgaben für Familien mit Kleinkindern
- Neudefinition der Paarbeziehung
- Veränderung der Alltags Arbeitsroutine
- Freiheitseinschränkungen , höhere Verantwortung
Entwicklungsaufgaben für Familien mit Schulkindern
- Zulassen & Fördern zunehmender Autonomie der Kinder
- "Loslassen" lernen
Entwicklungsaufgaben für Familien mit Jugendlichen
- Unterstützung der Kinder bei der Identitäts --& Autonomieentwicklung
- Toleranz & Kompromissbereitschaft bei differierenden Wünschen & Zielen
- (Sandwich Generation)
Entwicklungsaufgaben für Familien mit jungen Erwachsenen
- Kinder loslassen & bei Loslösung unterstützen
- Bewältigung der Empty Nest Situation
- Entwicklung von Eltern Kind Beziehung mit Erwachsenenqualität
Entwicklungsaufgaben für Eltern mit erwachsenen Kindern
- Anforderungen der Großelternschaft
- Abgeben familärer Verantwortung an die nächste Generation
- Akzeptieren von Betreuung und Pflege durch die Kinder
Wirkungsevaluation in der Erziehungsberatung (Wir.EB): allgemeine Informationen
- Erfassung in ca. 100 Erziehungsberatungsstellen im Jahr 2014
- > 6000 Datensätze
- T2: Drop Out von ca. 30%, da viele Beratungen noch nicht abgeschlossen
- Junge Menschen, Eltern, Berater*in wurden zu zwei Messzeitpunkten befragt
Wirkungsevaluation in der Erziehungsberatung (Wir.EB): Grundlage
- Grundlage: Capability Approach nach Amartya Sen und Martha Nussbaum
- Grundbefähigungen für ein gelingendes Leben (Sen)
- Verwirklichungschancen im Zusammenhang mit individuellen Fähigkeiten und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen (Nussbaum)
- Evaluationsinstrumentarium: 13 Capability Dimensionen (Capa)
- Je Capa eine Frage
Capa Dimensionen
Junge Menschen
- Körperliche und psychische Integrität /Gesundheit
- Lernen und Leistung, Bildung, geistige Fähigkeiten
- Fähigkeiten zur Bewältigung und Schutzfaktoren Resilienz
- Sozioemotionale Fähigkeiten
- Eigenständigkeit (Autonomie) und Teilhabe
- Freizeitaktivitäten und -kompetenzen
Familie
- Wohnen und Leben
- Zusammenleben/familiäre Beziehungen
- Schutz und Versorgung
Eltern
- Körperliche und psychische Integrität /Gesundheit
- Fähigkeiten zur Bewältigung und Schutzfaktoren (elternbezogen)
- Werte Ethik erziehungsleitende Vorstellungen
- Erziehungskompetenz
Wirkungsevaluation in der Erziehungsberatung (Wir.EB): Ergebnisse
Zentrale Ergebnisse
- Mittlere bis große Effektstärken für die meisten Capas (z.B. Capa 3 = Resilienz)
- Nur kleine Effekte für Capas 4-5 (sozioemotionale Fähigkeiten; Autonomie und Teilhabe)
- teilweise gehen die Einschätzungen der Eltern, Kindern und Berater auseinander (z.B. Capa 8 = Zusammenleben/familiäre Beziehungen oder Capa 13 = Erziehungskompetenz)
- Sehr hohe Effekte für Zielbereiche der Beratungen (in denen Bereichen in denen man die Ziele abgesteckt hat)
- Keine bis kleine Effekte bzgl. nicht intendierter Wirkungen ("Nebenwirkungen")
Wirkungsevaluation in der Erziehungsberatung (Wir.EB): Wirkmechanismen in der Erziehungsberatung
Strukturebene
- Zeitnahes Erstgespräch
- Zusatzqualifikationen und Fortbildungen der Berater*innen
- Ausführliche Fachdiagnostik
- Kooperation mit anderen Diensten
Prozessebene
- Einvernehmlich geplantes Beratungsende
- Längere Beratungsdauer/mehr Sitzungen
- Direkter Kontakt mit beiden Eltern
- Initiierung der Beratung durch Eltern (statt durch Dritte)
Herausfordernde Aspekte:
- Armut
- Migrationshintergrund