Störungsbilder der Psychiatrie - Heilpraktikerwissen
Alle psychischen Störungen mit Ursachen, Symptomen, Diagnostik, Verlauf, Differenzialdiagnosen und Therapie
Alle psychischen Störungen mit Ursachen, Symptomen, Diagnostik, Verlauf, Differenzialdiagnosen und Therapie
Kartei Details
Karten | 421 |
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Sprache | Deutsch |
Kategorie | Psychologie |
Stufe | Berufslehre |
Erstellt / Aktualisiert | 15.01.2020 / 02.07.2024 |
Weblink |
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Burnout-Syndrom Z 73.0
Ursachen
-vielfältige Entstehungsfaktoren, oft zusätzlich zu privaten Problemen
- chronische Überlastungen durch:
- Diskrepanzen zwischen individuellerLeistungsfähigkeit und gestellten Arbeitsanforderungen
- Zeitdruck und dauernde Anspannung
- wenig Anerkennung für erbrachte Leistung
- wenig Unterstützung im dirketen Arbeitsumfeld
- übermäßig lange Arbeitszeiten
- prämorbide Persönlichkeitseigenschaften:
- hochmotiviert, engagiert, idealistisch
- verantwortungsbewusst
- perfektionistisch
- empathisch, mit Schwierigkeiten, professionelle Distanz einzunehmen
- selbstüberschätzend mit Omnipotenzfantasien
- Probleme bei der Abgabeund Übertragung von Aufgaben auf andere
Burnout-Syndrom Z 73.0
Symptome
- gleichen denen einer Depression
- körperlich:
- Rückenschmerzen, Kopfschmerzen
- Übelkeit, Verdauungsschmerzen, Appetitverlust
- chronische Müdigkeit, Schlafstörungen
- Herz- und Kreislaufbeschwerden, Schwindel
- sexuelle Beschwerden
- verringerte körperliche Leistungsfähigkeit
- psychisch:
- Angst und depressive Verstimmung
- Insuffizienzgefühle
- emotionale Erschöpfung
- Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit
- Verlust von Interessen
- Schuldgefühle
- Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten
- verlangsamtes Denken
- Nervosität, Gereiztheit
- aggressive Impulse, Ungeduld, unbeherrschte Ausbrüche
Burnout-Syndrom Z 73.0
Folgen und Therapie
- oft sozialer Rückzug
- Kommunikation mit den Menschen im Umfeld ändert sich
- evtl. erhöhter Alkohol- und Drogenkonsum
- Interesse an privaten Aktivitäten nimmt ab, dadurch kein Ausgleich mehr vorhanden
- Gleichgültigkeit, Pessimismus und Apathie
- frustrierte Zyniker
- Therapie:
- Herausarbeiten persönlicher Stressfaktoren
- Erarbeitung neuer Wege für besseren Umgang oder Vermeidung
- Organisation sozialer Unterstützung
- Förderung des veratnwortungsbewussten Umgangs mit sich selbst
- Erlernen von Entspannungsmethoden
- körperliche Aktivierung
Dissoziative Störungen F44 (Konversionsstörungen)
Ursachen
- psychodynamische Theorie:
- unerfüllte Triebwünsche und verdrängte, unbewusste Konflikte zeigen sich in Form körperlicher Symptome
- diese haben deutlichen Symbolcharakter
- Konversoinsymptome haben Appellcharakter und zielen auf Entlastung von äußeren und inneren Konflikten ab
- durch Ausdruck in Symbolform durch Körper wird Psyche entlastet
- verdrängte Triebe erfahren dadurch gewisse Befriedigung --> primärer Krankheitsgewinn
- durch reaktion der Umwelt mit Schonung, Rücksicht oder Berentung --> sekundärer Krankheitsgewinn
- letzterer wirkt sich aber verstärkend auf Krankheit aus
- lerhteoretische Aspekte:
- Bewegungen, die oft Ursprung in primitiven Bewegungsmustern haben, in belastenden Situationen verstärkt und werden als entlastend empfunden
- dieser Krankheitsgewinn verstärkt Verhaltensweise
- Symptome sind in Kindheit erlerntes Schutzverhalten in traumatischen Situationen
- Schutz durch eine Art Selbsthypnose
- Modellernen an nahem Angehörigen könnte auch Rolle spielen
- neurobiologische Faktoren:
- Veränderungen im Neurotransmittersystem und Auffälligkeiten im vorderen Teil des Frontallappens, sowie im limbischen System und im Thalamus
- zentrale Informationsverarbeitung scheint verändert zu sein
Dissoziative Störungen F44 (Konversionsstörungen)
Dissoziative Amnesie 44.0
- Erinnerungsverlust an wichtige, oft traumatische, kurz zurückliegende Ereignisse
- Amnesie kann bestimmten Zeitabschnitt (lokalisierte Amnesie) oder bestimmte Inhalte (selektive Amnesie) betreffen
- tritt meist plötzlich auf und endet ebenso plötzlich
- insgesamt selten, aber gehäuft in Kriegszeiten und bei Naturkatastrophen
- am häufigsten junge Erwachsene betroffen
Diagnostische Leitlinien:
- partielle oder vollständige Amnesie für kürzlich traumatisierende oder belastende Ereignisse (oft nur durch Fremdanamnese bekannt)
- Fehlen von hirnorganischen Störungen, Intoxikation oder extremer Erschöpfung
Dissoziative Störungen F44 (Konversionsstörungen)
Dissoziative Fugue 44.1
- zielgerichtete Ortsveränderung von zu Hause oder vom Arbeitsplatz fort
- Person verhält sich geordnet
- alle Kennzeichen einer diss. Amnesie vorhanden
- in einigen Fällen wird neue Identität angenommen, manchmal nur für wenige Tage, manchmal für lange und auch vollständig
- für die Zeit der Fugue besteht Amnesie, Verhalten kann trotzdem völlig normal wirken
Diagnostische Leitlinien:
- dissoziative Amnesie vorhanden
- zielgerichtete Ortsveränderung über normalen Aktionsbereich hinaus
- Aufrechterhaltung der einfachen Selbstversorgung und einfacher sozialer Interaktionen mit Fremden
Dissoziative Störungen F44 (Konversionsstörungen)
Dissoziativer Stupor 44.2
- beträchtliche Verringerung oder Fehlen willkürlicher Bewegungen und normaler Reaktionen auf äußere Reize wie Licht, Geräusche oder Berührung
- Patient sitzt oder liegt lange Zeit regungslos
- Sprache und spontane oder gezielte Bewegung fehlen oder kaum wahrnehmbar
- körperliche Anzeichen wie Atmung, Muskeltonus, Haltung, gelegentliches Öffnen der Augen zeigen, dass Patient weder bewusstlos noch schlafend
Diagnostische Leitlinien:
- Stupor
- Fehlen körperlicher oder spezifischer psychiatrischer Störungen, die Stupor erklären könnten
- kurz vorhergegangenes belastendes Ereignis oder gegenwärtige Probleme
Dissoziative Störungen F44 (Konversionsstörungen)
Trance und Besessenheitszustände 44.3
- zeitweiliger Verlust der Identität und der vollständigen Wahrnehmung der Umgebung
- in einigen Fällen verhält ich Person, als wäre sie von anderer Perönlichkeit, Gottheit, Geist oder Kraft beherrscht
- Aufmerksamkeit und Bewusstsein evtl. nur auf 1 -2 Aspekte der Umgebung begrenzt
- häufig eingeschränkte, aber wiederholte Folge von Bewegungen, Stellungen oder Äußerungen
- nur Trancezustände einbeziehen, die unfreiwillig und ungewollt sind, sich innerhalb alltäglicher Aktivitäten abspielen (also außerhalb religiöser oder anderer kulturell bedingter und akzeptierter Situationen oder im Anschluss daran)
- keine Trancezustände von schizophrenen oder akuten Psychosen mit Halluzinationen oder Wahn oder im Rahmen multipler Persönlichkeit
- auch nicht verwenden, wenn Trance durch körperliche Krankheit oder Intoxikation (Drogen) entsteht
Dissoziative Störungen F44 (Konversionsstörungen)
Dissoziative Bewegungsstörungen 44.4
- vollständiger oder teilweise Verlust der Bewegungsfähigkeit eines oder mehrerer Körperglieder
- Lähmung kann partiell, mit schwachen oder langsamen Bewegungen oder vollständig sein
- Unterschiedliche Formen und Grade besonders in den Beinen (bizarrer Gang, Unfähigkeit, ohne Hilfe zu stehen = Astasie, oder zu gehen = Abasie)
- auch übertriebenes Zittern oder Schütteln einer oder mehrerer Extremitäten bzw. des ganzen Körpers möglich
Diagnostische Leitlinien:
- Körperliche Erkrankung als Ursache ausgeschlossen
- hinreichend viele Kenntnisse über psychologischen und sozialen Hintergrund und die Beziehungen des Patienten , damit überzeugende Erklärung für Auftreten der Erkrankung möglich
Dissoziative Störungen F44 (Konversionsstörungen)
Dissoziative Krampfanfälle 44.4
- können epileptischen Anfällen sehr ähneln, jedoch ist Zungenbiss, schwere Verletzungen beim Sturz oder Unrininkontinenz sehr selten uns statt Bewusstseinsverlust eher stupor- oder tranceähnlicher Zustand
Diagnostische Leitlinien:
- Körperliche Erkrankung als Ursache ausgeschlossen
- hinreichend viele Kenntnisse über psychologischen und sozialen Hintergrund und die Beziehungen des Patienten , damit überzeugende Erklärung für Auftreten der Erkrankung möglich
Dissoziative Störungen F44 (Konversionsstörungen)
Dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen 44.6
- beklagte Hautareale entsprechen nicht unbedingt medizinischem Wissen sondern eher der Vorstellung des Patienten
- können Verluste verschiedener sensorischer Modalitäten angegeben werden, die nicht Folge von neuronalen Läsionen sind
- Klagen über Parästhesien möglich
- vollständiger Visusverlust (Sehverlust) selten, eher Sehstörungen bei Sehschärfe, Verschwommensehen, Tunnelsehen
- trotz Sehprobleme motorische Fähigkeiten des Patienten oft überraschend gut
- dissoziative Taubheit und Anosmie (Verlust Geruchssinn) viel seltener als Empfindungs- und Sehstörungen
Diagnostische Leitlinien:
- Körperliche Erkrankung als Ursache ausgeschlossen
- hinreichend viele Kenntnisse über psychologischen und sozialen Hintergrund und die Beziehungen des Patienten , damit überzeugende Erklärung für Auftreten der Erkrankung möglich
Dissoziative Störungen F44 (Konversionsstörungen)
Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen), gemischt 44.7
- Kombinationen zwischen F44.0 - F44.6
Diagnostische Leitlinien:
- Körperliche Erkrankung als Ursache ausgeschlossen
- hinreichend viele Kenntnisse über psychologischen und sozialen Hintergrund und die Beziehungen des Patienten , damit überzeugende Erklärung für Auftreten der Erkrankung möglich
Dissoziative Störungen F44 (Konversionsstörungen)
sonstige dissoziative Störungen (Konversionsstörungen) F44.8
- F44.80 Ganser-Syndrom:
- falsche Antworten auf intellektuell richtig erfasste Fragen (Vorbeireden)
- zusätzlich dissoziative Symptome wie dissoziative Fugue, dissoziative Amnesie oder Konversionsstörung
- das Handeln des Betroffenen erfolgt teilweise bewusst und teilweise unbewusst.
- Differenzialdiagnostisch ist die Abgrenzung zur Simulation, aber auch zur Demenz, schizophrenen Epidose und transienten globale Amnesie schwierig – dennoch gilt das Ganser-Syndrom heutzutage als Krankheitsentität. Dafür spricht, dass die Symptome in der Regel binnen einiger Tage in den Hintergrund treten und danach vom Betroffenen auch nicht mehr erinnert werden.
- F44.81 multiple Persönlichkeitsstörung
- selten, nicht klar, ob durch ärztliche Einwirkung entstanden oder kulturspezifisch
- grundlegendes Merkmal: offensichtliches oder Scheinbares Vorhandesein von 2 oder mehr verschiedenen Persönlichkeiten bei einem Individuum
- aber jeweils nur eine sichtbar
- jede Persönlichkeit ist vollständig mit eigenen Erinnerungen, Verhaltensweisen und Vorlieben, können miteinander im Kontrast stehen
- häufigste Form: 2 Persönlichkeiten, eine von beiden dominant, keine hat Zugang zu Erinnerungen der anderen, sind sich der Existenz der anderen Persönlichkeit fast nie bewusst, Wechsel von einer zur anderen P. beim ersten Mal meist plötzlich und eng mit traumatischen Erlebnissen verbunden, spätere Wechsel oft begrenzt auf dramatische oder belastende Ereignisse oder in Therapiesitzungen, wenn Hypnose oder Entspannungstechnik oder Technik zum Abreagieren angewendet wird
Dissoziative Störungen F44 (Konversionsstörungen)
Verlauf
- treten meist plötzlich auf und in engem zeitlichen Zusammenhang mit psychisch belastenden Situationen
- Symptome verschwinden häufig spontan oder durch Veränderungen der Lebensbedingungen nach einigen Wochen oder Monaten
- selten chronisch
- Symptome, die länger als 2 Jahre bestehen, können durch Therpie kaum noch beeinflusst werden
- bei motorischen Störungen Gefahr bleibender Fehlhaltungen und Kontrakturen
Dissoziative Störungen F44 (Konversionsstörungen)
Differenzialdiagnostik
- organische und neurologische Erkrankungen
- organische Ursachen oder Auswirkungen von Drogen- oder Alkoholgebrauch oder Schädelverletzungen (bei Amnesie beachten)
- Stupor bei Schizophrenie oder Depression (bei dissoziativem Stupor)
- diss. Trancezustände dur diagnostizieren, wenn nicht durch Psychose, organische Hirnerkrankungen, psychotrope Substanzen oder multiple Persönlichkeit ausgelöst
- Simulationen (bei Gutachten beachten)
Dissoziative Störungen F44 (Konversionsstörungen)
Therapie
- Tiefenpsychologische Therapie:
- Terapeut darf bei Patient nicht Eindruck erwecken, Symptome wären eingebildet
- Einsicht in seelische Entstehung der Erkrankung geben
- bei fortgeschrittener Therapie vorsichtige Aufhebung der Verdrängung und Deutung der Syptomatik
- bei multipler Persönlichkeit: versucht, verschiedene Persönlichkeitsanteile zu integrieren und kooperieren zu lassen
- Entspannungsverfahren
- Hypnotherapie nach Erickson
- bei schwerem Trauma: traumatherapeutische Verfahren, z.B. EMDR
- Psychopharmaka: nur bei begründeten Fälle Anxiolytika oder Antidepressiva
Somatoforme Störungen F45
Ursachen
- Lerntheoretische Aspekte: lernen am Modell, erlerntes Verhalten, erlernter, immer wiederkehrender Kreislauf ( Patient nimmt etwas am Körper wahr, was ihm unnormal erscheint, es entsteht Unruhe und Angst, was weitere Körperreaktionen hervorruft, die wiederum wahrgenommen werden)
- Psychodynamische Theorie: primärer (innere psych. Belastungen durch Körperreaktionen zum Ausdruck gebracht, dadurch Entlastung von Unruhe und Angst) und sekundärer Krankheitsgewinn (Versändnis, Hilfe und Unterstützung aus Umfeld)
- seelische, als auch körperliche chronische Überforderung
- psychosozialer Stress
- angelegte oder erworbene Organschwäche im Sinne des schwächsten Glied in der Kette
- stark verminderte Fähigkeit, Gefühle wahrzunehmen und angemessen auszudrücken
- selbstunsichere Persönlichkeitstrukturen
Somatoforme Störungen F45
Somatisierungsstörung F45.0
-charakteristisch sind vielfältige, wechselnde Beschwerdebilder, die seit mind. 2 Jahren bestehen und verscheidene Organsysteme betreffen
- viele ergebnislose Untersuchungen und Behandlungen
- Depression und Angst kann entstehen
- bei medikamentöser Behandlung Medikamentmissbrauch möglich
- Störung fast nur bei Frauen
- Organsysteme, die betroffen sein können:
- Verdauungstrakt (Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Unverträglichkeit von Speisen und Blähungen)
- Herz-Kreislauf (Brustschmerzen, Herzklopfen, Schwindel, Benommenheit)
- Urogenitalsystem (Schmerzen beim Wasser lassen oder beim Geschlechtsverkehr, menstruelle Störungen, unangenehme Empfindungen im Genitalbereich, ungewöhnlicher oder starker Ausfluss)
- Weitere Symptome (Taubheit, Kribbeln, Jucken, Brennen der Haut, Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit
Diagnostische Leitlinien:
- mind. 2 Jahre anhaltende multiple und unterscheidliche körperliche Symptome für die keine somatische Erklärung gefunden wurde
- hartnäckige Weigerung, den Rat oder die Versicherung mehrerer Ärzte anzunehmen, dass es keine körperliche Erklärung dafür gibt
- gewisser Grad an Beeinträchtigung sozialer und familiärer Funktionen durch Art der Symptome und daraus resultierendes Verhalten
F5 - Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren
F50 Essstörungen
F51 Nichtorganische Schlafstörungen
F52 Sexuelle Funktionsstörungen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit
F53 Psychische und Verhaltensstörung im Wochenbett, andernorts nicht klassifiziert
F54 Psychische Faktoren und Verhaltenseinflüsse bei andernorts klassifizierten Krankheiten
F55 Schädlicher Gebrauch von nicht abhängigkeitserzeugenden Substanzen
F59 Nicht näher bezeichnete Verhaltensauffälligkeit mit körperlichen Störungen und Faktoren
F50 - Essstörungen
F50.0 Anorexia nervosa
F50.1 Atypische Anorexia nervosa
F50.2 Bulimia nervosa
F50.3 Atypische Bulimia nervosa
F50.4 Essattacken bei anderen psychischen Störungen
F50.5 Erbrechen bei anderen psychischen Störungen
F50.8 Andere Essstörungen
F50.9 Nicht näher bezeichnete Essstörung
F50 Essstörungen - Allgemeines
- Aufnahme zu großer oder zu geringer Nahrungsmengen
- häufig beide Extreme bei einem Patienten vorhanden
- eine Esstörung kann aus einer anderen hervorgehen
- in ICD-10 Adipositas aufgrund seelischer Faktoren nicht als Krankheit aufgeführt
- Binge Eating unter F50.4 aufgeführt
- Fütterungs- und Essstörungen bei Babies und Kleinkindern unter Störungen des Kindes- und Jugendalters klassifiziert
F50.0 Anorexia nervosa - Definition und Allgemeines
- selbstverursachtes, deutliches Untergewicht verbunden mit der übersteigerten Idee, trotz Untergewicht zu dick zu sein
- meist mit Ausbleiben der Regelblutung
- auch als Magersucht oder Anorexie bezeichnet
- zu 90% Mädchen und junge Frauen betroffen
- ca. 1% aller Mädchen betroffen
- Ausbruch meist in Pubertät, Durchschnittsalter: 16 und 17 Jahre
- Patientinnen meist sehr leistungsorientiert und überdurchschnittlich gute Schülerinnen
- Zahl der Krankheitsfälle scheint zuzunehmen
- F50.00 restriktive Form: Gewichtskontrolle durch überdisziplinierte Essensbeschränkung
- F50.01 Form mit aktiven Maßnahmen zur Gewichtsabnahme: Erbrechen, Abführen, u.U. begleitet von Heißhungerattacken
Anorexia nervosa - Ursachen
- multifaktoriell
- Soziokulturelle Faktoren: Schönheitsideal, Betonung von Schlanksein und Fitness, auslösende Faktoren sind oft partnerschaftlich-sexuelle Konflikte und Trennungssituationen im Elternhaus
- gestörte Beziehungen zu nahen Familienmitgliedern: oft Bindung zwischen Mutter und Tochter, Verweigerung der Nahrung wird mit Abkehr von Mutter gleichgesetzt, oft sehr dominante Mütter, wissenschaftlich aber diese Ursache nicht bewiesen
- Schwierigkeiten mit der weiblichen Geschlechterrolle: Probleme mit körperlichen Veränderungen, durch Gewichtsabnahme vertuscht, oft auch Regelblutung deutlich eher als bei anderen Mädchen
- Genetische Faktoren: Zwillingsforschung belegt erbliche Komponente
- hoher Stellenwert von Leistung in der Ursprungsfamilie: Leistung und Äußerlichkeiten in Familie sehr wichtig, starke Gewichtsabnahme ist ja auch emorme Willensleistung
Anorexia nervosa - Symptome
nach ICD-10 müssen alle folgenden Kriterien zutreffen:
- unter der Norm liegendes Körpergewicht: mind. 15% unter Norm oder QUETELET-Index (Gewicht durch quadrierte Körpergröße) bei 17,5 (durchschnittliche Gewichtsabnahme beträgt 45% des Normgewichts, bei Gewicht unter 35 kg akute Lebensgefahr!!!) oder BMI bei Erwachsenen von 17,5 und darunterSelbstwerursachte
- Gewichtsabnahme: drastische Maßnahmen zur Vermeidung von Gewichtszunahme oder zur Gewichtsreduktion, a) kalorienhaltige Speisen werden gemieden, b) willentliches Herbeiführen von Erbrechen, c) Missbrauch von Abführmitteln, d) übertriebene körperliche Aktivitäten, e) Gebrauch von Appetitzüglern und oder Diuretika (Fasten, Essensrituale z.B. Puppengeschirr, extrem langsam essen)
- Störung des Körperschemas: übersteigerte Angst, zu dick zu werden oder zu sein, kein Bezug zur Realität, extrem niedriges Zielgewicht angestrebt, kann sich auch auf bestimmte Körperpartien beziehen, abgemagerte Patientin nimmt sich als dick wahr, Wahrnehmungsverzerrung von außen nicht korrigierbar
- Ausbleiben der Regelblutung (Amenorrhö): Regelblutungen bleiben bei etw 47kg Gewicht aus, bei Männern hormonelle Störungen mit Libido- und Potenzverlust, auch vorliegen können: erhöhter Wachstumshormon- und Kortisolspiegel, Änderung der peripheren Metabolismus von Schilddrüsenhormonen und Störungen der Insulinsekretion
- beginnt Krankheit in Pubertät, dann oft Verzögerung der pubertären Entwicklung
- ansonsten: ständige Gewichtskontrolle: mehrfach tägliches Wiegen
- starke körperliche Aktivität: Sport oft mehrere Stunden am Tag
- weitere hormonelle Folgesymptome: Regulation einiger Hormone kann gestört sein: Wachstunshormon, Insulin, Kortisol, Schilddrüsenhrmone, Hypothalamus-Hypophysen-Hormone, Sexualhormone, oft keine Krankheitseinsicht, bei längerem Bestehen der Krankheit körperliche Folgesymptome: Schwellung der Ohrspeicheldrüse, Unterfunktion der Schilddrüse, Osteoporose, verzögerte körperliche Entwicklung, Hautveränderungen, Verstopfung, verlangsamter Herzschlag, Entgleisungen im Bereich der Elektrolyte
Anorexia nervosa - Verlauf
- etwa 25% der Patientinnen werden nach ca 10 Jahren als geheilt angesehen
- etw die Hälfte hat sich nach 10 Jahren stabilisiert und kann mit Störung leben
- 10 - 20% der einmal stationär augenommenen Patientinnen versterben innerhalb von 10 - 20 Jahren durch Suizid oder Unterernährung
Anorexia nervosa - Diagnostik
- ausführliches Gespräch ist zentral
- Patientinnen und Eltern getrennt voneinander interviewt
- wegen fehlender Krankheitseinsicht können Angaben der Patientinnen nicht als zuverlässlich gesehen werden
- bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, Gewichts- und Wachstumskurven betrachtet
- weitere Themen, die erfragt werden:
- Essverhalten: Zusammensetzung der Mahlzeiten, Einhalten von Essenszeiten, Essen allein oder mit anderen, Essensituale, Täuschungsmanöver gegenübern anderen, Diäten, Missbrauch von Abführmitteln oder anderen Medikamenten
- Entwicklung des Gewichts, subjektives Zielgewicht, gewichtsreduzierende Maßnahmen
- Beziehung zum Körper, Wahrnehmung des Körpers
- Sexualität
- soziale Beziehungen
- körperliche Aktivität
- Menstruation
- ärztliche Diagnostik gilt den Folgen der Mangelernährung (Haarausfall, Lanugobehaarung, Laboruntersuchungen, Hormonstatus, EKG, seelische Probleme
Anorexia nervosa - Differentialdiagnosen
- bei grenzwertigen BMI kann Unterscheidung zur Bulimie unklar sein
- Bulimie: eher Normalgewicht, beide Störungen können Essanfällt und willentliches Erbrechen aufweisen
- Organische Störungen: organisch bedingtes Untergewicht (z.B. Erkrankungen des Verdauungstraktes, Krebs, AIDS), Patienten streben aber kein Untergewicht an
- Depression: Symptome einer Depression suínd zusätzlich zu diagnostizieren
- Zwangsstörungen: diese zusätzliche Diagnose nur, wenn sich Zwänge noch auf andere Bereiche als auf Ernährung beziehen
Anorexia nervosa - Therapie
- multimodale Modelle haben sich durchgesetzt
- Gruppentherapien mit Einzelgesprächen kombiniert
- stationäre Therapie bei kritischem Untergewicht, körperlichen Komplikationen und schwerwiegenden seelischen Störungen (Psychosen, Suizidalität, Selbstschädigung), nach stationär sollte ambulant fortgeführt werden
- erste und vorrangige Therapiemaßnahme: Stabilisierung des Gewichts, in Extremfall per Magensonde oder Infusion
- Ernährungsprotokoll: genaue Dokumentation von Zeitpunkt, Menge und Zusammensetzung der Nahrung, Mahlzeiten in Gegenwart anderer, in schweren Fällen auch Kontrolle der Nahrungsaufnahme
- Regelmäßige Gewichtskontrolle: 1 - 2x Wiegen pro Woche mit Kontrollperson anwesend, häufiges Täuschungsmanöver: Trinken großer Wassermengen ( dann Messen des Harngewichts)
- Kognitive Verhaltenstherapie: Überprüfung negativer Kognitionen, Training sozialer Kompetenzen
- Körperwahrnehmungstraining: Bioenergetik, Feldenkrais, Yoga, Übungen mit Leistungcharakter sind kontraindiziert!
- Kreative Therapie
- Familientherapie
- bei der Behandlung der Störung musss immer ein Arzt beteiligt sein!
Einteilung des Körpergewichts nach BMI
Hochgradiges Untergewicht: < 14
Mittelgradiges Untergewicht: 14 - 16
Leichtgradiges Untergewicht: 16 - 18
Normalgewicht: 18 - 26
Übergewicht (Adipositas Grad I): 26 - 30
Adipositas (Adipositas) Grad II): 30 - 40
Extreme Adipositas (Adipositas Grad III): > 40
Anorexia nervosa - körperliche Folgen
- kortikale Atrophie: graue Substanz des Gehirns verringert sich, Hirnrinde nimmt ab, reversibel, aber bleibende Schäden möglich
- Lanugobehaarung: flaumartige, feine Behaarung (eigentl. bei Babies) an Armen, Rücken und Gesicht
- Bradykardie: verlangsamter Herzschlag
- Arrhythmien: Herzrhythmusstörungen
- orthostatische Dysregulation: Funktionsstörung des autonomen, vegetativen Nervensystems, Kreislaufprobleme beim Aufstehen mit Schwinde, Übelkeit, Benommenheit, Herzrasen, Störung der Sehfunktion etc.
- gastrointestinale Störungen: verzögerte Magenentleerung, Völlegefühl, Obstipation, Blähungen)
- Akrozyanose: Blaufärbung on Fingern, Ohren, Zehen, Nase
- Amenorrhö: Ausbleiben der Regelblutung
- Osteoporose: geringe Knochendichte
- Hypothermie: Unterkühlung, Körpertemperatur unter 36°C
- Minderwuchs: Wachstumsstörungen
- Blutbildveränderungen: Anämie, Neutropenie (niedrige Anzahl an Neutrophilen, eien Art weiße Blutkörperchen), Thrombozytopenie (Verminderung der Anzahl der Blutplättchen)
- Elektrolytverschiebungen: z.B. Hypokaliämie (Kaliumspiegel zu niedrig)
- Muskelatrophie: Muskelschwund, Abbau der Muskeln
F50.2 Bulimia nervosa - Definition und Allgemeines
- Essattacken, die mindesten 2x wöchentlich auftreten, gefolgt von willentlichem Erbrechen, Abführen oder anderen Maßnahmen, um Gewichtszunahme entgegenzuwirken
- übersteigerte Angst, dick zu werden oder zu sein
- auch Ess-Brech-Sucht genannt
- in 95% der Fälle Mädchen oder Frauen
- ca. 2,5 % aller Frauen entwickeln bis zum 35. Lebensjahr Bulimie
5 % aller Frauen haben schon mal Phasen gehabt, in denen sie versucht haben, durch Erbrechen oder Abführmittel Gewicht zu verlieren
- Zahl der Neuerkrankungen scheint zu steigen
- Durchschnittsalter bei Beginn der Erkrankung bei 18 Jahren
- Mortalitätsrate bei 3 %
Bulimia nervosa - Ursachen
- multifaktoriell, ähnlich wie bei Anorexia
- Soziokulturelle Faktoren: Schönheitsideal schlankes Model
- Traumatische Kindheitserlebnisse: in einigen Fällen und öfter als bei Anorexia, Traumatisierungen, sex. Übergriffe
- Genetische Faktoren: nicht ganz so hoch wie bei Anorexia, aber durch Zwillingsstudien belegt
- Persönlichkeitsfaktoren: oft emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle
- Psychodynamische Faktoren: neutorische Regression, um sexuelle Entwicklungsschritte zu vermeiden, Abkehr von dominanter Mutter, Belastung durch ödipale Konstellation zum Vater
Bulimia nervosa - Symptome
nach ICD-10:
- andauernde Beschäftigung mit Essen, unwiederstehliche Gier nach Nahrungsmitteln, Essattacken (Esstaumel), große Mengen Nahrung in kurzer Zeit konsumiert
- Pat. ersucht, dickmachendem Effekt der Nahrung entgegenzusteuern: selbstinduziertes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln, zeitweilige Hungerperioden, Gebrauch von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten oder Diuretika, bei Diabetikern kann Vernachlässigung der Insulinbehandlung vorkommen
- krankhafte Furcht, dick zu werden, scharf definierte Gewichtsgrenze, deutlich unter gesundem Maß, häufig in Vorgeschichte Phase mit Anorexia nervosa
- bei Fressanfällen oft bis schmerzhaften Völlegefühl, erst Zufriedenheit, kurz danach Schuldgefühle und Depressivität
- Kontrollverlust, aber trotzdem Fressanfall unterbrechbar, z.B. wenn jemand dazukommt
- Störungen des Körperschemas
- sozialer Rückzug
- meist Normalgewicht, einige Untergewicht, einige sogar Übergewicht
- körperliche Folgesymptome: Zahnschäden, Schwielen an Fingern, Verletzungen des Handrückens durch ständiges Auslösen des Würgereizes, Entgleisungen des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts, Gefahr für Krampfanfälle, lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen, Muskelschwäche
Bulimia nervosa - Verlauf
- 50 % haben nach 10 Jahren Krankheit überwunden oder deutliche Besserung
- 20 % auch nach 10 Jahren noch Bulimie oder andere Esstörung
- Prognose ungünstig bei Patientinnen mit anderen schweren psychischen Erkrankungen
- 3 % versterben
Bulimia nervosa - Diagnostik
- wie Anorexia nervosa
Bulimia nervosa - Differentialdiagnosen
- Hauptunterschied zur Anorexia ist Gewicht, gibt aber auch Mischform
- Anorexia nervosa: hier auch Essanfälle mit Erbrechen, aber hier Zusatzdiagnose: mit aktiven Maßnahmen zur Gewichtsabnahme erstellen
- Depression: kann zeitgleich auftreten, wenn nur Depression, dann keine extremen Sorgen über Gewicht
- Alkohol- und Medikamentenmissbrauch: 1/3 aller haben dies zusätzlich
- Persönlichkeitsstörungen: bis zu 50 % aller Bulimikerinnen haben Anzeichen für zusätzliche Persönlichkeitsstörung ( meist emotional-instabil)
Bulimia nervosa - Therapie
- meist ambulant
- Behandlung multimodal, störungsspezifisch
- Kombi aus Gruppen- und Einzeltherapie
- Kognitive Verhaltenstherapie: Überprüfung negativer Kognitionen, Training sozialer Kompetenzen, Problemlösetraining
- Psychodynamische Therapie: Aufarbeitung der Vergangenheit nur bei Traumata, Verbesserung der Beziehungsfähigkeit
- Körperwahrnehmungstherapie: Bioenergetig, Feldenkrais, Yoga, Wahrnehmung des eigenen Körpers verbessern
- Kreative Therapie
- Familientherapie
- Medikamentöse Therapie: manchmal Antidepressiva hilfreich
Bulimia nervosa - körperliche Folgen
- Parotitis: Entzündung der Ohrspeicheldrüse
- schwere Karies
- Speicheldrüsenschwellungen
- Ösophagitiden (Entzündung der Speiseröhre), Pharyngitiden (Entzündung der Rachenschleimhaut
- Herzrhythmusstörungen
- Gastritiden, Magendilatation
- Niereninsuffizienz
- rezidivierende Pankreatitiden
- Schwielen an Fingern und Handrücken
- diabetischen Entgleisungen
- Elektrolytverschiebungen
F50.4 Essattacken bei andren psychischen Störungen
- Binge Eating Disorder - Definition und Allgemeines
- wiederkehrende Fressanfälle, in kurzer Zeit große Nahrungsmengen
- im Anschluss KEINE Maßnahmen, um Gewichtszunahme zu verhindern
- "sich mit Essen besaufen" Binge = besaufen
- in USA eigenständige Diagnose im DSM-5, bei ICD-10 unter F50.4
- meist mit Übergewicht einhergehend
- etwa 2 % der Weltbevölkerung und 5 % aller Übergewichtigen
- 1/3 sind Männer
- starker Bezug zu Suchterkrankungen
Binge Eating Disorder - Ursachen
- bisher unbekannt
- Hälfte der Betroffenen leidet an depressiven Verstimmungen
- unklar. ob Depression Ursache oder Folge von BED ist