Zivilverfahrensrecht I

Lernkarten Zivilverfahrensrecht I - Lehrmittel Schweizerisches Zivilprozessrecht und Internationales Privat- und Zivilprozessrecht

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Langue Deutsch
Catégorie Droit
Niveau Université
Crée / Actualisé 13.02.2020 / 23.05.2023
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Was bedeutet Dispositionsmaxime und was Offizialmaxime?

DM: Das Gericht darf einer Partei nicht mehr und nichts anderes zusprechen, als sie verlangt, und nicht weniger, als die Gegenpartei anerkannt hat (Art. 58 Abs. 1). Das Gericht ist an die Rechtsbegehren gebunden.

OM: Das Gericht kann einer Partei mehr oder anderes zusprechen, als sie verlangt hat (Art. 58 Abs. 2). Den Parteien ist die Verfügung über den Streitgegenstand entzogen. Das Gericht ist nicht an die Rechtsbegehren gebunden.

Was bedeutet Verhandlungsmaxime und was Untersuchungsmaxime?

VM: Die Parteien haben strittige Tatsachen darzulegen und die Beweismittel anzugeben (Art. 55 Abs. 1). Wird durch die gerichtliche Fragepflicht gemildert.

UM: Das Gericht wirkt bei der Stoffsammlung mit (Art. 55 Abs. 2). Die uneingeschränkte UM gilt nur in Kinderbelangen. Eingeschränkte in vielen vereinfachten oder summarischen Verfahren. Parteien müssen trotzdem mitwirken.

Was besagt die Eventualmaxime?

Regelt, bis zu welchem Zeitpunkt die Rechtsbegehren, Tatsachenbehauptungen und Beweismittel einzubringen sind. Der Grundsatz besagt, dass die Parteien alle Angriffs- und Verteidigungsmittel früh und konzentriert in dem jeweiligen Verfahrensabschnitt vorbringen müssen.

Bis wann können neue Tatsachen und Beweise im ordentlichen Verfahren und bis wann im Berufungs- und im Beschwerdeverfahren eingebracht werden?

Sowohl echte als auch unechte Noven können bis vor der Hauptverhandlung vorgebracht weden (Art. 229 Abs. 1).

Wenn die Untersuchungsmaxime gilt, können sie bis zur Urteilsberatung geltend gemacht werden (Art. 229 Abs. 3).

Im Berufungsverfahren können sie nur eingereicht werden, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden und nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten (Art. 317 Abs. 1)

Im Beschwerdeverfahren sind neue Tatsachen und Beweise ausgeschlossen (Art. 326 Abs. 1)

Was bedeutet der Grundsatz von Treu und Glauben?

Die Parteien und das Gericht sollen sich redlich verhalten (keine Tricks, Täuschungen, unfaires Verhalten etc.). Die "Goldene Regel" soll eingehalten werden. Eine Verletzung des Gebots hat primär prozessuale Nachteile zur Folge.

Umfasst auch das Beschleunigungsgebot (zusammen mit rechtlichem Gehör; Art. 29 Abs. 1 BV).

Wie können prozessleitende Verfügungen angefochten werden?

Beschwerde (Art. 319 Bst. b)

Wann greift die Zustellfiktion?

Art. 138 Abs. 3 Bst. a: wenn ein rechtshängiges Verfahren vorliegt. Das ist zu bejahen, wenn die Person mit der Zustellung rechnen musste.

Was für Folgen hat der Stillstand der Fristen?

Art. 145 + 146 = Gerichtsferien. Gesetzliche und gerichtliche Fristen stehen still. Es finden keine Gerichtsverhandlungen statt. Gerichtsurkunden können aber zugestellt werden. Wenn sie eine Frist auslösen, läuft diese erst ab dem ersten Tag nach Ende des Stillstands.

Ausnahmen bestehen für das Schlichtungsverfahren und das summarische Verfahren, Gericht muss darauf hinweisen (Art. 145 Abs. 2)

Was bedeuten Haupt- und Gegenbeweis?

Die Partei, die die Beweislast trägt, hat den Hauptbeweis zu erbringen. Die Gegenpartei kann einen Gegenbeweis erbringen. Dieser muss nur Zweifel an der Richtigkeit des Hauptbeweises begründen.

Was bedeutet antizipierte Beweiswürdigung?

Wenn das Gericht schon vor der Beweisführung von einer Tatsache überzeugt ist und sich damit die Beweisführung erübrigt, wird das Recht auf Beweis abgesprochen.

Welche Abwägung ist bei der Berücksichtigung von rechtswidrig erlangten Beweisen vorzunehmen?

Eine Abwägung zwischen dem Interesse des Rechtsgutes, das bei der Beweisbeschaffung verletzt wurde, und dem Interesse an der Beweisführung.

Wer trägt die Beweislast über die Echtheit einer öffentlichen Urkunde?

Die Richtigkeit wird gesetzlich vermutet (Art. 179). Deshalb kann die Gegenpartei nur den Beweis des Gegenteils erbringen.

Was ist der Unterschied zwischen der Parteibefragung und der Beweisaussage?

Parteibefragung: man wird nur zur Wahrheit ermahnt und höchstens disziplinarisch bestraft.

Beweisaussage: erfolgt unter Ermahnung zur Wahrheit und Androhung einer Bestrafung nach Art. 306 StGB (Art. 192).

Es liegt im Ermessen des Gerichts, welche Variante es wählt. Auch beide sind möglich.

Wann wird die Frage nach der Beweislastverteilung aktuell?

Erst, wenn eine Tatsache beweislos geblieben ist. Es gilt Art. 8 ZGB.

In welchen Fällen kann ein Kostenvorschuss verlangt werden?

- für Gerichtskosten (Art. 98)

- Sicherheit für die Parteientschädigung (Art. 99)

- Vorschuss für Beweiserhebungen (Art. 102); gilt aber nicht bei Untersuchungsmaxime

 

Wann gilt eine Sache in der Regel als bewiesen?

Wenn das Gericht nach objektiven Gesichtspunkten von der Richtigkeit einer Sachbehauptung überzeug ist und ihm allfällige Zweifel als unerheblich erscheinen.

Wann kommt die vorsorgliche Beweisführung zum Tragen?

Wenn eine Notwendigkeit besteht, insbesondere dannn, wenn die Sache dringlich ist oder Gefahr in Verzug ist. Ein schutzwürdiges Interesse ist z.B. die Abklärung der Beweis- und Prozessaussichten, um unnötige Prozesse zu vermeiden.

Der Gesuchssteller trägt die Kosten (Art. 107 Abs. 1 Bst. f).

Was kommt als Vollstreckungstitel in Frage?

- Entscheide schweizerischer Gerichte (inkl. vorsorgliche Massnahmen;

- Entscheide einer Schlichtungsbehörde nach Art. 212 Abs. 1;

- Urteilsvorschläge einer Schlichtungsbehörde (Art. 211 Abs. 1);

- Urteilssurrogate

- vollstreckbare öffentliche Urkunden nach Art. 347 ff.

- Schiedssprüche

- ausländische Entscheide nach IPRG oder LugÜ

Was kann gegen eine Vollstreckung eingewendet werden?

nur materiellrechtliche Einreden (Art. 55 Abs. 1). Es kann nur eingewendet werden, dass seit Eröffnung des Entscheids Tatsachen eingetreten sind, welche der Vollstreckung entgegenstehen (Tilgung, Stundung, Verjährung, Verwirkung der geschuldeten Leistung). Dies ist mit Urkunden zu beweisen (Art. 341 Abs. 3).

Welches sind ordentliche (= aufschiebende Wirkung) und welches ausserordentliche (= keine aufschiebende Wirkung) Rechtsmittel der ZPO bzw. des BGG?

Ordentlich: Berufung

Ausserordentlich: Beschwerde, Revision, subsidiäre Verfassungsbeschwerde

Doppelnatur: Beschwerde in Zivilsachen: Bei Gestaltungsurteilen ordentliches RM, sonst ausserordentliches RM

Welches sind vollkommene und welches unvollkommene Rechtsmittel der ZPO bzw. des BGG?

Vollkommen (= Rechtsanwendung und Sachverhaltsfeststellung werden überprüft): Berufung.

Unvollkommen (= beschränkte Überprüfung): Beschwerde, Beschwerde in Zivilsachen.

Eintretensvoraussetzungen im Rechtsmittelverfahren

- Schriftliche Begründung des Entscheids verlangen (Art. 239 Abs. 2)

- Rechtsschutzinteresse (= materielle Beschwer; Art. 59 Abs. 2 Bst. a). Liegt vor, wenn der Entscheid die rechtsmittelführende Partei in ihrer Rechtsstellung trifft, d.h. in seinen rechtlichen Wirkungen nachteilig ist.

- allg. Prozessvoraussetzungen (Art. 59)

- Legitimation

- Form und Inhalt

Berufungsgründe

- unrichtige Rechtsanwendung (Art. 310 Bst. a), umfasst auch die unrichtige Ausübung des Ermessens und die Überprüfung der blossen Angemessenheit.

- unrichtige Feststellung des Sachverhalts (Bst. b), liegt vor, wenn einem Entscheid falsche bzw. aktenwidrige Tatsachen zugrunde gelegt oder Beweismittel unzutreffend gewürdigt wurden. Kann nur korrigiert werden, wenn die Parteien dies geltend machen.

Beschwerdegründe

- unrichtige Rechtsanwendung (Art. 320 Bst. a)

- offensichtliche Unrichtigkeit (= Willkür) der Sachverhaltsfeststellung (Art. 320 Bst. b)

Wann liegt Schiedsfähigkeit in Binnensachverhalten vor?

Wenn die Pateien den Rechtsstreit auch durch einen aussergerichtlichen Vergleich erleidgen könnten. Keine freie Verfügbarkeit liegt in Fällen der Offizialmaxime vor.

Wie findet man die örtliche Zuständigkeit in internationalen Sachverhalten heraus?

Zuerst prüfen, ob Staatsvertrag (v.a. LugÜ) vorliegt. Wenn ja, dort suchen. Wenn dieser nur die internationale Zuständigkeit (z.B. Schweiz) vorgibt, ist das IPRG zu konsultieren. Dort findet man die genaue Zuständigkeit (z.B. Bern). Für die sachliche Zuständigkeit ist sodann die ZPO anwendbar.

Was für einen Entscheid fällt das Gericht, wenn eine Prozessvoraussetzung nicht vorliegt?

Nichteintretensentscheid

Wie lange können im ordentlichen Verfahren neue Tatsachen oder Beweismittel eingebracht werden?

Uneingeschränkt bis zum Aktenschluss, d.h. maximal für je zwei Vorträge (z.B. zweiter Schriftenwechsel und Hauptverhandlung oder Klageantwort und Insturktionsverhandlung).

Nach dem Aktenschluss können Noven nur noch beschränkt vorgebracht werden (Art. 229)

Was bedeutet die Editionspflicht und was hat sie für Auswirkungen, wenn sie nicht befolgt wird?

Herausgabepflicht einer Urkunde durch die Gegenpartei oder einen Dritten. Wenn die Urkunde von der Gegenpartei nicht herausgegeben wird, wird die Vermutung begründet, dass die Tatsachenbehauptungen der Gegenpartei wahr sind. Ein Dritter wird hingegen nur Schadenersatzpflichtig.

Wie können die Parteien nach einem Vollstreckungsverfahren, das für sie negativ ausgefallen ist, vorgehen?

- beide: Entscheid kann nach Art. 319 Bst. a i.V.m. Art. 309 Bst. a ZPO innert 10 Tagen mit Beschwerde angefochten werden.

- Schuldner: auch Feststellungsklage auf Nichtbestehen der Forderung oder, wenn schon vollstreckt wurde, Klage auf Rückleistung möglich

- Gläubiger: auch Leistungsklage möglich