Kapitel 01

Es handelt sich um wissenschaftliche Veröffentlichungen, "in den gängigen Literaturdatenbanken nicht zu finden sind". Diese Art von Literatur ist oft schwer zugänglich und kann nur unter erheblichem personellem und finanziellem Aufwand zusammengetragen werden.

Beispiele für graue Literatur sind Webseiten, Konferenzbände oder noch nicht veröffentlichte Doktorarbeiten.

In der Wissenschaft gilt das Prinzip der Logik: Aussagen werden immer mit Begründungen und Beispielen belegt, andernfalls wären es blosse Behauptungen.

"Et al." ist dabei eine Abkürzung für "et alii/alie/alia" (lat.) und bedeutet "und andere".

Es wird damit also ein bestimmter Beleg bzw. Autor(en) zitiert. Bsp. (Müller et al.,2015)

Die Abkürzung wird immer dann verwendet, wenn mehr als 2 Autoren an einer Studie beteiligt sind.

Populärwissenschaftliche Literatur sind Texte, die meist von Laien (z.B. Blog-Artikel) verfasst wurden. Ihre Aussagen werden nur selten direkt und vollständig belegt, was dem Leser die Nachvollziehbarkeit erschwert.

Korrelation ist der (nicht ursächliche) Zusammenhang zwischen zwei gemessenen Merkmalen. (Bsp. Schuhgrösse vs. IQ)

Kausalität bezeichnet die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung.

Um Ursachen auf Kausalität theoretisch zu prüfen, ist es notwendig, kritisch nach einer Ursache-Wirkung-Beziehung zu fragen.

Eine Kausalität lässt sich jedoch nicht mit Sicherheit feststellen. Es erfordert Hintergrundwissen über die jeweilige Thematik und Methodik.

Metaanalysen ist das systematische sichten und quantitativ statistische zusammenfassen von Studien. Es sind „Studien aus Studien“. Man versucht, zu einer Fragestellung alle durchgeführten Einzelstudien zu finden und zusammenzufassen, um einen umfassenden systematischen Überblick zu geben.

• Bedeutung: Zuverlässigste Informationen in der medizinischen Forschung
• Ziel
  • Zu einer klinischen Fragestellung alle durchgeführten Studien finden
  • Zusammenfassung und quantitative Analyse der Ergebnisse der Einzelstudien 
• Durchführung
  • Systematische Vorgehensweise (bspw. Sichtung von Studien durch definierte Stichworte, systematische Studienbewertung und Darlegung der Einschlusskriterien der Studien)
  • Angaben zu Studienfinanzierung und potenziellen Interessenkonflikten
• Durchführende Institutionen: z.B. Cochrane Collaboration
  • Internationale Non-Profit-Organisation, die hochwertige Analysen durchführt
  • Wenn für eine Fragestellung eine Metaanalyse der Cochrane Collaboration zur Verfügung steht, so ist das häufig die beste verfügbare Information
• Vorteile
  • Große Stichprobe
  • Weniger anfällig für Fehler und Verzerrung durch Ausgleich über mehrere Studien
• Nachteile
  • Aufwendig
  • Qualität der Metaanalyse hängt auch von der Qualität der eingeschlossenen Studien ab

Studientyp mit der höchsten Evidenz. Interventionsstudie, in der es eine Kontrollgruppe gibt. Die Auswahl der Kontroll- bzw. Interventionsgruppe erfolgt zufällig.

Eine experimentelle Studie, bei der die Studienteilnehmer der Intervention unter kontrollierten Bedingungen ausgesetzt werden.

Dabei beobachten die Wissenschaftler eine Interventions- und eine Kontrollgruppe über einen definierten Zeitraum und vergleichen sie hinsichtlich eines bestimmten Merkmals miteinander.

Sie sind aufwändig, ethisch nicht immer geeignet, wegen ihrer hohen Komplexität schwer zu kontrollieren (Ernährung, menschlicher Körper, Umwelt), passende Kontrollen fehlen und eine Verbindung ist nur eingeschränkt möglich.

Fallzahl (Anzahl (n) der Studienteilnehmer

Verblindung

Störfaktoren (Confounder)

Bei einer Interventionsstudie erhält ein Teil der Teilnehmer eine Behandlung (Intervention). Nach einem Zeitintervall untersucht man den Effekt der Intervention.

Nicht-kontrollierte Interventionsstudie

Kontrollierte Studie: Randomisierte kontrollierte Studie (RCT)

Nur bei kontrollierten Interventionsstudien: Vergleich des Effektes zwischen Interventions- und Kontrollgruppe

• Studienteilnehmer bekommen keine im Zusammenhang mit der Studie stehende Behandlung
• Studienteilnehmer werden in ihrer normalen Lebensführung beobachtet

Beispiele:

• Fall-Kontroll-Studie
• Kohortenstudie

Als Bias bezeichnet man Verzerrungen im Ablauf der Studie, die zu falschen Ergebnissen führen und vermieden werden sollten. Typische Mechanismen werden im Folgenden dargestellt.

Beispiele:

• Selektionsbias

• Recall-Bias (Erinnerungsbias)

• Informationsbias

• Publikationsbias

• Lead-Time-Bias

• Confounding

• Erklärung: Personen werden eher in die Studie eingeschlossen, wenn sie eine bestimmte Eigenschaft besitzen
• Folge: Die Zusammensetzung von Stichprobe und Grundgesamtheit unterscheidet sich, die Stichprobe ist nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit
• Betroffene Studien: Alle Studientypen
• Formen
  • Freiwilligenbias: Personen mit einer bestimmten Eigenschaft nehmen eher an der Studie teil 
  • Healthy-Worker-Effekt: Die Gruppen weisen verschiedene Berufe auf 
  • Non-Response: Teilnehmer mit einer bestimmten Eigenschaft brechen im Verlauf die Teilnahme an der Studie ab 
• Lösungsansätze
  • Analyse der Strukturmerkmale der verschiedenen Gruppen
  • Randomisierung in RCTs, Matching in Fall-Kontroll-Studie

     

• Erklärung: Falsche Erinnerung der Teilnehmer verändert das Studienergebnis
• Folge: Exposition wird falsch eingeschätzt 
• Betroffene Studien: Insb. in retrospektiven Studien
• Lösungsansatz: Wenn möglich auf gut dokumentierte Informationen zurückgreifen

• Erklärung: Messergebnisse an sich fehlerbehaftet 
• Folge: Studienergebnisse unzuverlässig; bei falscher Auswertung möglicherweise in eine Richtung verzerrt 
• Betroffene Studien: Alle Studientypen
• Lösungsansätze
  • Etablierte Messinstrumente benutzen
  • Doppelte Verblindung

• Erklärung: Studien mit statistisch signifikanten Ergebnissen werden bevorzugt veröffentlicht 
• Folge: Zusammenhang wird überschätzt
• Betroffene Studien: Metaanalysen

• Erklärung: „Vorlaufzeit-Verfälschung“, durch ein Screening wird eine Krankheit früher entdeckt
• Folge: Nur scheinbare Verlängerung der Überlebenszeit durch Vorverlegung des Diagnosezeitpunkts
• Betroffene Studien: Studien über Screening-Verfahren

• Erklärung: Verzerrung durch Störgröße
  • Zusammenhang zwischen zwei Größen A und B ist nicht kausal, sondern durch eine dritte Größe C (sog. Confounder) mitverursacht
• Folge: Falscher Zusammenhang wird hergestellt 
• Betroffene Studien: Vor allem Beobachtungsstudien
• Lösungsansätze
  • Bei der Studienplanung
    • Methoden: Randomisierung (in RCTs), Matching (in Fall-Kontroll-Studien)
    • Vorteil: Vermeidung unbekannter Confounder möglich
  • Bei der Auswertung
    • Methoden
      • Stratifizierung: Aufteilung der Stichprobe in Untergruppen von C und getrennte Analyse von A und B in den Untergruppen
      • Adjustierung: Herausrechnen des Effektes von C durch Regressionsmodelle (multiple Regression) 
      • Altersstandardisierung: Rechnerische Angleichung des Alters von zwei Gruppen, um Altersstruktureffekte abzumildern 
    • Problem: Confounder müssen bekannt sein/identifiziert werden

• Fairness
• Nachvollziehbarkeit
• Originalität
• Verantwortung
• Objektivität
• Ehrlichkeit
• Überprüfbarkeit
• Reliabilität
• Validität
• Verständlichkeit
• Relevanz
• Logische Argumentation

Sind die Beobachtungen und Erkenntnisse ehrlich (wahrheitsgemäss) dargestellt? Plagiate? Manipulationen?

Bsp. Tauchen in einer Publikation z.B. Textabschnitte ohne Quellenangaben auf, die in einer anderen Studie bereits verwendet wurden, dann deutet das auf ein Plagiat hin und die Ehrlichkeit der Autoren ist anzuzweifeln.

Sind die Formulierungen und Beschreibungen sachlich und neutral dargestellt? Das ist wichtig, damit sich jeder ein eigenes Urteil bilden kann.

Bsp. Auf der Webseite des Autors einer Studie ist zu sehen, dass dieser im Vorstand des Supplementherstellers XY ist. Die Objektivität der Aussagen in seiner Studie muss angezweifelt werden.

Sind die Aussagen überprüfbar? Ist es möglich, die Aussagen zu widerlegen bzw. zu bestätigen?

Was nicht überprüfbar ist, kann auch nicht bestätigt werden. Wissenschaft hat einen Prozesscharakter. Deshalb sollte auch "altes Wissen" überprüft werden.

Bsp. Die Autoren schreiben, dass durch Ernährungsform XY alle wichtigen Mikronährstoffe abgedeckt sind. Dabei ist unklar, auf welche Mikronährstoffe und Referenzbereiche sich diese Aussage bezieht.

Sind die Ergebnisse valide (genau)? Wurde das gemessen, was gemessen werden sollte?

Konkrete Fragestellungen, definierte Begriffe und eine repräsentative Stichprobe helfen dabei, valide Ergebnisse zu erzielen.

Bsp. In einer Studie zur Bestimmung einer Vitamin B12-Mangel-Anämie wurde die Anzahl der weissen statt roten Blutkörperchen im Blut untersucht. Diese sind jedoch nicht für die Diagnostik einer Anämie geeignet. Es wurde also nicht gemessen, was gemessen werden sollte.

Reliabilität=Zuverlässigkeit! Sind die Ergebnisse zuverlässig? Würde eine Untersuchung, unter den gleichen Bedingungen von anderen Personen durchgeführt, zum selben Ergebnis führen?

Bsp. Studie 1 kommt zu dem Ergebnis, dass die vegane Ernährung die gesündeste ist, während eine Nachfolgestudie einer anderen Forschungseinrichtung diese Ergebnisse mit identischem Studienaufbau nicht reproduzieren kann. Damit ist Studie 1 nicht reliabel.

Ist die Publikation verständlich (hinsichtlich Sprache und Gliederung)?

Nach Schulz von Thun zählen vier Säulen zur Verständlichkeit: Einfachheit - Gliederung - Kürze - Stimulans

Bsp. Aus der Einleitung und Zusammenfassung einer Studie kann der Leser nicht erkennen, was der Untersuchungsgegenstand und das Ergebnis ist.

Sind die Ergebnisse der Publikation relevant? (wichtig und von Belangen)

Relevant ist, was im Fachgebiet neues Wissen schafft (Erweiterung des Wissens), zum wissenschaftlichen Fortschritt beiträgt, einen hohen Informationswert hat und hilft, Praxisprobleme zu lösen.

Bsp. Eine Studie zum Vitamin B12-Mangel bei veganer Ernährung wurde aktuell publiziert. Die Ergebnisse spiegeln exakt das wider, was in zwei Studien und einer Metaanalyse davor bereits festgestellt wurde.

Stellen die Ergebnisse originale Leistungen das? Originalität heisst, dass die Ergebnisse eine eigene Leistung darstellen. Dabei kann bereits bestehendes Wissen verknüpft, Widersprüche aufgedeckt und Wissen von einem Gebiet auf ein anderes übertragen werden.

Bsp. Eine Studie fasst die Erkenntnisse zu veganer Ernährung und deren Auswirkungen auf die Gesundheit auf Basis von 20 vergangenen Studien zusammen. Dabei fehlt die wissenschaftliche Auseinandersetzung und Bewertung mit den Ergebnissen der Studie.

Wurde in der Publikation logisch argumentiert? Gibt es ausreichend Begründungen für die getroffenen Aussagen und Schlussfolgerungen?

Logisch zu argumentieren bedeutet, folgerichtig zu denken, die eigenen Argumente ausreichend zu unterstützen (am besten durch mehrere Begründungen) und korrekte Schlussfolgerungen zu ziehen.

Sind die Ergebnisse u.a. durch Angabe von Belegen und ausführlicher Darstellung der Methoden nachvollziehbar? Sind die Studien öffentlich und evtl. kostenfrei einsehbar?

Nachvollziehbarkeit bedeutet, dass Inhalt und Methodik einer Studie für den Leser schlüssig sind. Die Angabe von (Primär)Quellen und das Einhalten der anderen Qualitätskriterien kann Ergebnisse nachvollziehbar machen.

Bsp. In einer Studie wird erwähnt, dass die ernährungsbezogenen Daten über einen Fragebogen erhoben und danach bewertet werden. Die Studie kommt ohne Angabe von Details (Aufbau des Fragebogens, Bewertungsschema, Teilnehmermerkmale, Fallzahlen) zu dem Ergebnis, dass die Ernährungsform XY besser ist, als Ernährungsform Z.

Ist die Publikation fair d.h. ehrlich, unparteilich und erkennt sie Leistungen anderer Personen an?

Fairness in der Wissenschaft steht für einen respektvollen und wertschätzenden Umgang miteinander. Das erfordert Selbstkontrolle, z.B. auch unter finanziellem oder zeitlich bedingtem Druck wissenschaftlich zu arbeiten. Mit fairness sind Ehrlichkeit, Unparteilichkeit und die erhliche Anerkennung der Leistung anderer Personen gemeint.

Bsp. Bei einer vorliegenden Publikation fällt auf, dass der Autor zum grossen Teil sich selbst oder nur Studien zitiert, die eine positive Wirkung veganer Ernährung darstellen. Eine kritische Auseinandersetzung mit der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur fehlt.

Übernimmt der Autor Verantwortung über die Publikationsinhalte?

Wer wissenschaftlich arbeitet, ist für die Inhalte seiner Beiträge verantwortlich (Wissenschaftsethik). Verantwortung umfasst Selbstverantwortung, Verantwortung gegenüber dem Arbeitststeam, Verantwortung gegenüber der Wissenschaft als System und Verantwortung für die Folgen.

• wie die Studie finanziert wurde
• ob Interessengruppen an der Studie beteiligt waren
• ob das einen Einfluss auf die Ergebnisse gehabt haben könnte
• nach dem Untersuchungsgegenstand der Publikation (wird z.B. ein Risikomarker untersucht oder werden retrospektiv Krankheitsfälle betrachtet)

Untersucht man z.B. den Risikomarker LDL-Cholesterin, ist es wichtig, dass bei den Studienteilnehmern zur Zeit der Intervention keine Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorliegen. Damit kann initial der LDL-Cholesterin Wert gemessen werden und nach der Intervention (z.B. Olivenöl zu sich nehmen) erneut den Wert gemessen und verglichen werden.

Wenn retrospektive Krankheitsfälle untersucht werden, liegt schon eine Herz-Kreislauf-Erkrankung vor und es wird untersucht wie sich die Studienteilnehmer vor der Erkrankung ernährt haben.

Dabei werden z.B. Ergebnisse vom Tiermodell auf den Menschen übertragen oder von einem Einzelfall auf die Allgemeinheit.

Keine Veröffentlichung hat einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.