Fragen Mangelhafte Verträge
ZHAW, Wirtschaftsrecht, 1. Semester
ZHAW, Wirtschaftsrecht, 1. Semester
Kartei Details
Karten | 23 |
---|---|
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Recht |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 12.01.2021 / 14.01.2021 |
Weblink |
https://card2brain.ch/box/20210112_fragen_mangelhafte_vertraege
|
Einbinden |
<iframe src="https://card2brain.ch/box/20210112_fragen_mangelhafte_vertraege/embed" width="780" height="150" scrolling="no" frameborder="0"></iframe>
|
Welches allgemeine Prinzip herrscht im OR bezüglich der Form der Verträge?
Der Grundsatz der Formfreiheit (Art. 11 Abs. 1 OR) als Teilaspekt der allgemeinen Vertragsfreiheit
Welche Zwecke verfolgen gesetzliche Formvorschriften?
Warnfunktion (Schutz vor Übereilung); Beweisfunktion, Rechtsklarheit (insbesondere im Hinblick auf öffentliche Register); Informationsfunktion (insbesondere im Bereich des Kon- sumentenschutzes)
Welche drei Arten von Formvorschriften gibt es? Nennen Sie für jede Art einen beispielhaften Vertrag.
Einfache Schriftlichkeit (Beispiel: Schenkungsversprechen, Art. 243 Abs. 1 OR); qualifizierte Schriftlichkeit (Beispiel: Bürgschaft natürlicher Personen über CHF 2‘000, Art. 493 Abs. 2 OR); öffentliche Beurkundung (Beispiel: Grundstückkaufvertrag, Art. 216 Abs. 1 OR)
Welches sind die Erfordernisse der einfachen Schriftlichkeit?
Erklärung in Schriftform (Verurkundung) und eigenhändige Unterzeichnung durch diejenigen Personen, die sich verpflichten (Art. 13 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 OR)
Was sind die Rechtsfolgen der Nichteinhaltung einer gesetzlichen Formvorschrift?
Grundsätzlich führt das Nichteinhalten einer gesetzlichen Formvorschrift zur Nichtigkeit des Vertrages und somit automatisch zur Vertragsungültigkeit (Art. 11 Abs. 2 OR)
Wie ist die Rechtslage, wenn ein Vertrag trotz Formmangels beidseitig, freiwillig und irrtums- frei erfüllt wurde?
In einem solchen Fall kann die Geltendmachung des Formmangels gemäss der bundes- gerichtlichen Praxis als rechtsmissbräuchlich erachtet werden (Art. 2 Abs. 2 ZGB). Durch die Erfüllung tritt damit eine Art „Heilung“ des Formmangels ein, weshalb die Vertragsparteien keine Rückabwicklung verlangen können. Diese Praxis ist vor allem beim formungültigen Grundstückkauf von Relevanz (vgl. BGE 104 II 99 ff.
Welches sind die Schranken der Inhaltsfreiheit von Verträgen? Wo sind diese geregelt?
Die inhaltlichen Schranken sind: Unmöglichkeit, Widerrechtlichkeit und Sittenwidrigkeit. Sie sind in Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 OR geregelt
Wann hat ein Vertrag nach herrschender Auffassung einen unmöglichen Inhalt im Sinne von Art. 20 OR?
Es bedarf einer anfänglichen und objektiven Unmöglichkeit
Wann ist der Inhalt eines Vertrages widerrechtlich?
Wenn ein Vertrag gegen zwingendes Privatrecht oder gegen öffentliches Recht (Verwaltungsrecht; Strafrecht) verstösst (vgl. Art. 19 Abs. 2 OR)
Welches sind die Rechtsfolgen der Unmöglichkeit im Sinne von Art. 20 OR bzw. der Widerrechtlichkeit?
Nichtigkeit des Vertrages, eventuell nur Teilnichtigkeit (vgl. Art. 20 Abs. 2 OR
Welches sind die Voraussetzungen der Übervorteilung?
Drei Voraussetzungen: Offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung; Schwächelage der übervorteilten Person (Notlage, Unerfahrenheit, Leichtsinn); Ausbeutungs- absicht der übervorteilenden Person (vgl. Art. 21 Abs. 1 OR)
Welches sind die Rechtsfolgen der Übervorteilung?
Rechtsfolge: Einseitige Unverbindlichkeit, d.h. Anfechtbarkeit durch die übervorteilte Person
Innert welcher Frist muss das Anfechtungsrecht wegen Übervorteilung ausgeübt werden?
Innert einem Jahr, seit Abschluss des Vertrages (Art. 21 Abs. 2 OR)
Welche Arten von Willensmängeln unterscheidet das Gesetz?
Irrtum (Art. 23 ff. OR); absichtliche Täuschung (Art. 28 OR); Drohung (Art. 29 f. OR)
Welche zwei Arten des wesentlichen Irrtums unterscheidet man?
Wesentlicher Erklärungsirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 – 3 OR) und wesentlicher Motivirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR, sog. Grundlagenirrtum)
Wann liegt ein Grundlagenirrtum vor?
Ein Grundlagenirrtum (wesentlicher Motivirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) setzt drei Tatbestandselemente voraus: subjektive Wesentlichkeit, objektive Wesentlichkeit und Erkennbarkeit
Kann sich der Grundlagenirrtum auch auf künftige Sachverhalte beziehen?
Ja, aber nur unter gewissen Voraussetzungen. Gemäss der jüngeren Praxis des Bundes- gerichts muss der künftige Sachverhalt in der Weise voraussehbar gewesen sein, dass er für die beiden Parteien „als sicher angesehen“ werden konnte oder dass zumindest die irrende Partei ihn als sicher ansah und die Gegenpartei dies nach Treu und Glauben hätte erkennen müssen
Was wird bei der absichtlichen Täuschung im Sinne von Art. 28 OR unter Täuschung verstan- den?
Das täuschende Verhalten besteht grundsätzlich in der Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen (Täuschung durch positives Verhalten) oder ausnahmsweise in einem Verschweigen von Tatsachen
Wann stellt das Verschweigen von Tatsachen eine Täuschung dar?
Wenn der Täuschende den bestehenden Irrtum des Vertragspartners kennt und zur Aufklä- rung verpflichtet wäre. Eine solche Aufklärungspflicht kann sich in gewissen Fällen ins- besondere aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergeben
Macht die Täuschung den Vertrag auch dann unverbindlich, wenn sie von einem Dritten aus- geht?
Eine absichtliche Täuschung durch einen Dritten macht den Vertrag gemäss Art. 28 Abs. 2 OR nur dann unverbindlich, wenn der Vertragspartner des Getäuschten die entsprechende Täuschung durch den Dritten kennt oder kennen müsste
Wann ist eine Drohung (Furchterregung) im Sinne von Art. 29 OR widerrechtlich?
Die Widerrechtlichkeit der Drohung ist gegeben, wenn der angedrohte Nachteil als solcher widerrechtlich ist (z.B. Bedrohung an Leib und Leben). Wenn hingegen die Geltendmachung eines Rechtes angedroht wird (z.B. Strafanzeige, Betreibung), ist dies gemäss Art. 30 Abs. 2 OR nur bei der „Einräumung übermässiger Vorteile“ als widerrechtlich zu betrachten
Wie erfolgt die Geltendmachung der Unverbindlichkeit des Vertrags infolge Willensmangel?
Durch die fristgemässe Anfechtungserklärung gemäss Art. 31 OR. Dabei handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, mit dem Inhalt, dass der Erklärende den Vertrag wegen eines Willensmangels nicht halten wolle
Wann beginnt die Frist zur Anfechtung des Vertrages zu laufen?
Die einjährige Verwirkungsfrist beginnt gemäss Art. 31 Abs. 2 OR mit der Entdeckung des Willensmangels (Irrtum/Täuschung) bzw. mit der Beseitigung des Willensmangels (Furcht) zu laufen