Epidemiologie

Karten zum Thema "Epidemiologie" im Kurs "Methoden der Skalierung"

Karten zum Thema "Epidemiologie" im Kurs "Methoden der Skalierung"


Kartei Details

Karten 36
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 08.07.2020 / 31.01.2023
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Merkmale von Epidemiologie

  • untersucht Auftreten von Krankheiten in der Bevölkerung in Verbindung mit Merkmalen der Person und der Umwelt (Suche nach Risikofaktoren)
  • griechisch: epi = über; demos = das Volk; logos = die Lehre
  • überwiegend beobachtende Wissenschaft --> spezifische Fehlerquellen, die bei experimentell arbeitenden Wissenschaftszweigen so nicht auftreten
  • führt Untersuchungen an menschlichen Populationen durch
  • gekennzeichnet durch Interdisziplinarität (Medizin, Naturwissenschaften, Psychologie, Soziologie, Statistik, Demographie etc.)

Ziele von Epidemiologie

  • Erkennen von Krankheitsursachen (Ätiologie ) und von Risikofaktoren (Grundlage für Gegenmaßnahmen) 
  • Beschreibung der Häufigkeit und Verteilung von Krankheiten in der Bevölkerung (Gesundheitszustand der Bevölkerung)
  • Verlauf, Prognose und Diagnose von Krankheiten
  • Bestimmung von Risiken, an einer Krankheit zu erkranken
  • Aufspüren neuer und Überwachung bekannter Gesundheitsgefahren aus der Umwelt
  • Evaluation von präventiven und therapeutischen Maßnahmen (Bsp.Wirkung von Prostata Krebs Screenings)
  • Entscheidungshilfe für die Gesundheitspolitik (z.B. Wirkung der Strahlung von Mobiltelefonen, Auswirkung von Staub in der Luft und von Diesel Partikelfiltern)

Epidemiologische Zielebenen: deskriptive Epidemiologie

  • zufällige und systematische Beobachtung bezüglich Populationen, Subgruppen, Ort und Zeit
  • Generierung von Hypothesen für einen Zusammenhang zwischen Exposition und Erkrankung

Epidemiologische Zielebenen: analytisch-beobachtende Epidemiologie

  • gezielte Überprüfung von Hypothesen zu Zusammenhängen zwischen Exposition und Erkrankung
  • Quantifizierung der Effekte von Einflussgrößen
  • Beurteilung der Kausalität des Zusammenhangs:multiple und multidisziplinäre Studien sowie Anwendung der analytischen und experimentellen Epidemiologie
  • Vorschläge für Interventionsstrategien

Epidemiologische Zielebenen: analytisch-experimentelle Epidemiologie

  • gezielte Intervention (i.d.R. präventiv)
  • begleitende Evaluation der Intervention

Was ist die Prävalenz?

  • Die Prävalenz gibt den Anteil Erkrankter zu einem bestimmten Zeitpunkt (Punktprävalenz) oder den Anteil innerhalb eines gewissen Zeitraums Kranker oder krank Gewesener (Periodenprävalenz) an --> Sie ist also eine Proportion ("Prozentzahl")
  • Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig ausgewählte Person an einem Stichtag erkrankt ist (Krankheitsstand)
  • Sie kann mit einer Momentaufnahme der Bevölkerung verglichen werden. Sie bestehtalso aus den beiden Komponenten (an einem bestimmten Zeitpunkt bzw. Periode)
    • Bestehende Erkrankung und
    • Bezugsbevölkerung

Periodenprävalenz

= Zahl der Erkrankungen (ohne Mehrfachzählung bei mehreren Erkrankungen einer Person!), die in einem bestimmten Zeitraum auftreten, bezogen auf die Gesamtzahl der Bevölkerung in diesem Zeitraum

  • neue Erkrankung und bereits Kranke

Was ist die Inzidenz? 

  • Die Inzidenz zählt die Neuerkrankungen innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums und setzt sie in Bezug zu den am Anfang dieser Beobachtungsperiode nicht Kranken. Sie kann also ebenfalls als eine Proportion (Prozentzahl, Anteil) ausgedrückt werden, bezieht sich aber implizit immer auf einen bestimmten Zeitraum.
  • Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig ausgewählte Person in einer bestimmten Periode erkrankt (Entstehung der Krankheit).
  • Sie kann mit einem Filmabschnitt verglichen werden, welcher einen bestimmten Beobachtungszeitraum aufnimmt. Inzidenz besteht also immer aus den drei Komponenten:
    • Neuerkrankungen
    • Bezugsbevölkerung
    • Beobachtungszeit
  • Für Messung zwei verschiedene Inzidenzmaße
    • kumulative Inzidenz
    • Inzidenzdichte

Kumulative Inzidenz

CI = Neuerkrankte Personen/Beobachtete Personen

  • Wichtig: Nur Personen, die zu Beginn des Zeitraums nicht erkrankt waren, aber erkranken können.
  • Immer abhängig von Dauer der Zeitraums:
    • Mortalität (=CITod) von Neugeborenen in 115 Jahren = 1!
  • Wertebereich zwischen 0 und 1

Was ist die Inzidenzdichte? 

= Anzahl der Erkrankungsfälle, die in einem bestimmten Zeitraum in einer Bevölkerung auftreten/Summe der Zeiträume, in denen jeder einzelne an der Krankheit erkranken könnte 

  • Bezug nicht auf Anfangsbevölkerung, sondern auf die innerhalb dieser Bevölkerung im Studienverlauf beobachtete Personenzeit (Mehrfachzählung bei mehrfacher Erkrankung einer Person!)
  • Diese Personenzeit beginnt für jede Person mit Eintritt in die Studie und
    läuft entweder bis
    • zum Studienende
    • oder bis zum Verlassen der Studie (Drop out)
    • oder bis zum Auftreten der interessierenden Erkrankung
  • Berücksichtigung von z.B. konkurrierenden Todesursachen, die zu einem frühzeitigen Drop out führen
  • Studienkonzept ist also die sogenannte offene oder dynamische Kohorte (open/dynamic cohort)
  • Beispiel: ID = 6/21 = 0.33 (Wertebereich von 0 bis 1) 

Andere Möglichkeit Inzidenzrate zu berechnen

  • Berechnung des Risikoraums relativ zur Untersuchungsdauer (pro Person!).
  • D.h. für das vorrherige Beispiel ergeben sich folgende Risikozeiträume:1+0.5+0.5+0.5+0.5+0.75+0.25+0.75+0.5+0 = 5.25 --> Somit ergeben sich 5.25 Risikojahre (weil die vier genannten Zeiträume als Quartale betrachtet werden!. Sind die gleichen Zahlen wie oben durch 4 Quartale dividiert)
  • Die Neuerkrankungen bleiben wie oben berechnet. Es geht um Neuerkrankungen und nicht um Zeiträume.
  • Hier ergeben sich dann 6/5.25 = 1.14 Neuerkrankungen pro Jahr und pro Person!
  • Wertebereich: 0 bis unendlich

Zusammenhang zwischen Prävalenz und Inzidenz

  • Veranschaulicht man sich die Menge der Erkrankten als Wassermenge in einem See bzw. Behälter, der sowohl Zu als auch Abfluss besitzt, dann kann man sich vorstellen, dass die Prävalenz (Wassermenge) bei größerer Inzidenzdichte (Zuflussgeschwindigkeit) und längerer Krankheitsdauer (Verweildauer) steigt
  • Sowohl schnelle Genesung (Abfluss) als auch schneller Todeseintritt (Abfluss) führen zu einer kurzen Krankheitsdauer
  • Eine lange Krankheitsdauer hat beispielsweise eine nicht lebensbedrohliche, chronische Erkrankung wie Rheuma
  • bei Fließgleichgewicht: Zu- = Abwanderung: Prävalenz = Inzidenzdichte x Krankheitsdauer

Was ist die Mortalitätsrate? 

= Gesamtzahl der Todesfälle in einem definierten Zeitraum/ mittlere Populationszahl im definierten Zeitraum 

  • es gibt aus spezifische Mortalitätsraten: altersspezifisch, krankheitsspezifisch
  • wichtig ist die Zeitangabe! 
  • Beim Vergleich von Mortalitätsraten muss beachtet werden, dass die Bezugspopulation vergleichbar ist (z.B. gleiche Altersstruktur)
  • Mögliche Erklärungen für Trends der Mortalität:
    • Artefakte: Fehler in Diagnose, Änderungen der Kodierung/Klassifizierung
    • real: Änderung des Überlebens, Änderung der Inzidenz, Änderung der Alterszusammensetzung der Population

Was ist die Letalitätsrate? 

= Zahl der an Krankheit X Verstorbenen in einem def. Zeitraum/ Zahl der an X Erkrankten

  • „Welcher Anteil der Patienten mit Diagnose X stirbt in einem festgelegten Zeitraum nach der Diagnosestellung?“
  • Gradmesser der Schwere einer Krankheit
  • Wertebereich zwischen 0 und 1

Was ist die Sensitivität? 

  • Wie wahrscheinlich ist es, dass wenn jemand krank ist, er durch den Test als krank klassifiziert wird
  • SE = a/(a+c) 

Was ist die Spezifität? 

  • Wie wahrscheinlich ist es, dass wenn jemand gesund ist, er durch den Test als gesund klassifiziert wird
  • SP = d/(b+d)

Beispiele für Konflikt zwischen Sensitivität und Spezifität 

Impfung:

  • Lieber einen zu viel geimpft als eine Epidemie ausgelöst
  • D.h. anzustreben ist hohe Sensitivität bei u.U. niedriger Spezifität

Alkohol / Drogentests (auf der Straße)

  • Es gilt einen massiven Eingriff in die persönlichen Rechte bei einem nüchternen Menschen (d.h. einem Unschuldigen) zu vermeiden
  • D.h. anzustreben ist hohe Spezifität bei u.U. niedriger Sensitivität

Zusammenhang Sensitivität-Spezifität

  • strengeres Kriterium (Husten bei Covid) 
    • Sensitivität sinkt 
    • Spezifität steigt 
    • Wahrscheinlichkeit, dass covid-Erkrankte korrekt als solche identifiziert werden sinkt und Wahrscheinlichkeit, dass Gesunde korrekt als gesund identifiziert werden steigt 
  • weniger strenges Kriterium (Fieber bei Covid) 
    • Sensitivität steigt 
    • Spezifität sinkt 
    • Wahrscheinlichkeit, dass covid-Erkrankte korrekt als solche identifiziert werden steigt und Wahrscheinlichkeit, dass Gesunde korrekt als gesund identifiziert werden sinkt

Zusammenhang zwischen Prävalenz und prädiktivem Wert 

  • Beispiel: Sensitivität von 0.99 und Spezifität von 0.99, Prävalenz 0.1% --> PW: 9% 
  • selbst sehr gute Diagnoseverfahren können bei sehr seltenen Erkrankungen zu gravierenden Fehleinschätzungen führen 
  • Bei NW genau anders herum; wenn Krankheit sehr häufig ist NW auch bei guten Diagnoseverfahren sehr gering 

Was sollte man bei sehr seltenen Krankheiten tun, um den PW zu erhöhen? 

Bei niedriger Prävalenz (normal) bringt eine Steigerung der Spezifität mehr als eine Steigerung der Sensitivität

Erkläre Validität und Reliabilität an einem Beispiel

Was ist eine Kohortenstudie (Längsschnittstudie) und was sind Vor- und Nachteile der Kohortenstudie? 

= Dient dem Vergleich der Inzidenz der Erkrankung (CI oder ID) für Populationen mit unterschiedlicher Exposition

  • prospektiv und quasi-experimentell (weil man die Gruppen nach Merkmal bildet) 

Vorteile

  • Inzidenz kann genau untersucht werden
  • Entwicklungsgeschichte kann genau beschrieben werden

Nachteile 

  • Aufwendig und teuer
  • Zeitintensiv (Induktionszeit bis zur Wirkung der Exposition)
  • Drop outs
  • Nicht geeignet für seltene Erkrankungen

Was ist eine Fall-Kontroll-Studie und was sind Vor- und Nachteile der Fall-Kontroll-Studie? 

= Dient dem Vergleich der Prävalenz der Exposition zwischen Fällen (Kranken) und Kontrollen (Gesunden)

Vorteile

  • Billig
  • Schnell
  • Viele Expositionsfaktoren untersuchbar
  • Auch für seltene Krankheiten geeignet
  • Kein Ausfall über die Zeit

Nachteile 

  • Schwierigkeit bei der Auswahl der Kontrollen (wer ist vergleichbar?)
  • Probleme bei Erfassung der Exposition (Recall Bias)
  • Keine Angaben zu Inzidenzraten und absolutem Risiko

Was ist eine Querschnittstudie und was sind Vor- und Nachteile der Querschnittsstudie

= Dient dem Vergleich der Prävalenz der Erkrankung für Populationen mit unterschiedlicher Exposition

Vorteile 

  • Kurzfristig
  • Billig
  • Auch für seltene Krankheiten
  • Exposition zuverlässig erfassbar
  • Vergleich verschiedener Populationen möglich

Nachteile 

  • Problematisch bei kurzdauernden Krankheiten
  • Nur korrelative Interpretation
  • Keine Angabe zur Inzidenz

Was ist das Ziel der Risikobewertung? 

Beschreibung der Abhängigkeit einer Krankheit von Risikofaktoren

Was ist die Chance? 

= Anzahl Kranke/Anzahl Gesunde

Was ist das Risiko?

= Anzahl Kranke/(Anzahl Kranke+Anzahl Gesunde) 

Was ist das relative Risiko? 

= Risiko, wenn expo./Risiko, wenn nicht expo.

Warum darf ich bei Fall-Kontroll-Studien das RR nicht verwenden? 

  • Weil das Verhältnis der Fälle (a+b) und Kontrollen (c+d) willkürlich vom Untersucher festgelegt wurde! Stattdessen lieber Odds Ratio! 
  • Odds-Ratio ist unabhängig vom Verhältnis von Fällen zu Kontrollen, das RR nicht! 

Was ist das Odds Ratio? 

= Chance, wenn exp./Chance, wenn nicht exp. 

Bei einer sehr geringen Prävalenz ist das Odds Ratio...

...ein guter Schätzer für das Relative Risiko

...umso höher die Prävalenz, umso mehr überschätzt das OR das RR

OR und RR: Wertebereich und Interpretation

  • Wertebereich: 0 bis unendlich
  • Interpretation:< 1: protektiv> 1: risikoerhöhend
  • RR=10: „Durch die Exposition wird das Risiko, zu erkranken, um das 10fache erhöht“
  • OR=10: „Durch die Exposition wird die Chance, zu erkranken, um das 10fache erhöht“ oder „Durch die Exposition wird das Verhältnis von Kranken zu Gesunden um das 10fache erhöht“

OR und RR: Vorteile und Nachteile

Vorteile 

  • Relatives Risiko: Direkte Beschreibung der Risikoerhöhung durch die Exposition, Risiko als relative Häufigkeit (Prozent) gut interpretierbar
  • Odds Ratio: Liefert auch bei Fall Kontroll Studien eine zuverlässige Schätzung des durch die Exposition bedingte Erkrankungsrisikos, vor allem bei seltenen Krankheiten sehr guter Schätzer des Relativen Risikos. Verwendet in logistischer Regression

Nachteile 

  • Relatives Risiko: bei Fall Kontroll Studien nicht anwendbar
  • Odds Ratio: nur Schätzung des Relativen Risikos

Was ist das Simpsonsche Paradox? 

  • OR liegt in der Gesamtpopulation bei 1.8
  • wenn nach Männern und Frauen aufgeteilt --> OR jeweils bei 0.6 
  • Grund: nicht Exposition entscheidend, sondern Geschlecht
  • Ist ein nicht erfasstes Merkmal sowohl mit der Krankheitshäufigkeit, als auch mit der Expositionshäufigkeit korreliert, kommt es zu gravierenden Fehleinschätzungen des Krankheitsrisikos --> Die Kunst ist es, alle wichtigen Einflussfaktoren zu kontrollieren und als Prädiktoren mit in das Modell aufzunehmen

Wie berechnet sich das Attributable Risiko in der Gruppe der Exponierten und wie kann es interpretiert werden? 

= (Inzidenz in exponierter Gruppe - Inzidenz in nicht exponierter Gruppe)/Inzidenz in exponierter Gruppe 

  • Maximal erreichbare Senkung eines Risikos, wenn Exposition vollkommen verhindert wird (Präventionspotential)

Wie berechnet sich das Attributable Risiko in der Gesamtbevölkerung und wie kann es interpretiert werden? 

= (Inzidenz in der Gesamtpopulation - Inzidenz in der nicht exponierten Gruppe)/Inzidenz in der Gesamtbevölkerung