Die zentrale Rolle des Gehirns für den Umgang mit Stress

"Central role of the brain in stress and adaption: links to socioeconomic status, health and disease" (McEwen, Gianaros, 2010)

"Central role of the brain in stress and adaption: links to socioeconomic status, health and disease" (McEwen, Gianaros, 2010)


Kartei Details

Karten 18
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 11.06.2018 / 11.06.2018
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Was sind die zentralen Konzepte, die in diesem Übersichtsartikel vorgestellt werden?

"Central role of the brain in stress and adaption: links to socioeconomic status, health and disease" (McEwen, Gianaros, 2010)

  • strukturelle & funktionelle Plastizität von Hippocampus, Amygdala und präfontalem Kortex 
  • Allostase
  • Allostatischer Load 
  • mögliche Verbindung von SES und Gesundheit

Was versteht man unter Allostase?

"Central role of the brain in stress and adaption: links to socioeconomic status, health and disease" (McEwen, Gianaros, 2010)

  • auf Homöostase zielender dynamischer Regulationsprozess, der durch aktive Anpassungsprozesse während der Exposition phys. & beh. Stressoren abläuft
  • Systeme, die dieses System beeinflussen: HPA-Achse, Darm, Nieren, Immunsystem
  • allostatische Systeme sollen schnell mobilisiert & zurückgebildet werden können (sonst gesundheitsgefährdend)
  • Antizipation wichtig: verhindert bspw. dass wir morgens beim Aufstehen ohnmächtig werden, sorgt für psych. Zustände (Angst, Sorge) - kann Output von allost. Biomediatoren regulieren 
  • Antizipation kann auch zu allostatischem Load führen

Was versteht man unter allostatischem Load?

"Central role of the brain in stress and adaption: links to socioeconomic status, health and disease" (McEwen, Gianaros, 2010)

  • Auswirkungen allost. Regulationsprozesse auf Körper und Gehirn im Sinne von Gesundheitsbeeinträchtigungen (die "Kosten" der Aufrechterhaltung der Homöostase)
  • einige physiologische Parameter relativ stabil: Blutsauerstoff, ph-Wert
  • einige weite Bandbreite an Aktivität: kardiovaskuläres System, Stoffwechsel, Immunsystem, zentralnervöses System 
  • 4 Arten von physiologischen Reaktionsmustern, die zu allost. Load führen/ ihn wiederspiegeln:
    1. Häufigkeit & Intensität der Reaktion auf Stressoren (Bsp. Bluthochdruckspitzen)
    2. Fehlgeschlagene Habituation an Wiederholungen eines Stressors (-> erhöhte Cortisolausschüttung)
    3. fehlgeschlagene Beendigung von adaptiven autonomen und neuroendokrinen Reaktionen (Bsp. dauerhaft erhöhtes Glucocorticoid -> Veränderungen der Dendriten & neuronalen Zelltod)
    4. Fehlgeschlagene adäquate Reaktion auf Herausforderungen (Cytocin-Level erhöht -> Autoimmunerkankungen, Entzündungen)

Zu was können, laut der Studie, frühe Misshandlungem konfliktbehaftete familiäre Beziehungen, stressreiche Ereignisse im Leben und ungünstige soziale Bedingungen (besonders bei niedrigem SES) führen?

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  • strukturelle und funktionelle Plastizität von Hippocampus, Amygdala und präfontalem Kortex beeinflusst 

Zu was können die Veränderungen der Neuroplastizität führen?

"Central role of the brain in stress and adaption: links to socioeconomic status, health and disease" (McEwen, Gianaros, 2010)

  • Muster von Emotionsausdruck & -regulation 
  • Stressreaktivität, -erholung, -bewältigung
  • Alterungsrate 

Sind die Effekte von Stress dauerhaft oder nicht dauerhaft? Durch was könnten sie rückgebildet werden? 

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nein, sind sie nicht

-> Erholung, Präventionsstrategien, pharmakologische Strategien, verändertes Gesundheitsverhalten 

Welche Erkenntnisse zeigten sich im Zusammenhang mit einem niedrigen SES?

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  • Stoffwechselstörungen und abdominale Adipositas 
  • Beeinträchtigungen des Immunsystems 
  • mögliche Verbindung von SES und Gesundheit über stressbezogene Prozesse 

Welche Rollen werden für Amygdala, Hippocampus und präfontalem Kortex berichtet?

"Central role of the brain in stress and adaption: links to socioeconomic status, health and disease" (McEwen, Gianaros, 2010)

Amygdala:

  • Gedächtnissystem für angsterregende und emotionsauslösende Erinnerungen 
  • Teil des limb. Systems 
  • reguliert HPA-Achse, meist exzitatorisch 

Hippocampus:

  • Teil des limb. Systems
  • reguliert HPA-Achse, meist inhibitorisch 
  • Kontext, in dem diese Erinnerungen stattfinden & andere Aspekte des episodischen und deklarativen Gedächtnisses
  • enthält Rezeptoren für adrenale Stereoide & Stoffwechselhormone 

medialer präfontaler Kortex:

  • wichtige Rolle bei Beschränkung der HPA-Achse unter Stressbedingungen (Glucocorticoid-Implantate senken Reaktion der HPA-Achse auf Stress und reduzieren Insulin im Plasma)

 

Welche Funktion haben Steroide?

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Feedback-Funktion für das Gehirn bei Kontrolle der HPA-Achse (insbesondere bei Regionen außerhalb der Hippocampus und Hypothalamus)

Welche zentralen Originaluntersuchungen bzgl. Hippocampus - Tierstudien werden berichtet und was sollen sie verdeutlichen?

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Hippocampus - Tierstudien:

  • chron. Stress -> morphologische Veränderung & Neuronen verändert 
  • Neurogenese: bei Ratten 9000 neue Neuronen pro Tag -> bei akutem und chron. Stress supprimiert 
  • chron. Stress -> Verkürzen & Vereinfachung von Dendriten, Verlust von "spine synapses"
  • Veränderungen reversibel 
  • Mediatoren u.a. Glucocorticoide, exzitatoriwsche "amino acid neurotransmitters" 
  • Effekte bei Schädigung: epis., dekl., kontextueles und räumliches Gedächtnis beeinträchtigt, Aufnahme von Infos in neuen Situationen erschwertm, Regulation der HPA-Achse erschwert (Beendigung on Stressreaktionen -> dauerhaft erhöht - Hypothese der Glucocorticoid-Kaskade)

Welche zentralen Originaluntersuchungen bzgl. Hippocampus - Humanstudien werden berichtet und was sollen sie verdeutlichen?

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Hippocampus - Humanstudien:

Methoden meistens strukt. Neuroimages:

  • schwer Depressive, PTBS, Cushing Disease = geringeres Volumen des Hippocampus 
  • auch bei gesunden: Frauen nach Eintritt der Wechseljahre: höherer wahrgenommener Stress ->  weniger graue Substanz im Hippocampus & orbitalen präfontalen Kortex)
  • 3 Jahre nach Terroranschlag World Trade Center: gesunde Erwachsene, die in der Nähe wohnten, reduzierte graue Substanz 
  • Geburtsgewicht sagt Volumen im Erwachsenenalter voraus (insbesondere bei Frauen mit ungünstiger mütterlicher Pflege) 
  • Träger der Methionin-Allelausprägung (Valine 66met BDNF Polymorphismus) -> weniger graue Substanz im H. & präf. Kortex
  • Zwillingsstudien: geringeres Volumen könnte Vulnerabilität für PTBS voraussagen 
  • periphere proinflammatorisches Cytocin (interleukin-6) könnten Mediatoren sein -> zentrale Ausschüttung von proinflammatorischem Cytocin im Gehirn -> Lernen & Gedächtnis durch Neurodegeneration und strukt. Veränderungen des H. beeinträchtigen
  • im Plasma gemessene IL-6-Level kovariieren invers mit Volumen der grauen Substanz im H. (genaue Gründe unbekannt)
  • auch bei Schlafunterbrechungen, Jet Lag und circadianen Störungen -> erhöhtes Plasmalevel an IL-6
  • Studien zu Typ 2 Diabetes: reduziertes Volumen (größer bei Personen mit hohem "glycosylated" Hämoglobin 
  • körperliche fitte Personen haben größeres Volumen als unfitte 

Methode functional neuroimaging:

  • Aktivität bei akuten stressorbedingten Änderungen der HPA-Achse 

Welche zentralen Originaluntersuchungen werden bzgl. Amygdala - Tierstudien berichtet?

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  • stressinduzierte Veränderungen der strukt. Plastizität, die mit Aggression & Ärger verbunden sind 
  • Rückbildung der Dendriten in H. führt zu dendritischem Neuronenwachstum in der basolateralen Amygdala -> amygdala-abhängige Konditionierung auf ungelernte Angst und Angskonditionierung werden verstärkt 

Welche zentralen Originaluntersuchungen werden bzgl. Amygdala - Humanstudien berichtet?

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  • Aktivität kovarriert mit phys. Paramtern assoziiert mit kardiovask. Krankheitsrisiken, stressbedingten Änderungen des Blutdrucks und tageszeitabhängigen Variationen in der Cortisol-Ausschüttung 
  • größere Reaktivität auf soziale Reize führt zu höherem Level von präklinischer Arteriosklerose
  • im funkt. Zusammenspiel mit präf. Kortex (ACC) wird Entstehung von psychopath. Ausprägungen von Stimmung und Angst vermutet 
  • niedriger SES -> frühe Sensibilisierung mit erhöhter Reaktion auf soziale Bedrohung -> Dysregulation von Emotionsregulation & vermehrte biobehaviorale Stressreaktion, die das Krankheitsrisiko im Leben erhöhen 
  • fmrt-Studie: wenn soz. Hierarchien als instabil wahrgenommen -> A. & mPFC aktiviert 

Welche zentralen Originaluntersuchungen werden bzgl. Präfontalem Kortex - Tierstudien berichtet?

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  • Stress -> Rückbilung von Dendriten im mPFC aber auch zum Wachstum im orbitofrontalen Kortex 
  • Kortex besitzt Rezeptoren für "adrenal steroid"
  • Glucocorticoide spiele eine Rolle: Rückbildung von Dendriten im mPFC
  • behaviorales Korrelat zur Rückbildung der Dendriten: Schädigung der Aufmerksamkeitslenkung bei Lernaufgaben, Exstinktion bei Angstkonditionierung 

Welche zentralen Originaluntersuchungen werden bzgl. Präfontalem Kortex - Humanstudien berichtet?

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  • perigenualer anteriore cinguläre cortex (pACC) mit mehreren emotions- und stressbezogenen Prozesses verbunden 
  • mediiert Unterschiede in kardiovask. Reaktivität auf Stress (mehr Aktivität -> höheres Blutdruck, A.mit involviert) 
  • Studie USA (McArthur Scale of perceived social standing): Individuen mit niedrigem SES: reduzierte graue Masse im pACC
  • in vivo Bildgebung: reduziertes ACC-Volumen assoziiert mit HPA-Achsen-Dysregulation 
  • dorsal anterior cingulate cortex (dACC): mit Regulation der HPA-Achse verbunden 
  • Aktivierung des dACC verbunden mit vermehrter Cortisol-Ausschüttung 

Welche Interventionen auf ind. Ebene werden genannt?

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  • körperliche Aktivität & soz. Intergation (zwei der wichtigsten)
  • Bewegung:
    • erhöhte Ausschüttung von Neurothophin in Kortex und Hippocampus und erhöhte Neurogenese (höhere kogn. Flexibilität)
    • fmrt-Studie: verbesserte kogn. Leistung nach 6 monatigem Training 
    • ähnliche Studie: Zunahme an grauer Substanz im präf. & temporalen Kortex 
    • Zunahme von cerebralem Blutvolumen nach 3 monatigem Training 
  • soziale Integration:
    • stehen in Verbindung mit Lebensdauer, kogn. Alterung, Demenzrisiko, kardiovask. Erkrankungen, Schlaganfallrisiko, Überlebenszeit von Herzerkankungen und Auftreten von Krebs 
    • soz. Unterstützung als Puffer bei aktuen und chron. Stressoren, eher kontextspezifisch und nicht wie SI generell protektiv für Gesundheit 
    • wenig bis gar nicht bekannt darüber wie SI das Gehirn beeinflusst
  • pharmazeutische Intervention:
    • Probleme: jedes durch das Medikament angesprochene Teilsystem interagiert mit anderen Systemen 
    • Medikamente: Schlafmittel, Angstlöser, Betablocker, Antidepressiva
  • Therapie:
    • KVT genau so effektiv wie mehrere Medikamte
    • langjährige Meditation führt zu erhöhtem kortikalten Volumen im right anterior insula und präf. Kortex 

Welche Interventionen auf gesellschaftlicher Ebene werden genannt?

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Top down Effekte von politischen Maßnahmen

  • Acheson Report UK, 1998: keine öffentlichen Maßnahmen ohne Berücksichtigung der Gesundheit aller Bürger
  • Grundbildung, Wohnraumgestaltung, Besteuerung, Mindestlohn, berufliche Gesundheit, Umweltverschmutzung bzw. -verbesserung, Gemeindezentren für Sport
  • "Experience corps": ältere Freiwillige werden zu Lehrassistenten für Kinder in benachbarten Schulen 

Welche offenen Fragen sehen die Autoren?

"Central role of the brain in stress and adaption: links to socioeconomic status, health and disease" (McEwen, Gianaros, 2010)

  • wichtig für zukünftige Forschung: stressbedingte Veränderung der hippocampalen Strukturen und Funktionen und Zusammenhang mit SES 
  • Wie wird das Gehirn verändert durch Therapie und Pharmazeutika?