Völkerrecht VL 2 HS 17

Grundlagen (Fortsetzung)

Grundlagen (Fortsetzung)


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Flashcards 11
Language Deutsch
Category Law
Level University
Created / Updated 14.01.2018 / 14.01.2018
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Grundprinzipien der UN-Charta

Grundprinzipien der UN-Charta

  • (1) souveräne Gleichheit aller Staaten
  • (2) Friedliche Beilegung internationaler Streitigkeiten
  • (3) Verbot der Androhung oder Anwendung von Gewalt
  • (4) institutionalisierte Friedenssicherung
    • UN-Sicherheitsrat; Internationaler Gerichtshof
  • (5) Schutz der Menschenrechte
  • (6) Selbstbestimmung der Völker
  • (7) Internationale Zusammenarbeit in politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen

UN-Charta => Gründungsvertrag der Vereinten Nationen (1945)

Souveranität und Gleichheit der Staaten

Die zwei Seiten der Souveranität des Staates (der Staatsgewalt):

=> Seiten einer Medaille (eigentl. nur zusammen anzutreffen)

  • nach innen:
    • oberste Rechtsetzungsbefugnis, Gewaltmonopol
    • "staatsrechtliche Souveranität"
  • nach aussen:
    • Weisungs- (Befehls-) freiheit, Völkerrechtsunmittelbarkeit
    • "völkerrechtliche Souveranität", "Unabhängigkeit"
      • die Macht, die souverän ist, untersteht keiner anderen Macht
        • CH ist keiner Weisung von anderen Staaten unterstellt => es können zwar Wünsche entgegen-gebracht werden, aber keine Befehle

Zur Geschichte des Souveranitätsbegriffs:

  • Jean Bodin (1529-1596) - franz. Jurist
    • "Les six livres de la république" (1576)
  • Aufstieg des modernen Staates mit umfassender Personal- und Territorialhoheit auf einem abgegrenzten Gebiet
  • Unabhängigkeit eines Fürsten von Kaiser und Papst
  • Unterwerfung von "Zwischengewalten" in einem Territorium
  • "Souveranitätsanarchie" des 19. und 20. Jh.:
    • Verbindung von Souveranität u. Nationalstaatsidee
      • Souverän war ursprünglich auf Fürsten (König) bezogen und nicht aufs Volk => erst nach der franz. Revolution wurde dies aufs Volk übertragen

Souveranität

  • Souveranität als Völkerrechtsunmittelbarkeit:
    • Bspw. wird der Kanton SG im völkerrechtlichen Sinne zwar als Staat bezeichnet, ist aber nicht völkerrechtsunmittelbar, da der Kanton SG dem Bundesrecht (CH) untersteht
      • Die CH als Staat ist hingegen völkerrechtsunmittelbar
    • ein Gebiet das souverän ist, untersteht keinem anderen Staatsrecht
  • Souveranität als Freiheit imnicht vom Völkerrecht
  • Wandelbarkeit des Inhalts der völkerrechtlichen Souveranität
    • Inhalt der Souveranität ist nicht statisch, sondern wandelbar
    • seit 1919/1945 in Richtung einer stegigen Beschränkung
      • Wichtigste Beschränkung im Zeitalter der Vereinten Nationen: Ausschluss des Kriegführungsrechts (ius ad bellum)
  • Regionale Unterschiedlichkeit des Grades der Integration der Staaten

Souveranität in ihrem heutigen Inhalt

heutiger Inhalt der Souveranität:

  • (1) umfassende völkerrechtliche Rechts- und Handlungsfähigkeit
    • CH könnte sich einem Nachbarstaat anschliessen => Kt. SG hingegen nicht, da er nicht frei ist, sich einem anderen Staat anzuschliessen
      • keine Rechts- und Handlungsfähigkeit des Kt. SG
  • (2) Recht auf Achtung der politischen Unabhängigkeit und territorialen Integrität (territoriale Unversehrtheit)
  • (3) grundsätzliche Gleichberechtigung in Staatenkonferenzen und internationalen Organisationen
  • (4) Selbstbestimmungsrecht

"Die Souveranität des Staates ist die ihm durch die Verfassung der internationalen Gemeinschaft eingeräumte und garantierte Autonomie (Selbstständigkeit)."

Völkerrecht und (inner-) staatliches Recht ("Landesrecht")

Völkerrecht und (inner-) staatliches Recht ("Landesrecht")

=> international law - domestic law

=> Zwei völkrerrechtswissenschaftliche Haupttheorien zur Bestimmung ihres Verhältnisses:

  • (1) Dualismus:
    • strikte Trennung der beiden Rechtsordnungen nach Rechtssubjekten, -quellen und Regelungsgegenständen
  • (2) Monismus:
    • Völkerrecht u. nationale Rechtsordnungen als Teile einer einheitlichen Gesamt-rechtsordnung

Die "Erfinder" des Dualismus in Deutschland und Italien

  • Heinricht Triepel (1868-1949):
    • "Völkerrecht und Landesrecht" (1899)
      • 2 Kreise, die sich höchstens beühren, niemals schneiden
    • Deutschland
    • Notwendigkeit der "Transformation" einer völkerrechtlichen Norm (Umwandlung in Landesrecht)
  • Dionisio Anzilotti (1867-1950):
    • "Il diritto internazionale nei giudizi interni" (1905)
    • Italien

Kritisch Hans Kelsen (1881-1973) in seinem Buch "Reine Rechtslehre" von 1934

Kritisch Hans Kelsen (1881-1973) in seinem Buch "Reine Rechtslehre" von 1934:

  • politische Absicht des Dualismus:
    • Aufrechterhaltung der Vorstellung von der Souveranität des Staates
      • Vorstellung, dass der Staat die absolut höchste Rechtsgemeinschaft darstelle
      • diese Souveranität kann nur die des eigenen Staates sein
  • daraus fliesst: 
    • Leugnung der Souveranität aller anderen Staaten
    • sowie Leugnung des Völkerrechts
  • die Reine Rechtslehre relativiert den Staat
    • sie erkennt ihn als rechtliche Zwischenstufe an
    • es führt zu einer kontinuierlichen Abfolge allmählich ineinander übergehender Rechtsgebilde
      • von Völkerrecht in Richtung den im Staat eingegliederten Rechtsgemeinschaften

Monismus oder Dualismus? - BV

G. Biaggini, BV

  • BV geht von einem monistischem Grundkonzept aus, ohne dies ausdrücklich zu sagen
    • Völkerrecht & Landesrecht bilden Teile einer einheitlichen Rechtsordnung
    • Völkerrechtliche Verträge erlangen mit ihrer völkerrechtlichen Verbindlichkeit ohne weiteres auch innerstaatliche Geltung und sind für alle staatl. Organe verbindlich
      • braucht keine Transformation

Ständige Rechtsprechung des Bundesgerichts:

  • Staatsvertrag - zusammen mit der völkerrechtlichen Wirkung, erlangt er auch landesrechtliche Wirkung
    • bedarf keiner Umsetzung von Verträgen in ein besonderes Bundesgesetz

Vorrang des Völkerrechts vor dem CH-Landesrecht im Falle eines Widerspruchs? (1/2)

  • keine eindeutige Aussage in der BV
  • Vorrang des "zwingenden Völkerrechts" (ius cogens)
    • dieses als Schranke jeder Verfassungsrevision
      • vgl. Art. 193 IV und Art. 194 II BV
  • Vorrang des Völkerrechts vor kantonalem Recht
  • Vorrang des Völkerrechts vor Bundesrecht unterhalb der Stufe von Bundesgesetzen
    • d.h. insb. Verordnungen des Bundesrats
  • Vorrang des Völkerrechts vor früheren Bundesgesetzen und Bundesbeschlüssen

Vorrang des Völkerrechts vor dem CH-Landesrecht im Falle eines Widerspruchs? (2/2)

  • Bundesgericht:
    • grundsätzlich Vorrang des Völkerrechts auch vor einem späteren Bundesgesetz (PKK-Urteil):
      • es sei denn, der Gesetzgeber habe bewusst von einer völkerrechtlichen Verpflichtung abweichen wollen und eine Verletzung des Völkerrechts in Kauf genommen (Schubert-Urteil)
  • Kein Vorrang "einfachen" Völkerrechts vor dem Bundesverfassungsrecht
    • Problem: völkerrechtswidrige Volksinitiativen
    • Aber: sog. Ausschaffungsinitiative
      • Vorrang der EMRK auch vor einer später erlassenen Verfassungsbestimmung wegen der Bindung der Schweiz an den Durchsetzungsmechanismus der EMRK (obiter dictum = nebenbei Gesagtes)