ZPO/SchKG - § 1 Grundlagen

- Kennen der Grundlagen des Zivilprozess- und Vollstreckungsrechts

- Kennen der Grundlagen des Zivilprozess- und Vollstreckungsrechts


Kartei Details

Karten 102
Sprache Deutsch
Kategorie Recht
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 24.03.2017 / 20.12.2024
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82. Frage

Worin besteht das Verbot bösswilliger oder mutwilliger Prozessführung?

Das Verbot bösswilliger oder mutwilliger Prozessführung verbietet den Prozessparteien die Verfolgung unbegründeter Ansprüche.

83. Frage

Wozu ist eine Prozesspartei nach dem Vertrauensprinzip verpflichtet?

Nach dem Vertrauensprinzip muss sich eine Partei beim Rechtsschein behaften lassen, den sie Dritten gegenüber erweckt hat. Auch Behörden müssen sich bei einer falschen Rechtsmittelbelehrung behaften lassen.

84. Frage

Was ergibt sich aus dem Rechtsmissbrauchverbot?

Gemäss dem Rechtsmissbrauchverbot ist jede Art missbräuchlichen Verhaltens verboten (z.B. widersprüchliches Verhalten, Verfahrensverzögerung).

85. Frage

In welchem Verhältnis stehen der Beschleunigungsgrundsatz und die Amtspflicht auf gründliche und sorgfältige Behandlung zu einander?

Die beiden Grundsätze stehen sich gleichrangig gegenüber und somt auch in einem Spannungsverhältnis zueinander. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer beurteilt sich nach

  • Umfang der Sache
  • Komplexität des Falls und seiner Bedeutung für die Betroffenen
  • den notwendigen Prozess- und Untersuchungshandlungen
  • dem Verhalten der Börden und der Beteiligten

86. Frage

In welchem Verhältnis stehen das Beschleunigungsgebot und das Rechsverweigerungsverbot (Art. 29 Abs. 1 BV)?

Das Rechtsverweigerungsverbot stellt einen besonderen Aspekt des Beschleunigungsgebots dar und teilt sich in folgende Teilgehalte auf:

  • Rechtsverweigerung i.e.S.
  • Rechtsverzögerung
  • überspitzter Formalismus
  • materielle Rechtsverweigerung

87. Frage

Was vermittelt der Grundsatz der Prozessökonomie?

Nach dem Grundsatz der Prozessökonomie ergibt sich, dass Verfahren möglichst einfach, rasch, zeit- und kostensparend, sowie zweckmässig zum Abschluss zu bringen sind. Aufwand und Ziel müssen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Dieser Grundsatz fällt vor allem dort ins Gewicht, wo die Prozessordnung lückenhaft oder auslegungsbedürftig erscheint. Es ist sodann dei Lösung zu bevorzugen, welche prozessökonomisch angezeigt ist.

88. Frage

Wann ist der Tatbestand der Rechtsverweigerung i.e.S. (als Teilgehalt des Rechtsverweigerungsverbots) erfüllt?

Der Tatbestand der Rechtsverweigerung i.e.S. ist erfüllt, wenn eine Behörde ausdrücklich erklärt, dass sie ein Rechtsbegehren nicht behandelt, indem sie nicht auf die Sache eintritt, obwohl die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind.

89. Frage

Wann liegt Rechtsverzögerung (als Teilgehalt des Rechtsverweigerungsverbots) vor?

Rechtsverweigerung liegt vor, wenn eine Behörde nicht ausdrücklich erklärt, dass sie die Sache nicht behandelt, sondern einfach einen Entscheid trifft, womit das Verfahren verzögert wird.

90. Frage

Was ist unter übersprizten Formalismus zu verstehen?

Beim überspitzten Formalismus verweigert die Behörde den Parteien das Recht dadurch, dass sie übertriebene Anforderungen stellt oder Formvorschriften mit rigoroser Strenge handhabt, obwohl dies sachlich nicht geboten ist. Allerdings bleibt anzumerken, dass sich eine solche Relativierung des Formalismus nur rechtfertigt, wenn die Verwirklichung des Rechts auf unhaltbare Weise erschwert oder behindert wird (z.B. Art. 132 ZPO, Art. 148 ZPO).

91. Frage

Wann liegt eine materielle Rechtsverweigerung (als Teilgehalt des Rechtsverweigerungsverbot) vor?

Eine materielle Rechtsverweigerung ist gegeben, wenn die Behörde das Recht verweigert, indem sie einen Entscheid trifft, der inhaltlich unhaltbar falsch ist, was vor allem dann der Fall ist, wenn ein Willkürlicher Entscheid gefällt wird (vgl. auch Art. 9 BV, Willkürvebot).

92. Frage

Woraus ergibt sich der Anspruch auf rechtliches Gehör und welche Bedeutung kommt diesem zu?

Der Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich für den Zivilprozess aus Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 53 Abs. 1 ZPO. Er stellt die wohl wichtigste Verfahrensgarantie dar.

93. Frage

Welche Teilgehalte umfasst der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 53 Abs. 1 ZPO)?

  • Äusserungsrecht
  • Recht auf Akteneinsicht
  • Recht auf Beweis
  • Recht auf Teilnahme an Verfahrenshandlungen
  • Recht auf Begründung des Entscheids

94. Frage

Welche Ansprüche ergeben sich aus dem Äusserungsrecht der Parteien?

Im Rahmen des Äusserungsrecht müssen sich die Parteien zur Sache äussern und ihren Standpunkt darlegen dürfen, bevor ein Entscheid getroffen wird. Daraus folgt, dass die Behörde über den in Aussicht gestellten Entscheid informieren muss.

95. Frage

Was ist vom Äusserungsrecht nicht erfasst?

Aus dem Äusserungsrecht ergibt sich kein Recht auf mündliche Anhörung. Dem Anspruch wird i.d.R. mittels schriftlicher Stellungnahme entsprochen (insb. Rechtsmittelverfahren).

96. Frage

Welche Bedeutung kommt dem Recht auf Akteneinsicht zu?

Das Recht auf Akteneinsicht dient der wirksamen Wahrnehmung/Durchsetzung des Äusserungsrecht der Parteien, indem ihnen ein Anspruch auf Einsicht in die Verfahrensakten (Art. 53 Abs. 2 ZPO) zu kommt um die Entscheidgrundlagen der Behörden zu kennen.

97. Frage

Welche Verpflichtung ergibt sich für die Behörden aus Art. 29 Abs. 2 BV?

Die Behörden sind zur Aktenführung verpflichtet, damit der Anspruch der Prozessparteien auf Akteneinsicht überhaupt wahrgenommen werden kann.

98. Frage

Inwieweit sind Einschränkungen des Akteneinsichtsrechts (Art. 53 Abs. 2 ZPO) zulässig?

Einschränkungen des Akteneinsichtsrechts sind zulässig, wenn überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen (Art 53 Abs. 2 ZPO). Auf der Grundlage geheimer Akten darf aber zum Nachteil der anspruchsberechtigten Partei nur entschieden werden, wenn ihr der wesentliche Inhalt bekannt gegeben und Gelegeheit zur Stellungnahme und Bezeichnung von Gegenbeweisen geboten wurde (Art. 449b Abs. 2 ZPO). Die Anspruchsberechtigte Partei muss in jedem Fall die Möglichkeit haben, die Richtigkeit geheimer Akten zu bestreiten (Gegenbeweis).

99. Frage

Wann kann das Gericht im Zivilprozess auf die Abnahme von Beweisen verzichten?

Das Gericht kann auf die Abnahme von Beweisen verzichten, wenn der angebotene Beweis folgende Mägel aufweist:

  • materiellrechtliche Unerheblichkeit (Art. 150 Abs. 1 ZPO)
  • Unzulässigkeit (Art. 152 Abs. 2 ZPO)
  • Untauglichkeit (Unmöglichkeit des Beweises)
  • Überflüssigkeit (Art. 151 ZPO, Art. 150 Abs. 1 ZPO)
  • Rechtsmissbräuchlichkeit (Art. 2 Abs 2 ZGB)

100. Frage

Was ist eine antizipierte Beweiswürdigung?

Eine antizipierte Beweiswürdigung beschreibt den Fall, in welchem ein untaugliches oder überflüssiges Beweismittel angeboten wird. Das Gericht lehnt den Beweisantrag ab, weil es entweder willkürfrei der Meinung sein darf, der Beweis sei schon unumstösslich erbracht und auch der angebotene Beweis könne daran nichts ändern oder weil es die zu beweisenden Tatsachen als gegeben betrachtet (sog. Wahrungsunterstellung).

101. Frage

Welche Ansprüche lassen sich aus dem Recht auf Teilnahme an Verfahrenshandlungen ableiten?

Aus dem Recht auf Teilnahme an Verfahrenshandlungen ergibt sich der Anspruch der Parteien an der Beweisführung teilnehmen zu können um den Anspruch auf Beweisführung (insb. Gegenbeweis) wirksam wahrnehmen zu können.

102. Frage

Was soll mit dem Recht auf Begründung des Entscheids bezweckt werden?

Mittels dem Recht auf Begründung des Entscheids soll sichergestellt werden, dass sich die Behörde mit dem Vorbringen der Parteien ernsthaft und sogfältig auseinandergesetzt und diese gehört hat. Die Rechtssuchenden sollen somit die Möglichkeit haben den Entscheid zu verstehen und nachzuvollziehen, warum ihre Vorbringen nicht zu überzeugen vermochten. Entscheide müssen also so begründet werden, dass die Betroffenen den Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten können und die Rechtsmittelinstanz den Entscheid überprüfen kann.

103. Frage

Ist das rechtliche Gehör formeller oder materieller Natur? Was haben Gehörsverletzungen zur folge?

Das rechtliche Gehör ist grundsätzlich formeller Natur. Bei Gehörsverletzungen muss der angefochtene Entscheid aufgehoben werden. Diese Verletzung kann im Rechtsmittelverfahren geheilt wreden, wenn die Verletzung nicht schwer wiegt und die Rechtsmittelinstanz in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht über die genau gleiche Überprüfungsbefugnis verfügt wie die Vorinstanz. Teilweise wird auch vertreten, dass auch bei schweren Gehörsverletzungen, trotz Nichtigkeit des Entscheids, eine Heilung im Rechtsmittelverfahren möglich ist, wenn die Rücküberweisung an die Vorinstanz zu einem formalistischen Leerlauf führen würde.