Vorlesung Methoden 3 - SoSe

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Langue Deutsch
Catégorie Psychologie
Niveau Université
Crée / Actualisé 04.01.2020 / 08.07.2023
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Geben Sie ein anschauliches Beispiel für die Idee, dass zum Verstehen eines Sachverhalts/Begriffs dessen Abgrenzung zu anderen Sachverhalten/Begriffen nützlich ist. Kennen sie einen Wissenschaftstheoretiker, der auf diese Idee der Abgrenzung besonderen Wert gelegt hat?

„Was etwas ist, verstehe ich, wenn ich weiß was es nicht ist“.

Wenn ich beispielsweise jemandem, der ein Smartphone kennt, aber kein Tablet eben dieses erklären möchte, kann ich dies mit Hilfe einer Abgrenzung tun. So kann ich sagen, dass ein Tablet alles kann, wasein Smartphone kann, ausgeschlossen der Telefonfunktionen --> Strawson

Wo wird in der Psychologie etwas eingeteilt und geordnet? Inwiefern ist das eine Vorbedingung von Erkenntnis überhaupt?

- die Welt wird vom Wissenschaftler erfasst im Rahmen eines Subjekt (=Wissenschaftler) -Objekt (=Welt) -Verhältnisses 

- wichtige Voraussetzungen für Erklärungen und Vorhersagen, ist die genaue Beschreibung des Phänomens --> Einteilen und Ordnen = zentrales Charakteristikum von Wissenschaft

- Beispiel: Etwas wofür kein Begriff vorhanden ist kann auch kein Forschungsgegenstand werden

- allgemeinpsychologische Konzepte wie Wahrnehmung, Gedächtnis und Sprache sind Voraussetzungen für jede Erkenntnis, weil durch sie eine chaotische Masse (die Wirklichkeit) strukturiert wird

Welchen Umbruch gab es bei den alten Griechen in Bezug auf die Art, sich die Welt zu erklären? Inwiefern ist dieser Umbruch ein Vorteil (oder ist es gar keiner)?

- Die alten Griechen haben zunächst per Mythos (Kosmogonie) die Entwicklung vom Chaos (Unordnung, urspr. Kluft/Leere) zur Struktur („Kosmos“ = geordnetes Universum) nachzuzeichnen versucht

- Griechische Philosophie schafft den Übergang vom Mythos zur Wissenschaft (d.h., an die Stelle von Kriegs- und Feuergöttern treten abstrakte Prinzipien/Begriffe wie Kraft, Energie etc.)

- Vorteil: diese "Begriffsbildung" abstrakter Konzepte bildet die Grundlage für jede Erkenntnis 

- Nachteil: Gibt es "Kraft" und "Energie" wirklich? Oder existieren sie nur in unserem Geist? (Realismus/Idealismus-Problem)

Aufgrund von welchem Kriterium werden typischerweise Dinge unter einem Begriff subsummiert? Inwieweit ist dieses Kriterium objektiv? Geben sie ein psychologisches Beispiel (nicht das auf den Folien)

- Welt besteht aus Dingen, die einander mehr oder weniger ähnlich sind, daher werden ähnliche Dinge jeweils demselben Begriff zugeordnet (Begriffsbildung)

- "Ähnlichkeit" ist überhaupt nicht objektiv 

- Ähneln sich die Symptome einer schizoiden Persönlichkeitsstörung und einer paranoiden Schizophrenie so sehr, dass man in beiden Fällen von einer Psychose sprechen kann?

Welche Kritik haben Heraklit und Nietzsche an Prinzipien der Begriffsbildung geäußert?

- Heraklit: Welt ist nicht statisch, sondern prozesshaft: alles ändert sich ständig --> grundsätzliche Schwierigkeit, die Dinge zu strukturieren 

- Nietzsche: Begriffsbildung (und damit Wissen/Erkenntnis) beruht auf bloß subjektivem Gleichsetzen des Nichtgleichen

 

Warum würde Nietzsche sagen, dass die Erkenntnis, dass der Wal ein Säugetier ist, nur von begrenztem Wert ist?

"Wenn jemand ein Ding hinter einem Busche versteckt, es ebendort wieder sucht und auch findet, so ist an diesem Suchen und Finden nicht viel zu rühmen"

- Wenn der Begriff aus dem subjektiven Gleichsetzen von Nichtgleichem besteht, dann habe ich keinen Erkenntniswert daraus, dass ich etwas meinem subjektiven Begriff zuordne

- wir übersehen dabei das Individuelle und Wirkliche

- die Erkenntnis ist antropomorphisch und nicht allgemeingültig

Was ist eine Realdefinition (inkl. Bsp.), und was hat sie mit porphyrischen Bäumen zu tun?

- nach Aristoteles wird eine Defintion durch die Angabe der nächsthöheren Gattung und der spezifischen Differenz gebildet (= genus proximum & differentia specifica); z.B. Mensch = vernunftbegabtes Lebewesen 

Eine Realdefinitionoder Sacherklärungist eine Definition, die Aussagen über Eigenschaften eines Gegenstandes oder Sachverhalts enthält, die im Hinblick auf diesen Gegenstand oder Sachverhalt für wesentlich gehalten werden

- mit diesem Verständnis von Definitionen ist notwendigerweise die Idee einer hierarchisch strukturierten Welt verknüpft --> porphyrische Bäume sind Modelle, die die Struktur unserer Welt repräsentieren sollen 

Porphyrische Bäume dienen dazu, Begriffe zu bestimmen bzw. sie voneinander abzugrenzen

Was hat das DSM-5 mit einem porphyrischen Baum zu tun?

- repräsentiert die Struktur von psychischen Krankheiten und ist auch hierarchisch aufgebaut 

- Es werden die wesentlichen Punkte einer psychischen Erkrankung aufgezeigt. Zudem ist ersichtlich, wie sich die einzelnen Erkrankungen voneinander in welchen Kategorien unterscheiden

Wovon hängt eine konkrete Realdefinition ab?

- Vom Vergleich mit anderen Dingen und von der Unterscheidung zu anderen Dingen

- genauer gesagt von der Angabe der nächsthöheren Gattung und der spezifischen Differenz (vom genus proximum (Lebewesen) und dem differentia specifica (vernunftbegabt))

Beweisen Sie, dass Wirklichkeitsbereiche nicht nur auf eine Weise hierarchisch strukturierbar sind

Man kann eine Katze und einen Delphin als Säugetiere bezeichnen. Die Unterscheidung von Landbewohner und Meeresbewohner wäre aber ebenso denkbar

Beschreiben sie einige Unterschiede zwischen antiken und modernen psychologischen Theorien. Was kann man aus diesen Unterschieden für eine Schlussfolgerung zu psychologischen Theorien allgemein ziehen?

- Platon unterteilte die Seele in einen mutartigen, begehrenden und denkenden Teil, was die heutige Allgemeinpsychologie als Motivation, Emotion und Kognition bezeichnet.

- Hippokrates/Galen versuchte die Seele durch physiologische Prozesse zu erklären (vier-Säfte-Lehre); heute: Gehirn, Hormone, etc. 

Gelbe Galle: Choleriker (erregbar, jähzornig)
Schwarze Galle: Melancholiker (traurig, depressiv)
Blut: Sanguiniker (heiter, lebhaft, leichtsinnig)
Schleim: Phlegmatiker (ruhig, schwerfällig)
Seelische/körperliche Probleme erklärbar durch Ungleichgewicht der Säfte (vgl. heute z.B. Hormone)

--> Wie man die Psychologie definiert und strukturiert bestimmt darüber, welche Erkenntnis man überhaupt gewinnen kann.

Worin unterscheidet sich Aristoteles‘ Persönlichkeitspsychologie vom Big Five-Ansatz?

- Aristoteles: Persönlichkeitdimensionen (Tapferkeit, Besonnenheit, Sanftmut, Feinfühligkeit, Großgesinntheit) mit jeweils positivem und negativem Pool 

- Verschiedene Emotionen sind Produkte der Persönlichkeitsdimensionen (Furcht/Mut, Lust/Unlust, Zorn, Scham, Ehre) 

- Verstandestugend (gr. phronesis) besteht darin "Optimum" in der "Mitte" zwischen zwei Extrem-Polen zu finden (mesotes-Lehre) 

- Rolle von Erziehung, Gewöhnung und freier Entscheidung 

- Gemeinsamkeiten: auch fünf Dimensionen mit negativer und positiver Ausprägung 

- Unterschiede: Dimensionen durch Faktorenanalyse gefunden; nicht stabile Dispositionen, keine Vorhersage bezüglich "optimaler Ausprägung" 

Wie ist die Motivationspsychologie bei Aristoteles beschaffen?

bestehend aus: 

Lust --> Genussleben
Ehre --> politisches Leben
Erkenntnis --> theoretisches Leben
Höchstes Ziel: Glückseligkeit (eudaimonia), v.a. erreichbar durch theoretisches Leben

- neben Person (körperliche Voraussetzungen) und Umwelt (Lernen/Sozialisation) gibt es noch die freie Entscheidung als Ursache von Handlungen

Welches Prinzip der antiken 4-Säfte Lehre ist noch heute aktuell?

Das Prinzip, dassseelische und körperliche Probleme durch das Ungleichgewicht von Säften (heute Hormone) erklärbar ist und der Versuch, die Seele durch physiologische Prozesse zu erklären (heute Gehirn) 

Geben Sie ein Beispiel für eine Nominaldefinition.

- Nominaldefiniton = Reine Umbenennung, meist aus ökonomischen Gesichtspunkten heraus (z.B. „Als ‚Grünling‘ bezeichne ich im Folgenden alle Menschen mit grünen Augen“, „im Folgenden bezeichnen wir als Arbeitsgedächtnis…“)

 Was unterscheidet eine Begriffsintension von einer Begriffsextension

- Begriffsintension: Menge der charakteristischen Merkmale eines Begriffs, z.B. Tisch: „hat 4 Beine“, „kann man dran sitzen“… ) --> Begriffsumfag

- Begriffsextension: Menge aller unter den Begriff fallenden Objekte (z.B. Aufzählung aller realen Tische) --> Begriffsinhalt

Was unterscheidet eine deiktische von einer operationalen Definition?

- deiktisch = hinweisend

- Deiktische Definition: „Das da ist ein Tisch“ (sozusagen unvollständig extensional)

- Operationale Definition (Bridgman, 1927): Definition über Angabe der Messmethode, z.B. „Intelligenz ist, was der Intelligenztest misst“ 

Was ist an typischen psychologischen Definitionen problematisch? Geben Sie ein Beispiel.

"Emotion ist ein komplexes Interaktionsgefüge subjektiver und objektiver Faktoren, das von neuronal/hormonalen Systemen vermittelt wird, die (a) affektive Erfahrungen, wie Gefühle der Erregung oder Lust/Unlust, bewirken können; (b) kognitive Prozesse, wie emotional relevante Wahrnehmungseffekte, Bewertungen, Klassifikationsprozesse, hervorrufen können; (c) ausgedehnte physiologische Anpassungen an die erregungsauslösenden Bedingungen in Gang setzen können; (d) zu Verhalten führen können, welches oft expressiv, zielgerichtet und adaptiv ist."

- keine klaren Trennlinien 

- sehr ausufernd und wenig spezifisch 

- Warum ist hier aufgenommen wodurch das zu Definierende vermittelt ist bzw. was es bewirken kann?

- wenn man es auf Stühle anwenden würde, dann wüsste keiner mehr, was Stühle wirklich sind und was sie ausmacht

Von welchem griechischen Wort stammt unser Begriff Wissen ab, und von welchem anderen griechischen Wort wurde er abgegrenzt?

Wissenschaft „schafft wissen“ (gr. episteme) und nicht nur bloße Meinungen (gr. doxa).

Wie wird typischerweise Wissen von Philosophen definiert? Erläutern Sie, wozu jedes der einzelnen Attribute in der Definition notwendig ist.

Wissen ist der durch gute Gründe gerechtfertigte wahre Glaube. „Glaube“ ist der genus proximum / „wahr“, „gerechtfertigt“, „gut begründet“ sind differentia specifica.

Was haben wissenschaftliche Methoden mit der Definition von Wissen zu tun?

Sicherstellung der „guten Gründe“:
methodisch kontrollierte kritische Überprüfung von Sätzen, z.B. durch wissenschaftliche Methoden (insb. Experimentallogik, vgl. VL im WS)

Was sind Grundfragen der Erkenntnistheorie, und wie kann man diese Lehre noch bezeichnen?

Was können wir wissen?

Was ist gewiss?

Worin können wir uns täuschen?

Wie erlangt man Gewissheit?

Was sind gute Gründe, etwas zu glauben?

- Epistemologie oder Wissenschaftstheorie

Ist unser Wissen allein durch einen empirisch-naturwissenschaftlichen Zugang zur Natur zu leisten? Wenn ja/nein, warum (nicht)?

Nein, denn allein die Behauptung, dass alle empirischen Erkenntnisse sinnvoll sind, lässt sich empirisch nicht begründen. Zudem leugnet man dadurch andere Welt-/Erkenntniszugänge, z.B. durch Dichtung, Kunst etc.

Wie lautet der Standpunkt von Sokrates zur Frage, was wir mit Sicherheit wissen können? Was bedeutet das für Wissenschaftler heute?

"Ich weiß, dass ich nichts weiß"

- es ist schon viel gewonnen, wenn man sich der Grenzen des eigenen Wissens bewusst ist!
- Selbstkritik/Bescheidenheit als Kennzeichen echter Wissenschaft!

 

Nennen sie sechs erkenntnistheoretische Positionen und sortieren sie diese auf der Basis von Fragen, auf die sie jeweils Antworten liefern.

Rationalismus, Empirismus: Was ist Quelle menschlicher Erkenntnis bzw. welchen Beitrag liefern die Quellen?

Realismus, Idealismus: Gibt es eine Außenwelt, unabhängig vom Subjekt?

Monismus, Dualismus: Wie ist die Struktur von allem, was existiert?

Wie wurde historisch auf das Problem geantwortet, dass für viele Hypothesen Fakten dafür wie dagegen zu sprechen scheinen?

- Stoiker: Man sollte sich des Urteils enthalten, wenn keine Gewissheit vorliegt. Evidenz als Weg zur Gewissheit, manche Erkenntnisse sind evident (also absolut gewiss).

- Dogmatische, akademische Skepsis: Täuschung der Erkenntnis ist niemals ausgeschlossen --> Nichts ist gewiss!

Problem: Dass nichts gewiss ist, wird wiederum mit Wahrheits-(bzw. Gewissheits-)anspruch geäußert
sog. „performativer Widerspruch“!

- Pyrrhonische Skepsis: Für jede Erkenntnis spricht gleich viel dafür und dagegen. Also ist absolute Urteilsenthaltung angebracht, das führt zur Seelenruhe/Gelassenheit (gr.:ataraxie)

Was bedeutet epoche bei den Stoikern?

Urteilsenthaltung

Was war Ciceros Argument für die Aussage, dass nichts gewiss ist? Was ist das Problem an diesem Argument?

"Der Nachweis, dass nur eine falsche Vorstellung einmal glaubhaft war, genügt, um alles zweifelhaft zu machen."

Problem: Dass nichts gewiss ist, wird wiederum mit Wahrheits-(bzw. Gewissheits-)anspruch geäußert
sog. „performativer Widerspruch“!

Wozu sollte die Methode des „nach beiden Seiten hin Argumentierens“ in der akademischen Skepsis dienen?

Graduelle Wahrheitsannäherung 

--> Auch wenn nichts gewiss ist, muss man zumindest nach den glaubhaftesten Erkenntnissen suchen (um so gut wie möglich zu leben)
--> Methode: nach beiden Seiten hin argumentieren, „weil das Glaubhafte nicht hervorleuchten könne, wenn man in Streitfragen nicht beide Standpunkte verteidigt“

Was sind die Argumente der pyrrhonischen Skepsis, und zu welchem Schluss gelangt diese Richtung? Schließen sie sich dieser Schlussfolgerung an?
 

- Idee: Für jede Erkenntnis spricht gleich viel dafür wie dagegen

- Argumentationslinie: „Manchmal scheint mir X plausibel zu sein, manchmal das Gegenteil; alles erscheint gleich glaubhaft; daher weiß ich auch nicht weiter; erfahre aber diese Urteilslosigkeit als der Seelenruhe zukömmlich“

--> es ist absolute Urteilsenthaltung angebracht 

- Nein, das führt zu Handlungsunfähigkeit und manchmal sind manche Dinge glaubhafter als andere 

- Handeln möglich aufgrund von Sitten und Gebräuchen (und eben nicht durch Nachweis der Rationalität des Handelns):


„Wir halten uns an die Erscheinungen (Phänomene) und leben undogmatisch nach der alltäglichen Lebenserfahrung, da wir gänzlich untätig nicht sein können“