ZPO/SchKG - § 1 Grundlagen
- Kennen der Grundlagen des Zivilprozess- und Vollstreckungsrechts
- Kennen der Grundlagen des Zivilprozess- und Vollstreckungsrechts
Kartei Details
Karten | 102 |
---|---|
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Recht |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 24.03.2017 / 20.12.2024 |
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89. Frage
Wann liegt Rechtsverzögerung (als Teilgehalt des Rechtsverweigerungsverbots) vor?
Rechtsverweigerung liegt vor, wenn eine Behörde nicht ausdrücklich erklärt, dass sie die Sache nicht behandelt, sondern einfach einen Entscheid trifft, womit das Verfahren verzögert wird.
90. Frage
Was ist unter übersprizten Formalismus zu verstehen?
Beim überspitzten Formalismus verweigert die Behörde den Parteien das Recht dadurch, dass sie übertriebene Anforderungen stellt oder Formvorschriften mit rigoroser Strenge handhabt, obwohl dies sachlich nicht geboten ist. Allerdings bleibt anzumerken, dass sich eine solche Relativierung des Formalismus nur rechtfertigt, wenn die Verwirklichung des Rechts auf unhaltbare Weise erschwert oder behindert wird (z.B. Art. 132 ZPO, Art. 148 ZPO).
91. Frage
Wann liegt eine materielle Rechtsverweigerung (als Teilgehalt des Rechtsverweigerungsverbot) vor?
Eine materielle Rechtsverweigerung ist gegeben, wenn die Behörde das Recht verweigert, indem sie einen Entscheid trifft, der inhaltlich unhaltbar falsch ist, was vor allem dann der Fall ist, wenn ein Willkürlicher Entscheid gefällt wird (vgl. auch Art. 9 BV, Willkürvebot).
92. Frage
Woraus ergibt sich der Anspruch auf rechtliches Gehör und welche Bedeutung kommt diesem zu?
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich für den Zivilprozess aus Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 53 Abs. 1 ZPO. Er stellt die wohl wichtigste Verfahrensgarantie dar.
93. Frage
Welche Teilgehalte umfasst der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 53 Abs. 1 ZPO)?
- Äusserungsrecht
- Recht auf Akteneinsicht
- Recht auf Beweis
- Recht auf Teilnahme an Verfahrenshandlungen
- Recht auf Begründung des Entscheids
94. Frage
Welche Ansprüche ergeben sich aus dem Äusserungsrecht der Parteien?
Im Rahmen des Äusserungsrecht müssen sich die Parteien zur Sache äussern und ihren Standpunkt darlegen dürfen, bevor ein Entscheid getroffen wird. Daraus folgt, dass die Behörde über den in Aussicht gestellten Entscheid informieren muss.
95. Frage
Was ist vom Äusserungsrecht nicht erfasst?
Aus dem Äusserungsrecht ergibt sich kein Recht auf mündliche Anhörung. Dem Anspruch wird i.d.R. mittels schriftlicher Stellungnahme entsprochen (insb. Rechtsmittelverfahren).
96. Frage
Welche Bedeutung kommt dem Recht auf Akteneinsicht zu?
Das Recht auf Akteneinsicht dient der wirksamen Wahrnehmung/Durchsetzung des Äusserungsrecht der Parteien, indem ihnen ein Anspruch auf Einsicht in die Verfahrensakten (Art. 53 Abs. 2 ZPO) zu kommt um die Entscheidgrundlagen der Behörden zu kennen.
97. Frage
Welche Verpflichtung ergibt sich für die Behörden aus Art. 29 Abs. 2 BV?
Die Behörden sind zur Aktenführung verpflichtet, damit der Anspruch der Prozessparteien auf Akteneinsicht überhaupt wahrgenommen werden kann.
98. Frage
Inwieweit sind Einschränkungen des Akteneinsichtsrechts (Art. 53 Abs. 2 ZPO) zulässig?
Einschränkungen des Akteneinsichtsrechts sind zulässig, wenn überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen (Art 53 Abs. 2 ZPO). Auf der Grundlage geheimer Akten darf aber zum Nachteil der anspruchsberechtigten Partei nur entschieden werden, wenn ihr der wesentliche Inhalt bekannt gegeben und Gelegeheit zur Stellungnahme und Bezeichnung von Gegenbeweisen geboten wurde (Art. 449b Abs. 2 ZPO). Die Anspruchsberechtigte Partei muss in jedem Fall die Möglichkeit haben, die Richtigkeit geheimer Akten zu bestreiten (Gegenbeweis).
99. Frage
Wann kann das Gericht im Zivilprozess auf die Abnahme von Beweisen verzichten?
Das Gericht kann auf die Abnahme von Beweisen verzichten, wenn der angebotene Beweis folgende Mägel aufweist:
- materiellrechtliche Unerheblichkeit (Art. 150 Abs. 1 ZPO)
- Unzulässigkeit (Art. 152 Abs. 2 ZPO)
- Untauglichkeit (Unmöglichkeit des Beweises)
- Überflüssigkeit (Art. 151 ZPO, Art. 150 Abs. 1 ZPO)
- Rechtsmissbräuchlichkeit (Art. 2 Abs 2 ZGB)
100. Frage
Was ist eine antizipierte Beweiswürdigung?
Eine antizipierte Beweiswürdigung beschreibt den Fall, in welchem ein untaugliches oder überflüssiges Beweismittel angeboten wird. Das Gericht lehnt den Beweisantrag ab, weil es entweder willkürfrei der Meinung sein darf, der Beweis sei schon unumstösslich erbracht und auch der angebotene Beweis könne daran nichts ändern oder weil es die zu beweisenden Tatsachen als gegeben betrachtet (sog. Wahrungsunterstellung).
101. Frage
Welche Ansprüche lassen sich aus dem Recht auf Teilnahme an Verfahrenshandlungen ableiten?
Aus dem Recht auf Teilnahme an Verfahrenshandlungen ergibt sich der Anspruch der Parteien an der Beweisführung teilnehmen zu können um den Anspruch auf Beweisführung (insb. Gegenbeweis) wirksam wahrnehmen zu können.
102. Frage
Was soll mit dem Recht auf Begründung des Entscheids bezweckt werden?
Mittels dem Recht auf Begründung des Entscheids soll sichergestellt werden, dass sich die Behörde mit dem Vorbringen der Parteien ernsthaft und sogfältig auseinandergesetzt und diese gehört hat. Die Rechtssuchenden sollen somit die Möglichkeit haben den Entscheid zu verstehen und nachzuvollziehen, warum ihre Vorbringen nicht zu überzeugen vermochten. Entscheide müssen also so begründet werden, dass die Betroffenen den Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten können und die Rechtsmittelinstanz den Entscheid überprüfen kann.
103. Frage
Ist das rechtliche Gehör formeller oder materieller Natur? Was haben Gehörsverletzungen zur folge?
Das rechtliche Gehör ist grundsätzlich formeller Natur. Bei Gehörsverletzungen muss der angefochtene Entscheid aufgehoben werden. Diese Verletzung kann im Rechtsmittelverfahren geheilt wreden, wenn die Verletzung nicht schwer wiegt und die Rechtsmittelinstanz in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht über die genau gleiche Überprüfungsbefugnis verfügt wie die Vorinstanz. Teilweise wird auch vertreten, dass auch bei schweren Gehörsverletzungen, trotz Nichtigkeit des Entscheids, eine Heilung im Rechtsmittelverfahren möglich ist, wenn die Rücküberweisung an die Vorinstanz zu einem formalistischen Leerlauf führen würde.
1. Frage
Welche Bedeutung kommt den Rechtssätzen des materiellen Rechts zu? Nennen Sie Beispiele aus dem Gesetz.
Zum materiellen Recht gehören diejenigen Rechtssätze, die inhaltlich festlegen, wie eine bestimmte Rechtslage sein soll, was also rechtens ist und zwischen den Beteiligten gilt.
- OR 41 Abs. 1 (Recht auf Schadenersatz)
- OR 305 (Recht auf Leihe und Rückgabe)
- StGB 139 Ziff. 1 (Diebstahl unter Strafandrohung)
2. Frage
Was muss erfüllt sein, damit das materielle Recht durchgesetzt werden kann?
Damit materielles Recht durchgesetzt werden kann, muss die materielle Rechtslage feststehen. Es muss zunächst festgestellt werden, wie sich der Sachverhalt tatsächlich ereignet hat bzw. ob er sich wirklich so ereignet hat, wie behauptet wird und welche Rechtsnormen auf diesen Sachverhalt anwendbar sind (Erkenntnisverfahen). In einem zweiten Schritt muss bestimmt werden, wie das Recht auch gegen den Willen des Verfplichteten durchgesetzt werden kann (Vollstreckungsverfahren).
3. Frage
Wie ist das Verhältnis zwischen Erkenntnisverfahren und Vollstreckungsverfahen?
Da die materielle Rechtslage davon abhängt, wie sich der Sachverhalt ereignet hat, kommt der Feststellung des Sachverhalts hervorragende Bedeutung zu. Damit kommt dem Erkenntnisverfahren Vorrang vor dem Vollstreckungsverfahren zu.
4. Frage
Was hat das formelle Recht zum Gegenstand?
Das formelle Recht umfasst diejenigen Rechtssätze, die bestimmen, wie der rechtserhebliche Sachverhalt und die Rechtslage festgestellt und das materielle Recht durchgesetz werden soll.
5. Frage
Nennen Sie mind. 2 Beispiele für formelles Recht.
- ZPO
- BGG
- StPO
- SchKG
- kantonale Prozessordnungen des öffentlichen Rechts
6. Frage
In welche Teilbereiche lässt sich formelles Recht unterteilen?
- Organisationsrecht
- formelles Recht i.e.S.
- Vollstreckungsrecht
7. Frage
Wozu dient das Organisationsrecht?
Das Organisationsrecht (Gerichtsverfassungsrecht, Gerichtsorganisationsrecht) legt fest, welche Behörden das Recht durchsetzen sollen. Es hat die Hauptfunktion, die Zuständigkeiten der verschiedenen in Frage kommenden Behörden abzugrenzen, sowie festzustellen, welche Behörde überhaupt existieren, wer sie wählt, welche fachlicheen Anforderungen ans sie gestellt werden und wie sie sich zusammensetzen.
8. Frage
Was ist unter dem formellen Recht i.e.S. zu verstehen und wozu dient es?
Das formelle Recht i.e.S. enthält das eigentliche Verfahrensrecht. Es dient dazu zu bestimmten, nach welchen Regeln das Verfahren vor den zuständgen Behörden abläuft. Es hat somit u.a. die Aufgabe festzulegen in welcher Form Ansprüche gegen andere geltend gemacht werden sollen, welche Beweismittel zugelassen sind und was gegen ein (vermeindliches) Fehlurteil getan werden kann.
9. Frage
Was ist die Aufgabe des Vollstreckungsrechts?
Das Vollstreckungsrecht legt fest, wie die behördlich oder gerichtlich getroffenen Entscheide, also die verbindlich festgestellte materielle Rechtslage, auch gegen den Willen der Verpflichteten durchgesetzt werden kann.
10. Frage
Wann kommt das Vollstreckungsrecht zum Zuge und gibt es Ausnahmen?
Das Vollstreckungsrecht kommt grundsätzlich erst zum Zuge, wenn ein Entscheid schon vorliegt. Eine Ausnahme bildet die Schuldbetreibung in Form des Zahlungsbefehls (unter der Voraussetzung, dass kein Rechtsvorschlag erhoben wird), als Vollstreckungstitel.
11. Frage
Gibt es ein Schweiz weit einheitliches Prozessrecht?
Nein, es existiert nicht ein Prozessgesetz, das bei allen Streitigkeiten anwendbar wäre und diesbezüglich einheitliche Verfahrensregln vorsehen würde. Vielmehr besteht eine Vielzahl (Pluralismus) von verfahrensrechtlichen Bestimmungen in verschiedenen Erlassen und auf unterschiedlichster Normstufe (Rechtszersplitterung).
12. Frage
Was sind die Gründe der prozessrechtlichen Rechtszersplitterung?
- traditionelle horizontale Rechtszersplitterung in Privatrecht, Strafrecht und Verwaltungsrecht (jedes hat sein eigenes Verfahrensrecht)
- vertikale Rechtszersplitterung aufgrund der föderalistischen Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen
13. Frage
Auf welche Arten erfolgt die Koordination der Verfahrensgebiete im Kollisionsfall?
- Verfahrenssitstierung (Aussetzen eines Verfahrens bis zum Abschluss des anderen Verfahrens): kennen alle 3 Verfahensgebiete
- Adhäsionsprozess (Zusammenführung von Zivil- und Strafprozess; Zivilansprüche werden im laufenden Strafverfahren geltend gemacht und mitbeurteilt): nur auf Zivil- und Strafprozessrecht anwendbar
14. Frage
Wie ist das Verwaltungsverfahrensrecht in der Schweiz geregelt und wie ist sein Verhältnis zur sog. "lex fori processualis" geregelt?
Gegenwärtig verfügen alle Kantone und der Bund über ihre eigenen Verwaltungsverfahrensgesetze. Grundsätzlich gilt, dass jede Behörde ihr eigenes Prozessrecht anwendet. Dieser Grundsatz der "lex fori processualis" findet seine Grenzen dann, wenn eine Behörde an das Prozessrecht des Bundes gebunden ist (z.B. Betreibungs- und Konkursbehörden sind an SchKG gebunden; BGer ist an BGG gebunden; Bundesbehörden sind and VwVG gebunden).
15. Frage
Nennen Sie die Quellen des Verfahrensrechts.
- innterstaatliche Gesetze: ZPO, StPO, VwVG, BGG, SchKG, kant. Verwaltungsverf. Gesetze
- Verfassung
- völkerrechtliche Verträge: bi- und multilaterale Staatsverträge
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